Um es vorweg zu nehmen: Es war das
perfekte Rennen! Ich habe alles richtig gemacht. Wir haben im Team alles richtig gemacht. In der Box wurde alles richtig gemacht. Und letztlich war auch das Wetter so perfekt, dass alles andere als das super Ergebnis, das wir eingefahren hatten, mehr als enttäuschend gewesen wäre.
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Startnummer sitzt: Auch 2012 wieder im 24-Stunden-Zweierteam |
Das Vorspiel und die Lehren
Bereits 2011 trete ich mit meinem
SunClass-Teamkollegen Heiko hier beim 24-Stunden-Rennen auf der legendären Nordschleife des Nürburgringes an - und wir
scheitern. Zu schnell zu viel gewollt. Überdreht, ausgepowert.
Ohne Kräfte sinnvoll einzuteilen, völlig übermüdet und in Unkenntnis darüber, was es für Qualitäten braucht, um ein 24-Stunden-Rennen durchzustehen, scheitert zunächst Heiko nach seiner dritten Runde, kann sich nicht mehr erholen und so können wir am Ende insgesamt nur 13 Runden fahren - und sind dabei noch froh, nicht vollends bewusstlos vom Rennrad gekippt zu sein. Wir geben einen gute 74gsten Platz, den wir kurzzeitig innehaben, auf. Enttäuscht als begossene Pudel fahren wir heim. Unsere
Rennrad-Doku PUNCHLINE wird dies eindrucksvoll zeigen. (Wenn sie denn mal fertig wird ... :)
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Planung ist alles: Teambesprechung mit Heiko |
In diesem Jahr soll es anders werden: Wir haben uns vorgenommen, uns beim Ring zu revanchieren. Wir lernen aus unseren Fehlern, und so habe ich mir drei Lektionen ganz besonders eingeprägt: Sei ausgeschlafen! Fahre ruhig! Nutze jede Chance zur Regeneration!
Wir reisen mit 3 Zweierteams bereits am Freitagabend an, Flow und Rob haben mit dem Van schon längst den Ring erreicht, beziehen unsere zwei Parzellen (die ersten Boxenplätze direkt Ausgang Start/Ziel auf der linken Seite) und holen die Startunterlagen.
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Unser Fuhrpark: Isaac, Stevens, Tomassini und 2 Cervélo |
Der Rest vom Team - Heiko, Ines, Swantje (unser Damenteam) und die Boxenbetreuung mit Angela und Benji - treffen mit dem Caravan um halb neun am Ring ein.
Am Nürburgring - 15 Stunden bis Start
Es ist kalt. Es regnet. Es geht ein beißend arktischer Wind. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, als wir auf der vollkommen verschlammten Wiese neben der Rennstrecke fast versinken, in nassen Turschschuhen um Camper und Van herum turnen, um die Box aufzubauen.
"Alter, wasn das für ein Wetter!", hört man es allenthalben pöbeln, die Leute stehen mit hochgezogenen Krägen im Regen und mäkeln was das Zeug hält: Nee, bei diesem Scheißwetter 24 Stunden auf dem Rennrad, wie soll das gehen? Bei Regen die Fuchsröhre? 90 km/h mit Wasserfall-Effekt? Wie die Klamotten trocken bekommen? Ich habe nur eine Kombination SunClass-Klamotten und selbst wenn ich zwei hätte: Die bekommen wir niemals trocken.
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So sonnig wird es erst am nächsten Morgen aussehen. |
Bange Blicke heften sich auf Smartphone-Displays, Wetter.com wird für heute massive Zugriffe aus der Eifel verzeichnen: Na, für morgen sieht die Vorhersage doch schon angenehmer aus (und es wird ja auch Bombe werden.)
Wir gehen zum Boulevard. Die "Messe" enttäuscht etwas: Noch kleiner als im Vorjahr, an Rennrädern steht hier gar nichts herum, nicht einmal Hauptsponsor Bulls hat ein paar schicke Teile hier - dafür "locken" eine Menge eBikes. Naja.
Pastaparty und Livemusik. Naja.
Currywurst nur auf Chipkarte. Naja.
Zwei Klamottenverkaufsstände. Naja.
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Testfahrt mit dem Cervélo S5 |
Zurück in der Box trinken wir noch ein Bier. Und gehen sofort schlafen. Es ist halb elf. Morgen startet das Rennen. Und ich will ausgeschlafen sein.
