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23. September 2012

Mit dem Rennrad im Flugzeug: Den Rennradkoffer richtig packen.

Die Saison neigt sich langsam dem Ende. Wir checken die Leistungen, die wir in 2012 auf unseren Rennrädern erbracht haben, tragen Kilometerstände und Höhenmeter in Excellisten ein, wälzen Fachmagazine und Kataloge und träumen vom neuen Rennrad der nächsten Saison oder - wie ich auch - machen uns Gedanken um den Rennkalender 2013.



Vielleicht gefällt Euch die Idee, auch einmal den Gran Fondo New York zu fahren? Oder die superharte "La Leggendaria" in Trento? Die Val d´Aran Cycling Tour in den steilen Pyrenäen?

Egal, wo Ihr hinfliegt - Ihr werdet einen Rennradkoffer benötigen. Und wer noch nie sein Rennrad für eine Flugreise fertig gemacht hat, dem möchte ich hier mit diesem Blogpost ein paar Hinweise geben, wie Euer Schmuckstück sicher und wohlbehalten durch die Lüfte kommt.

Welchen Rennradkoffer kaufen?

Die Auswahl ist übersichtlich. Zunächst aber die Glaubensfrage: Softshell oder Hardcover? Unser Teammitglied Florian schwört auf den Softshell-Cover von Scott. Er ist mit mir in der Saison 2012 zu 4 Rennen im Flugzeug geflogen und sein Rad hat keinerlei Schaden genommen. 

Ich persönlich möchte Euch den Transportkoffer von B&W International ans Herz legen: Er ist nicht nur stabil und haltbar (ich nutze ihn nun intensiv der 2ten Saison), sondern mit 190 bis 200 € auch noch  bezahlbar.


Der Rennradkoffer wird an 4 Seiten mit Schnappschlössern gesichert, eine dicke Klettschnalle schützt zusätzlich. Ich persönlich wickel noch immer Spanngurte herum, aber das ist nur meiner Transportophobie geschuldet.

Das Rennrad für die Flugreise fertig machen

Ich gehe immer nach dem selben Prinzip vor. Auf- und Abbau konnte ich so perfektionieren. Nicht mehr als 20 Minuten brauche ich, um mein Cervélo ab- und wieder aufzubauen. Begonnen wird immer bei den Laufrädern.


Bevor ich diese demontiere, entnehme ich die Schnellspanner. Einfach rausziehen, wieder locker zusammenschrauben und in Küchenpapier einwickeln. Die Schnellspanner werden später zum Werkzeug gepackt.

Wichtig: Schnellspanner müssen komplett aus den Laufrädern entnommen werden!

Noch lasse ich das hintere Laufrad an seinem Platz: Denn solange die Kette gespannt ist, kann ich ein, zwei lagen Luftpolsterfolie um die Strebe wickeln.


Das schützt den Lack und auch das Carbon, denn sonst würde die Kette direkten Kontakt mit dem Rahmen haben. Von der Sauerei einmal abgesehen, kann das hässliche Kratzer geben. Ich bin in dieser Saison 12 mal geflogen: Kaum vorstellbar, wie das ohne diesen Schutz aussehen würde!

Als nächstes demontiere ich die Pedale und bringe die Kurbel in eine horizontale Stellung. Ich habe den Tick, dabei den linken Kurbelarm nach vorn zeigen zu lassen: Ich stelle mir vor, dass das etwas Druck von der Gabel nimmt, sollte der Koffer einmal auf dieser Seite liegen.


Nun kann ich die Laufräder entnehmen. Bei B&W sind zwei gepolsterte Laufradtaschen aus Nylon im Set enthalten. Die Naben und beim Hinterrad die Kassette wickle ich in ein, zwei Lagen Luftpolsterfolie ein. Auch hier: Zusätzliche Dämpfung für die empfindliche Nabe, beim Hinterrad schützt die Folie den Stoff vor dem Kettengleitstoff. (Leider glänzt meine Kassette nie so wie bei den Profis).


Ich kennzeichne die Tasche vor das Vorder- und das Hinterrad, das macht es nachher beim Verpacken einfacher.

Wenn ich die Laufräder dann einpacke, nutze ich diese Gelegenheit, um die Flanke für die Bremsen einmal zu säubern und auch um jede einzelne Speiche zu checken.

Wichtig! Beim Wiederaufbau am Zielort unbedingt die Speichen checken.

Leider mussten wir schon oft vom Flugzeug oder dem Gate aus hilflos mitansehen, wie die Flughafenmitarbeiter mit den Sachen umgehen. Grausig! (An dieser Stelle ein Lob an den Flughafen MUC - vorbildlich, wie hier gearbeitet wird - so müsste das überall sein!)

Bisher ist Gottseidank noch nichts kaputt gegangen, aber seit dem ich meinen Rennradkoffer einmal durch die Luft habe fliegen und auf Heikos Koffer klatschen sehen, checke ich jeden Zentimeter meines Rades beim Wiederaufbau. (Ein Rüffel zum Flughafen Hamburg!)


Sind die Laufräder verstaut, geht es an den Rahmen. Ich bin da sehr penibel und gehe auch hier sehr gründlich vor: Zunächst wird die Kette oben und unten an der Strebe fixiert. Da sich darunter bereits eine Lage Luftpolsterfolie befindet, liegt die Kette schön weich.

Dann nehme ich etwa 2 Meter lange und 30 cm beite, extra zugeschnittene Bahnen Polsterfolie, falte diese einmal längs und wickle den Rahmen komplett ein. Mit Krepp-Klebeband kann man das gut fixieren - Krepp hält und hinterlässt dabei keine hässlichen Klebereste. 


Das Schaltwerk muss ab. Auch Mechanikernullen wie ich werden da vor keine große Aufgabe gestellt: Es handelt sich ja nur um eine einzige Schraube. Beim Wiederaufbau hilft eine kleine Distanzschraube später, das Schaltwerk wieder an die richtige Position zu montieren.

Auch das Schwaltwerk wird in Polsterfolie eingewickelt, schon allein, um nicht den Koffer zu beschmutzen.


Kettenblätter und Kubeln werden ebenso verpackt, wie die einzelnen Geröhre. Wer weiß, wie der Koffer am Ende durch die Flughafenmitarbeiter bewegt wird: Da reicht es schon, wenn sich ein Schraubenzieher losreißen und im Koffer umherfliegen würde, um hässliche Kratzer in Rahmen und Lack zu ritzen. Das wollen wir ja nicht.


Bei B&W ebenfalls enthalten sind Distanzstücke für Gabel und Ausfallende hinten. Diese Plastikteile verhindern, dass bei zu hohem Druck Schaden an diesen Rahmenteilen entstehen. Ich setze diese ein, fixiere sie mit Krepp und wickel ab hier dick die Streben und die Gabel mit Polsterfolie ein. So kann nichts passieren.


Mit der Gabel verfahre ich ebenso. Gerade die Gabel kann, wenn der Koffer nicht sachgemäß stehend transportiert wird, eine Menge abbekommen. Ich möchte dieses Bauteil so gut es geht schützen.

Wie gesagt: Lenker und Sattel sind noch montiert. Wir bauen wickeln zunächst erst den Rahmen ein. Auf diese Art und Weise benötige ich keinen Montageständer. Vor allem nicht am Zielort: Dort bauen wir alles von "hinten nach vorn" wieder auf.


Am Ende haben wir dann ein dick und schneeweiß in Luftpolsterfolie eingehülltes Rennrad. Kette, Umwerfer, Schaltwerk und die sensiblen Ausfallenden sind gut verpackt und sicher geschützt. Auch die Kettenblätter verpacke ich in mindestens 3 Lagen Folie - man hat schon große Kettenblätter reißen sehen. Ob das an Stößen durch den Transport liegt, ist die eine Frage: Probieren will ich es nicht.


B&W liefert einen dicken Schaumstoffblock mit, auf den man dann das Kettenblatt stellen kann. Er ist speziel ausgesägt, sodass der Rahmen dann wieder richtig herum gedreht werden kann.

Ich nutze weißes Lenkerband, um die exakte Stellung meiner Sattelstütze zu markieren. Da ich einen weißen Rahmen habe, belasse ich das Band dort - so muss ich nicht immer neu kleben. Nun kann die Stütze samt Sattel herausgenommen werden.


Ich wische sie von Resten der Carbon-Montagepaste sauber und stecke sie in ein der Länge nach aufgeschnittenes Stück Dämmstoff für Wasserleitungsrohre. Der Meter kostet im Baumarkt 50 Cent. So ist die sensible Carbonstütze nun auch geschützt.

Sattel und Stütze verpacke ich in Plastiktüten - fertig.

Nicht vergessen, die Sattelklemmung wieder etwas anzuziehen: Diese könnte sich (zumindet bei meinem Rennrad) sonst lösen und im Koffer auf Reisen gehen.


Als letztes kann ch nun den Lenker demontieren. Auch hier entferne ich Lenker samt Vorbau - und ziehe sanft die Schraube für das Steuerrrohr wieder an.

Am Lenker selbst müssen wir nichts demontieren oder verstellen - alle Schalt- und Bremszüge bleiben so, wie sie sind.


Nun lege ich alles in den Koffer. Ich achte darauf, dass das Rennrad immer auf seiner linken Seite liegt. Es geht auch anders herum - aber ich fliege immer in dieser Position und habe mich daran gewöhnt. Denn nun kann ich den Lenker zwischen Gabel und Unterrohr so verkeilen, dass er sich nicht mehr bewegen kann.

Das Schaltwerk lege ich nach unten hin zwischen die beiden Streben: Auch hier kann nun nichts mehr passieren.


Wichtig ist, dass die Kurbel unbedingt in dem Schaumstoffblock steht! Heiko musste ein, zwei Mal ohne diesen Block fliegen. So haben die Zähne seiner Kurbel dann nicht nur den Koffer an dieser Stelle massiv beschädigt, sondern es bestand die Gefahr, dass wiederum der Koffer die Kurbel und deren Zähne in Mitleidenschaft zieht.

Und am Renntag morgens noch schnell eine Kurbel zu besorgen ... muss nicht sein.


Ich achte beim Lenker darauf, dass kein Zug unnötig verdreht oder gar geknickt wird. Bisher musste ich nach keinem einzigen Flug irgend etwas neu einstellen oder justieren: Geht man sorgsam mit den Zügen und dem Schaltwerk um, kann man nach dem Wiederaufbau sofort losstarten.


Wenn Rahmen und Lenker sicher liegen, schütze ich mit weiterer Folie noch sensible Stellen wie die Sattelklemmung, die Ausfallenden mittig, da hier nachher die Laufräder drauf kommen, das Oberrohr und die Getränkehalter (die ich nicht extra demontiere).


Nun kann man mit zwei Schnallen den Rahmen fest an der einen Kofferseite fixieren. Wenn man alles richtig gemacht hat, liegt nun keine einzige Rahmenstelle und kein Zug mehr frei.

