29. August 2012

Climax: Beim Ötztaler Radmarathon 2012

"Da hast Du Deinen Traum: Herzlichen Glückwunsch, Du bist ein Ötztaler-Finisher! Deine Zeit: 10:48:47,8 Stunden. Dein Platz: 2.140, Dein Rang Altersklasse: 500" Es vibriert mein Handy. Eine SMS ist angekommen. Ich stelle das Rennrad irgendwo ab, mache mein GPS aus. Da fällt mir von hinten meine Süße um den Hals. Ihr Kuss macht mir klar: Ich bin im Ziel! Ich habe den Ötztaler Radmarathon geschafft!


Knapp 13 Stunden vorher sieht die Welt noch ganz anders aus ...

Zum Startblock des Ötztalers

Wir wohnen im kleinen Örtchen Völs, ein Vorort in Sichtweite von Innsbruck - einige Kilometer nach der Abfahrt vom Kühtai - bei Manfred und seiner tollen Familie. Danke noch einmal für Eure tolle Gastfreundschaft, das leckere Tiroler Essen und dafür, dass Ihr uns die Pforten zu Eurem Heim geöffnet habt!

Der Handywecker reißt mich um 4:20 Uhr brutal aus den Albträumen. Bilder von einer gerissenen Felge sind mir noch vor Augen, als ich selbige öffne, um die Jalousie zu öffnen. Draußen hat es die ganze Nacht wie aus Eimern geschüttet und gestürmt, als drehe Roland Emmerich einen neuen Film.

Es ist stockdunkel, meine Augen sind verklebt - die Magengrube sofort nach dem Wachwerden seltsam flau: Vor mir liegen knapp 240 Kilometer.


Und 5.500 Höhenmeter. Wahnsinn.

Ich frühstücke drei reichhaltig mit Tiroler Speck belegte Schwarzbrot-Stullen und eine Banane im Auto, als wir über die Autobahn brettern. Anfahrt nach Sölden in einer Stunde und ein paar Minuten. Es dämmert langsam. Von Tageslicht ist noch nicht zu sprechen. Meine Stimmung wird wenig besser - zwar kleben die Augen nicht mehr so und Maroon 5 kann meinen Kreislauf leidlich animieren, den Puls etwas zu erhöhen - aber die Ehrfurcht vor fünfeinhalbtausend Höhenmetern und mit dem Timmelsjoch, immerhin einer der höchsten Alpenpässe überhaupt, lässt mich sehr, sehr ruhig sein.

Es regnet Gottseidank nicht, aber es ist klirrekalt, als wir am Ortsrand von Sölden parken. Massen Rennräder strömen zum Start. Ich setze fröstelnd das Laufrad in die Gabel meines Cervélo R3, justiere das GPS und gebe meiner Freundin einen Kuss zum Abschied.
Ich zittere vor Kälte. "Ach, was solls!", meine ich und ziehe noch schnell ein zweites Langarm-Shirt unter das Short-Sleeve.
Meine Bekleidung für heute: 2 lange Unterhemden, Kompressions-Strümpfe, kurze Socken, wasserdichte Überschuhe, Beinlinge, kurze Rad-Kombi, lange Radjacke. Für die Abfahrten nehme ich eine winddichte Weste von Gore Bikewear und die langen Roekl-Handschuhe mit. Eine Regenjacke steckt zusammengepackt für alle Fälle zusätzlich im Trikot. Sicher ist sicher, denke ich mir: Und ich werde Recht behalten.

Noch immer ist es sehr dunkel, als ich mich im Startblock einfinde. Nicht ganz vorn, nicht ganz hinten: Ich stehe in der Mitte. Mein Spatz winkt zum Abschied: Sie will sich einen Wellnes-Tag in der nahe gelegenen Therme machen. Ich werde gleich das härteste und prestigeträchtigste Alpenrennen überhaupt fahren.

Schussfahrt nach Oetz - Der Ötztaler beginnt!

Ein Kanonenschuss startet pünktlich 6:45 Uhr das Rennen - ich komme genau 10 Minuten später über die Ziellinie. Die ersten paar hundert Meter geht es im Laufschritt, wir rollen mehr, als dass wir fahren. Dann einklicken, langsam nehmen wir Fahrt auf.

Über uns die violette Dämmerung, seltsam weiß-fluoreszierende Wolkenfetzen und feuchte Nebelschwaden hängen träge an steilen, dunklen Bergwänden. Als wir Sölden verlassen haben wird es plötzlich schnell. Die ersten 30 Kilometer bestehen aus rasanter Bergabfahrt.
Ich kenne diese Strecke schon - gestern waren wir bei der Akkreditierung mit dem Auto bereits hier. Auch die österreichische Seite des Timmelsjoch und das Kühtai haben wir uns angesehen.

In größeren Pulks geht es mitunter sehr schnell bergab. Es wird diszipliniert gefahren, die Leute hier sind keine Anfänger. Ich fühle mich sofort sicher und kann mich entspannen. Bei 60, 70 km/h weht es uns bereits sehr frisch um die Knie: Immer wieder der Blick nach oben. Hoffentlich regnet es nicht! Und: Wer hat da eben was von Schnee auf dem Timmel erzählt?


Mit einem 46er-Schnitt beende ich nach knapp 40 Minuten diesen ersten Abschnitt des Ötztaleer Radmarathons - wir reiten in Oetz ein. Jagdflug aus 23 mm-Pneus. Das hat Spaß gemacht - nun ist auch der Letzte wach!

Es geht direkt in den Anstieg des Kühtai. Sie halten links und rechts an, pellen sich aus den Theromojacken und Fleece-Westen und machen sich klar für den ersten Pass des Tages.
Auch ich ziehe die Weste aus. Stopfe die langen Handschuhe nach hinten in die Trikottaschen. Und mir selbst das erste Powergel in den Mund. Am Straßenrand applaudieren auffallend viele Schaulustige. Yeah, ich freue mich auf diesen Anstieg!

Im Kühtai - Hardcoreklettern zum Frühstück

Die Rahmendaten des Kühtai sind schon mal eine Ansage: 17,6 Kilometer Anstieg ab Oetz, 1.240 Höhenmeter sind zu überbrücken. Später werde ich wieder eine SMS erhalten: "Lars, Du erreichst Kühtai um 9:04 Uhr - Deine Rennzeit 2:09:13,0 Stunden."


Vorher allerdings muss ich ran - und mit mir knapp 4.000 weitere Starter.

Das Kühtai ist einer der ganz steilen Anstiege. Gleich unten in Oetz, noch innerhalb des Ortes auf der ersten Rampe, empfangen uns gleich mal 15 Prozent. Viele gebe hier Gas und ziehen an mir vorbei - darunter die Italiener, die wieder einmal wild schnatternd wild ihre Kompaktkurbeln rotieren lassen.

Der erste Kilometer geht richtig rein. Es wird nie unter 12 % steil und ich muss mich zwingen, meinen Puls unten zu halten. Ja nicht mehr die Fehler von der La Leggendaria machen! Schön ruhig kurbeln! Die nächsten 8 Kilometer durch Oetzerau und Mühlau sind wunderschön anzusehen: Immer wieder hängen dicke Nebelschwaden in feuchten, grünen Tannen. Das Tal ist tief eingeschnitten, fast meint man, jederzeit könnte Räuber Hotzenplotz aus dem Dickicht kommen und einem eine Ladung Pfeffer in den Hintern jagen.


Und die könnten wir hier sogar gebrauchen: Mein Garmin zeigt niemals einstellige Steigungswerte an. Im Gegenteil: Ich kurbele scheinbar konstant zwischen 12 und 15 Prozent herum. Es geht zäh voran, schon ächzen die Knie. Wahnsinn, wie steil das hier ist!

Dann erreichen wir den Sattel bei Ochsengarten: Ah, welch´ eine Wohltat! Zwischen Kilometer 8,5 und 11,5 werden wir mit "nur" 1 bis 7 % Gradient beglückt. Es geht an einem Stausee vorbei. Recht flach, alles schaltet schnell aufs große Blatt. Nun lasse ich mich hinreißen und lege einen dicken Gang auf. Doch ich weiß: Das war erst die Hälfte.