Die Nacht wird unruhig: Immer wieder zerren heftige Böen an unserem Campingbus. Der Caravan wackelt, es pfeift und stürmt. Na, immerhin höre ich so Heikos Schnarchen nicht - mit Ohropax zu pennen, ist nicht meins, stelle ich fest. Besser hat es da Flow: Er hat sich den Van allein gesichert und eine Flow-Höhle daraus gebaut. Robert wurde rausgeschmissen und muss sich mit Benji auf dem Behelfsbett drängen. Nicht die feine Englische ...
Oben träumen indes Ines und Angela in einem ruhigen Schlaf.
Irgendwann falle auch ich dann in Traumtrance. Mein Traum dreht sich - wieder einmal - um Felgenbrüche und Reifenplatzer. Lieber die Katastrophen in der Schlafwelt ausleben, als morgen in der Fuchsröhre ...
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Meine Rakete für 24 Stunden: Das geniale Cervélo S5 Team |
Ich bin ohne mein Cervélo R3 angereist - habe aber statt dessen das S5 Team im Gepäck. Ausgestattet mit SRAM Red, Aerolaufrädern von Mavic und mithin das "schnellste Rad im Feld" bin ich gespannt, wie die Aero-Waffe der Kanadier auf diesem Kurs performed: High-Speed und steilste Rampen stehen auf dem Programm. Ich freue mich auf 24 Stunden Dauertest!
3 Stunden bis Start - Getting ready to rumble!
Die Spannung steigt. Flow und Rob sind das erste Mal bei einem 24-Stunden-Rennen dabei und legen sich ihre Strategie fest: "Ja, also, wir machen Einzelrunden bis 23, 24 Uhr - und dann fährt jeder Dreierrunden, sodass der andere dann zweieinhalb Stunden Schlaf bekommt ...", meint Flow.
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Tolle, tolle Boxencrew: Benjamin & Angela. Danke für Euren Einsatz! |
Heiko und ich grinsen uns nur an: Na, die kommen auch noch dahinter. Drei Runden kann man draußen bleiben, klar, das geht. Aber nicht, wenn man sich vorher schon 4 Runden mit immerhin gut 2.500 Höhenmetern in den Knochen hat. Aber alles reden hilft nix, die Jungs sind sich sicher, dass sie es so machen wollen.
Ines und Swantje fahren da eine Strategie, die ich schon realistischer finde: Einzelrunden bis es dunkel wird - und dann abwechselnd Doppelrunden. Das ist dann auch die Taktik, die Heiko und ich uns zurecht gelegt haben.
"Fragt sich nur noch, wer die Startrunde macht ...", sagt Heiko und schaut mich an. Er wollte unbedingt 2011 starten - und hatte sich vom Massenstart, dem Gebolze und dem Adrenalin verleiten lassen, extrem zu powern. Grundstein für sein frühes Aus. 2012 möchte er "auf keinen Fall mehr starten", aber ich bleibe hart: "Die Münze soll wieder entscheiden", sage ich.
"Okay, bei Kopf starte ich - bei Zahl startest Du.", meint er.
50 Cent torkeln goldig glitzernd durch die Luft.
Landen sicher in meiner Hand.
Werden flux umgedreht auf meinem Unterarm.
Heiko blickt mich an.
Ich ziehe die Hand weg.
Kopf.
Yeah!
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Das Glück ist mir hold: Heiko muss wieder die Startrunde fahren. |
Als Heiko sich mosernd bereit macht, kann ich noch in Ruhe in Zivilklamotten in der Sonne am Rand der Rennstrecke stehen und genieße die wärmenden Strahlen: Bei Rob, Ines und Heiko schnellt der Puls nach oben: Gleich ist Start!
Die erste Rennphase - 13 Uhr bis 20 Uhr
Heiko kommt nach 56 Minuten wieder rein. Seine erste Runde hat er hinter sich. Gelassen übergibt er mir den Transponder, ich mache mich auf die Strecke - endlich wieder Nordschleife!
Ich liebe diesen Kurs: Er ist das geilste, was man mit dem Rennrad in Deutschland machen kann. Er ist schnell - bis zu 100 km/h kann man in der Fuchsröhre erreichen - er ist hart, immerhin 615 Höhenmeter sind auf der knapp 26 km langen Runde zu absolvieren, dazu viele Abschnitte mit 11 %, einige mit 15 % und dann schließlich die Hohe Acht mit ganzen 18 % Steigung. Da muss man schon reintreten können.