Übrigens: Ihr müsst die Koffer nicht gleich kaufen. Fragt doch einfach Euren Bikeshop nebenan. Viele verleihen für kleines Geld diese Koffer. Wer mal nur eben zum Ötztaler Radmarathon nach Innsbruck möchte, muss ja nicht gleich 200 € ausgeben.


Nun lege ich einige Lagen gefaltete Folie auf den Mittelbereich meines Rahmens, denn es folgen jetzt die Laufräder. Anders, als es der Kofferhersteller vorsieht, fixiere ich nicht die Laufradtaschen an der zweiten Kofferseite: Hiermit habe ich keine guten Erfahrungen gemacht.

Es ließ sich weder der Koffer einfach schließen, noch blieb dann genug Spiel zwischen Laufrad und Kofferwand: Jeder Schlag ging ungefiltert ins Rad.


Je nachdem, wie schwer Euer Rennrad ist, könnt Ihr vor den Laufrädern selbstverständlich noch die Zwischenräume nutzen, um Utensilien zu verstauen. Da mein Cervélo R3 keine 7 Kilo wiegt, habe ich nach oben hin Luft.

Achtung: Checkt unbedingt die Max-Kilo für Sportgepäck Eurer Airline! Nicht, dass Ihr Übergepäckgebühren bezahlen müsst. Als ich von Japan zurück geflogen bin, musste ich für diesen Fehler 800 € (!) löhnen. Vergesst ebenfalls nicht, Euer Sportgepäck bei Buchung anzumelden - sonst nehmen Euch einige Airlines nicht mit.

Helm, Trinkflaschen und Werkzeug werden auf dem Boden des Koffers verteilt. Dies aber bitte so, dass nichts umherfliegen kann: Gerade der fette Pedal- oder der Drehmomentschlüssel können fiese Kratzer schlagen.


Nun aber: Die Laufräder.

Ich lege zuerst das hintere Laufrad auf die rechte Seite. Und zwar so, dass die Kassette nach innen schaut und im Leerraum zwischen Sitz- und Kettenstreben liegt.

Bei B&W funktioniert das prima: Wer sich den Luxus eines Profikoffers leisten möchte, der kann sich z.B. den Aero Tech Evolution von SciCon zulegen - mit extra Laufrad-Fächern. 650 bis 750 € sollte man dann schon übrig haben ...


Darüber dann, leicht versetzt, das Vorderrad. Ich fixiere die Taschen nicht noch extra. Der Koffer, das ist das Wichtige, muss sich ohne Druck schließen lassen.

Wenn dem so ist, und Ihr den Koffer abschließt und instellt, sollte bei Druck auf die Kofferflanken weder Rahmen noch Laufrad zu spüren sein. Denn nur so fägt der Koffer eventuelle Stöße ab und leitet sie nicht an Rahmen, Laufrad oder die wertvollen Carbonspeichen weiter.

Trotzdem: Nach dem Flug beim Aufbau unbedingt alle Teile auf Kratzer oder Brüche checken!


Ich weiß, es interessiert die meisten der Flughafenarbeiter wenig, aber es beruhigt mich: Aufkleber. Groß und rot, am besten in der Sprache des Landes, in das Ihr reist: VORSICHT! FRAGILE!

Ich bin mit diesem Koffern und meinem Rennrad all in all bisher etwa 20 mal geflogen und - obwohl es manchmal zum Schreien brutal aussah! - es ist immer sicher und wohlbehalten angekommen. Eine Flugreise tut dem Rennrad nie gut, aber wenn Ihr einen vernünftigen Koffer habt, Euch Mühe beim Einpacken gebt, dann kann da eigentlich nix passieren.

Vergesst nicht, dass Ihr nicht alle Utensilien (z.B. Druckpatronen oder Sprays, auch "verdächtig aussehendes" Werkzeug) in die Koffer geben dürft. Checkt am Besten vor dem Flug, was alles mit darf. Nicht, dass es Euch so geht wie mir in New York, als der Heimatschutz den Koffer aufgebrochen und damit beschädigt hat.

Mein WD40 hatte nämlich die National Security bedroht.



Gute Reisen in Rest2012 und 2013 wünsche ich Euch und Euren Boliden.

14. September 2012

Rennrad-Test: Cervélo R3 vs. S5 Team

Ich schieße durch die Boxengasse bei Rad am Ring. In den Formel 1-Boxen sind die großen Teams untergebracht, die Firmenteams, die Teams der großen Sponsoren, die medienwirksam inszenierten Teams. Focus Bikes hat auch eine Abordnung vor Ort. Forcus gehört, genauso wie Cervélo, zur PON-Gruppe. Am Boxenrand entdecke ich ein Cervélo T-Shirt. Es wird getragen von Phil White.

Mit dem Cervélo S5 bei "Rad am Ring": Wo ist Phil White?

Phil White ist das "White" in VWD.
Vroomen-White-Design.
Phil White ist Cervélo.

Die Boxengasse fliegt an mir vorbei. Ich sitze auf einem Cervélo S5 Team. Rausche 30 cm an Phil White vorbei und kurzzeitig scheint es, als entluden sich statische Energien zwischen dem Carbonframe und seinem Erfinder. Die folgenden 25 Kilometer auf der Nordschleife denke ich über diese Begegnung nach.

Ich verdanke sie Detlef Adams von Cervélo.

Er stellt mir das S5 zur Verfügung. Denn ich wollte wissen, was es nun wirklich auf sich hat mit diesem Aero-Effekt. Was sie wirklich kann, diese Luftwaffe aus Carbon: Wo, wenn nicht auf dem High-Speed-Kurs mit den elend langen 11 bis 18 %-Anstiegen sollten sich Squoval-Rennrad und Aero-Rennrad miteinander vergleichen lassen?

Wunderschön: Size 56 Cervélo S5 Team mit Sram Red. Let´s go!

Eher aus einer Schnapsidee heraus hatte ich bei Cervélo angefragt, nie denkend, dass sie mir antworten würden. Danke, Detlef, dass Du hast.

Zwei Rennräder - zwei Konzepte

Ich fahre, wie Ihr wisst, das Cervélo R3 und das seit 2010. Mittlerweile habe ich mehr als 15.000 Kilometer auf diesem Rennrad zurück gelegt, habe einige mehrwöchige Touren durch Italien, Frankreich oder auch Deutschland geritten. Einen großen Teil dieser Kilometer habe ich in Rennhärte absolviert, bei RTFs oder den vielen Rennen, sei es im Rahmen des German Cycling Cup, der UCI World Cycling Tour oder den anderen Rennen, die ich als Fahrer der Equipe SunClass Solarmodule bestreite.

Ich kenne das R3 in- und auswendig. Ich habe es mit 96 km/h beim Ötztaler gafhren. Ich habe es auf den Stelvio, den Tourmalet, den Ventoux und einige andere der ganz großen, namhaften, höchsten und auch steilsten Berge der Radsportwelt getrieben.

Cervélo R und S: Die Profile machen den Unterschied.


Ich könnte über jeden Quadratmillimeter Carbon meines R3 Romane schreiben.

Mein R3 ist eine Bergziege. Eine Speed-Bergziege, nicht umsonst ist mein Nickname auf Twitter auch "Fast Transit": Bis auf die Kompaktkurbel, deren Anbau ich mich (oft selbst in den Anstiegen scheltend) widersetze, ist alles auf Klettertauglichkeit ausgerichtet, denn ich bin weder Sprinter noch Rolleur. Ich kann gut klettern.

Eine komplette 2010er Shimano Dura Ace-Austattung verrichtet tadellos ihren Dienst.
Die genialen Mavic R-SYS-Laufräder (bespannt natürlich mit Continental GP 4000 S) sind nicht nur extrem leicht, sondern auch sehr stabil - sie eignen sich hervorragend für den beschwerlichen Rennradweg nach oben. Ein Fizik Antares-Sattel (Carbon + Titangestell) ziert meinen Hintern: Er ist besonders leicht und schlank. Mein Lenker ist ein einfaches FSA-Teil aus Alu, nichts Besonderes, der Vorbau ein robuster Alu-Klotz von Profile Design.

Leistet tolle Dienste: Die Shimano Dura Ace am Cervélo R3

Das R3 bringt exakt 7,3 Kilogramm auf die Waage - kein absoluter Leightweight-Kampfwert, aber leicht genug, um nicht zu schwer zu sein. Wie gesagt, ich habe mir das Cervélo R3, so wie es bei mir steht, als Bergziege aufgebaut, die auch in der Ebene dank Heldenkurbel auf vernünftig hohe Speed zu bekommen ist.

Robert von Pirate Bikes, der offizielle Cervélo Fachhändler hier in Hamburg und für mich der beste Mechaniker weit und breit, macht mir das Cervélo S5 bei den Cyclassics startklar und übergibt es mir: Da steht das fortschrittlichste Aero-Bike, das Cervélo je entwickelt hat - und tatsächlich: Es sieht verdammt schnell aus!

Detlef hat mir eine SRAM Red montieren lassen, die von einer Rotor-Kurbel (auch Helden-Übersetzung) angetrieben wird. Ich lasse mir von Robert die Kassette meines R-SYS (ich verwende SRAM-Kassetten an meinem Rennrad) auf das S5-Hinterrad montieren: Auf meine 11-28 will ich an der Hohen Acht nicht verzichten.

Am S5 drehen sich Cosmic Carbone SR-Laufräder: Klar, dass ich hier Hochprofilfelgen und Messerspeichen brauche. Mein Hintern nimmt auf einem recht bequemen Fizik Arione Platz. Meine Hände greifen an einen Alu-3T-Lenker, der mit einem 3T-Vorbau montiert ist.

Am S5 fahre ich einen Rahmen der Größe 56. Ab 2011 stellt Cervélo eine neue Geometrie vor, die im wesentlichen auf veränderte Steuerrohr-Längen setzt: Hierbei sind die Steuerrohre der neuen Generation so lang, dass mir ein Rahmen der Größe 56 mit 3,5 cm-Spacern genügt: Die exakt gleichen Geometrie-Daten meines 58er-R3 kann ich problemlos auf den 56er S5 übertragen. (Anmerkung: Das 56er ist tatsächlich etwas zu klein für mich - am 58er benötigte ich dagegen keinen Spacer.)

Möglichst ohne Spacer: Ab 2011 mit verlängertem Steurrohr

Das S5 ist etwas schwerer. Leider verdaddel ich es, das Rennrad zu wiegen, aber subjektiv würde ich schätzen, dass das S5 insgesamt 500 bis 800 Gramm mehr auf die Waage bringt, als mein R3.Natürlich schlagen hier die schwereren Cosmics voll zu Buche: Der S5-Rahmen selbst sollte mit knapp 1.000 Gramm noch leicht genug sein.

Da ich noch die kompletten Garmin-GPS-Daten meines Rad am Ring-Einsatzes von 2011 habe und wir als Team mit 7 Rennrädern anreisen, entscheide ich mich dafür, nur das S5 mit an den Nürburgring zu nehmen.