Und siehe da - die Rechnung kommt prompt.

Direkt an das Flachstück schließen sich mehrere Kilometer mit konstant 16 Prozent Steigung an. Und ein Großteil davon auch noch im Schneetunnel. Alter Schwede! Ich reiße im Wiegetritt an meinem Lenker, die Steigung will und will nicht enden. Wow! Hammerhart hier.

Als wir dieses Höllenstück endlich hinter uns gebracht haben, wechseln sich - sehr arhythmisch und daher ziemlich fies zu fahren - immer wieder 11, 12 %-Rampen mit 1 %igen Flachstücken und sogar kleinen Abfahrten ab. Gefangen zwischen größtem Ritzel mit Oberschenkelplatzer und großem Blatt mit über 20 km/h geht es mal flott und mal zäh. Verwirrend. Schweißtreibend. Die Lunge brennt.

Und dann, endlich, die letzte Kurve: "Labe Kühtai: 1.000 Meter" steht da.

Alter, das war geil!

Bei der Labestation verliere ich keine Zeit: Flasche auffüllen, zwei Becher heiße Nudelsuppe, zwei "Kraftkugeln" und eine Banane - dann pinkeln - dann Weste und Handschuhe anziehen: Die Abfahrt wartet!

An der Schallmauer - die Abfahrt vom Kühtai

Gestern bin ich hier mit dem Auto herunter. Ich kann mir die Rahmendaten dieser Abfahrt noch gut erinnern: Im oberen Stück schöne lange, sehr gut einzusehene Passagen - allerdings mit Weidegittern im Boden (rutschig bei Nässe! Und es ist nass ...) und einer supersteilen, lang gezogenen Rechtskurve im halboffenen Schneetunnel. Dann, weiter unten, einige 16-prozentige Abfahrten mit teilweise sehr engen und anspruchsvollen Kurven, rasante Schussfahrten vorbei an Felsen und Kuhweiden (ohne Zaun!).

Ich habe keine 5 Minuten in der Labe verloren: Später wird mir Garmin eine Netto-Fahrtzeit von 10:17 Stunden ausgeben - ich werde an den insgesamt 5 Labestationen des Ötztalers nicht mehr als 30 Minuten verbringen. Sehr gut: Wenig Zeit mit Stillstand verlieren - genug Zeit für Nahrungsaufnahme nutzen.

Die Abfahrt: Sofort schalte ich auf das große Blatt und und gehe in Untenlenkerhaltung.
Wow, geht das hier ab! Ich kann die Abfahrt im oberen Teil auf etwa 2.000 Meter vor mir gut einsehen - leichte Kurven, nichts Weltbewegendes. Keine Kühe in Sicht: Ich lasse rollen. Schon knallt mir der Wind in die Ohren, Böen zerren an den Laufrädern, Rillen im alten Asphalt zwingen mich, das Rad sehr fest zu halten.


Höchste Konzentration ist gefragt. Immer wieder blicke ich mich um, ob alles frei ist - erst dann nehme ich die Kurven in Ideallinie. Erstes Weidegitter - fest den Rahmen zwischen die Beine geklemmt - mit 70 Sachen brettere ich über 2 Meter Stahlträger, dass es nur so splattatert. Glitschig blitzen sie im Morgenlicht auf, es rattert laut, schon fliege ich wieder über Asphalt.
Aha, also gar nicht schlimm, die Dinger.

Ich schieße in den Tunnel. Es flirrt kontrastreich ein wirres Lichterspiel aus Sonne und Schatten zwischen den Säulen auf den Gläsern meiner Sonnenbrille, ich halte den Lenker fest - jage aus dem Tunnel, bremsen, Kurve, loslassen, wieder geradeaus.

Hier irgendwo erreiche ich 96 km/h.

Andere schaffen hier wohl bis zu 110. Aber daran möchte ich bei diesem nassen Asphalt nicht denken.

Ich brauche berauschende 26 Minuten für die Abfahrt bis Kematen: Was ich in 1:28 h hart erarbeite, rolle ich in keiner halben Stunde weg. Und dabei lege ich noch den doppelten Weg zurück.
Das Kühtai ist einer der steilsten, arhythmischsten und damit schwersten Anstiege, die ich je gefahren bin - mit einer wunderbaren, langen Abfahrt als Belohnung.

Passage durch Innsbruck: In den Brenner

Ich erreiche ebene Erde bei Kematen als Einzelfahrer - vor mir sehe ich in 800 bis 1.000 Metern einen Pulk von vielleicht 10, 15 Fahrern. Zu schnell, um dieses Loch zu bridgen. Freihändig fahrend, noch immer 35, 40 km/h schnell, ziehe ich Weste und Handschuhe wieder aus.

Eine scharfe Rechtskurve und wir haben eine kurze Passage durch Völs - stehen Manfred und Family am Straßenrand? - und Innsbruck vor uns, ehe es nonstop in den klassisches Brennerpass geht.
Von hinten schließen 5, 6 Fahrer zu mir auf, ich hänge mich ran.
Dann kommt noch eine Gruppe, als wir schon durch Innsbruck heizen. Merklich steigt die Speed.

Leider fängt es nun auch an zu regnen.

Ich sehe von Innsbruck kaum etwas. Konzentriere mich auf das Pulkfahren, 10 Kilometer gehen auch verdammt schnell herum, denke ich mir, als ich mich keine 20 Minuten nach der Kühtai-Abfahrt schon wieder im Anstieg befinde. Schnell noch das zweite Gel eingeworfen. Und los gehts: Der zweite Pass des Ötztaler Radmarathon 2012 ruft!

Der Brenner. Ein Pass für Kenner.

Der Brennerpass ist keiner, der einem das Fürchten lehrt. Mit gerade einmal knapp 800 Höhenmetern kratzt er nicht einmal an der Eintausender-Marke. Und doch - der Brenner hat es in sich, das merke ich schnell.

Gleich hinter Innsbruck geht es die ersten 5 Kilometer bis Patsch relativ steil bergan. Keine 16 % mehr, aber noch immer 8 bis 10 % stehen auf dem Garmin. Das Feld, nach dem Kühtai noch zerrissen, findet sich hier wieder zu einer kompakten Masse zusammen und im Schatten der abenteuerlich gebauten Brenner-Autobahn, die hoch über unseren Köpfen brummt, treten wir uns die langen Kurven durch das grüne Tal.

Bei Patsch geht es dann einige Male recht flott bergab - und von da an mit 2 bis 7 % sehr "flach" bergan. Viele der Passagen fahre ich auf dem großen Blatt, oftmals brechen wir die 25 km/h-Grenze.


Den Brenner kann man sehr schnell fahren. Und hierin liegt auch die Gefahr: Jetzt überdrehen, jetzt übermütig sein - und der Ötztaler ist vorbei. Und genau das sage ich mir immer wieder, als wir dann und wann von einzelnen, kleinen Gruppen extrem Schnellfahrender überholt werden. Nee, mal schön den Puls um 153 bpm halten - dann wirds auch was.

Der Brenner zieht sich: Insgesamt ist der Anstieg ab Innsbruck wahnsinnige 40 Kilometer lang - und dabei so idyllisch durch den Wald. 40 Kilometer - die gehen in die Beine! Gerade, wenn man so schnell fährt.
Die drei Abschnitte des Brenners - 1. steil, 2. flach-bergan und 3. wieder steiler kann ich bei meinen Garmin-Daten gut nachvollziehen: Muss ich beim ersten, steilen Teil noch mit durchschnittlich 17 bis 22 km/h recht hart kurbeln, erreiche ich auf dem schnellen Mittelteil 28 bis 32 km/h - um dann wenig später, die letzten paar Kilometer, wenn es wieder anzieht, auf 10 bis 12 km/h abzusinken.

Als ich die Labe auf dem Brennerpass erreiche, vibriert wieder mein Handy: "Lars, Du hast den Brenner nach 1:21:09,8 Stunden um 11:21 Uhr erreicht - mit einem Durchschnitt von 28,24 km/h." 
Ich wundere mich noch über diesen schnellsten Pass meines Lebens, als ich mir die Wasserflasche auffülle, in die Felswand pinkle und mir wieder die Weste und die Handschuhe anziehe: Die Abfahrt wartet.