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Race-Emotion pur: Die Nordschleife |
Die Nordschleife ist anspruchsvoll: Die Ex-Mühle und einige Passagen vor dem Bergweg und nach der Hohen Acht werden mit Fullspeed gefahren und bieten Kurvenkombinationen, die technisches Können und volle Radbeherrschung erfordern. Uneinsehbare Kurven, von denen einige auch noch "zumachen".
Ich reite den Formel 1-Kurs ab: Es herrscht Hochstimmung in den Boxen neben der Strecke. Ein kleines Bergabstück auf der Rückseite des Ringes, dann ein kleiner Anstieg, wieder durchs Fahrerlager und die Formel 1-Boxengasse bei den Premium-Teams vorbei: Hier ist immer Betrieb.
Erst dann geht es auf die Nordschleife. Als ich die erste Abfahrt und die beiden Doppel-Linkskurven nehme, hat mich endgültig das Rennfieber gepackt. Vor mir, etwa 2 Minuten früher gestartet, fährt Flow. Sein Team führt also SunClass-teamintern. Na, den bekomme ich schon noch ...
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Erste Runden noch im Pulk |
Ich beende meine erste Runde nach 53 Minuten - als ich in der Box eintreffe, steht Heiko schon bereit. Auf gehts - Runde 2.
Ich stelle mein Rennrad - dieses mal das fantastische Cervélo S5 - (später hierzu ein ausführlicherer Bericht) - an den Caravan und speise im Camper: Stulle mit Brot. Angela ist schon dabei, die Nudeln für das "Abendbrot" aufzusetzen.
Die Stimmung bei uns ist perfekt: Flow strahlt bis über beide Ohren. "Die Strecke ist der Hammer!", sprudelt es nur so aus ihm heraus. Auch Ines, die ihrerseits die erste Runde absolviert hat, schnattert mit überschlagender Stimme von ihrem ersten Höllenritt durch die Fuchsröhre. Perfekt - so muss das Rennen starten!
Heiko kommt wieder nach 59 Minuten rein - und absolviert damit seine beiden ersten Runden in exakt der selben Zeit, wie 2011. Übernimmt er sich wieder?
"Bin superfrisch - genial!", ruft er mir zu, als wir die Transponder übergeben. Na, das klingt doch klasse!
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Auch Kletterqualitäten sind hier gefragt |
Da Robert schon wieder vor Heiko reinkam, ist Flow auch schon auf der Strecke. Ich nehme mir zwar nicht vor, ihn einzuholen, aber es wäre doch schon cool, wenn Heiko und ich sein Team noch überholen könnten. Und irgend etwas in mir sagt mir, dass mir das heute gelingen wird. Da! Ist er das? Ich bin im ersten langen Anstieg, es geht seicht mit 7 bis maximal 11 % auf einer Lange von 4 Kilometern bergan.
Ich pace nicht allzu schnell - aber das da vorn müsste doch Flow sein? Unsere Trikots sind nicht zu verwechseln.
Langsam arbeite ich mich vor: Nee, es ist jemand anderes.
Schon ängstlich, zu viel Stoff gegeben zu haben, nehme ich wieder raus: Mit der Hohen Acht ist nicht zu spaßen und nur um Flow einzuholen sollte ich nicht die gesamten 24 Stunden aufs Spiel setzen.
Doch da, auf einmal - taucht er vor mir auf! Es ist der Anstieg zum Karussel vor der Hohen Acht, als ich mich mit einigen kräftigen Tritten neben Flow setzen kann.
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Nordschleife: Rasantes Auf und Ab. |
Ich probiere den Armstrong: Blick nach schräg hinten auf Florian.
"Na?", frage ich betont ruhig. Ich versuche, nicht zu schwer zu atmen. "Alles klar?", sage ich - und ziehe davon. Au Backe, denke ich mir - jetzt ist er sauer. Nun nur nicht wieder einholen lassen! Und gebe Gas. Flow wird im Anstieg keine Chance haben. Aber er ist ein Beißer, ein Bolzer und ein sauguter Abfahrer - er könnte mich auf dem Auf und Ab zur Gegengeraden einholen, oder auf der Gegengeraden selbst. Also trete ich rein.
