Ernährung - Wie habt Ihr Euch vor und während des Brevets ernährt?
Steve: "Ernährung ist sehr wichtig und somit einer der größten Faktoren, die den Ausgang einer solchen Geschichte beeinflussen können. Gels sind super - sie ersetzen die Vitalstoffe und Mineralien, die der Körper verliert. Aber ich vertraue da lieber auf meine selbst gemachten Power-Bars, um die Löcher in meinem Magen zu stopfen."
Lars: "Sich nur von Gels zu ernähren und ansonsten zu hoffen, dass man die Verpflegungspunkte oder Tankstellen erreicht, ist fatal. Das weiß ich eigentlich, aber irgendwie hatte ich das bei HH-B vergessen."
Lars weiter: "Ich hätte mich besser vorbereiten sollen, denn erst jetzt weiß ich, dass entlang der Strecke eher weniger Tankstellen liegen - dafür umso mehr Passagen entlang der wild-romantischen Elbe. Ausblick ja, Essen nein. Also beim Versuch Nummer 2 heißt es: Vollkornbrote in die Rückentasche stopfen!"
Lars: "Ich war froh, dass die RG Endspurt dieses geniale Büffet und super Verpflegung beim Checkpoint aufgebaut hatte, sonst hätte ich nicht einmal die läppischen 116 km überlebt. Von Nicoles voll gepacktem Catering-Van einmal abgesehen: Das war das Paradies."
Bekleidung - Haben Eure Klamotten versagt? Es gab nass-kaltes Wetter mit extremen Windbedingungen an jenem 16. Oktober.
Steve: "Ich hatte komplett die falschen Klamotten für meinen Oberkörper an. Die Kälte an diesem Tag vollkommen unterschätzt. So musste ich einen dicken Fleece-Pulli über meinen Funktionsklamotten tragen, die dann natürlich nicht mehr richtig funktioniert haben."
Lars: "Ich hatte mich zwar nach dem Ziebelprinzip mit nicht weniger als 4 Schichten oben und einer dicken langen und einer dünnen langen Hose unten angezogen, aber das reichte nicht.
Erst mein Baumwollpullover brachte die ersehnte Wärme. Zusammen mit der Windjacke war ich eigentlich ganz gut geschützt."
Lars: "Allerdings sind wir auch nicht in jenen fiesen Regen gekommen, der ab 18 Uhr die Fahrer gequält hatte. Da hätten meine Klamotten versagt. Zudem hatte ich nichts für die Füße, da werde ich im nächsten Jahr sicher mit Rennrad-Überziehern antreten."
Steve: "Für nächstes Jahr muss ich entscheidend an der Winddichtigkeit und dem - geringen - Gewicht meiner Klamotten arbeiten!"
Training - Wie habt Ihr Euch auf diesen Brevet vorbereitet?
Lars: "Zu wenig!"
Steve: "Du kannst so etwas trainieren - zum Beispiel, indem du das Ironman-Radfahrtraining machst. Ich selbst aber bin relativ unvorbereitet in dieses Abenteuer gestartet. Und rein körperlich kam ich eigentlich auch ganz gut zurecht."
Lars: "Ja, klar: So eine Strecke geht man nicht einfach mal so aus der Kalten an. Cyclassics, Münsterlandgiro, da geht das alles noch. Die Strecken sind kürzer, wesentlich kürzer, und der Windschatten des Grupettos saugt einen mit."
Cervélo P2 Zeitfahrrad: Mir zu extrem. Für Steve das Rad der Wahl.
"Wie aber schlechtes Wetter und Gegenwind, fehlender Windschatten und niedriger Adrenalispiegel das Aus bedeuten können, merkte ich schnell an dem Tag. Schlecht trainiert, verletzungsanfällig - und schon ist man draußen!"
Steve: "Stunden, Stunden, Stunden langweiliges GA-1-Training ist die Voraussetzung, für so einen Trip! Du brauchst Stamina und viel Kondition, um 280 km im Rennrad zu ertragen."
Technik - Welchen Einfluss hatte das Material, das Ihr gefahren seid? Immerhin seid Ihr beide mit sehr unterschiedlichen Rädern angetreten.
Lars: "Mein Cervélo R3 ist ein reinrassiges, sehr steifes Rennrad, das für ebensolche Rennen optimiert ist. Es hat nicht umsonst Paris-Rubaix 2 mal gewonnen. Auch bei der Wahl meiner Laufräder bin ich mit den - nicht sehr aerodynamischen, dafür extrem steifen und robusten - Mavic R-Sys bewusst auf das eher tourenorientierte Fahren gegangen. Mein Rad hat sich an jenem Tag perfekt angefühlt: Auch wenn es ein Zeitfahren war, mit den Jungs auf den extremen Zeitfahrmaschinen will ich in keinem Fall tauschen!"