Voller Freude und bei zaghaftem Sonnenschein trete ich in die Pedale. Bella Italia! Ich habe 120 Kilometer in den Beinen und fühle mich topfit.

So muss das laufen - ab in den Jaufen!

Erinnerungen an die Steilheit: Im Jaufenpass

Die Abfahrt vom Brenner ist der wahre Genuss. Nicht allzu schnell: Ich komme nur einmal kurz an die 80 km/h heran, ansonsten um die 50 bis 55 km/h schnell (auch wegen des Windes). Die Kurven sind sehr lang gezogen und daher gut einzusehen - hier kann man richtig rollen lassen und genießen.

Ich lasse mich von vielen überholen, die hier - meiner Meinung nach - unnötig auf Speed gehen. Nicht noch einmal werde ich in einer Abfahrt Energie verpulvern, das habe ich nach der Leggendaria gelernt!


Bei Sterzing endet die Abfahrt, wir biegen auf eine kleine Seitenstraße ab, es geht ein, zwei Kilometer durch die Ebene, dann eine Linkskurve: "Passo Giovo - Jaufenpass" steht da. Na siehste, wieder ein Anstieg.

In einer Stunde und vierzig Minuten wird wieder mein Handy vibrieren: "Lars, Du hast den Jaufenpass um 13:36 Uhr erreicht. Deine Rennzeit bis jetzt: 6:41:28,8 Stunden." Bis diese SMS eintrifft habe ich aber noch knapp 1.100 Höhenmeter vor mir und sehe mich gerade tief unten im grünen Tal. Anfangs geht es bei 3 bis 4 % noch sehr human los - später aber zieht der Berg an und wird kaum noch unter die 8 %-Marke fallen.

Immer wieder sorgen 10, 12 oder auch mal 14 %-Rampen dafür, dass ich tüchtig ins Schwitzen komme - der Jaufenpass gibt kein Klein bei. Konstant schraube ich mich mit meinen Mitstreitern nach oben. Am Ende sehe ich im Graphen bei Garmin eine fast gerade Linie nach oben: Wenn das Kühtai noch mit kräfteraubender Arhythmie die Muskeln sprengt, verlangt der Monte Giovo eine gleichbleibend hohe Kurbelleistung vom Rennrad-Fahrer.


Dabei schaue ich mich um: Niemand, wirklich niemand hier beim Ötztaler fährt ohne Kompaktkurbel.
Außer ich. Die Anschaffung dieser klettertauglichen Kurbelblätter erschien mir für dieses eine Rennen als übertrieben teuer - und so gehe ich hier als wahrscheinlich einziger Teilnehmer mit der "Heldenkurbel" an den Start.

Kurz hinter dem Brenner hatte es aufgehört zu regnen und die Häfte des etwa 15 Kilometer langen Anstieges fahre ich mich offener Jacke und Trikot, schwitze mich klitschnass. Als wir um die Kurve und durch einen der zahllosen Tunnels kommen, kippt das Wetter wieder: Nieselregen und harter, kreischend kalter Gegenwind. Na siehste!

Weiter oben, über der Baumgrenze, kommt es dann ganz dicke: Es peitscht mir Regen von der Seite in die Backen, dass mir die ganze rechte Kopfseite taub wird. Mache ich heute noch drei Kreuze für meine Spontaneingebung, doch noch das zweite Unterhemd angezogen zu haben, könnte ich mich ohrfeigen  dafür, die warme, gefütterte Vaude-Kopfkappe vergessen zu haben. Unter meinen Helm pfeift der eisige Wind, sticht der kalte Regen in Ohren und Kopfhaut. Ekelhaft!


Kurz unter dem Gipfel haben sie wieder eine Labe aufgebaut. Ich halte nur kurz, denn ich habe Angst, dass mir sonst die Muskeln zu Beton verhärten, kippe hastig zwei heiß-dampfende Becher mit leckerer Nudelsuppe herunter und stecke mir eine Banane ein.
Dann bezwinge ich im Wiegetritt zitternd auf dem letzten Loch pfeifend die 2 Kilometer zur Passhöhe und werfe mich sofort in die Abfahrt. Brrrrrr, ist das kalt! mein Zittern bringt den Lenker merklich ins Schlottern und ich muss mich hart konzentrieren.

Die meisten meiner Mitstreiter lassen es auf dieser Abfahrt sehr langsam angehen.
Ich lasse laufen: Hier mache ich die meisten Plätze gut. Ich überhole bestimmt an die 200 Leute auf der glitschig-nassen Abfahrt, reiße ein paar mal an der 70 km/h-Grenze und abgesehen von der 96 km/h-Spitze am Kühtai wird der Jaufen meine schnellste der vier Abfahrten werden.
Mich treibt nur ein Gedanke: Schnell runter, da ist es 4, 5 Grad wärmer!

Ich kann das Rennrad sicher vor den engen Haarnadelkurven herunter bremsen, finde immer die Ideallinie und habe keinerlei Verbremser oder sonstige brenzlige Situationen - trotz Nässe und Regen.

Nicht kleckern, sondern klettern! Im Timmelsjoch

Das Schöne am Ötztaler ist, dass es ein reinrassiges Bergrennen ist - und so rollt das Feld direkt nach der Abfahrt vom Jaufen in den Anstieg zum Timmelsjoch. Direkt, sorfort. Keine Flachpassage, kein Geplänkel, nichts - Rampe runter, Rechtskurve, Rampe rauf. Willkommen am Timmelsjoch!

170 Kilometer stehen auf meinem Garmin. "Wer es über den Jaufen schafft, der schafft auch den Timmel!", sagen sie im Feld. Noch gute 50 Kilometer liegen vor mir, vor dem Finish. Und dazwischen einer der höchsten Pässe der Alpen. Und mit der Anfahrt von Italien her mithin die längere und härtere Variante des Aufstieges.


Ich erschrecke, als ich merke, dass ich nur noch eine zu dreivierteln gefüllte Flasche Wasser habe - und erst in Schönau, auf halber Strecke zum Gipfel, die nächste Labe auf mich wartet. Idiot!, verfluche ich mein frostiges Gehirn, das auf dem Jaufen das Wasser vergessen hat. Was nun? Jemanden fragen?

Ich drücke mir erst einmal das vierte Gel des Tages in den Mund, spüle mit wertvollem Wasser nach und besehe mir meine Mitstreiter in diesem Anstieg: Viele Bekannte, mit denen ich in Sölden schon los gefahren bin (also kaum Plätze verloren, scheinbar), ein schickes Rennradmädel und einer vom Alpecin-Roadbike-Team auf einen schicken S-Works mit wunderschönen Leightweights. An den hänge ich mich. Mal vor, mal neben ihm.

Als wir die ersten 5 Kilometer - bei noch erträglichen Steigungsgradienten um 7, 8, 9 % hinter uns bringen, wartet im kleinen Örtchen Moos eine extra Alpecin-Roadbike-Verpflegungsstelle auf die Teamfahrer. Ich halte mit dem Leightweight-Mann an und bitte den Service-Jungen um eine Flasche Wasser.
Der Rennfahrer neben mir gibt eine volle Flasche weg: "Da ist das ekelige Ötzi-Zeugs drin ... tausch mal aus ...", sagt er. "Oh, ich nehme das ekelige Ötzi-Zeugs gern!", falle ich ihm ins Wort und biete mich an. So bekomme einen Liter Isodrink umgefüllt. Danke, Alpecin! Mit Euch wasche ich mir doch am liebsten die Haare.


Wieder gut drauf geht es weiter - und gleich rein in die Härte: Ab Moos wird die Steigung für 8 Kilometer brutal steil. Anfangs nicht unter 14 % wird sie für 5.000 Meter mit 10, 11 % etwas flacher, geht aber noch immer hart in die Waden.

Neben uns zieht es schwarz-dunkel zu. Mächtiges Donnergrollen rollt das Tal hinauf und kündet von einem zornigen Gewitter, das da im Anflug ist. Blitze zucken über die Gipfel der Dreitausender, die uns umgeben, es wird so dunkel, dass ich kaum durch meine Sonnenbrille scharf sehen kann.
Gnade uns Gott - jetzt noch so ein Sturzregen wie heute Nacht?!?