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Sonnenuntergang: In der Nacht wirds kalt & hart |
Ich beende die Runde nach 52 Minuten - und bin damit nicht nur schneller als auf meiner ersten Runde, sondern auch schneller als Flow. Bange Blicke, wann er denn reinkommt. Heiko ist unterwegs. Ich warte noch einige Minuten. Kein Flow in Sicht. Dann sitze ich wieder im Caravan.
Angela serviert dampfende Pasta-Bolo.
Später kommt Flow rein.
Mein Team liegt damit intern auf Platz 1.
Insgesamt liegen wir um Platz 60 der Zweierteams. 148 Teams sind am Start. Kein schlechter Zwischenstand.
Nach den Nudeln brüht mir Angela einen Kaffee. Mit ihm und einer Banane verziehe ich mich auf meine Liege im hinteren Camperbereich in den Schlafsack und nutze die verbleibenden 40 Minuten, um warm zu bleiben und auszuspannen.
Durch die Nacht - 21 Uhr bis 7 Uhr
Als Heiko wieder reinkommt - pro Runde braucht er nun um 1:10 Stunde - lasse ich meine Absicht, ab 22 Uhr mit den Zweierrunden zu beginnen, durch Benjamin ausrichten. Heiko hätte nix dagegen, sagt er mir.
Mittlerweile ist es dunkel und ich fahre nun auch mit der bewährten Lichttechnik, die zwar, im Vergleich zu den Megalampen, die hier am Start sind, einfach nur lumpig leuchtet, für meine Ansprüche aber vollkommen ausreichend performed.
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Es wird Zeit, die Lichter anzuschalten |
Nachts hat es auf der Nordschleife eine ganz besondere Atmosphäre: Es ist still. Nur Dein Atem und das Surren der Freiläufe. Ab und zu hört man es im Wald knacksen. Ein Uhu uhut. Fledermäuser tauchen blitzschnell flatternd im Lichtkegel meiner Helmlampe auf.
Vor mir zieht sich ein Band rot leuchtender Rücklichter ewig den Berg zur Nürburg hoch. Es ist diese Atmosphäre, dieses schießen durch die Nacht - 80 km/h im Stockdunkel durch die Fuchsröhre ballern - die das Nachtfahren zu einem ganz besonderen Abenteuer macht.
Und doch: man ist nie allein. Nie einsam. Immer ist der nächste Leidende ein, zwei, drei, vier Radlängen entfernt. Gefahren wird sicher: Ich erlebe keine kritische Situation hier, es gehen hier Leute an den Start, die entweder sicher Ihr Rennrad bei Highspeed durch die Nacht bewegen können oder die sich vorbildlich rechts halten und es etwas langsamer angehen.
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Ganz eigene Stimmung: Nacht auf der Nordschleife |
Meine erste Nachtrunde kann ich in knapp über einer Stunde beenden. Die zweite Nachtrunde - und dann geht Heiko auf seinen Doppelstint - muss ich mit viel Kaffee, einer Dritteldose Scho-Ka-Kola Schokolade und einer Flasche mit halb Wasser halb Red Bull angehen. Und es läuft fantastisch!
Es ist kühl - aber nicht kalt.
Es ist trocken.
Perfektes Rennradwetter!
2011 war es unerträglich heiß. Sicher ein Aspekt, warum wir damals so schnell KO waren. Heute läuft alles viel besser.
Wie am Schnürchen, könnte man sagen. Läuft es zu perfekt?
Heiko wird für seine zwei Runden insgesamt knapp 2:45 Stunden benötigen.
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Mitternachts-Imbiss: Baked Potatoe mit Sour Cream und Lachs |
Ich nutze diese Zeit, um ein Geschäft zu verrichten (bis jetzt habe ich nach jeder Runde ausgiebig gegessen: Brot mit Wurst, Gurken, Pasta Bolognese und nun auch noch Baked Potatoe, Lachs und Sour Cream; dazu jede Menge Bananen, Gummitiere und Koffein-Schokolade) und ziehe mich aus. Den Damm creme ich großflächig mit Ibutop ein - reine Vorsichtsmaßnahme - und mümmle mich im Schlafsack ein.
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Der Caravan wird zur Verpflegungs-Masseur-Station |
An Schlafen ist allerdings nicht zu denken: Flow lässt seine schweißnassen Klamotten trockenföhnen. Da helfen auch keine Ohropax. Zudem ist im Camper immer Betrieb. So liege ich da, schließe die Augen und versuche, ruhig zu bleiben.
