Tja, das frage ich mich die ganze Zeit. Wie soll das gehen? Zwar starte ich gemeinsam mit Steven Brown aus unserem SunClass Cycling Team und einem seiner Triabolos-Triathleten-Freunde, aber so viel Windschatten wie zum Beispiel am vergangenen Wochenende beim Münsterlandgiro wird das kaum geben ...
Okay, also fangen wir mal so an: Zu meinen Liegerad-Zeiten bin ich auf mehrtägigen Touren Tagesschnitte von 150 bis 180 km gefahren. Kein Problem - das ganze dann auch über 3 Wochen durchzuhalten war mit Ruhetagen alle 3 bis 4 Etappen einfach machbar.
Meine weiteste Einzelstrecke auf dem Liegerad waren 240 km (von Hamburg nach Graal-Müritz) und das selbe am nächsten Tag zurück. War krass - aber Dank der luxuriösen Sauna am Zielort, einem üppigen Frühstück und dem Ansporn, dass meine Reisefreunde auf dem verregneten Rückweg die Bahn nahmen und ich als einzige harte Sau durch den Regen auf dem Rad gefahren bin, hat es mich schaffen lassen.
Aber das ganze nun auf einem Rennrad?
Wie sieht es mit Langstreckenfahrten auf Rennrädern aus? Nun, ich erinnere die längste Strecke, die ich bisher mit meinem Cervélo R3 gefahren bin - das war im Juli in Italien, als ich auf einer Etappe ganze 144 km und knappe 6 Stunden im harten Prologo-Rennsattel verbrachte.
Die 155 km der Vattenfall Cyclassics spare ich mal aus - das war ein Rennen mit viel Windschatten und dermaßen viel Adrenalin - so etwas ist außerhalb eines solchen Zirkus kaum zu reproduzieren.
Also 275 km. Auf dem Rennrad?
Sagen wir mal so: Bis 60 km macht Rennradfahren einfach nur Spaß. Man genießt den Speed, den Vortrieb, die Luft, die einem hart um die Nase knallt, alles rollt, man hat gute Beine und selbst Steigungen bügelt der Carbon-Bolide weg wie nix.
Ab 80 km beginnt es dann langsam zu nerven: Krummer Rücken, die Handgelenke melden sich und die Oberschenkel könnten es sich auch ganz gut vorstellen, alternativ einfach nur auf dem Wohnzimmertisch übergeschlagen zu sein, um mit dem Beinbesitzer einen schönen Sofa-TV-Abend zu verbringen.
Ab 100 km tut es einfach nur noch weh. Der Arsch brennt ("Wie soll ich hier denn auch sitzen, auf dem schmalen, harten Ding?!"), der Nacken schmerzt ("Ach, ich gucke einfach nur alle 20 Umdrehungen hoch, ansonsten schaue ich entspannt auf den Asphalt unter mir ...") und im Kopf spuken lustige Gedanken herum ("Schach ist ja eigentlich auch ein anspruchsvoller Sport.").
Nun sind aber 100 km, oder sagen wir, 140 km gerade mal die Hälfte dessen, was mich beim Zeitfahren Hamburg-Berlin erwartet.
Ich bin mir sicher: Alles, was über 160 km Distanz hinaus geht, holt man nicht aus den Beinen, sondern aus der Psyche. Und darum gehts: Mentale Stärke zu haben. Sich so vorzubereiten, dass einem weder die Distanz, noch - Mitte Oktober sind die Chancen ja sehr gut - massiver Gegenwind, Eiseskälte, Regen oder eine Panne etwas anhaben können.
Nur: Wie trainiert man das? Keine Ahnung - an systematisches Training war bei mir 2010 nicht zu denken. Aber: Ich habe da zwei Strategien.
Zum einen lasse ich mich nicht verrückt machen. Zum anderen plane ich nur die Pausen.
Nicht verrückt machen lassen?
Nun, ich rüste mich nicht umständlich auf für diese Tour. Das fängt bei der Beleuchtung an, geht über die Kleidung und endet bei dem, was ich mitnehme. Ich glaube nämlich, dass man, je mehr man sich spezifiziert und extremisiert, desto anfälliger wird.
Ich werde einfach nur mein Rad putzen, ölen und fetten, die Reifen auf 8 Bar bringen und antreten. Nicht zu viel nachdenken. Nicht die Strecke allzu sehr im Detail planen. Einfach rollen lassen - durch Unwissenheit, die naive Unbedarftheit eines Kindes, bleiben mir viele negative Gedanken, Hirnmartern über Streckenpfofile, Steigungen und all diesen Detailkram erspart.
Einfach rollen lassen.
Denn: Bin ich erst einmal unterwegs gibts eh kein zurück mehr. Da muss ich mich nicht schon vorher belasten.
Und mal ehrlich: Die Jungs sind 1910 noch ohne Gangschaltung die Tour de France mit 300 km-Etappen abgeritten. Und da ging es über Alpenpässe!
Und Strategie 2: Ich plane nur meine Pausen. Ganz einfach. Ich setze mir Ziele (km oder Uhrzeit), bei denen ich kleine Pausen mache. Nicht lange - 15, 20 Minuten höchstens. Warum? Weil ich mich dann nämlich nicht am großen, scheinbar unerreichbaren 275-km-Ziel orientiere, sondern immer nur 30, 40 km vor mir habe bis zur nächsten Pause.
Wie gesagt: Schnell ankommen ist nicht mein Ziel.
Ankommen, das will ich.
Also, schauen wir mal, was aus meinem Plan wird. Meistens kommts ja anders, als man denkt. Aber, bevor jetzt wieder (natürlich immer gern gesehene und willkommene) schlaue Tipps und belehrende Kommentare auftauchen: Ich habe die Rockies gerockt, bin durch Japan gefahren und habe manch andere haarsträubende Tour gemacht, da überlebe ich Hamburg-Berlin doch locker.
Oder?
Klar!
.
Würd ich auch so machen. Bin früher regelmäßig 250+ km auf dem Rennrad gefahren. Ab km 120 ist es Kopfsache. Die Planung über Pausen scheint da ne gute Taktik zu sein. Vorsicht bei Zwischenhochs nie wie ein Bekloppter wieder reinklotzen! Ist mir ein paar Mal passiert: kann ich nicht empfehlen! Ab km 200 ist die Badewanne danach ja schon quasi fühlbar. Du wirst es schaffen und Du wirst nicht allzu langsam sein. Viel Spaß!
AntwortenLöschenvielen dank & grüße!
AntwortenLöschenMoin, Lars!
AntwortenLöschenTja, Deine Zustands-Beschreibungen (beim Rennradfahren) kann ich sehr gut nachvolziehen - geht mir genauso!
Komischerweise auch in dieser Kilometerangabe...
Ja und auch das mit der Psyche so um die 160-170 km kenne ich...
Naja, hoffe aber zuversichtlich: Du schaffst Hamburg Berlin!
Nur Wetter sollte halbwegs stimmen!
Liebe Grüße aus Berlin und DAUMEN DRÜCK!!!
Bye
moin & danke.
AntwortenLöschenbist du das, manu?
vielleicht sieht man sich bald mal - bleibe SA abend bis SO gegen 15 uhr in B ... wäre ja mal wieder lustig.
ansonsten: TCHAKKA!!!!