Also los ... 13:15 Uhr.
Start 24-Stunden-Rennen.
Mein Test auf dem Aerobike beginnt.

Erste Fahreindrücke: Komfort? Direkt!

Naja, er beginnt nicht ganz, denn ich bin das S5 schon einige Tage vorher in Hamburg einmal Probe gefahren - zum Waseberg geschossen, die 15 %-Rampe erklommen, und wieder Heim.

Ich fahre bei Rad am Ring insgesamt 11 Runden - das sind 286 Kilometer.
Und mehr als 6.700 Höhenmeter.
Ich verbringe insgesamt mehr als 12 Stunden im Sattel des S5.

Das sollten genug Fahrdaten und Eindrücke sein für diesen Review.


Schon in Hamburg angefahren: Das S5.

Bereits in Hamburg kann ich auf Anhieb einige erste Fahreindrücke feststellen, die sich auf dem Nürburgring bestätigen: Das S5 ist ein sehr direktes Rennrad. Aufgrund des Aero-Rahmens, vor allem aber der aerodynamischen Formgebung der Sitzstreben, können diese nicht mehr so gut federn, wie die an meinem R3.

Der Effekt ist sofort spürbar (und hat sich bei erneuten Fahrten mit dem R3 direkt nach dem 24-Stunden-Einsatz rückbestätigt). Das Cervélo S5 vermittelt ein unmittelbareres Fahrbahngefühl. Es ist nicht unkomfortabel oder unangenehm. Ich würde es auch nicht als "hart" bezeichnen: Es ist eher wie der Unterschied zwischen einem Audi S8 und einem Porsche GT. Das eine ist ein schnelles, luxuriöses Auto - das andere hat ein Sportfahrwerk.

Ich baue ein paar hundert Meter Kopfsteinpflaster ein: Auch auf schlechtem Belag macht das S5 eine gute Figur. Es fühlt sich nie zu hart an, steckt die großen Schläge noch immer gut weg und im Gegenteil - vermittelt ein Gefühl unmittelbareren Fahrbahnkontaktes. Ich mag das.

Gut für lange Strecken: Der Fizik Arione

Sicher: Der Fizik Arione am S5 ist dicker gepolstert als mein Antares am R3. Das mag das Ergebnis etwas verfälschen.
Das S5 ist sicher kein englisches Sofa mit dem ich komfortabel um die Ecken zirkeln kann. Doch diesen Anspruch hat das Rennrad gar nicht. Eben: Es ist ein Rennrad. Und diesem Anspruch wird das S5 in puncto Fahrgefühl mehr als gerecht.

Cervélo im Anstieg: Klettermax oder Durchhänger?

In Hamburg bieten sich wenig krasse, aber dafür dann fürs Flachland doch überraschend vielfältige Trainingsmöglichkeiten, was Steigungen und Höhenmeter angeht. Ich selbst liebe den Waseberg, der zwar nur 800 Meter lang - aber dafür mit brutalen 15 % auch sehr steil ist.

Die Nordschleife in der Eifel bietet auch 15 %-Rampen, sogar eine mit 18 % und darüber hinaus auch mit insgesamt 11 km pro Runde auch genügend lange Anstiege. Eine ausreichend harte Prüfung für das S5.

Klettern mit Aero? Das S5 macht eine super Figur!

Mein R3 zirkelt leichtfüßig auch die noch so steilen Rampen hinauf. Die R-SYS-Laufräder sind eines der leichtesten Systeme auf dem Markt - die dicken, hohlen Carbonspeichen sind extrem widerstandsfähig und dabei sehr leicht. Das S5 hingegen bringt schon einmal Mehrgewicht des Aerorahmens wegen mit - auch die Cosmics sind als ausgeprägte Aero-Laufräder keine leichtfüßigen Kletterer.

Und doch: Auch in meiner elften Runde, auch bei meinem sechstausenssiebenhundertachtungfünfzigsten Höhenmeter, den ich auf dem S5 bei Rad am Ring bestreite, kann ich nicht sagen, übermäßig im Anstieg gelitten zu haben: Das S5 klettert mindestens genauso gut, wie mein R3. Oder sagen wir so: Die Gewichtsunterschiede fallen mir nicht negativ auf.

Ich wiege maximal 63 Kilogramm, bin also in Sachen Steifigkeit niemand, der hohe Ansprüche stellt. (Okay, so einen Satz sagt man auch nicht oft ...), also ich meine natürlich die Rahmen-Steifigkeit. Dennoch: Am S5 kann ich selbst unter höchster Krafteinleitung bei den extrem harten 18 % an der Hohen Acht keinerlei Verwindung oder sonst etwas "Weiches" erkennen - der Aerorahmen bleibt gnadenlos in Form.

Die guten Klettereigenschaften werden auch durch die Garmin-Daten bestätigt: 2011 benötige ich auf dem Cervélo R3 jeweils auf der ersten und der letzten (der 7ten) Runde für den Hauptanstieg zur Hohen Acht ab dem tiefsten Punkt 17 bzw. 20 Minuten.
Auch auf dem S5 benötige ich auf der ersten Runde für die selbe Strecke exakt 17 Minuten - In Runde 7 dann mit 21 Minuten eine Minute mehr, auf meiner letzten, elften Runde mit 22 Minuten noch eine Minute mehr.

Die Mehrzeiten in 2012 sind natürlich meiner etwas langsameren Gangart geschuldet, die ich bewusst an den Tag gelegt hatte, denn wir erinnern uns - 2011 halte ich nur 7 Runden lang durch.

Steif, steifer am steifesten. Kein Biegen oder Brechen.

Das S5 klettert genauso gut wie das R3, finde ich, und macht dabei eine super Figur. Selbst beim Ötztaler sehe ich einige immer wieder als "kletteruntauglich" bezeichnete Rennräder wie das S-Works Venge oder einige Cervélo S3. Und vergessen wir nicht: Der zweite Platz beim Dreiländergiro 2012 wird auf einem Triathlon-Rahmen Cervélo P3 gewonnen.

Also: Keine Angst auf dem S5 vor Bergen. Die könnt Ihr genauso wegbügeln!

High-Speed-Performance: Warp meets Safety

Das S5 ist für maximale Speed gebaut und sollte, neben dem Venge, das ich einmal sichte, das - windkanaltechnisch gesehen - schnellste Rennrad im Starterfeld sein. Vorweg: Ich werde am Rennwochenende auf dem S5 keine Rekorde aufstellen. Da wir erheblichen Nordwind (mit bis zu 35 km/h Windgeschwindigkeit) haben, sind gerade die Bergabpassagen und mithin vor allem die Fuchsröhre wahre Kanäle, durch die der harte Gegenwind nur so gechannelt wird.

Nur ich selbst bremse: Das S5 produziert keinen spürbaren Widerstand.

Garmin gibt mir für 2012 eine Max-Speed von "nur" 89,1 km/h aus - das sind gemessen an den 95,7 km/h auf meinem R3 2011 natürlich keine goldigen Werte. Hier wäre ein direkter Vergleich sinnvoll gewesen, der leider so nicht möglich war. Über den Unterschied R3 - S5 bei Highspeed und vor allem einen eventuellen Speedgewinn durch Aero-Rahmen kann ich deshalb keine vernünftige Aussage treffen.

Dennoch: Auch knapp 90 km/h ist eine sehr hohe Geschwindigkeit, die einige Rückschlüsse zulässt. Zunächst einmal - das Cervélo S5 zieht seine Bahn wie auf Schienen. In keiner Sekunde hatte ich das Gefühl, das Rad würde instabil oder an seine Grenzen kommen. Heiko berichtet 2011 sehr oft von einem "Flattern" im Rahmen seines Canyon (er fährt keine Hochprofilfelgen). Schon auf meinem R3 konnte ich Heikos Eindrücke nicht nachvollziehen - und auch das S5 fährt (trotz gelegentlicher Seitenwind-Böen und windanfälligerer Hochprofilfelgen) die Fuchsröhre hinab als wenn ein Autopilot das Teil sicher auf Spur halten würde.

Geile Laufräder: Die Cosmic SR klingen nicht nur gut, die rollen auch spitze.

Kein Flattern, kein Wackeln, kein Korrigieren - das S5 ist ein "true descender", wie der Ami sagen würde.

Ich fühle mich zu jeder Zeit, bei jeder Speed sicher auf diesem Rennrad. Naja, außer anfangs in den Highspeed-Kurven nach der Fuchsröhre in extremer Kurvenlage - das aber ist den Mänteln geschuldet. Dazu später mehr.

In der Ebene: Ein Hauch von Nichts ...

Kennt Ihr das auch, wenn Ihr auf Euren Rennrädern fahrt, eine Gegenwindböe kommt und Ihr richtig merkt, wie das Rennrad unter Euch bremst? Dieses Gefühl habe ich beim R3 sehr oft. Die Squoval-Querschnitte vor allem des massiven, fast eckigen Geröhrs setzen dem Frontwind eine beträchtliche Stirnfläche entgegen, an der so einige Watt meiner Schenkelmuskeln verpuffen.

Beim S5 ist das eine ganz andere Story.

Hier habe ich nie das Gefühl, das Rad würde mich bremsen. Im Gegenteil - ich bin es, der bremst! Selbst bei den Gegenwind-Passagen sackt das Rad niemals unter mir weg. Ich spüre es nicht unter mir. Es scheint keinerlei Luftwiderstand zu produzieren. Es fährt sich, als sei es nicht da.

Geniale Formen: Aus jeder Perspektive ein Kunstwerk.

Ich trage ein Rennrad-Negligeé: Ein Hauch von Nichts. Und tatsächlich: Blicke ich nach unten zwischen meine Beine, ist das fast nichts zu sehen. (Okay, wieder so ein Satz ...) Die dünnen Rohrquerschnitte sind nicht nur in Sachen Ästhetik absolut einmalig und wunderschön anzusehen - sondern sie wirken auch.

Keine Zweifel mehr: Aero funktioniert! Ohne Scheiß, mich haben die knapp 350 Testkilometer auf dem Cervélo S5 absolut davon überzeugt, dass das Aerokonzept mehr ist, als nur eine neue Marketing-Sau, die sie durchs Dorf treiben, um an unsere Kohle zu kommen.

Das letzte Stück zu Start/Ziel sind ab Meuspath etwa 4 Kilometer schnurgerade Strecke. Zunächst geht es leicht bergab, dann leicht bergan. Ideale Testbedingungen für einen Speedtest in der Ebene. Was sagen die Garmin-Daten?

Kurven mag es. Geraden noch viel mehr.

2012 (wieder Runde 1, 7 und die letzte Runde) brauche ich auf dem S5 jeweils 7:30 min und ein mal 9:30 (auf meiner Doppelrunde, da habe ich es wirklich langsam angehen lassen) für diese Strecke. Im Vorjahr auf dem R3 sind das für die selbe Strecke mit 10:50 min bzw. 8:30 eine bis 2 Minuten mehr - und das auf nur 4 Kilometern!