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Lebende Leichen: Jede Chance zur Regeneration nutzen! |
2 Stunden und 45 Minuten ist eine verdammt lange Zeit.
Als sie vorbei ist und meine Doppelrunde ansteht, ziehe ich mich an: Neben den Beinlingen ziehe ich nun die lange Kompressionssocken, kurze Socken und Überschuhe an. Dazu über das Thermounterhemd gleich ein Langarm-Trikot, die gefütterte Windweste von Gore und noch ein Langarmtrikot. Unter den Helm kommt eine gefütterte Kappe. Und über die Kurzhandschuhe noch die Langversion.
Bibbernd warte ich auf Heiko.
Dann gehts auf meine Doppelrunde.
Ich fliege sicher durch die Nacht. Faszinierend, wie schnell (durch Adrenalin?) der Körper von Dämmermodus auf Hellwach mit allen geschäften Sinnen schalten kann. Die Fuchsröhre genieße ich - ich trete in den Abfahrten kaum noch. Soll die Schwerkraft doch machen! Außerdem herrscht Nordwind - also Gegenwind auf den Abfahrten. Rekorde purzeln hier heute eh nicht.
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Start/Ziel - wieder eine Runde der Nacht abgerungen |
Ich komme nach 1:05 Stunde wieder bei der Box vorbei. Benji steht draußen mit einem Becher dampfend heißer Nudelbrühe. Das habe ich mir vom
Ötztaler Radmarathon abgeguckt - und es funktioniert prima! Wohlig warm wird es im Bauch, ein Gefühl, das noch lange anhalten wird.
So gehe ich in die zweite Runde, die ich ebenso sicher fahren kann und nach 1:06 beende. Weniger Zeit zu Schlafen für Heiko - der aber sichtlich besser aussehend als noch vor einem Jahr pünktlich um 4 Uhr vor der Box steht, um mich nach meinem Doppelstint abzulösen.
Ich fühle mich prima.
Die Müdigkeit kommt langsam durch - Körperlich aber scheine ich fitter zu sein denn je.
Bei Flow und Rob läuft es ähnlich. Natürlich ziehen sie ihre Dreierrunden nicht durch und wechseln sich auch nach Doppelrunden ab. Auch Ines und Swantje fahren noch gutgelaunt. Nicht zuletzt liegt das auch an der tollen Arbeit, die Benji und Angela in der Box verrichten: Immer steht was Leckeres, Dampfendes auf dem Tisch. Immer wird Tee und Kaffee frisch zubereitet. Benji erweist sich als toller Masseur für Ines, nur Swantjes Knie scheint langsam Zicken zu machen.
Rob kommt rein: "Alles klar, läuft genial!", meint er und beginnt, sich aus den taunassen Klamotten zu pellen. Gleich müsste es ja auch dämmern ...
Als Heiko endlich reinkommt habe ich gerade einen 4-Löffel-Kaffee und zwei Bananen intus. Schnell noch ein Mars-Riegel reingedrückt und auf geht es. Die ersten 14 Kilometer verbringe ich noch im Dunkel der Nacht. Doch im Anstieg zur Hohen Acht geht plötzlich - zunächst noch ganz zart rosa, dann vollends neonrot schimmernd - die Sonne auf. Begeistert meine ich zu meinem Nachbarfahrer: "Wie genial, oder?"
Seine Wangen glänzen im ersten Tageslicht.
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Endlich: Zaghafte Sonne und Morgennebel über der Eifel |
Als ich in die Box komme, juble ich: "Leute, wir haben die Nacht gemeistert!"
Und wer die Nacht meistert, der schafft den Rest auch!
Wie auf Droge - 9 Uhr bis 11 Uhr
Wir liegen auf Platz 58. Ich bin begeistert! Flow und Rob auf 68.
Und unsere Damen auf Platz 5. Platz 5, wie geil ist das denn bitte?!?
Erste Ausfallerscheinungen: Swantje fährt nur noch 1:30er-Zeiten, denn ihre Knieschmerzen werden übermächtig. Ich rate ihr, auszusteigen, bevor sie sich das Gelenk ruiniert. 14 km Daueranstieg sind eine enorme Belastung für das Knie - und wir haben allesamt mittlerweile über 4.000 Höhenmeter in den Knochen.
Robert und Flow klagen kaum, aber ich sehe ihnen ihre Müdigkeit an. Heiko ist "total platt", wie er sagt, aber noch steht er und noch steht er pünktlich da. Seine Zeiten pendeln sich bei 1:20 bis 1:30 Stunden pro Runde ein, ich selbst kann noch unter 1:10er Runden bleiben.