Und doch: Egal!, denke ich mir: Ich bin bis hier her gekommen, es könnte jetzt auch dünne Scheiße regnen, ich schaffe das heute!

Stelvio meets Ventoux - in der Steilwand

Ich erreiche die Labe Schönau auf halbem Wege. Kann kaum noch sitzen. Immer wieder gehe ich in den Wiegetritt, nur um mich dann völlig entkräftet wieder in den harten Sattel fallen zu lassen und förmlich an den Pedalen zu ziehen, sie anzuflehen, sich doch zu drehen: Hier ohne Kompakt hoch zu wollen hat was von Selbstmord.


Neben mir überholen sie mich - wie an jedem der Pässe bisher auch - reihenweise. Zwar sehen sie nicht viel besser aus als ich, aber sie kommen mit 1, 2 km/h eben sehr viel schneller den Berg hoch. Wo ich eine Kurbelumdrehung hart treten muss, surren sie zwei Umdrehungen nur so weg. Ich schätze, dass ich an Kühtai und Jaufen jeweils 10, 15 Minuten, am Timmel bestimmt 15, 20 Minuten schneller wäre, würde ich Kompakt fahren.

So stehe ich an der Schönau-Labe und trinke gerade eine Tasse heißer Brühe (was für eine tolle Idee, hier Nudelsuppe auszuschenken! Da sollten sich andere Veranstaltungen ein Beispiel nehmen!) und schiebe eine Laugenstange hinterher, stürze zwei Becher Pepsi hinunter und fülle meine Wasserflasche mit einer Hälfte Wasser und einer Hälfte Red Bull, als einer neben mir in einiger Entfernung entdeckt, was wir noch vor uns haben: "Scheiße, da gehts ´nauf ...!" Sein Mund bleibt offen stehen.

Und dann sehe ich sie auch, die zweite Hälfte des Timmelsjochs: Eine Steilwand, wie ich sie nur noch vom Stilfser Joch kenne. Grausam schön fräst sich die Straße in die fast senkrecht aufragende Felswand. Unfassbar hoch über unseren Köpfen. Brutal gerade. Nackter, grauer Fels. Rau. Abwehrend.
Ich schaue auf mein Garmin, nachdem ich vom Pinkeln zurück zum Rennrad gehe: Es stehen da 4.100 Höhenmeter auf dem Konto. Also geht es noch über eintausend Meter bergan. Kopfrechnen kann auch zur Last werden.


Ich fahre los, rolle langsam an, esse noch eine zweite Laugenstange und trete rein. Neben mir wieder der Typ vom Start, auch ein St. Pauli-Fahrer zieht an mir vorbei, wir grüßen uns wieder. (Ich treffe noch einen RG-Uni-Fahrer und einen weiteren Hamburger).

Ab Schönau wird es einfach nur brutal. Sobald wir in der Wand sind, zieht es auf 10, 12 % an, die Digits werden bis hoch zum Tunnel nicht mehr einstellig werden. Ächzend knarzen Tretlager, Leute fluchen.

Ich sehe immer mehr Schiebende, viele Gebrochene. Sehe viele in den Serpentinen hocken, zitternd, schwitzend. Ihre Köpfe tief in den Schultern versunken, die Gesichter hinter Händen vergraben. Einer schaut kopfschüttelnd nach unten ins Tal - weit hinten grummelt das Gewitter (das Gottseidank an uns vorbeigezogen ist).


Immer mehr steigen hier ab. Und je mehr hier absteigen, desto stärker werde ich: Nein! Nicht mit mir: Ich ziehe das hier heute durch!

Ich schaue nach oben: Hoch über mir thront ein schwarzes Loch im Fels: Dahinter ist der Tunnel, der die Bergspitze durchstößt. Wer den Tunnel erreicht, der hat es geschafft.

WTF?

Es ist buchstäblich das letzte Loch, auf dem ich pfeife, als ich durch die dunkle Röhre kurbele und auf der anderen Seite des Berges herauskomme: 5 Kilometer mit 12 % Durchschnitt liegen hinter mir. Ab hier geht es noch 3 Kilometer leicht bei 5 bis 7 Prozent bergauf. Und dann ist die Passspitze erreicht, das Timmelsjoch bezwungen. Dann endlich. Endlich. Auch der Ötztaler beendet.  
Fast.


Die zweitausend Meter bis zur Passhöhe kurbele ich wie im Traum. Es geht ein Wind hier, den man Sturm nennen könnte: Die Leute fahren im 45-Grad-Winkel zum Boden geneigt, müssen sich in den Wind lehnen, um nicht umgeworfen zu werden - von rechts haut es uns dermaßen den Sauerstoff in die Fresse, dass ich das Gefühl habe, auf einem Konzert von Rammstein der tobenden Masse nichts entgegen setzen zu können. Ein mal treibt es mich bis fast an den Abgrund und auf den schmalen Streifen Kies, der zwischen Asphalt und Grasnabe ist. Wow, was ist denn hier los?!?

Ich verstehe nichts mehr, so laut gröhlt und kreischt der Wind hier oben, ich traue mich nicht, die Hand auch nur kurz vom Lenker zu nehmen, um die Lap-Taste beim Überfahren der Passhöhe zu drücken. Alter, was ist denn das bitte?!?


Bei Kilometer 203 bekomme ich wieder eine SMS: "Lars, Du erreichst das Timmelsjoch um 17:01 Uhr nach 2:55:03,7 Stunden - herzlichen Glückwunsch!" Ich stürze mich in die Abfahrt und werde vom satten Gegenwind sofort massiv ausgebremst. Wow, bei diesem Sturm möchte ich nicht mit Hochprofilfelgen unterwegs sein! Rund 5 Kilometer geht es atemberaubend schön durch die schroffe Mondlandschaft des Felsenreiches, durch Furten und Geröllhalden, kein Grün, kein Gras, kein Blümchen - dafür dunkles Grau und Schwarz, das sich über mir zusammenzieht. Regen!

Ich komme nicht über 55 km/h heraus, obwohl die Straße massives Gefälle aufweist: Am Straßenrand liegt ein Sportograf dick eingepackt im Scheißwetter und macht Fotos von unseren windverzerrten Visagen voller schwarzem Spritzwasser und halbgefrorenem Nasenrotz.


Ich trete machtlos gegen den Sturm an: Carbon Quixote.

Und dann kommt der Gegenanstieg. Scheiße, wieder bergauf! Das Timmelsjoch ist fies: Man glaubt, nun habe die Anstiegstortur ein Ende und landet noch einmal in einem zwei Kilometer langen Stück bis zur Mautstation. Wieder muss ich auf dem kleinsten Blatt kurbeln, wieder nur 7 km/h. Wieder Schneckentempo. Mein Magen knurrt - drohender Hungerast? Egal, da hinten sehe ich die Grenz-Flaggen, ab da geht es nur noch bergab nach Sölden. Soll er doch knurren!

Superhelden im Anflug

Ich rette mich zur Mautstation. Es dämmert bereits. Der Regen hat eine Pause eingelegt, sie winken mich durch, einige klatschen: Sie wissen es und jetzt weiß ich es auch - ich habe den Ötztaler Radmarathon sicher!


Die Abfahrt genieße ich. Es liegen knapp 26 Kilometer vor mir. Drei, vier, fünf superschnelle Serpentinen, dann eine lange, sehr lange Rechtskurve, die ich voll ausfahren kann, kein Bremsen, kein Verzögern! Nur Vollgas. Verdammter Gegenwind!


Es geht mit 70 durch den Schneetunnel, ich schließe mich einer Dreiergruppe an, beim folgenden Flachstück bin ich ganz hinten, vorne macht einer Tempo. 35, 45 km/h, dann erreichen wir Zwieselstein, erste Zuschauer stehen, applaudieren - kleine Welle bergan, vorne fahren sie weg, ich lasse sie ziehen.