Sicher, 2012 kommt ein schöner Rückenwind auf diesem Abschnitt hinzu, der wiederum die Vergleichbarkeit dieser Daten - ähnlich denen der Abfahrt - infrage stellt.

Dennoch: Ich fühle, dass das S5 in der Ebene um spürbar schneller ist, als das R3. Und Glaube versetzt ja bekanntlich auch Berge ...

SRAM Red versus Shimano Dura Ace

Danke, Detlef, dass ich SRAM fahren durfte: Ein weiterer Glanzpunkt an diesem wundervollen Rennrad. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe meine Dura Ace und sie hat mich noch nie im Stich gelassen. Sie verríchtet tadellos ihren Dienst am R3, schaltet unermüdlich die Gänge und Blätter, performed auch unter Last einwandfrei und ist eine wahre Augenweide.

Aber SRAM ... SRAM ist da eine ganz neue Welt, finde ich!

Der Umstieg auf die veränderte Schaltlogik gelingt mir binnen 5 Minuten. Ehrlich, sich vom Schaltbremsgriff-System mit den zwei Hebeln bei Shimano auf das Einhebel-System bei SRAM umzugewöhnen ist ein No-Brainer.

Am meisten beeindruckt mich, wie fast schon brutal die SRAM die Gänge reinknallt: BAMM! Schon rumst nur wenige Mikrosekunden, nachdem ich den Hebel betätige, ein neuer Gang rein. Es haut die Kette in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf das neue Ritzel, dass man mit dem Treten kaum hinterherkommt. Gegen SRAM fühlt sich meine Dura Ace fast schon weich an. Herrlich!

Fällt kaum auf, aber umso mehr ins Gewicht: Die Schaltung.

Abstriche muss der SRAM-Fahrer allerdings auch machen: Man kann keine Gänge überspringen. Das geht bei Shimano sehr gut. Oftmals, gerade in schnellen Beschleunigungsphasen oder wenn man von Highspeed auf Lowspeed wechselt, wären mehrere Gänge mit einer Hebelbewegung super - bei SRAM muss man jeden Gang einzeln schalten. Da aber der Hebelweg sehr viel kürzer ist, als bei meiner (2010er) Shimano, geht das auch fix.

Zweites Manko (und das nervt nun wirklich) ist der Umstand, dass bei SRAM, ist einmal der größte (oder niedrigste) Gang erreicht, jede weitere Hebelbewegung die Kette wieder zurück springen lässt.

Mehrmals passiert es mir so im Anstieg, dass ich denke, ich hätte noch einen kleineren Gang, ich den Hebel betätige, aber anstelle - wie bei Shimano - einfach eine Hebelbewegung ins Leere zu haben, die mir anzeigt, dass ich bereits im kleinsten Gang bin - schaltet SRAM einen Gang hoch. Man muss also jederzeit wissen, in welchem Gang man sich befindet - oder mit einem Blick nach unten den Sitz auf den Ritzeln kontrollieren.
Was im Dunklen zum Beispiel nicht funktioniert: Mehr als ein mal verschalte ich mich deshalb, was gerade im Anstieg sehr ärgerlich ist.

Vielleicht lässt sich SRAM da noch etwas einfallen.

Jedenfalls sind dies nur Kleinigkeiten: Alles in allem erfreut mich die SRAM am S5 so sehr, dass ich an meinem nächsten Rennrad in jedem Fall eine Red fahren werde.

Besser sitzen: Arione meets Antares

Noch 2010 sattle ich an meinem Cervélo R3 von Prologo Nago auf Fizik Antares um. Der Sattel ist extrem leicht - er besteht aus einem Carbon-Mantel der mit Kunstleder beklebt ist. Kein Polster - der Dämpfungseffekt wird durch die Elastizität des Carbons erreicht.

Selbst für den Fahrer fast unsichtbar: Was für ein schlanker Rahmen!

Der Antares ist wahrlich keine Couch und eher auf Leichtgewichtigkeit getrimmt. Ich als Markenschlampe wollte einfach einen Fizik-Sattel an meinem Cervélo haben. Hätte ich mich mal beraten lassen, denn mit dem Arione steht ein sehr viel bequemerer, weil gepolsterter Sattel aus selbem Hause zur Verfügung und so kann ich sagen, dass ich mich auf Anhieb auf diesem Gestühl sehr wohl gefühlt habe.

Dass im Laufe des Rennens dann doch wieder Sitzbeschwerden - diesmal überraschenderweise im Dammbereich, nicht am Po selbst - auftreten, ist sicherlich den 24 Stunden und meinem erst eine Woche vergangenen Einsatz beim Ötztaler Radmarathon geschuldet.

Auch hier wieder: Am nächsten Rad wird es ein Arione.

Auf dem Schlauch stehen: Vittoria versus Continental

Ich hatte es bereits erwähnt, dass ich mich, vor allem anfangs, nicht sehr wohl auf den Pneus von Vittoria gefühlt hatte. Später, gegen Ende des Rennens, hatte ich dann genug Vertrauen in Maschine und Gummi, dass ich ohne Probleme selbigen gegeben habe, aber ich muss doch sagen, dass ich irgendwie dem Conti mehr vertraue.

Das bezieht sich jetzt nicht auf Pannensicherheit, Laufwiderstand oder sonst etwas, sondern ist ein rein subjektives Gefühl - der Vittoria fühlte sich einfach nicht gut an. Da dies eine reine Bauchgefühl-Bewertung ist, messt ihr bitte nicht zu viel Bedeutung bei. Es ist eher was für mich. Intern. Ich bleibe beim Black Chili von Continental.

Die Offenbahrung nach Vroomen & White
 
Das S5 ist nun wieder bei Pirate Bikes und auf dem Weg zur Cervélo Testflotte. Was bleibt?

Es bleiben mehr als lebhafte Erinnerungen an ein über alle Maßen beeindruckendes Bike. Das S5 zu fahren war für mich - ohne zu übertreiben - eine Offenbahrung biblischen Ausmaßes. (Naja ... :)

Im Ernst: Ich war vor Rad am Ring und dem S5 so fest davon überzeugt, mir für 2013 eine Saison der Langstrecke zurecht zu basteln, die ich auf einem speziell für diese Herausforderung abgestimmten TT-Rad absolvieren wollte, dass es mir gar nicht in den Sinn kam, an ein Rennrad zu denken.

Schnellstes Pferd im Stall: Das Cervélo S5

Doch nun, nachdem ich knapp 350 Testkilometer auf dem Cervélo S5 abspulen durfte, muss ich sagen, ist in mir ein neues Feuer entflammt. Das S5, auf dessen bloße Fotografien ich bei seinem Erscheinen 2011 fast euphorisch reagiert habe, hat mich nun in natura so überzeugt, dass ich meine TT-Pläne wahrscheinlich ad acta lege und mir das S5 auf den Kaufzettel setze.

Leute, ohne Scheiß: Das S5 klettert gut, es fährt sich sicher, straight und sauschnell, es ist aus allen Blickwinkeln wunderschön anzusehen - Designdetails die kein Foto wiedergeben könnte erfreuen mich noch heute. Leute kamen an unsere Box, um staunend vor dem S5 stehen zu bleiben - selbst Heiko, kein ausgesprochener Aerofan meinte: "Sieht sauscharf aus!"
Und das stimmt auch.

Besser noch: Es fährt sich wie Sahne. Wie geschnitten Brot. Wie Schmidt´s Katze.

2013: Ein neues Design

Einige - höchst unansehnliche - Spypix vom neuen Design der Cervélos haben ja bereits in diversen Foren die Runde gemacht. Das übliche Design-Bashing setzte ein. Wir kennen das.
Als ich bei Rad am Ring das Focus-Zelt besuche und mir bei einer Feinjustage an der SRAM helfen zu lassen, stehen dort einige S5 und auch ein R5 im neuen 2013er Design.

Die VWD-Variante mit matt-anthrazit. Sieht geil aus!

Auch meine Fotos bringen den schicken Effekt des matten Anthrazits und dem Kontrast mit dem Weiß und dem Rot kaum angemessen rüber: Aber die Dinger sehen live wirklich geil aus.

Und so träume ich von 90 km/h auf dem S5.
Freue mich und bin dankbar, dieses wunderbare Rennrad testfahren zu dürfen.
Und bin Anfang Oktober bei Robert: S5 shoppen.

Ein Nachtrag

Nichtsdestotrotz putze ich am Wochenende nach RAR über zwei Stunden lang mein R3 und bringe Rahmen, Anbauteile, Kette und Schaltung auf Hochglanz. Es ist ein wundervolles Rennrad, ein Top-Performer und vor allem ein Rad, mit dem mich so viele tolle Erinnerungen an geile Rennen, an hohe Berge und rasante Abfahrten verbinden. Ich liebe mein R3.

An das, was dieses Rennrad mit mir erlebt hat, muss das neue S5 erst einmal heran kommen.

Großen Dank noch einmal an Detlef Adams von Cervélo, der mir die Möglichkeit gegeben hat, dieses Rad fahren zu dürfen. Und danke für die coolen Socken als Zugabe ...

Nachtrag 2

Es ist der 2. Oktober. Mein Test hat mich überzeugt: Ich habe das S5 bestellt.


Hier gibt es den Rennbericht der 24 Stunden "Rad am Ring" auf dem Cervélo S5

12. September 2012

Lehrstunde in Renntaktik: Beim Elbinselrennen 2012

Es war 2010 das aller erste Rennen auf meinem Cervélo R3, das ich jemals bestritten hatte. Hier machte ich - gerade einmal ein paar hundert Rennrad-Kilometer auf dem Tacho - meine ersten Gehversuche in Rennhärte. Hier lernte ich Flow kennen. Hier leckte ich Blut: Beim Elbinselrennen der RG Uni.

Elbinselrennen: Flacher Kurs, Sprinter-Revier

2011 kann ich aufgrund eines konkurrierenden Termines nicht teinehmen, in diesem Jahr ist dieses kleine, aber sehr feine Event wieder Teil meines Rennkalenders - zumal ich als einziger Fahrer der Equipe SunClass noch das Trikot unseres Sponsors im Peloton hoch halte.

Im Mittelfeld des Pelotons: In der Spitzengruppe bleiben, lautet die Devise.
Nachdem die U17- und U19-Wettbewerbe, das Zeitfahren und die Deutschen Meisterschaften der Ärzte und Apotheker (der Moderator meinte noch: "Die wissen ja, wie es geht ...") ausgetragen wurden, gehen etwa 100 Jedermänner an den Start.

Das Wetter ist perfekt, die Stimmung auch: Ich habe mit dem Ötztaler Radmarathon vor 2 Wochen und dem 24-Stunden-Rennen vor einer Woche noch ziemlich "dicke Beine" und beschließe - nicht nur allein aus diesem Grund allerdings - es heute eher gemächlich angehen zu lassen.