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In den Abfahrten wird es noch empfindlich kalt. |
Bei mir aber macht sich langsam auch das rechte Knie bemerkbar: Ist die Woche Abstand zwischen den 239 km langen und 5.500 Höhenmeter messenden Ötztaler doch zu kurz gewesen? Zudem plagen mich Sitzbeschwerden - vor allem der Damm schmerzt.
Ich spachtele alles mit Ibutop zu in der Hoffnung, dass das für die nächsten 70 Minuten, während ich auf der Strecke bin, betäubt bleibt.
Logisch: Eigentlich geht man nicht zu einem Rennen mit einem unbekannten Sattel ...
Herzschlag und Patellabruch
Mein Handy klingelt. "Anrufer: Heiko" steht da. Ich ahne Schlimmes.
"Tja ...", fängt er an. "Ich habe mein Hinterrad geschrottet. Irgendwas ist gebrochen, die Kassette dreht durch. Keine Chance mehr!" Mich trifft ein Schlag. Scheiße!
"Wo bist Du?", tausend Gedanken fliegen mir panisch durch den Kopf. Die Jungs im Caravan stehen mit offenen Mündern da und hören geschockt dem Telefonat zu.
"Hohe Acht, oben!" Scheiße, das dauert eine halbe Stunde, um da hin zu kommen und den Transponder zu holen - wenn Heiko jetzt in eines der patroullierenden Serviceautos steigt, sind wir disqualifiziert. Das wäre es dann. Und nun?
"Und nun?", frage ich.
"Ich frage mal bei einem Serviceauto ob die mir helfen können."
Aufgelegt.
Zitternd beginne ich, mich anzuziehen. Ich sehe mich schon eine halbe Runde "leer" fahren, um dann den Transponder als Einzelkämpfer über die Strecke zu tragen. Es ist 7:40 Uhr - noch mehr als 5 Stunden Rennzeit. Das sind 4 Runden. Für mich allein? No way! Bye, bye, Platz 42, denke ich.
Die Tür geht auf. Swantje kommt rein. "Ich muss aussteigen.", sagt sie und sieht dabei aus, als sei ihr ein Geist begegnet. Das Knie. Aus. Vorbei.
Ines trägt es mit Fassung. Sie wird nun in einem unglaublichen Kraftakt - immerhin nach fast 15 Stunden Rennen - drei Runden hintereinander draußen bleiben. Sie wird sich durchbeißen. Sie wird ballern. Sie wird treten. Sie wird unter Tränen in einigen Stunden hier am Tisch zusammenbrechen - sie wird 75 km Nordschleife nonstop gefahren sein.
Und sie allein wird das Damenteam von Platz 5 auf Platz 4 hieven.
Eine Leistung, die sie so stolz machen kann, dass niemand im Bus Worte dafür finden wird.
Wieder klingelt das Handy. "Anrufer: Heiko" steht da.
"So, alles klar: Die hatten ein Laufrad dabei. Es geht weiter."
Aufgelegt.
Wir sind wieder im Rennen!
Ich jubele.
Sie freuen sich mit mir.
Das Wetter wird immer besser: Kann ich in meiner ersten Runde nach dem Doppelstint schon die Lampen ausmachen, wird Heiko komplett ohne Beleuchtung und mit Sonnenbrille fahren können. Auf meinen letzten vier Runden nach Sonnenaufgang wird die Temperatur von 6 auf 21 Grad klettern.
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2 Liter Kaffee und rein in die Hohe Acht: Diesmal mit bis zu 90 km/h |
Meinen Puls, den ich anfangs absichtlich weit unter 170 bpm zu halten versuche, wird kaum noch über die 160er-Marke kommen (außer bei der Zieldurchfahrt) und sich im Durchschnitt auf den letzten vier Runden bei 139 bpm bewegen.
Dafür werden meine Rundenzeiten immer besser: Runde 8 fahre ich 1:05 h, dann 1:03 und die beiden letzten in glatt einer Stunde. So schnell ist keiner mehr bei uns. Heiko fährt seine letzten Runden mit 1:27 und 1:10 - nur bei seiner elften, unserer 21gsten und damit vorletzten Runde gibt er Gas: Er muss vor 12:45 Uhr die Ziellinie überqueren, sodass ich noch bis 14 Uhr Zeit habe, die letzte Runde zu fahren.