Seltsam entrückt, diese Szenerie hier. Ich komme mir hier oben vor wie ein Planetenbezwinger, wie Columbus, der einsam im Beiboot von seiner Santa Maria wegrudernd die neue Welt entdeckt, Raumschiff-Captain beim Landeanflug auf eine neue Welt - leer hier, kaum denkbar, dass diese Erde so dicht bevölkert ist - hier oben. Mit nichts, außer dem wirren Surren meines Freilaufes, der da unter mir wohl schon auf 90 Grad aufgeheizt dampfend überm Asphalt bollern müsste.


Dann durch Wohlfahrt - und schon bin ich in Sölden. Kann in den rasanten zwei Serpentinen hinunter in die Stadt meine Gruppe wieder ein- und dann auch überholen, dann bin ich im Dorf. Noch 2.000 Meter.

Jetzt fahre ich wie entfesselt - am Ziel wird meine Süße warten, das weiß ich. Und ich will, dass sie mich sieht. Von weitem. Keine Gruppe, kein Suchen - sie soll mich und nur mich sehen.
Reintreten, Gas geben, anziehen - ich reiße mich von der Gruppe weg, überhole noch einen, der schon ausrollen lässt.


Jetzt stehen sie hier am Straßenrand hinter der Absperrung und jubeln mir zu, so wie sie jedem, der diese Tortur hier heute meistert, zujubeln, "Finish 1.000 m" steht da, Untenlenker, Sprint! Ich gebe noch einmal richtig Gas, dann abbremsen, Rechtskurve, nun liegt er vor mir, der Red-Bull-Zielbogen, ich trete rein, trete, trete mir Tränen aus den Augen - und dann war es das.

Rausnehmen.
Im Ziel.
Hände vom Lenker. 
239 Kilometer.
5.500 Höhenmeter.
Geschafft.


Es vibriert mein Handy. "Da hast Du Deinen Traum ...", steht da drin. Meine Zielzeit mit 10:48 Stunden ist nicht so wichtig. Wichtiger sind die Gesichter meiner Mitstreiter, die um mich herum lächeln, weinen, in die Arme ihrer Lieben sinken. Die sich Schweiß und Regen aus den Gesichtern wischen, sich den Krämpfen hingeben, zittern und jauchzen, tief durchatmen und fluchen, beten und küssen.

Dann steht sie hinter mir. Seit heute findet sie enge Rennrad-Klamotten gar nicht mehr so doof, sagt sie, küsst mich und nennt mich Superheld.


Der Ötztaler Radmarathon ist der absolute Höhepunkt dieses fantastischen Rennrad-Jahres. Climax einer Bergsaison, die mich an meine Grenzen geführt hat. Und darüber hinaus. Die mich so viele Kilometer in die Höhe, weg von Alltag und Grau gebracht hat, die mir Speed, Nervenkitzel und viele Abenteuer mit so tollen Mitstreitern beschert hat.

Der Ötztaler, das ist wirklich das ultimative Bergrennen.
Und der Tag, an dem ich zum Comic-Superheld geworden bin.




Hier gibts die Garmin-Daten.

Sorry, aber dieses Mal habe ich keinerlei Fotos vom Rennen gemacht und daher gibts nur die - wieder genial gewordenen - Sportograf-Pix. 

Seid Ihr auch schon den Ötzi gefahren? Wie sind Eure Eindrücke von diesem Alpenrennen? Ich freue mich über Eure Comments.

22. August 2012

Vier gewinnen: Mein neues Rennrad

Es gibt kaum etwas schöneres für uns Radsportler und Rennrad-Fanatiker, als sich der aktuellen finanziellen Situation auf wüstenartig leergefegten Girokonten einfach mal zu entziehen und sich dem Traum hinzugeben, sich dann doch ein neues Carbongefährt zuzulegen.

Viel Kohle für wenig Kohle

Andere mögen angesichts der Budgets, die hier aufgerufen werden, den Kopf schütteln und meinen, dafür "bekommt man ja ein anständiges Auto", aber uns interessiert das nicht: Wir geben gern viel hart erarbeitetes Geld her, um möglichst wenig Carbonfasern dafür zu bekommen.

 
Mein Traum: So ein Cervélo P5, die neuesten Mavic und eine Di2.
Danke Helmut für das Pic

Und so wälzen wir die neuesten Ausgaben von Tour, Roadbike & Co auf der Suche nach den Interbike-Messeneuheiten, wir stürmen bei Velothon oder Cyclassics die Stände der Hersteller und trachten danach, die Objekte der Begierde zu berühren.

So auch ich. Nachdem ich 2011 eine Saison lang im German Cycling Cup gefahren bin - also "kurz & schnell" - und 2012 nun eher die harten Bergrennen absolviere - also "lang und hoch" - nehme ich mir für die Saison 2013 die Langstrecke vor: Die logische Konsequenz meiner "Rennradkarriere".

Mit dem Cervélo R3 könnte ich das auch machen. Aber hey - so eine richtig schön eingestellte, super abgestimmte Zeitfahrmaschine, nicht allzu kompromisslos in der Sitzhaltung, das wäre doch was, oder?

Cervélo P5 - Die Referenz in Sachen Zeitfahrrad

Ganz oben auf der Liste steht da das P5 des kanadischen Herstellers Cervélo. Bereits Anfang des Jahres den Profis und Modellathleten zur Verfügung gestellt worden, hat dieses Rad nicht nur die Triathlon- und Zeitfahrszene elektrisiert, sondern auch mich.


Ein Cervélo P5 bei den Cyclassics.

Erhältlich ist es als P5 Three, die UCI-legale Variante, und als P5 Six in der Tria-Version. Abgesehen davon, dass ich niemals das Potenzial dieses Rades ausfahren werde, ist die Six-Variante weitab jeglicher finanzieller Möglichkeiten und wird daher ein Traum bleiben.

Das Three aber, ausgestattet vielleicht mit einer 2012er Sram Red und - für den Anfang - einfachen Cosmics könnte machbar sein. Ein tolles Rad, ein geiles Geschoss!

Cervélo P3 - Die Mutter des Aero

Mit dem P3 hat Cervélo seinerzeit ein Rad vorgestellt, dessen Siegesserie bei fast allen relevanten Triathlon- und Zeitfahrwettbewerben uneingeholt ist. Noch immer ist laut Kona-Count das P3 das meist gefahrene Tria-Bike des Iron Man und mithin noch immer die Benchmark für modernes Zeitfahr-Framedesign.




Das Cervélo - ein Alltime-Classic!
Pic: cervelo.com

Das Rad geht 2013 noch einmal überarbeitet in seine mittlerweile 8te (!) Saison und wird 2013 (wie die gesamte Produktpalette) mit einem neuen Design aufwarten.

Das P3 vereint erprobte und ausgereifte Konstruktionsmerkmale mit langjährig verfeinerten Detaillösungen: Und es ist bezahlbar! Dieses Frame ist (Preise 2012) mit 2.700 € ganze 1.800 € preiswerter als das P5 Three Frameset. Das ist schon mal fast die Schaltgruppe als Komplettausstattung ...

Mal sehen, was Robert bei Pirate Bikes zu meinen Plänen sagt - und welches Angebot er mir machen kann.

BMC Timemachine TM01 - Stealth-Speed-Weaponry

Ja, ja, ich weiß, das wird manche schocken, die mich für einen hochbezahlten Marken-Blogger im Auftrag von Cervélo halten - aber ich schaue mich auch abseits der kanadischen Marke um. Und da muss ich sagen, fällt mir seit ein, zwei Jahren immer mehr die schweizer Marke BMC auf.

Sie fahren einen, wie ich finde, ähnlichen, technisch getriebenen Ansatz wie Cervélo, bauen wunderschöne Räder und verkörpern Markenwerte, mit denen ich mich sehr gut identifizieren kann. Nicht erst seitdem Cadel Evans seinen Tour de France-Sieg 2011 beim abschließenden Einzelzeitfahren eindrucksvoll auf der TM01 gewonnen hat, ist mir dieses Geschoss aufgefallen.



Die BMC TM01 begeistert mit extremem Design

Mich fasziniert das kantige, an einen Stealth-Fighter erinnernde Design, das Schimmern der undirektionalen Carbonfasern und das ganze, aggressive Auftreten des Bikes. Understatement beim Anbringen der Lackierung - schlüssiges Konzept bei den verschiedenen Einstellungsmöglichkeiten.