Der andere Grund liegt in der Natur des Kurses: Noch 2010 führt er zur Hälfte durch den Stadtteil Wilhelmsburg (enge Kurven, viele Beschleunigungsarien) sowie hinaus auf die Elbinsel, rund herum um die Spitze und wieder zurück (flache, lange, gerade Strecken - Highspeed).

Es gab sehr viele böse Stürze, auch im letzten Jahr berichtet Angela, die als Helfer vor Ort ist, von einigen Crashes. 2012 verläuft der Kurs nur noch auf der Elbinsel-Spitze: Ein Dreieck aus zwei langen, kurvenlosen Geraden am Deich, einer kleinen, technischen Passage mit 3, 4 Kurvenkombinationen und drei 90-Grad, sowie einer 320-Grad-Kurve vor dem langen Zielstück.

Sprinter-Revier. Eindeutig. Und Sprints bedeuten immer, dass man Mannschaften hat, die ein Rennen kontrollieren wollen (müssen) und am Ende ein Gerangel um die beste Ausgangsposition.

Beste Garantie für Stürze.

Die Strecke auf der Elbinsel - einfacher Kurs, schwer gemacht

Wir müssen 13 Runden auf diesem Kurs absolvieren, eine Runde misst 5,5 Kilometer. Toll für die Zuschauer: Sie bekommen jedes Mal einen schönen, kleinen Zwischensprint geboten.

Anfangs, die ersten 5 Runden, passiert wenig: RG Uni - als Veranstalterteam natürlich bestrebt, hier heute den Sieg davon zu tragen und mit 7, 8 Fahrern die stärkste Fraktion im Feld - bildet gleich vom Start weg vorn eine Front und fährt das Rennen kontrolliert.

Direkt nach Start/Ziel geht es in eine 90-Grad Linkskurve, dann wird hart beschleunigt, das Feld zieht sich. Es folgen nicht sehr anspruchsvolle - aufgrund der engen Wirtschaftswege aber schwer zu fahrende - Kurvenkombinationen, die nach 1.000 Metern in einer weiteren Linkskurve (wieder 90 Grad) auf dem langen, etwa 2 Kilometer messenden, Gegenwind-Stück münden.

Durchfahrt Start/Ziel
Hier wird die ersten 5 Runden im massiven Gegenwind das Feld durch die RG Uni zusammen gehalten: Teilweise mit nur 26 km/h komme ich mir im Pulk vor wie auf einer RTF. Umso unverständlicher daher der Fakt, dass auf diesem Stück innerhalb von wenigern Runden hinter mir zwei Stürze passieren.

Aufheulende Bremsen.
Schreiende Typen.
Rrrrrrrrrrrrr-Puchh!
Carbon kracht auf Asphalt. Die Haspa wird demnächst eine höhere Summe bereit stellen ...


Kurz vor der 320-Grad-Kurve, die auf das ebenfalls rund 2 Kilometer lange, durch Rückenwind extrem schnelle Start/Ziel-Stück mündet, zieht die RG das Tempo an, das Feld sofort auseinander: Wer hier nicht mitgeht, ist abgehangen - und wird im Wind verhungern.

Auf der engen, letzten Kurve knallt mir in der zweiten Runde mein Nebenmann fast ins Rad: Sehr nervös hier alles. Dann und wann pöbeln sich die Jungs an. Rauhe Töne ...

Bei der RG Uni in der ersten Reihe sitzen

Was mir bei den Eurosport-Übertragungen immer so gefällt: Hier bekomme ich es aus erster Hand geboten, es passiert hier, genau vor mir. Ich bin Zeuge, wie ein starkes Team aufgrund der Anzahl seiner Fahrer aber auch aufgrund einer klaren Taktik das Rennen kontrolliert, gestaltet und zu seinen Gunsten entscheidet.

Die RG Uni-Fahrer ziehen nach Belieben das Tempo an, bremsen das Feld aus - gerade so, um immer wieder hinten das Feld zu selektieren und für genug Verwirrung im Mittelfeld zu sorgen, sodass die Konkurrenz eher mit sich selbst (Hinterrad der RG halten!) beschäftigt ist, als dass jemand auf die Idee käme, es hier selbst zu versuchen.

Erste Kurve nach Start/Ziel: Heiße Ecke!
Ausreißer haben auf diesem Kurs keine Chance: Die langen Geradeausstücke fressen die Watt nur so weg. Spätestens im Gegenwind-Stück würde ein Flüchtling gnadenlos im Wind verhungern.

Faszinierend, die Teamdynamik und die Renngestaltung mitzuerleben.
Eine Radsport-Lehrstunde aus der besten Perspektive.

Leider plagen mich ab der vierten Runde immer wieder Krämpfe im linken Unterschenkel. Mir kommt es ganz gelegen - ich will mich gen Rennende sowieso eher hinten aufhalten - in einem Sprint möchte ich nicht mitmischen, das Rennrad soll schließlich ganz bleiben.

Letzte Runde: Finale zum Mitfiebern

Auf der Rundenanzeige prangt eine 1 - letzte Runde!

Sofort merke ich die Nervosität im Feld. Ich sehe es voraus und beginne schon auf den letzten hunderten Metern bevor es nach Start/Ziel in die finale Runde geht, mich nach ganz rechts außen und im hinteren Drittel der Gruppe einzuordnen: Die erste Kurve wird eine Linkskurve sein, da möchte ich nicht auf der heiß umkämpften Ideallinie sitzen.

Meine Annahme wird bestätigt: Kaum bremsen wir uns in die Kurve rein, pöbeln und rufen sie neben mir. Ich verliere auf der Außenbahn sofort vier, fünf Plätze - aber das war der Plan. Beim Rausbeschleunigen hänge ich am Ende unserer nur noch knapp 30 Mann großen Gruppe. Hauptsache dranbleiben!

Das Kurvengeschlängel meistere ich ohne Probleme, das Anbremsen in den Gegenwind-Teil ebenfalls. RG Uni hält das Feld auf den ersten hundert Metern kompakt beieinander, dann geben sie kurz Gas. Sofort reihen wir uns in Zweierreihen wie an einer Perlenkette auf: Gegenwind peitscht uns entgegen, es ist erheblich schwerer, dem hohen Tempo zu folgen.

Etwa bei der Hälfte der Gegenwindpassage nehmen sie plötzlich raus - wir müssen teilweise bremsen. Sofort zieht sich die Zieharmonika wieder zusammen. Ein gewollter Effekt: Vorn verhindert die breite Phalanx der RG-Fahrer ein Durchbrechen anderer Teams und provoziert damit ein Gerangel um die beste Hinterradposition im Mittelfeld.

Sofort geht das Lückengespringe los, das ich mir - jetzt umso mehr - von ganz hinten ansehe. Jeder will nun möglichst weit links und möglichst weit vorn sein: Die letzte Kurve wird das Tempo noch einmal bis auf 15, 20 km/h verringern, wie ein Nadelör. Wer da nicht den richtigen Gang rauf hat, nicht in der Innenseite und am richtigen Hinterrad ist, wird beim Sprint nicht mitreden können.

Positionskämpfe auch im Mittelstück
Immer näher kommt die letzte Kurve.
Reinbremsen. Ich ganz außen.
Vorne rufen sie.
Ich schaue.

Vier, fünf Positionen vor mir verliert einer die Kontrolle, bremst in Schräglage zu hart, das Hinterrad bricht aus, kracht in den Nebenmann, beide fallen, verkeilen sich, die Hintermänner - zwei, drei Mann - können nicht ausweichen, fahren in das Menschen-Carbon-Knäuel, stürzen auch, zwei, drei Weitere weichen aus, fallen um.

Ich rufe AAACHTUNG! nach hinten, obwohl da keiner mehr sein dürfte, bremse ebenfalls hart, kann das Hinterrad kontrolliert ausbrechen lassen und kurz vor den Gestürzten (schmerzverzerrte Gesichter!) zum Stehen kommen.

Flüche und Schreie. Vom Deich her eilen Helfer.

Ganz vorn stürmt das Feld weg: Uneinholbar.
Ich fahre an - auf dem großen Blatt dauert das gefühlte Minuten.
Bis ich auf Speed bin, hat das Feld 500, 600 Meter Vorsprung.

Allein im Wind.
Ziellinie naht.
Ich kann noch ein, zwei Abgehangene einholen. Fahre allein über die Linie.

Und bin ganz froh: Richtige Entscheidung getroffen!

Was bleibt

Das Elbinselrennen war wie immer eine tolle Veranstaltung. Kein Rennen, das mit landschaftlichen Highlights aufwarten würde, kein Rennen, das besonders anspruchsvoll oder packend wäre - aber ein Rennen, das den Radsport, vielmehr das kurze Kriterium als Sportart par excellence geboten hat.

Alles richtig gemacht: Nicht gestürzt!
Packend vor allem für die Zuschauer, die leider viel zu wenig anwesend waren.

Und interessant für mich: Teamarbeit und Kontrolle eines Peloton aus dieser Nähe selbst miterleben zu dürfen, das hat etwas.

Nächstes Jahr gerne wieder, und gerne wieder von hinten.



Vielen Dank für die Fotos, Frauke, Burkhard Sielaff & Bruno

9. September 2012

Rad am Ring 2012 - Die 24 Stunden-Revanche

Um es vorweg zu nehmen: Es war das perfekte Rennen! Ich habe alles richtig gemacht. Wir haben im Team alles richtig gemacht. In der Box wurde alles richtig gemacht. Und letztlich war auch das Wetter so perfekt, dass alles andere als das super Ergebnis, das wir eingefahren hatten, mehr als enttäuschend gewesen wäre.

Startnummer sitzt: Auch 2012 wieder im 24-Stunden-Zweierteam


Das Vorspiel und die Lehren

Bereits 2011 trete ich mit meinem SunClass-Teamkollegen Heiko hier beim 24-Stunden-Rennen auf der legendären Nordschleife des Nürburgringes an - und wir scheitern. Zu schnell zu viel gewollt. Überdreht, ausgepowert.

Ohne Kräfte sinnvoll einzuteilen, völlig übermüdet und in Unkenntnis darüber, was es für Qualitäten braucht, um ein 24-Stunden-Rennen durchzustehen, scheitert zunächst Heiko nach seiner dritten Runde, kann sich nicht mehr erholen und so können wir am Ende insgesamt nur 13 Runden fahren - und sind dabei noch froh, nicht vollends bewusstlos vom Rennrad gekippt zu sein. Wir geben einen gute 74gsten Platz, den wir kurzzeitig innehaben, auf. Enttäuscht als begossene Pudel fahren wir heim. Unsere Rennrad-Doku PUNCHLINE wird dies eindrucksvoll zeigen. (Wenn sie denn mal fertig wird ... :)

Planung ist alles: Teambesprechung mit Heiko
In diesem Jahr soll es anders werden: Wir haben uns vorgenommen, uns beim Ring zu revanchieren. Wir lernen aus unseren Fehlern, und so habe ich mir drei Lektionen ganz besonders eingeprägt: Sei ausgeschlafen! Fahre ruhig! Nutze jede Chance zur Regeneration!