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Das Karussell vor der Hohen Acht. |
Nach 1:03 kommt er rein. Heiko hat es geschafft. Es ist 12:20 Uhr und ich habe massig Zeit für meine letzte Runde. Er gibt mir den Transponder - alles jubelt. "Letzte Runde" - was für ein abstruser Gedanke?!
Geschafft - meine Zieleinfahrt
Es ist brüllend heiß - Ich hätte doch in kurz fahren sollen.
Mein Magen knurrt schmerzhaft - Ich hätte doch noch was essen sollen.
Ich habe meine Trinkflasche vergessen - Ich hätte doch noch mal versuchen sollen, klar zu denken.
Auf der Gegengeraden reicht mir Benji die Flasche. Dann mache ich mich auf - letzte Runde. Ehrenrunde.
Unser Team liegt auf Platz 42. Sensationell! Ich kann es kaum fassen!
Ich schwitze mich zu Tode hier! 21 Grad und die Sonne knallt. Die ganzen Tourenfahrer, RTFler und Muttis auf ihren Lenkerradio-Baumarkträdern, wie sie die Anstiege hochschieben oder hochroten Kopfes sich über die Leitplanken biegen regen mich schon gar nicht mehr auf. Der Ring ist voller Leute. Alles hat gute Laune - wenige schauen verbissen und treten das Letzte aus sich heraus.
Ich lasse es ruhig angehen, obwohl ich wieder eine genau 1-stündige Runde hinlegen werde. Ich genieße jeden Meter, schaue viel links und rechts: Die Aussicht von ganz oben auf die Eifel. Die Fuchsröhre verabschiedet sich noch einmal mit rasanten 80 km/h, unten im Bergwerk und auf dem Anstieg genieße ich jede harte Kurbelumdrehung - ich schwitze wie hulle, aber ich liebe es. Caracciola-Karussel, vor mir liegt die Hohe Acht. Noch einmal ächzend hochjapsen, noch ein letztes mal dieses tolle Gefühl, wenn die letzten Meter bei 18 % so richtig in die Waden gehen - dann rollen lassen, die Verpflegung links liegen - großes Blatt und ab dafür! Die rasanten Abfahrten und Gegenanstiege und dann die lange Gerade von der Dottinger Höhe. 5 Kilometer schnurgerade. Das Cervélo schnurrt an den Langsameren vorbei - die schnellen Achterteams überholen ihrerseits frisch und ausgeruht mich selbst.
Letzter Anstieg.
Dichtes Gedränge vor der Start/Ziel-Geraden: Teammitglieder warten auf ihre Fahrer: Sie wollen zusammen über die Ziellinie. Wieso kommen wir nicht auf diese Idee?
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Konzentration & Radbeherrschung: Die Nordschleife hat es in sich |
Ich bin auf der Zielgeraden.
Zuschauer klatschen.
Ich trete rein. Der Ansager nennt meinen Namen und "Team SunClass".
Ich werde Platz 41 retten. Habe vorher noch 3 Teilnehmer anderer Zweierteams überholt. Den letzten kurz vor der Ziellinie.
Als ich endlich durch bin, reiße ich die Arme hoch: Wieder einmal. Geschafft! Eine weitere Anstrengung ist überlebt. Die 24 Stunden am Nürburgring sind Geschichte. Heiko und ich haben unsere Revanche: 22 Runden. Platz 41. Ein tolles Ergebnis!
Was ich gelernt habe
Wir haben ein 24-Stunden-Rennen richtig gut gemeistert. Wir haben aus unseren Fehlern, die wir 2011 gemacht haben, gelernt und diese genutzt, um es besser zu machen.
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Das Cervélo geht ab wie Schmidts Katze |
Der bewährte
Speiseplan aus 2011 - Brot/Wurst, dann Pasta, dann Baked Potatoe und Lachs - wurde erweitert mit "Auflockerungen" wie Obst, Salzigem und Süßem. Trinktechnisch hat uns neben den bekannten Säften und dem Wasser (plus Energy-Pulver) auch die Stiege Kakao sicherlich die Regeneration erleichtert. Nicht erst seit dem Ötztaler kann ich sagen, dass gerade Red Bull bei starker Müdigkeit Wunder wirkt (bei mir jedenfalls) und ich bin froh, dass wir da auch eine Stiege dabei hatten.
Versorgungstechnisch waren wir auch höchstem Niveau.