Ein Termin beim lokalen BMC-Händler ist schon gemacht. Auf der Cyclassics-Messe verspricht mir der Mann am BMC-Zelt, dass nach der Interbike eine überarbeitete Version erhältlich sein würde.
Ich bin gespannt!

Canyon Speedmax CF evo - Vom anderen Stern


Oh man, was schwitze ich nachts, oder auch tagsüber, wenn ich die Tour, das offizielle Organ der Koblenzer Direktversender, öffne, und dieses Geschoss bestaune! "Man, verdammt!", denke ich mir da, denn Canyon hat mit dem Speedmax CF evo tatsächlich eines der zurzeit aufregendsten Bike-Designs entwickelt. gerade Canyon, denke ich kopfschüttelnd und muss gleichzeitig neidlos anerkennen, dass die sich da eine Wunderwaffe vor dem Herrn ausgedacht haben. Wow!


Team Katusha darf schon - Canyon Speedmax CF evo
Pic: BikeRadar.com

Sicher fertigt Canyon genauso tolle Bikes, wie jeder andere große Markenhersteller auch. Und sicher gehört das Speedmax CF evo mit zu den anspruchsvollsten Zeitfahrrädern, die man sich kaufen kann - und doch kann ich mich mit der Marke kaum identifizieren. Wie hin- und hergerissen ich bin zwischen Faszination und dem "Habenwollen!"-Effekt und meiner Abneigung ob der auf mich eher abweisend wirkenden Marketing-Strategie und Markenwerte der Koblenzer.

Und doch: Das Ding ist der Hammer!

Drum prüfe wer sich ewig bindet ...

Naja. Ein bisschen Zeit ist ja noch. Ob es nun das Cervélo P5 oder P3 wird, ob ich mir eine Schweizer Carbonwaffe zwischen die Schenkel klemme oder doch noch meine Abneigung gegenüber Fachhandels-Ignoranz und übertriebener Marketingstrategie ablegen kann ... wer weiß es schon?

Den passenden Helm habe ich mir jedenfalls schon einmal zugelegt ...






Wie sieht Eure Planung für 2013 aus? Ich freue mich über Eure Comments.

14. August 2012

HU Sunrace 2012 - Krampf gegen die Uhr

Krasser Tag! Und zwar mit allem, was dazu gehört. Wie schon so oft in dieser Saison trete ich im Solar-Trikot der Equipe SunClass Solarmodule an - zusammen mit Flow sind wir beim Omnium-Wettbewerb des HU SUNRACE gemeldet.


Wir haben uns für das Paarzeitfahren und das 75 km-Straßenrennen akkreditiert und sind guter Dinge, als wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Gelände des HU SUNGATE, einer Solar-Genossenschaft, die als Hauptsponsor des Rennens auftritt, ankommen.

Sehr familiär hier alles, der RSC Kattenberg organisiert hier heuten einen Rennrad-Tag der Superlative: Neben dem Omnium gibt es noch die U15 und U10-Lizenzrennen sowie einen "Fette Reifen"-Wettbewerb für alle Knirpse.


Süß, die kleinen Radrennfahrer, wie sie auf ihren viel zu großen Maschinen alles geben. Und noch süßer, wie die kleinen Heringe dann stolz wie Oskar auf dem Treppchen stehen. "Los, Frosch!", feuern Flow und ich den Kleinsten an auf einem quakigrünen Rennrad.

Waffenschau - Zeitmaschinen mit Staun-Effekt

Immer mehr Zeitfahrer treffen ein: Und die Gartenpartyatmosphäre switcht schnell angesichts der Zeitfahrmaschinen, die sie hier auspacken, um zu einer stattlichen Waffenschau. Zwei, drei Scott Plasma, ein Canyon Speedmax, ein richtig schniekes Ridley und natürlich die wunderschönen Cervélo P3 in 2, 3 Farbvarianten, auch einige nicht gebrandete, extreme TT-Konstruktionen werden da aufgereiht.

Flow bekommt das alles nicht mit: Pre-Race-Chillout.


Sie montieren Cosmic Carbones (mindestens), HEDs oder Tri-max, allenthalben glänzen auch mal Vollcarbonscheiben, gerne die eine oder andere Leightweight in der Sonne auf. Schlauch-Slicks werden auf über 9 bar getrieben: Aerosuits stretchen sich auf muskulöse Schenkel ... Flow und ich schauen uns nur an.

"Noch ne Banane?", fragt er.
"Nee." Ich gehe und hole mir die zweite Bratwurst.

Ich kenne das ja schon: Beim Zeitfahren der ersten Etappe des Rothaus Riderman 2011 hatte ich zum ersten mal das Vergnügen, mit meinem Cervélo R3 gegen diese hochgezüchteten Aero-Boliden anzutreten. Und dass diese mich in Grund und Boden fahren, weiß ich schon.

Eigentlich liegen zu Hause ja auch Zeitfahraufsätze im Ersatzteillager, die bei meinen Testausfahrten schon eine Menge gebracht haben, aber ich habe diese nicht mit: Ich halte den Kurs hier heute für zu kurvig, als dass ich die Tria-Aufsätze sinnvoll würde einsetzen können. Was sich als Trugschluss herausstellen wird.

12:39 Uhr ist unsere Startzeit. Kurz vorher fahre ich den 4,7 km langen Kurs noch einmal zum Warmwerden ab: Tatsächlich - super windig ist es heute, sehr viele 90-Grad-Kurven, teilweise mit Verkehrsinseln, einige Stellen mit Glas und Zuckersand garniert. Vollgasstrecke? Geht so ... denke ich mir.

Verwirrung am Start

Als wir und einreihen schauen wir den Durchkommenden, die schon auf der Strecke sind, zu. Wahnsinn, dieses Geräusch, wenn eine Carbonscheibe mit 50 km/h an einem vorbeigebollert kommt!

Ein Zeitfahr-Pärchen kommt gerade vom Einrollen zurück und will die Rennstrecke überqueren - einer sieht die Heranrauschenden nicht: Notbremsung! Gerade so kann Einer dem Anderen ausweichen. Alles brüllt, die Veranstalter toben: "Disqualifizieren!", rufen ein paar.
Der Verursacher deutet auf seinen Zeitfahrhelm: Nix gehört.

Phuh! Schrecksekunde!


Hinter uns reiht sich ein weiteres Pärchen ein: "Sagt mal, wie viele Runden sind denn das nun?"
Ich antworte: "Das sind 3 Runden."
Er grinst mich an. "Nee, bestimmt nicht!"
Von der Seite einer der Betreuer: "Sieben Runden, Jungs, es sind sieben."


Flow und ich gucken uns an - äh - sieben Runden? SIEBEN? Mir war die ganze Zeit wie drei. Also 15 km Zeitfahren - 75 km Straßenrennen. Ich schüttle den Kopf. Nee, im Ernst? 7 Runden? Flow, der sich grundsätzlich nicht vor den Rennen informiert, steht mit offenem Mund da. Vor uns schicken sie die Gruppe auf den Kurs.


Oh man! Ich spurte los zu unseren Rucksäcken und hole die Wasserflaschen: Wir hatten die glorreiche Idee, ohne Flüssigkeit auf die 15 km zu gehen. Bei 35 km sieht das aber schon ganz anders aus. Dann klicken wir ein. Hinten halten sie unsere Räder. "Scheiße!", denke ich nur! Scheiße, 35 Kilometer ... dann bekomme ich auch schon einen Schubser und bin auf der Strecke.

Zeitfahren beim HU SUNRACE

Ursprünglich wollten wir die erste Runde bei 60% angehen, dann etwas aufdrehen und die dritte und letzte Runde Vollgas. Nun ist diese Strategie natürlich dahin. Ich bin an der Spitze und trete rein: 45 km/h, Puls 180. Scheiße! Am Anschlag, keine 500 Meter gefahren.

Die erste Kurve nach Start/Ziel genommen, dann eine weitere Linkskurve und es folgt das erste längere Geradeausstück. Flow setzt sich vor mir und zieht weiter an. Vor uns zwei Paare - geduckt auf ihren Zeitfahrmaschinen - keine Chance, da ranzukommen!