Wir reisen mit 3 Zweierteams bereits am Freitagabend an, Flow und Rob haben mit dem Van schon längst den Ring erreicht, beziehen unsere zwei Parzellen (die ersten Boxenplätze direkt Ausgang Start/Ziel auf der linken Seite) und holen die Startunterlagen.

Unser Fuhrpark: Isaac, Stevens, Tomassini und 2 Cervélo
Der Rest vom Team - Heiko, Ines, Swantje (unser Damenteam) und die Boxenbetreuung mit Angela und Benji - treffen mit dem Caravan um halb neun am Ring ein.

Am Nürburgring - 15 Stunden bis Start

Es ist kalt. Es regnet. Es geht ein beißend arktischer Wind. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, als wir auf der vollkommen verschlammten Wiese neben der Rennstrecke fast versinken, in nassen Turschschuhen um Camper und Van herum turnen, um die Box aufzubauen.

"Alter, wasn das für ein Wetter!", hört man es allenthalben pöbeln, die Leute stehen mit hochgezogenen Krägen im Regen und mäkeln was das Zeug hält: Nee, bei diesem Scheißwetter 24 Stunden auf dem Rennrad, wie soll das gehen? Bei Regen die Fuchsröhre? 90 km/h mit Wasserfall-Effekt? Wie die Klamotten trocken bekommen? Ich habe nur eine Kombination SunClass-Klamotten und selbst wenn ich zwei hätte: Die bekommen wir niemals trocken.

So sonnig wird es erst am nächsten Morgen aussehen.
Bange Blicke heften sich auf Smartphone-Displays, Wetter.com wird für heute massive Zugriffe aus der Eifel verzeichnen: Na, für morgen sieht die Vorhersage doch schon angenehmer aus (und es wird ja auch Bombe werden.)

Wir gehen zum Boulevard. Die "Messe" enttäuscht etwas: Noch kleiner als im Vorjahr, an Rennrädern steht hier gar nichts herum, nicht einmal Hauptsponsor Bulls hat ein paar schicke Teile hier - dafür "locken" eine Menge eBikes. Naja.
Pastaparty und Livemusik. Naja.
Currywurst nur auf Chipkarte. Naja.
Zwei Klamottenverkaufsstände. Naja.

Testfahrt mit dem Cervélo S5
Zurück in der Box trinken wir noch ein Bier. Und gehen sofort schlafen. Es ist halb elf. Morgen startet das Rennen. Und ich will ausgeschlafen sein.

Die Nacht wird unruhig: Immer wieder zerren heftige Böen an unserem Campingbus. Der Caravan wackelt, es pfeift und stürmt. Na, immerhin höre ich so Heikos Schnarchen nicht - mit Ohropax zu pennen, ist nicht meins, stelle ich fest. Besser hat es da Flow: Er hat sich den Van allein gesichert und eine Flow-Höhle daraus gebaut. Robert wurde rausgeschmissen und muss sich mit Benji auf dem Behelfsbett drängen. Nicht die feine Englische ...
Oben träumen indes Ines und Angela in einem ruhigen Schlaf.

Irgendwann falle auch ich dann in Traumtrance. Mein Traum dreht sich - wieder einmal - um Felgenbrüche und Reifenplatzer. Lieber die Katastrophen in der Schlafwelt ausleben, als morgen in der Fuchsröhre ...

Meine Rakete für 24 Stunden: Das geniale Cervélo S5 Team
Ich bin ohne mein Cervélo R3 angereist - habe aber statt dessen das S5 Team im Gepäck. Ausgestattet mit SRAM Red, Aerolaufrädern von Mavic und mithin das "schnellste Rad im Feld" bin ich gespannt, wie die Aero-Waffe der Kanadier auf diesem Kurs performed: High-Speed und steilste Rampen stehen auf dem Programm. Ich freue mich auf 24 Stunden Dauertest!

3 Stunden bis Start - Getting ready to rumble!

Die Spannung steigt. Flow und Rob sind das erste Mal bei einem 24-Stunden-Rennen dabei und legen sich ihre Strategie fest: "Ja, also, wir machen Einzelrunden bis 23, 24 Uhr - und dann fährt jeder Dreierrunden, sodass der andere dann zweieinhalb Stunden Schlaf bekommt ...", meint Flow.

Tolle, tolle Boxencrew: Benjamin & Angela. Danke für Euren Einsatz!
Heiko und ich grinsen uns nur an: Na, die kommen auch noch dahinter. Drei Runden kann man draußen bleiben, klar, das geht. Aber nicht, wenn man sich vorher schon 4 Runden mit immerhin gut 2.500 Höhenmetern in den Knochen hat. Aber alles reden hilft nix, die Jungs sind sich sicher, dass sie es so machen wollen.

Ines und Swantje fahren da eine Strategie, die ich schon realistischer finde: Einzelrunden bis es dunkel wird - und dann abwechselnd Doppelrunden. Das ist dann auch die Taktik, die Heiko und ich uns zurecht gelegt haben.

"Fragt sich nur noch, wer die Startrunde macht ...", sagt Heiko und schaut mich an. Er wollte unbedingt 2011 starten - und hatte sich vom Massenstart, dem Gebolze und dem Adrenalin verleiten lassen, extrem zu powern. Grundstein für sein frühes Aus. 2012 möchte er "auf keinen Fall mehr starten", aber ich bleibe hart: "Die Münze soll wieder entscheiden", sage ich.
"Okay, bei Kopf starte ich - bei Zahl startest Du.", meint er.

50 Cent torkeln goldig glitzernd durch die Luft.
Landen sicher in meiner Hand.
Werden flux umgedreht auf meinem Unterarm.
Heiko blickt mich an.
Ich ziehe die Hand weg.
Kopf.
Yeah!

Das Glück ist mir hold: Heiko muss wieder die Startrunde fahren.
Als Heiko sich mosernd bereit macht, kann ich noch in Ruhe in Zivilklamotten in der Sonne am Rand der Rennstrecke stehen und genieße die wärmenden Strahlen: Bei Rob, Ines und Heiko schnellt der Puls nach oben: Gleich ist Start!

Die erste Rennphase - 13 Uhr bis 20 Uhr

Heiko kommt nach 56 Minuten wieder rein. Seine erste Runde hat er hinter sich. Gelassen übergibt er mir den Transponder, ich mache mich auf die Strecke - endlich wieder Nordschleife!

Ich liebe diesen Kurs: Er ist das geilste, was man mit dem Rennrad in Deutschland machen kann. Er ist schnell - bis zu 100 km/h kann man in der Fuchsröhre erreichen - er ist hart, immerhin 615 Höhenmeter sind auf der knapp 26 km langen Runde zu absolvieren, dazu viele Abschnitte mit 11 %, einige mit 15 % und dann schließlich die Hohe Acht mit ganzen 18 % Steigung. Da muss man schon reintreten können.

Race-Emotion pur: Die Nordschleife

Die Nordschleife ist anspruchsvoll: Die Ex-Mühle und einige Passagen vor dem Bergweg und nach der Hohen Acht werden mit Fullspeed gefahren und bieten Kurvenkombinationen, die technisches Können und volle Radbeherrschung erfordern. Uneinsehbare Kurven, von denen einige auch noch "zumachen".

Ich reite den Formel 1-Kurs ab: Es herrscht Hochstimmung in den Boxen neben der Strecke. Ein kleines Bergabstück auf der Rückseite des Ringes, dann ein kleiner Anstieg, wieder durchs Fahrerlager und die Formel 1-Boxengasse bei den Premium-Teams vorbei: Hier ist immer Betrieb.

Erst dann geht es auf die Nordschleife. Als ich die erste Abfahrt und die beiden Doppel-Linkskurven nehme, hat mich endgültig das Rennfieber gepackt. Vor mir, etwa 2 Minuten früher gestartet, fährt Flow. Sein Team führt also SunClass-teamintern. Na, den bekomme ich schon noch ...

Erste Runden noch im Pulk
Ich beende meine erste Runde nach 53 Minuten - als ich in der Box eintreffe, steht Heiko schon bereit. Auf gehts - Runde 2.

Ich stelle mein Rennrad - dieses mal das fantastische Cervélo S5 - (später hierzu ein ausführlicherer Bericht) - an den Caravan und speise im Camper: Stulle mit Brot. Angela ist schon dabei, die Nudeln für das "Abendbrot" aufzusetzen.

Die Stimmung bei uns ist perfekt: Flow strahlt bis über beide Ohren. "Die Strecke ist der Hammer!", sprudelt es nur so aus ihm heraus. Auch Ines, die ihrerseits die erste Runde absolviert hat, schnattert mit überschlagender Stimme von ihrem ersten Höllenritt durch die Fuchsröhre. Perfekt - so muss das Rennen starten!

Heiko kommt wieder nach 59 Minuten rein - und absolviert damit seine beiden ersten Runden in exakt der selben Zeit, wie 2011. Übernimmt er sich wieder?
"Bin superfrisch - genial!", ruft er mir zu, als wir die Transponder übergeben. Na, das klingt doch klasse!

Auch Kletterqualitäten sind hier gefragt
Da Robert schon wieder vor Heiko reinkam, ist Flow auch schon auf der Strecke. Ich nehme mir zwar nicht vor, ihn einzuholen, aber es wäre doch schon cool, wenn Heiko und ich sein Team noch überholen könnten. Und irgend etwas in mir sagt mir, dass mir das heute gelingen wird. Da! Ist er das? Ich bin im ersten langen Anstieg, es geht seicht mit 7 bis maximal 11 % auf einer Lange von 4 Kilometern bergan.
Ich pace nicht allzu schnell - aber das da vorn müsste doch Flow sein? Unsere Trikots sind nicht zu verwechseln.

Langsam arbeite ich mich vor: Nee, es ist jemand anderes.
Schon ängstlich, zu viel Stoff gegeben zu haben, nehme ich wieder raus: Mit der Hohen Acht ist nicht zu spaßen und nur um Flow einzuholen sollte ich nicht die gesamten 24 Stunden aufs Spiel setzen.
Doch da, auf einmal - taucht er vor mir auf! Es ist der Anstieg zum Karussel vor der Hohen Acht, als ich mich mit einigen kräftigen Tritten neben Flow setzen kann.

Nordschleife: Rasantes Auf und Ab.
Ich probiere den Armstrong: Blick nach schräg hinten auf Florian.
"Na?", frage ich betont ruhig. Ich versuche, nicht zu schwer zu atmen. "Alles klar?", sage ich - und ziehe davon. Au Backe, denke ich mir - jetzt ist er sauer. Nun nur nicht wieder einholen lassen! Und gebe Gas. Flow wird im Anstieg keine Chance haben. Aber er ist ein Beißer, ein Bolzer und ein sauguter Abfahrer - er könnte mich auf dem Auf und Ab zur Gegengeraden einholen, oder auf der Gegengeraden selbst. Also trete ich rein.