Und das Beste: Ich habe für meine 286 Kilometer und die insgesamt 6.766 Höhenmeter
nicht ein einziges Powergel benötigt.
Was die
Pausen angeht, so war alles perfekt: Einzelrunden und jeweils eine Doppelrunde haben absolut ausgereicht, obschon ich nicht eine Minute wirklich geschlafen habe. Diese Erkenntnis und der Fakt, dass ich - abgesehen von dem leichten Kniemuckern und meiner Dammdruckstelle - körperlich keinerlei Probleme hatte, bestätigen mich in der Idee, hier im nächsten Jahr vielleicht mal als Einzelstarter anzutreten. Ines´ Bekannter ein paar Boxen weiter wird bis 10 Uhr morgens 16 Runden als Einzelfahrer absolviert haben - 5 mehr als ich.
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Letzter Anstieg vor Start/Ziel: Jetzt noch mal alles geben! |
Wie immer hatte das
Wetter gehörig mitzureden: Und wir hatten Glück. Es war mit mindestens 6 Grad nicht zu kalt und mit maximal 21 Grad nicht einmal annähernd so heiß wie 2011. Perfekte Radfahrbedingungen und nichts, was man nicht mit wenigen Kleiderschichten lösen könnte.
Es hat nicht geregnet: Bei Regen möchte ich die Nordschleife nicht fahren. Kaum auszudenken, wie schnell ein Slick-Reifen auf dem Asphalt bei Tempo 70 ausbricht ...
Der Wind hat etwas genervt: Ich erreiche mit 89,1 km/h nicht einmal annähernd meine 100er Grenze. Dafür haben wir aber auf der Dottinger Höhe Rückenwind, was die Sache enorm erleichtert.
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Auf Start/Ziel: Meine elfte Runde. Platz 41. Sehr geil! |
Meine
Rundenzeiten sind auf den ersten 4 Runden nur minimal langsamer, als 2011: Mit 51 min bis 1:06 fahre ich 2011 rund 2 Minuten pro Runde schneller. Bin aber auch schneller fertig. Nur 2 Minuten pro Runde langsamer also - und man kann 24 Stunden durchfahren. Eine tolle Erkenntnis! Dazu kommt: Keiner meiner 5 Mitstreiter im SunClass-Team fährt schnellere Rundenzeiten als ich. Das gibt zusätzlich Auftrieb.
Die
Motivation war auf höchstem Niveau. Heiko und ich konnten uns gegenseitig immer wieder Mut zusprechen und uns - auch wenn wir uns immer nur für 30 Sekunden gesehen haben - ein richtig gutes Teamfeeling aufbauen. Die - eher nicht so ernst gemeinte - Konkurrenzsituation der drei SunClass-Teams untereinander, besonders zwischen Flow/Rob und uns hat sicher das ihre beigetragen.
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Nach dem Rennen: Heiko "setzt sich mal kurz hin." |
Ich bin unendlich stolz, nun auch mein 24-Stunden-Rennen erfolgreich beendet zu haben.
Ich freue mioch über meine eigene Leistung und darüber, dass auch Heiko so toll mitgezogen hat.
Ich bin stolz auf Rob und Flow, die gleich bei ihrem ersten 24h-Einsatz mit Platz 46 ein ebenso tolles Ergebnis einfahren.
Und ich kann gar nicht sagen, wie stolz mich die Leistung unserer beiden Mädels macht: Mit einem kaputten Knie 6 mal die Nordschleife zu machen, ist aller Ehren wert.
Und Ines, die nach 6 Runden und mehrern Doppelrunden noch einen "Dreier" hinlegt, ist absolute Spitzenklasse und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. So viel Sportsgeist und Kampfeswille, da kann sich manch einer von uns harten Kerlen eine große Scheibe von abschneiden.
Also Jungs: 2013?
Einzelstarter?
Wer ist mit dabei?
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Luftwaffe: Das Cervélo S5 |
Großes Danke noch einmal an Cervélo Deutschland und Detlef Adams, die es mir ermöglicht haben, den Carbon-Traum S5 bei diesem Rennen fahren zu dürfen.
Wie habt Ihr Rad am Ring erlebt? Seid Ihr auch schon einmal ein 24h-Rennen gefahren? Ich freue mich auf Eure Comments.
Fotos: Sportograf, Benjamin Strilziw Joas Kotzsch / Team Sonosan und Lars Reisberg