Steve: "Mit meinem Cervélo P2 - einem streamline-Triathlon-Rahmen - habe ich mich sehr gut gefühlt. Ich habe mich bewusst für dieses und gegen mein Trenga-Rennrad entschieden. Gerade, wenn der Wind von vorn kam, hat er mich weniger gebremst, als Lars (hatte ich das Gefühl.) Und da ich viel mit dem P2 fahre, war auch die extreme Zeitfahrhaltung kein Problem. Next year: Again."
Motivation - Welche Rolle spiel die Psyche bei dieser Art von Rennen?
Steve: "Fast die wichtigste Rolle!"
Lars: "Ich war sehr motiviert - aber anders als bei den vorhergehenden Rennen auch sehr vorsichtig, was meine "innerlichen" Prognosen anging. Diesmal gab es so viele Unbekannte: Strecke, Wetter, meinen Hintern ... Motivationsmäßig habe ich für nächstes Jahr aber definitiv vor, dass am Zielort meine Freundin auf mich warten wird. Und das in einem Hotelzimmer mit Jacuzi! Wie viel Antrieb das Wissen, dass seine Freundin auf ihn wartet, Steve gebracht hat, war Wahnsinn!"
Steve: "Meine Motivation war hoch. Aber an sich auch ein Fahrt ins Ungewisse. Wenn man so etwas zum ersten Mal macht, überwiegt immer das Abwartende - nun aber weiß ich, was Phase ist und kann 2011 richtig durchstarten!"
Team - Ihr seid als Team gestartet. Welche Dinge sollte man beachten?
Lars: "Es war meiner Meinung nach ein Fehler, dass Steven und ich überhaupt keine Teamstrategie hatten. Wie auch? Wir hatten uns nach dem Münsterlandgiro und vor dem Brevet nicht ein einziges mal mehr sehen können. Für das nächste mal, müssen wir mehr besprechen, mehr "what if?"-Fälle durchspielen."
Steve: "Gute Frage. Ich denke, es kann jedem passieren, dass der Körper plötzlich versagt, so wie es Lars passiert ist. Natürlich sollte man sich aber auch vorher ganz genau überlegen, ob man eine solche Distanz überhaupt schafft - beziehungsweise, wenn man weiß, dass man dann und wann körperliche Zipperlein hat, vielleicht die Strecke anders angehen, mehr Stops planen oder so. Vielleicht auch als Einzelstarter das ganze angehen. Am Ende ist es TEAM WORK, Baby ..."
Lars wieder: "Ich frage mich heute, mit ein paar Tagen Abstand, was wohl passiert wäre, wenn wir ausgemacht hätten, eben nicht gleich auszusteigen. Was wäre, wenn wir vereinbart hätten zu sagen: "Lars, pass auf - zieh dir ein Gel rein, wir fahren erst mal bis Wittenberge und gucken dann!" Was wäre, wenn wir ausgemacht hätten, uns erst zu motivieren - und dann, wenn wirklich nichts geht, auszusteigen? Keine Ahnung - ein kaputtes Knie ist ein kaputtes Knie. Aber andererseits: Wer weiß? Vielleicht wär es nach 20 Kilometern vorbei gewesen? Oder auch nicht?!?"
Win-Factor - Was ist Eurer Meinung nach der wichtigste Faktor bei einer solchen Fernfahrt?
Lars: "Vor allem erst einmal die Psyche. Alles, was mehr als 160, 180 km auf dem Rennrad gefahren wird fährt man, weil der Kopf es so will. Die Muskeln, das Sitzfleisch will dann nämlich schon längst nicht mehr. Ein gutes Team mit gesundem Teamgeist ist das zweitwichtigste. Wenn man dann noch gutes Material (vor allem am Körper) hat, dann kann einen auch das bescheidenste Wetter nicht am Erfolg hindern."
Steve: "Gesundheit/Training ist der wichtigste Punkt für mich. Erst dann kommt die Motivation und - das sehe ich auch so wie Lars - die Kleidung an Platz drei. Alles andere kann man noch hinbiegen."
Wir danken uns für dieses Interview. Aber keine Bange: Nächstes Jahr kommen wir wieder. Und nächstes Jahr schaffen wir das. Sicher & Versprochen!
.
Ich wollte ja noch mal 1-2 Gedanken dazu anmerken:
AntwortenLöschenFür mich ist es gar keine Motivation, wenn jemand im Ziel auf mich wartet, eher im Gegenteil: Da mache ich mir Streß, dass ich ja zeitig ankomme, um niemanden unnötig warten zu lassen.
Ich bin immer abends gleich wieder mit dem Zug nach Hause gefahren.
Der wiederum fuhr so spät, dass ich mir halbwegs sicher war, dass ich den mit früher Startzeit und überschaubaren Pausen-/Pannenzeiten sicher erreiche.
Verpflegung und Technik behandele ich auch eher unspektakulär: Es soll alles in gutem Zustand dabei sein, dann passt das schon.
Und weil das alles bei mir so langweilig ist, fahre ich auch am Liebsten allein ...
Hi,
AntwortenLöschenwie immer waren einige hilfreiche und sehr nützliche Tipps dabei. Das mit der salbe werde ich demnächst mal testen.
Weiter so mein Rad-Experte. :-)
Gruß Frank