Sonnenuntergang: In der Nacht wirds kalt & hart

Ich beende die Runde nach 52 Minuten - und bin damit nicht nur schneller als auf meiner ersten Runde, sondern auch schneller als Flow. Bange Blicke, wann er denn reinkommt. Heiko ist unterwegs. Ich warte noch einige Minuten. Kein Flow in Sicht. Dann sitze ich wieder im Caravan.

Angela serviert dampfende Pasta-Bolo.
Später kommt Flow rein.

Mein Team liegt damit intern auf Platz 1.
Insgesamt liegen wir um Platz 60 der Zweierteams. 148 Teams sind am Start. Kein schlechter Zwischenstand.

Nach den Nudeln brüht mir Angela einen Kaffee. Mit ihm und einer Banane verziehe ich mich auf meine Liege im hinteren Camperbereich in den Schlafsack und nutze die verbleibenden 40 Minuten, um warm zu bleiben und auszuspannen.

Durch die Nacht - 21 Uhr bis 7 Uhr

Als Heiko wieder reinkommt - pro Runde braucht er nun um 1:10 Stunde - lasse ich meine Absicht, ab 22 Uhr mit den Zweierrunden zu beginnen, durch Benjamin ausrichten. Heiko hätte nix dagegen, sagt er mir.

Mittlerweile ist es dunkel und ich fahre nun auch mit der bewährten Lichttechnik, die zwar, im Vergleich zu den Megalampen, die hier am Start sind, einfach nur lumpig leuchtet, für meine Ansprüche aber vollkommen ausreichend performed.

Es wird Zeit, die Lichter anzuschalten
Nachts hat es auf der Nordschleife eine ganz besondere Atmosphäre: Es ist still. Nur Dein Atem und das Surren der Freiläufe. Ab und zu hört man es im Wald knacksen. Ein Uhu uhut. Fledermäuser tauchen blitzschnell flatternd im Lichtkegel meiner Helmlampe auf.

Vor mir zieht sich ein Band rot leuchtender Rücklichter ewig den Berg zur Nürburg hoch. Es ist diese Atmosphäre, dieses schießen durch die Nacht - 80 km/h im Stockdunkel durch die Fuchsröhre ballern - die das Nachtfahren zu einem ganz besonderen Abenteuer macht.

Und doch: man ist nie allein. Nie einsam. Immer ist der nächste Leidende ein, zwei, drei, vier Radlängen entfernt. Gefahren wird sicher: Ich erlebe keine kritische Situation hier, es gehen hier Leute an den Start, die entweder sicher Ihr Rennrad bei Highspeed durch die Nacht bewegen können oder die sich vorbildlich rechts halten und es etwas langsamer angehen.

Ganz eigene Stimmung: Nacht auf der Nordschleife
Meine erste Nachtrunde kann ich in knapp über einer Stunde beenden. Die zweite Nachtrunde - und dann geht Heiko auf seinen Doppelstint - muss ich mit viel Kaffee, einer Dritteldose Scho-Ka-Kola Schokolade und einer Flasche mit halb Wasser halb Red Bull angehen. Und es läuft fantastisch!

Es ist kühl - aber nicht kalt.
Es ist trocken.
Perfektes Rennradwetter!
2011 war es unerträglich heiß. Sicher ein Aspekt, warum wir damals so schnell KO waren. Heute läuft alles viel besser. Wie am Schnürchen, könnte man sagen. Läuft es zu perfekt?

Heiko wird für seine zwei Runden insgesamt knapp 2:45 Stunden benötigen.

Mitternachts-Imbiss: Baked Potatoe mit Sour Cream und Lachs
Ich nutze diese Zeit, um ein Geschäft zu verrichten (bis jetzt habe ich nach jeder Runde ausgiebig gegessen: Brot mit Wurst, Gurken, Pasta Bolognese und nun auch noch Baked Potatoe, Lachs und Sour Cream; dazu jede Menge Bananen, Gummitiere und Koffein-Schokolade) und ziehe mich aus. Den Damm creme ich großflächig mit Ibutop ein - reine Vorsichtsmaßnahme - und mümmle mich im Schlafsack ein.

Der Caravan wird zur Verpflegungs-Masseur-Station
An Schlafen ist allerdings nicht zu denken: Flow lässt seine schweißnassen Klamotten trockenföhnen. Da helfen auch keine Ohropax. Zudem ist im Camper immer Betrieb. So liege ich da, schließe die Augen und versuche, ruhig zu bleiben.

Lebende Leichen: Jede Chance zur Regeneration nutzen!
2 Stunden und 45 Minuten ist eine verdammt lange Zeit.

Als sie vorbei ist und meine Doppelrunde ansteht, ziehe ich mich an: Neben den Beinlingen ziehe ich nun die lange Kompressionssocken, kurze Socken und Überschuhe an. Dazu über das Thermounterhemd gleich ein Langarm-Trikot, die gefütterte Windweste von Gore und noch ein Langarmtrikot. Unter den Helm kommt eine gefütterte Kappe. Und über die Kurzhandschuhe noch die Langversion.

Bibbernd warte ich auf Heiko.
Dann gehts auf meine Doppelrunde.

Ich fliege sicher durch die Nacht. Faszinierend, wie schnell (durch Adrenalin?) der Körper von Dämmermodus auf Hellwach mit allen geschäften Sinnen schalten kann. Die Fuchsröhre genieße ich - ich trete in den Abfahrten kaum noch. Soll die Schwerkraft doch machen! Außerdem herrscht Nordwind - also Gegenwind auf den Abfahrten. Rekorde purzeln hier heute eh nicht.

Start/Ziel - wieder eine Runde der Nacht abgerungen
Ich komme nach 1:05 Stunde wieder bei der Box vorbei. Benji steht draußen mit einem Becher dampfend heißer Nudelbrühe. Das habe ich mir vom Ötztaler Radmarathon abgeguckt - und es funktioniert prima! Wohlig warm wird es im Bauch, ein Gefühl, das noch lange anhalten wird.

So gehe ich in die zweite Runde, die ich ebenso sicher fahren kann und nach 1:06 beende. Weniger Zeit zu Schlafen für Heiko - der aber sichtlich besser aussehend als noch vor einem Jahr pünktlich um 4 Uhr vor der Box steht, um mich nach meinem Doppelstint abzulösen.

Ich fühle mich prima.
Die Müdigkeit kommt langsam durch - Körperlich aber scheine ich fitter zu sein denn je.

Bei Flow und Rob läuft es ähnlich. Natürlich ziehen sie ihre Dreierrunden nicht durch und wechseln sich auch nach Doppelrunden ab. Auch Ines und Swantje fahren noch gutgelaunt. Nicht zuletzt liegt das auch an der tollen Arbeit, die Benji und Angela in der Box verrichten: Immer steht was Leckeres, Dampfendes auf dem Tisch. Immer wird Tee und Kaffee frisch zubereitet. Benji erweist sich als toller Masseur für Ines, nur Swantjes Knie scheint langsam Zicken zu machen.

Rob kommt rein: "Alles klar, läuft genial!", meint er und beginnt, sich aus den taunassen Klamotten zu pellen. Gleich müsste es ja auch dämmern ...

Als Heiko endlich reinkommt habe ich gerade einen 4-Löffel-Kaffee und zwei Bananen intus. Schnell noch ein Mars-Riegel reingedrückt und auf geht es. Die ersten 14 Kilometer verbringe ich noch im Dunkel der Nacht. Doch im Anstieg zur Hohen Acht geht plötzlich - zunächst noch ganz zart rosa, dann vollends neonrot schimmernd - die Sonne auf. Begeistert meine ich zu meinem Nachbarfahrer: "Wie genial, oder?"
Seine Wangen glänzen im ersten Tageslicht.

Endlich: Zaghafte Sonne und Morgennebel über der Eifel
Als ich in die Box komme, juble ich: "Leute, wir haben die Nacht gemeistert!"
Und wer die Nacht meistert, der schafft den Rest auch!

Wie auf Droge - 9 Uhr bis 11 Uhr

Wir liegen auf Platz 58. Ich bin begeistert! Flow und Rob auf 68.
Und unsere Damen auf Platz 5. Platz 5, wie geil ist das denn bitte?!?

Erste Ausfallerscheinungen: Swantje fährt nur noch 1:30er-Zeiten, denn ihre Knieschmerzen werden übermächtig. Ich rate ihr, auszusteigen, bevor sie sich das Gelenk ruiniert. 14 km Daueranstieg sind eine enorme Belastung für das Knie - und wir haben allesamt mittlerweile über 4.000 Höhenmeter in den Knochen.

Robert und Flow klagen kaum, aber ich sehe ihnen ihre Müdigkeit an. Heiko ist "total platt", wie er sagt, aber noch steht er und noch steht er pünktlich da. Seine Zeiten pendeln sich bei 1:20 bis 1:30 Stunden pro Runde ein, ich selbst kann noch unter 1:10er Runden bleiben.

In den Abfahrten wird es noch empfindlich kalt.

Bei mir aber macht sich langsam auch das rechte Knie bemerkbar: Ist die Woche Abstand zwischen den 239 km langen und 5.500 Höhenmeter messenden Ötztaler doch zu kurz gewesen? Zudem plagen mich Sitzbeschwerden - vor allem der Damm schmerzt.
Ich spachtele alles mit Ibutop zu in der Hoffnung, dass das für die nächsten 70 Minuten, während ich auf der Strecke bin, betäubt bleibt.

Logisch: Eigentlich geht man nicht zu einem Rennen mit einem unbekannten Sattel ...

Herzschlag und Patellabruch

Mein Handy klingelt. "Anrufer: Heiko" steht da. Ich ahne Schlimmes.

"Tja ...", fängt er an. "Ich habe mein Hinterrad geschrottet. Irgendwas ist gebrochen, die Kassette dreht durch. Keine Chance mehr!" Mich trifft ein Schlag. Scheiße!
"Wo bist Du?", tausend Gedanken fliegen mir panisch durch den Kopf. Die Jungs im Caravan stehen mit offenen Mündern da und hören geschockt dem Telefonat zu.
"Hohe Acht, oben!" Scheiße, das dauert eine halbe Stunde, um da hin zu kommen und den Transponder zu holen - wenn Heiko jetzt in eines der patroullierenden Serviceautos steigt, sind wir disqualifiziert. Das wäre es dann. Und nun?
"Und nun?", frage ich.
"Ich frage mal bei einem Serviceauto ob die mir helfen können."
Aufgelegt.

Zitternd beginne ich, mich anzuziehen. Ich sehe mich schon eine halbe Runde "leer" fahren, um dann den Transponder als Einzelkämpfer über die Strecke zu tragen. Es ist 7:40 Uhr - noch mehr als 5 Stunden Rennzeit. Das sind 4 Runden. Für mich allein? No way! Bye, bye, Platz 42, denke ich.

