14. März 2011

Kopfgeburt - Wille meistert Marathon

Heute stelle ich mich mal wieder auf die Probe. Das Gewissen plagt mich sowieso schon die ganze Woche: Am letzten Wochenende konnte ich nicht trainieren und so "fehlt" mir ein Halbmarathon auf dem Weg zur 42-Kilometer-Form, die ich im März für Barcelona brauche.

So stehe ich pünktlich 10 Uhr morgens am Balkonfenster: Die ersten Schneeflocken des Jahres! Und jetzt nen Halbmarathon laufen?



Noch kann mich das Wetter nicht einschüchtern: Im Gegenteil, ich mag es, durch frisch gefallenen Schnee zu laufen. Also flux die Klamotten angezogen, zur Feier des Tages ganze 5 Schichten oben rum, unten verrichten zwei Lagen Laufhosen hoffentlich ihren Dienst. Und ab geht er!

Die ersten 20 Minuten sind ein Traum: Hamburg ist noch relativ verschlafen, als ich runter zum Dammtor laufe, erfreue ich mich an 3 cm dicken Monsterflocken, lecker, wie sie im Mund knacken.

Leider hört es dann abrupt auf, es wird scheinbar wärmer und innerhalb von Minuten verwandelt sich die ganze Pracht in zentimeterhohen Matsch. Eiswasser dringt durch die Schuhe nach innen - noch nicht mal an der Außenalster angekommen und schon genervt!

Die erste Rund um Hamburgs Laufrevier #1 ist ein Klacks. Es macht sogar richtig Spaß. Da es mittlerweile angefangen hat, leicht zu regnen und ein fieser Westwind einem die Nässe durch die Funktionsklamotten presst, ist es hier fast wie ausgestorben: Ich begegne auf meiner ersten Runde keinen 8 Läufern!

Die zweite Runde wird ungemütlich. Dunkler wird es, dicke, graue Wolken am Himmel, die nun vermehrt fette Regentropfen nach unten werfen. Es wird sehr sehr ungemütlich. Kalt. Dazu die Erschöpfung, die die Distanz sowieso schon mit sich bringt - das ewige kraftraubende Gehüpfe über die Pfützen hinweg und der Eiertanz um die matschigen Wasserkuhlen herum rauben den letzten Nerv. An ein rhythmisches, gleichmäßiges Laufen ist nicht zu denken.


Die letzten 8 Kilometer schüttet es so heftig, dass ich kaum mehr durch meine Brillengläser etwas erkennen kann. Immer wieder bohrt sich nagend ein süßer Gedanke in meinen Kopf: "Los, steige doch einfach am Dammtor in die S-Bahn und fahre im waaaarmen nach Hause ... du hast es dir verdient ... keiner wirds dir übel nehmen ... es kann doch niemand von dir verlangen, durch Dauerregen zu joggen ... das musst du dir nun wirklich nicht antun ... wirklich, niemand wird dich an den Pranger stellen ... Dammtor ... heiße U-Bahn ... dampfender Kakao am Imbiss-Stand ... du hast es dir verdient ..."

Da kommt mir eine zierliche, etwa 1,50 m große Joggerin entgegen. Tänzelnd fliegt sie fast erhaben um die Pfützen herum. Ihr blonder Pferdeschwanz taumelt hinter ihr her. Rosa Bäckchen. Sie grinst mir kurz zu. "Halt die Klappe!", schnauze ich meinen inneren Schweinehund an und laufe nach Hause.

Als ich im Fahrstuhl stehe, dampfe ich.

Und erkenne wieder einmal - wie ich es beim Rennrad fahren auch schon oft erlebte - dass es irgendwann nur noch der Kopf ist, der dich voranbringt. Oder dich scheitern lässt. Der Körper macht dann schon noch mit - der Körper kann viel mehr, als er vorgibt zu können. Der Geist - er muss stets das Ruder fest in der Hand halten.

Ich stehe unter meiner heißen Dusche.
Und mache mir einen noch heißeren Kakao.

Siehste, denke ich mir, Marathon ist eben auch ´ne Kopfsache.



Hier gehts zu den Garmin-Daten des heutigen, vierten Halbmarathons.




Welche Erfahrungen habt Ihr mit Kopfgeburten und inneren Schweinehunden? Freue mich auf Eure Comments.

1 Kommentar:

  1. Kopfsache... oder doch Pferdeschwanzsache? ;-)
    Es braucht nur die richtige Motivation zur rechten Zeit :)

    Wenn man gut ausgeruht in ein solches Training geht und bis zur Dusche unter Dampf stehen kann und sich nicht verkühlt, ist's optimal :)

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