Sie sausen vor uns in die 90-Grad-Kurve, nehmen nicht mal die Hände vom Zeitfahrlenker. Wow! Das ist Radbeherrschung pur. Nun sind wir auch durch die Kurve, Flow zieht an, noch immer Rückenwind, wieder ein Kilometer geradeaus: 43 km/h.

Dann kommt das Geschlängel: Linkskurve. Gegenwind! Luft steckt in meinem Mund, wir werden sofort von 40 auf 24 km/h abgebremst. Es geht leicht bergan. "Links!", brüllt einer neben mir. Schon sausen zwei TT-Bikes an mir vorbei. Ich kann kurz die Tropfenhelme von hinten sehen. Schon ziehen sie davon. Flow versucht, in ihren Windschatten zu kommen - keine Chance!

Ich gehe vor ihn, ziehe die zweite Hälfte des Gegenwind-Stücks. Kurz vor der Start/Zielgeraden geht Flow wieder nach vorn. 7:21 min steht auf dem Garmin für die erste Runde.

Mein Puls hämmert bei 178 weiter im tiefroten Bereich. Gleich werde ich Blut spucken ...

Krampf gegen die Uhr

"... lange ... halte ... ich ... das ... nicht ...", geht es mir so durch den Kopf, da fliegen wir schon zum zweiten Mal über die Ziellinie. Wieder setze ich mich an die Spitze und ziehe Flow durch die beiden Linkskurven, dann 80 % des ersten langen Geradeausstückes. Kurz vor der Kuve geht er wieder nach vorn, um das zweite lange Geradeausstück zu machen.

LodlodlodldolLODLODLODL! - bollern wieder zwei, drei Paare an uns vorbei. Unglaublich, wie extrem die auf diesen Rahmen hocken, krass, wie wenig sich der Körper bewegt - nur die Beine wirbeln und sehen dabei so viel entspannter aus, als wir.


Vorne eiert Flow im Wind wilde Schlangenlinien herum. Während sie an uns wie präzise Fernlenkwaffen vorbeizischen.

Dritte Runde - ich bin am Arsch!
Vierte Runde - was war das denn? Gar nichts mitbekommen?
Fünfte Runde - hier werde ich heute nicht heil rauskommen ...
Sechste Runde - Krampf! Meine rechte Wade krampft, sofort geht Flow nach vorn, ich kann mich etwas ausruhen.

Die Sechste Runde wird unser Meisterstück.

... die kriegen wir!
 
Vor uns, 400, 500 Meter entfernt, zieht ein Paar seine Bahn. Er und sie. Wahrscheinlich deshalb so "langsam". Flow und ich arbeiten uns Meter für Meter an sie heran: "... holen wir uns ... auf der ... Zielgerade!", rufe ich ihm zu, als ich an die Spitze gehe.

Langsam saugen wir uns an die beiden heran. Hinten fährt sie - normales Rennrad ohne Aufsätze, wie wir - vorn ihr Freund, Zeitfahrmaschine, Zeitfahrhelm. Er wartet immer mal, gibt ihr Windschatten.
Durch das Geschlängel halten wir gebührend Abstand. Dann, eine Kurve vor der Zielgerade, setze ich zum Überholvorgang an, wir ziehen an ihnen vorbei.


Ihr "Freund" entpuppt sich beim Seitenblick als Dame. Ooops, Sorry.

Als wir vorbei sind, geht Flow nach vorn, letzte Linkskurve, Zielgerade.

"Letzte Runde ...!", ruft er. Ich gehe neben ihn, atme schwer, es steht eine 179 auf dem Pulsmesser, egal, die Ziellinie rück näher. Ich höre auf zu treten, sie klatschen, ich reiße meine Hände hoch, endlich! Was für eine Pein, ausrollen.

Zischhhhh - das Pärchen schießt an uns vorbei, zieht davon.

Ich gucke auf das Garmin.

Scheiße!

Wir müssen noch eine Runde!

Wieder in Untenlenkerhaltung. Wieder runterschalten. Flow kommt aus dem Lachen nicht heraus. Ich kann nur meinen Kopf schütteln. Man man man, einfach mal nur bis sieben zählen!

Wieder erreichen wir Höchstspeed - vor uns das Pärchen ist entschwunden. Wieder krampft es alle paar hundert Meter. Flow zieht geduldig. Die Geradeausstücke reiten wir ab, im Geschlängel nervt der Gegenwind so sehr, dass ich ausnahmsweise Flow auch hier ziehen lasse. Der scheint heute irgendwie wieder am Zaubertrunk genippt zu haben.


Letzte Kurven. Nach siebeneinhalb Minuten wieder auf Start/Ziel - nun kann ich auch das Letzte rausholen. Gehe an die Spitze, trete rein. Gebe alles. Krampf! Egal, Schnauze! Und dann ... endlich ... rausnehmen. Und nun aber wirklich!

Das Cooldown fährt Flow auf dem Parkplatz, ich lasse locker ausrollen.
Mein Puls braucht ein paar Minuten, um auf unter 170 zu kommen.

Am Ende werden wir mit 52:05 min den dreißgsten Rang von 56 Start-Paaren geschafft haben. Ein überraschend gutes Ergebnis. Aber angesichts der Tatsache, dass wir ganze 10 Minuten langsamer als die Gewinner sind - und damit pro Runde fast 1:30 min verlieren, führt mir mal wieder sehr plastisch vor Augen, welchen Vorteil wirklich gute Aerodynamik und das richtige Material beim Zeitfahren wirklich bringen. (Und Training, natürlich)

Omnium? Oh, no!

Klar, die Zeitfahr-Cracks, die hier am Start sind, trainieren auch ganz anders und angesichts der Schenkelumfänge fahren die mich sicherlich auch mit meiner Mutters Ömmelrad in Grund und Boden, aber einmal mehr habe ich Blut geleckt an dieser spannenden, sehr anspruchsvollen und genialen Disziplin.

Tja, Cervélo ... Ihr habt da doch so ein tolles P5 im Programm? Man darf ja noch träumen ...

Nachdem ich mich - unter Krämpfen - dann endlich wieder ins Gras habe fallen lassen können, steht nach diesem 35-Kilometer-Zeitfahren für mich allerdings fest, dass ich das Straßenrennen (selber Kurs, 16 Runden) nicht mehr würde fahren können.


Für heute bin ich leer gebrannt.

In 2 Wochen steht der Ötztaler an. Und da muss ich mich nicht vorher komplett dicht fahren.
Die 32 km nach Hamburg zurück radeln wir gemütlich bei - na klar - Gegenwind. Schnackend schwärmen wir vom Carbonbollern der Zeitfahrboliden ...



 P.S. - Frosch ist Vierter seiner AK geworden.




Hier gibts die Garmin-Daten.
Und hier der offizielle Rennbericht des Teams SunClass Solarmodule.
Einige Fotos mit freundlicher Genehmigung des HU-SUNRACE.

Habt Ihr schon an Timetrials teilngenommen? Was denkt Ihr über die Vorteile einer Zeitfahrmaschine bei diesen Wettbewerben? Ich freue mich auf Eure Comments.

10. August 2012

Rad am Ring 2012 - Bald ist es soweit.

Nun sind es keine 25 Tage mehr - und endlich steht wieder das 24 Stunden-Rennen auf der Nordschleife an. Seit dem ich 2011 mit Heiko für das Team SunClass Solarmodule hier am Start war, habe ich Blut geleckt: Die Nordschleife ist das Geilste, das ich jemals auf dem Rennrad gemacht habe!

Für alle, die sich auch vorbereiten, habe ich mal eine komplette Runde über die Nordschleife in YouTube geladen:



Aufgenommen mit der GoPro HD-Cam für unseren Rennrad-Dokumentarfilm "Punchline - 24 Stunden in der Grünen Hölle", der (ja, ich weiß, es dauert ...) noch immer in der Postproduction ist.

Die Nordschleife und der Nürburgring bieten Extreme aller Art: Schnellste Abfahrten mit bis zu 100 km/h und mehr in der Fuchsröhre, die bis zu 18% steile Hohe Acht fordert alles an Klettertalent und technisch höchst anspruchsvolle Kurvenkombinationen verlangen nach einem hohen Maß an Rennrad-Beherrschung.