Die Tür geht auf. Swantje kommt rein. "Ich muss aussteigen.", sagt sie und sieht dabei aus, als sei ihr ein Geist begegnet. Das Knie. Aus. Vorbei.

Ines trägt es mit Fassung. Sie wird nun in einem unglaublichen Kraftakt - immerhin nach fast 15 Stunden Rennen - drei Runden hintereinander draußen bleiben. Sie wird sich durchbeißen. Sie wird ballern. Sie wird treten. Sie wird unter Tränen in einigen Stunden hier am Tisch zusammenbrechen - sie wird 75 km Nordschleife nonstop gefahren sein.

Und sie allein wird das Damenteam von Platz 5 auf Platz 4 hieven.
Eine Leistung, die sie so stolz machen kann, dass niemand im Bus Worte dafür finden wird.

Wieder klingelt das Handy. "Anrufer: Heiko" steht da.
"So, alles klar: Die hatten ein Laufrad dabei. Es geht weiter."
Aufgelegt. Wir sind wieder im Rennen!
Ich jubele.
Sie freuen sich mit mir.

Das Wetter wird immer besser: Kann ich in meiner ersten Runde nach dem Doppelstint schon die Lampen ausmachen, wird Heiko komplett ohne Beleuchtung und mit Sonnenbrille fahren können. Auf meinen letzten vier Runden nach Sonnenaufgang wird die Temperatur von 6 auf 21 Grad klettern.

2 Liter Kaffee und rein in die Hohe Acht: Diesmal mit bis zu 90 km/h
Meinen Puls, den ich anfangs absichtlich weit unter 170 bpm zu halten versuche, wird kaum noch über die 160er-Marke kommen (außer bei der Zieldurchfahrt) und sich im Durchschnitt auf den letzten vier Runden bei 139 bpm bewegen.

Dafür werden meine Rundenzeiten immer besser: Runde 8 fahre ich 1:05 h, dann 1:03 und die beiden letzten in glatt einer Stunde. So schnell ist keiner mehr bei uns. Heiko fährt seine letzten Runden mit 1:27 und 1:10 - nur bei seiner elften, unserer 21gsten und damit vorletzten Runde gibt er Gas: Er muss vor 12:45 Uhr die Ziellinie überqueren, sodass ich noch bis 14 Uhr Zeit habe, die letzte Runde zu fahren.

Das Karussell vor der Hohen Acht.
Nach 1:03 kommt er rein. Heiko hat es geschafft. Es ist 12:20 Uhr und ich habe massig Zeit für meine letzte Runde. Er gibt mir den Transponder - alles jubelt. "Letzte Runde" - was für ein abstruser Gedanke?!

Geschafft - meine Zieleinfahrt

Es ist brüllend heiß - Ich hätte doch in kurz fahren sollen.
Mein Magen knurrt schmerzhaft - Ich hätte doch noch was essen sollen.
Ich habe meine Trinkflasche vergessen - Ich hätte doch noch mal versuchen sollen, klar zu denken.

Auf der Gegengeraden reicht mir Benji die Flasche. Dann mache ich mich auf - letzte Runde. Ehrenrunde.
Unser Team liegt auf Platz 42. Sensationell! Ich kann es kaum fassen!

Ich schwitze mich zu Tode hier! 21 Grad und die Sonne knallt. Die ganzen Tourenfahrer, RTFler und Muttis auf ihren Lenkerradio-Baumarkträdern, wie sie die Anstiege hochschieben oder hochroten Kopfes sich über die Leitplanken biegen regen mich schon gar nicht mehr auf. Der Ring ist voller Leute. Alles hat gute Laune - wenige schauen verbissen und treten das Letzte aus sich heraus.

Ich lasse es ruhig angehen, obwohl ich wieder eine genau 1-stündige Runde hinlegen werde. Ich genieße jeden Meter, schaue viel links und rechts: Die Aussicht von ganz oben auf die Eifel. Die Fuchsröhre verabschiedet sich noch einmal mit rasanten 80 km/h, unten im Bergwerk und auf dem Anstieg genieße ich jede harte Kurbelumdrehung - ich schwitze wie hulle, aber ich liebe es. Caracciola-Karussel, vor mir liegt die Hohe Acht. Noch einmal ächzend hochjapsen, noch ein letztes mal dieses tolle Gefühl, wenn die letzten Meter bei 18 % so richtig in die Waden gehen - dann rollen lassen, die Verpflegung links liegen - großes Blatt und ab dafür! Die rasanten Abfahrten und Gegenanstiege und dann die lange Gerade von der Dottinger Höhe. 5 Kilometer schnurgerade. Das Cervélo schnurrt an den Langsameren vorbei - die schnellen Achterteams überholen ihrerseits frisch und ausgeruht mich selbst.

Letzter Anstieg.

Dichtes Gedränge vor der Start/Ziel-Geraden: Teammitglieder warten auf ihre Fahrer: Sie wollen zusammen über die Ziellinie. Wieso kommen wir nicht auf diese Idee?

Konzentration & Radbeherrschung: Die Nordschleife hat es in sich
Ich bin auf der Zielgeraden.
Zuschauer klatschen.
Ich trete rein. Der Ansager nennt meinen Namen und "Team SunClass".
Ich werde Platz 41 retten. Habe vorher noch 3 Teilnehmer anderer Zweierteams überholt. Den letzten kurz vor der Ziellinie.

Als ich endlich durch bin, reiße ich die Arme hoch: Wieder einmal. Geschafft! Eine weitere Anstrengung ist überlebt. Die 24 Stunden am Nürburgring sind Geschichte. Heiko und ich haben unsere Revanche: 22 Runden. Platz 41. Ein tolles Ergebnis!

Was ich gelernt habe

Wir haben ein 24-Stunden-Rennen richtig gut gemeistert. Wir haben aus unseren Fehlern, die wir 2011 gemacht haben, gelernt und diese genutzt, um es besser zu machen.

Das Cervélo geht ab wie Schmidts Katze
Der bewährte Speiseplan aus 2011 - Brot/Wurst, dann Pasta, dann Baked Potatoe und Lachs - wurde erweitert mit "Auflockerungen" wie Obst, Salzigem und Süßem. Trinktechnisch hat uns neben den bekannten Säften und dem Wasser (plus Energy-Pulver) auch die Stiege Kakao sicherlich die Regeneration erleichtert. Nicht erst seit dem Ötztaler kann ich sagen, dass gerade Red Bull bei starker Müdigkeit Wunder wirkt (bei mir jedenfalls) und ich bin froh, dass wir da auch eine Stiege dabei hatten.
Versorgungstechnisch waren wir auch höchstem Niveau.

Und das Beste: Ich habe für meine 286 Kilometer und die insgesamt 6.766 Höhenmeter nicht ein einziges Powergel benötigt.

Was die Pausen angeht, so war alles perfekt: Einzelrunden und jeweils eine Doppelrunde haben absolut ausgereicht, obschon ich nicht eine Minute wirklich geschlafen habe. Diese Erkenntnis und der Fakt, dass ich - abgesehen von dem leichten Kniemuckern und meiner Dammdruckstelle - körperlich keinerlei Probleme hatte, bestätigen mich in der Idee, hier im nächsten Jahr vielleicht mal als Einzelstarter anzutreten. Ines´ Bekannter ein paar Boxen weiter wird bis 10 Uhr morgens 16 Runden als Einzelfahrer absolviert haben - 5 mehr als ich.

Letzter Anstieg vor Start/Ziel: Jetzt noch mal alles geben!
Wie immer hatte das Wetter gehörig mitzureden: Und wir hatten Glück. Es war mit mindestens 6 Grad nicht zu kalt und mit maximal 21 Grad nicht einmal annähernd so heiß wie 2011. Perfekte Radfahrbedingungen und nichts, was man nicht mit wenigen Kleiderschichten lösen könnte.
Es hat nicht geregnet: Bei Regen möchte ich die Nordschleife nicht fahren. Kaum auszudenken, wie schnell ein Slick-Reifen auf dem Asphalt bei Tempo 70 ausbricht ...
Der Wind hat etwas genervt: Ich erreiche mit 89,1 km/h nicht einmal annähernd meine 100er Grenze. Dafür haben wir aber auf der Dottinger Höhe Rückenwind, was die Sache enorm erleichtert.

Auf Start/Ziel: Meine elfte Runde. Platz 41. Sehr geil!
Meine Rundenzeiten sind auf den ersten 4 Runden nur minimal langsamer, als 2011: Mit 51 min bis 1:06 fahre ich 2011 rund 2 Minuten pro Runde schneller. Bin aber auch schneller fertig. Nur 2 Minuten pro Runde langsamer also  - und man kann 24 Stunden durchfahren. Eine tolle Erkenntnis! Dazu kommt: Keiner meiner 5 Mitstreiter im SunClass-Team fährt schnellere Rundenzeiten als ich. Das gibt zusätzlich Auftrieb.

Die Motivation war auf höchstem Niveau. Heiko und ich konnten uns gegenseitig immer wieder Mut zusprechen und uns - auch wenn wir uns immer nur für 30 Sekunden gesehen haben - ein richtig gutes Teamfeeling aufbauen. Die - eher nicht so ernst gemeinte - Konkurrenzsituation der drei SunClass-Teams untereinander, besonders zwischen Flow/Rob und uns hat sicher das ihre beigetragen.

Nach dem Rennen: Heiko "setzt sich mal kurz hin."
Ich bin unendlich stolz, nun auch mein 24-Stunden-Rennen erfolgreich beendet zu haben.
Ich freue mioch über meine eigene Leistung und darüber, dass auch Heiko so toll mitgezogen hat.
Ich bin stolz auf Rob und Flow, die gleich bei ihrem ersten 24h-Einsatz mit Platz 46 ein ebenso tolles Ergebnis einfahren.

Und ich kann gar nicht sagen, wie stolz mich die Leistung unserer beiden Mädels macht: Mit einem kaputten Knie 6 mal die Nordschleife zu machen, ist aller Ehren wert.
Und Ines, die nach 6 Runden und mehrern Doppelrunden noch einen "Dreier" hinlegt, ist absolute Spitzenklasse und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. So viel Sportsgeist und Kampfeswille, da kann sich manch einer von uns harten Kerlen eine große Scheibe von abschneiden.

Also Jungs: 2013?
Einzelstarter?
Wer ist mit dabei?

Luftwaffe: Das Cervélo S5
Großes Danke noch einmal an Cervélo Deutschland und Detlef Adams, die es mir ermöglicht haben, den Carbon-Traum S5 bei diesem Rennen fahren zu dürfen.



Wie habt Ihr Rad am Ring erlebt? Seid Ihr auch schon einmal ein 24h-Rennen gefahren? Ich freue mich auf Eure Comments.


Fotos: Sportograf, Benjamin Strilziw Joas Kotzsch / Team Sonosan und Lars Reisberg