Warum? Das S3 galt und gilt nachwievor als Benchmark für alle Hersteller, die den Aero-Zug 2010 nicht verpassen wollten. Kaum ein White-Paper, kaum ein Test und kaum eine Website, die keine Referenz zum großen Vorbild S3 hergestellt hätte.
"Es war immer Cervélos Politik," so einer der beiden Gründer in einem Interview, "dass wir Dinge umsetzen, weil sie notwendig und sinnvoll sind und nicht, weil Marketingstrategen größeren Absatz prognotizieren." Dem mag man glauben oder nicht - Kritiker der Marke Cervélo halten ja von jeher dagegen, dass das Unternehmen keine eigene Produktion hätte und sowieso nur aus Entwicklern und Marketing bestünde.
Andererseits: Was will man als Kunde lieber? Ein Unternehmen, dessen Fokus auf Forschung und Entwicklung liegt oder eines, das viel Erfahrung in der Produktion hat?
Um mit einem, sehr deutschen, Vorurteil mal aufzuräumen: "Made in Taiwan" ist, was Carbon-Rahmen angeht, mittlerweile ein Qualitätsmerkmal. Die dort ansässige Industrie ist weit mehr, als Billigfertigung. Wenn also Cervélo mit einem guten Qualitätsmanagement sicher stellen kann, dass ein Kontraktor hochwertiges Material liefert, habe ich kein Problem damit.
Im Gegenteil - so kann sich Cervélo, laut eigenen Aussagen ja eine "Engeneering Company", auf das Entwickeln und Testen neuer Bikes konzentrieren. So wie aktuell beim S5. Echte Windkanaltests - keine 2-Stunden-Shootings. Echte Kooperationen, wie aktuell mit 3T oder Mavic, keine Komponenten-Deals.
Sicher, der Termin der Vorstellung des Bikes zur Tour de France ist clever gewählt, wann, wenn nicht zur TDF schauen die Leute zu? Die Erfolge von Thor Hushovd auf dem S5 tun ihr Übriges. Aber Cervélo hier "böse Marketingstrategien" zu unterstellen ... Leute, dieser Termin liegt so nahe, dass das im ABC beim Marketing-Grundstudium schon vorausgesetzt wird.
Was aber unterscheidet das S5 von einem S-Works Venge oder dem viel gerühmten Scott Foil?
Ehrlich Meinung von mir?
Es ist mir egal!
Darüber, ob Aero wirklich signifikante oder spürbare Vorteile bringt, lässt sich trefflich streiten. Da gibt es ja auch jede Menge Plattformen und Foren, wo dies leidenschaftlich und ausführlich getan wird. Da will und kann ich mich gar nicht einschalten.
Für mich als Cervelover sind diese Diskussionen zweitrangig: Ich werde den Rahmen nie auch nur ansatzweise an den Rand der Steifigkeitsgrenze bekommen, ich werde nie eine Soloflucht über 60 Kilometer mit einem 45er Schnitt antreten und ob ich bei einer RTF 1 Minute auf 40 Kilometer schneller bin als der Rest ... mal ehrlich, bei den RTFs bin ich eh schneller als die meisten Bierbauch-Daddies, und an den Boliden der RG Uni oder St. Pauli komme ich eh nicht vorbei. Ob mit oder ohne Aero.
Das entscheidet nicht über einen Kauf.
Das S5 ist für mich schlichtweg ... ein geiles Teil!
Es macht süchtig beim ersten Ansehen. Das Rahmendesign ist modern, ohne klassische Elemente zu verleugnen. Alle Entwicklungen (vor allem die Cervélo-eigenen wie BBRight oder Squoval) sind integriert, das Unterrohr, dessen scharfe Tropfenform, die beim Soloist schon super aussah, geht in ein Kamm-Profil über. Allein das Unterrohr hat einen Red Dot Design Award verdient!
Großartige Detaillösungen, wie der in das Unterrohr integrierte Gabelschaft-Ansatz, die Sitzstreben, die den Luftstrom um die Hinterradbremse leiten (sollen) und die Sattelstütze lassen mein Herz höher schlagen.
Der Paintjob ist bei Cervélo seit jeher ein Punkt, an dem sich die erhitzten Gemüter entzünden: Wer bunt will, soll sich ein Wilier oder ein Bianchi kaufen. Ich persönlich mag die einfachen Streifen und musste schmunzeln, als ich das S5 zum ersten mal sah: Die bei meinem R3 noch eckigen Stripes einfach etwas abgerundet, einfach etwas organischer auf den Rahmen aufzubringen, ist ebenso schlicht wie genial. Genau mein Ding.
Stellt sich mir jetzt nur noch die eine Frage: Wie zur Hölle kann ich nur der Versuchung widerstehen, mir ein Cervélo S5 zu kaufen?!?
Oder muss ich das gar nicht?
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