Ich freue mich wie ein kleines Kind: Zumal ich die Möglichkeit bekomme, bei Rad am Ring meinen Bergfloh Cervélo R3 gegen das Top-Aero-Modell der Kanadier, das Cervélo S5, laufen zu lassen.

Oh - und natürlich: Eine Woche vorher gehts zum Ötztaler Radmarathon. Wenn das mal kein aufregender August wird ...


Seid Ihr auch auf der Nordschleife gefahren? Wie sind Eure Eindrücke? Ich freue mich über Eure Comments.

7. August 2012

Im Test: Rennrad-Satteltasche Topeak Aero Wedge Pack Micro vs. Scicon Aeronaut

Am Wochenende bereite ich mich - gemach, gemach - mit einem ersten Überlandtrip nach Braunschweig auf den Saisonabschluss, das Zeitfahren Hamburg-Berlin, vor. Sicher: Es stehen noch ein paar Rennen an, so der Ötztaler, Rad am Ring und das HU-Sunrace, aber im Prinzip ist die alpine Saison vorbei.

Bald ist Herbst: Die Langstrecke ruft.


Nach Braunschweig sind es keine 170 Kilometer und weniger als 600 Höhenmeter - ideal zum Einrollen. An meinem Sattel prangt ein neues Rennrad-Accessoire: Die Scicon Aeronaut. Eine neue Satteltasche, die ich hier heute zum ersten mal an meinem Rennrad teste.

Seit 3 Jahren gefahren: Die Topeak Aero Wedge Mirco-Bag

Seit knapp 15.000 Kilometern fahre ich jedoch eine andere Tasche: Die Topeak Aero Wedge. Ein tolles Produkt: Einfach zu handhaben, großzügig im Platzangebot und solide verarbeitet.


Die Satteltasche wird mittels zweier Schnallen an den Sattelstreben befestigt und per Plastik-Schnappschloss arrettiert: So kann nichts verrutschen. Eine Klettschnalle am unteren Ende fixiert die Tasche an der Sattestütze. Fertig. Es dauert keine 5 Sekunden, die Tasche an- und abzunehmen.

Ein Nachteil: Die Reibung

Unschöner Nachteil: Das extrem haltbare Material - ein Textil - der Tasche reibt durch die vielen kleinen Erschütterungen im Rennrad an der Sattelstütze. Bei meiner alten 3T-Dorico fand ich später unschöne Stellen auf der Rückseite der Carbonstütze: Großflächig war der Lack abgeschabt, das blanke Carbongewebe trat hervor. Seit dem muss ich meine - neue - Stütze mit einigen Lagen Frischhaltefolie, die ich bei langen Touren zudem noch mit Krepp-Klebeband umwickle, schützen.

Schön geht anders.

Super hingegen ist das Platzangebot der Topeak-Satteltasche.


Immer dabei habe ich einen Ersatzschlauch, Reifenheber, meine Minipumpe und etwas Kleingeld. Doch damit die die Tasche noch lange nicht voll. Auf längeren Touren passen so noch bequem zwei, drei Energy-Gels oder - mit etwas Technik - auch meine minikleine Regenjacke hinein.

Nachteil 2: Nicht wasserdicht

Ein bisschen ärgerlich wird es, wenn es regnet: Die Aero Wedge ist nicht wasserdicht.


Aus diesem Grund habe ich meine Plattfuß-Utensilien immer in einer Plastiktüte verpackt. So wird zwar die Tasche nass, nicht aber Schlauch, Heberzeug und vor allem nicht die Pumpe. Doof ist dann natürlich, labberige Geldscheine beim Tankstellenstopp aus der Tasche zu fummeln - oder im Sommer, 3 Stunden nach dem Regenguss, einen faulig-moderigen Geruch aus dem Sattelbereich zu vernehmen, wenn das Brackwasser nämlich anfängt, im Gärzustand neues Leben zu produzieren.

Der Herausforderer: Scicon Aeronaut

Die Aeronaut von Scicon ist da anders. Ein gänzlich verschiedenes Konzept. Aber was zunächst ins Auge fällt: Die Satteltasche der Italiener ist kleiner. Viel kleiner.


Ich würde schätzen, dass das Gummiei etwas die Hälfte an Fassungsvermögen der Topeak besitzt. Aber noch mehr Unterschiede fallen auf: Die Scicon ist aus einem gänzlich anderen Material. Als ich sie zum ersten mal in den Händen halte, freue ich mich über den Gummi. Die Tasche besteht aus einem extrem dehnbaren, aber festen Kautschuk-Gemisch.

Im Prinzip sind es zwei Eierschalen. Die Rückseite ist härter und weniger verformbar - über diese Rückseite wird - quasi wie eine Schwimmkappe - die Vorderseite gezogen. Sitzt bombensicher und ist obendrein absolut wasserdicht. Sehr gut.


Doch als ich den Aeronaut versuche, mit den selben Utensilien wie die Topeak zu befüllen, bleibt ein Großteil dieser neben dem prall gefüllten Erste-Hilfe-Ei liegen: Außer dem Schlauch und den - mitgelieferten - flachen Reifenhebern passt da beim besten Willen nichts mehr hinein.

Der Nachteil: Wenig Platz

So muss ich dann also Geld und die Pumpe hinten im Trikot verstauen. Was wenig tragisch ist: Die Pumpe wiegt keine 100 Gramm. Das Geld nervt da schon mehr. Bei jeder Kurbelumdrehung klappert es.


Genial finde ich den Verschluss und die Halterung des Aeronauten.

Super auch bei Scicon: Die Befestigung

Der Verschluss-Adapter wird zunächst mittels einer Stellschraube an den Sattelstreben arrettiert. Hierbei passt sich der Adapter an jeden Sattel an, der über zwei Streben verfügt. Fest angedreht sitzt das Ding so richtig bombenfest.


Nun kann man - ähnlich wie bei dem Drehverschluss des Garmin Edge 800 - die Scicon einfach eindrehen. Sie rastet ein und fertig! Sitzt super. Nichts wackelt, nichts schabt, ich brauche keine Stullenfolie um meinen Sitzdom zu schützen und klein und niedlich sieht es auch noch aus. Perfekt.

Das Urteil

Beide Satteltaschen haben ihre Vor- und Nachteile. Die Topeak glänzt mit einwandfreier, beständiger Verarbeitung und einem übergroßen Raumangebot: Durch das Öffnen eines Reißverschlusses kann bei Bedarf sogar noch mehr Stauraum geschaffen werden.


Die Tasche geht einfach an- und abzubauen und erweist sich als treues Packeselchen bei meinen Touren und Rennen. Dabei gibt es aber deutlichen Punktabzug für die nicht vorhandene Wasserdichtigkeit und vor allem die Beschädigungen, die die Tasche am Sitzdom verursacht. Mit rund um 15 € all das zu einem Superpreis.

Das Ei des Kolumbus ist auch die Scicon aber nicht: Enttäuschend im Vergleich zur Topeak das Platzangebot. Mehr als einen Schlauch bekommt man hier nicht rein. Und doch: Während eines Rennens glänzt der Aeronaut eben gerade durch diese Einfachheit - das kleine Ding enthält das Notwendigste für den Pannenfall (plus Pumpe am Rücken) und bietet dem Wind weniger als ein Drittel Angriffsfläche: Da wirkt die Topeak doch schon fast wie eine Kommode unterm Hintern. Mit knapp um die 22 € ist die Scicon alles andere als ein Schnäppchen - obschon die solide Verarbeitung und der geniale Verschluss den Preis angemessen erscheinen lassen.

Topeak Aero Wedge oder Scicon Aeronaut?

Am Ende werde ich weiter den Aeronauten im Training und in kleineren Rennen fahren. Da brauche ich sowieso nicht mehr als das, was man ins Gummiei bekommt. Beim Ötztaler hingegen - keine Frage - zählt jedes Gel. Und davon bekomme ich in die Topeak einfach mehr.

Und ob mein Rohr abgeschabt ist, interessiert am Timmelsjoch eh niemanden.

Mehr Informationen zu Scicon findet Ihr auf der Website und auch Topeak hat eine Website.



Welche Satteltaschen fahrt Ihr? Ich freue mich auf Eure Comments.