4. Oktober 2010

German Cycling Cup, die Erste: Beim Münsterlandgiro

Na, da hatten wir uns endlich mal wieder ein Ziel gesetzt: Unser von den Cyclassics bewährtes SunClass-Rennrad Team sollte nun also beim Saisonabschlussrennen der Jedermann-Serie des German Cycling Cups teilnehmen: Traditionell ist das der Münsterlandgiro und traditionell findet der am Tag der Deutschen Einheit statt.

Leider konnte Jan nicht teilnehmen und auch unser weiblicher Neuzugang Angela war in letzter Minute verhindert, und so kam es dann doch ganz gelegen, dass Steve eine engagierte Triathletin empfahl, die bereit wäre, auf dem vakanten Startplatz mitzufahren.

Und - als Bonus sozusagen - versprach er mir eine Lady auf einem Cervélo.
Na, wer kann da denn Nein sagen?
Wir alle freuten uns auf Swantje.

Und so treffen wir uns gemütlich am Samstag gegen halb Elf auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Die Equipe SunClass fast komplett: Florian, Heiko, Steve und ich. Und Swantje, die mit ihrem schicken Cervélo S1 Aero-Rad angerollt kommt, uns angrinst und ein "Hallo Jungs" in die Runde strahlt.

Besser kann so ein Rennwochenende doch gar nicht beginnen, denke ich mir.
Der IC kommt pünktlich, wir steigen ein und freuen uns.

Das Radabteil ist mit nur zwei Rädern geradezu als "unbelegt" zu bezeichnen. Da wir Normaltickets fahren haben wir keine Reservierung, da aber nichts reserviert ist, auch kein Problem. Denke ich.

Pustekuchen.

Der Herr Schaffner weist mich oberlehrerhaft darauf hin, dass im Fernverkehr Reservierungspflicht bestünde und er das Recht hätte, die Mitnahme zu verweigern.
"Aber hier ist doch nichts reserviert?!" insistiere ich.
Er schüttelt den Kopf. Nur "aus-nahms-weise" dürfen wir mitfahren.

Deutsche Bahn - ich verstehe Euch einfach nicht!

Aber egal, nach 2 Stunden erreichen wir Münster, beziehen unsere Einzelzimmer im Teamhotel, das komfortabel nur 200 Meter vom Hauptbahnhof entfernt nahe zur Altstadt liegt und begeben uns erst einmal zum Italiener - Carboloading.

Die Pizzen sehen im Mocca d´Or so lecker aus, dass ich mich spontan gegen Pasta und für eine Tonno entscheide. Sollte sich dies morgen rächen?
Naja, ich will nicht vorgreifen.

Und auch nichts auf die Pizza kommen lassen - denn die war einfach Spitzenklasse!

Wir laufen eine halbe Stunde zur Uni, wo in der Mensa die Renn-Akkreditierung und Transponderausgabe organisiert ist. Florian kommt erst heute Abend gegen 21 Uhr an, den muss ich anmelden, und Swantje bekommt die Anmeldebestätigung von Angela - ummelden von 55 km auf 125 km steht auf dem Programm.

Unsere Anmeldung ist kein Problem. Die Jungs und Mädchen siezen uns sogar, aber kein Wunder, denn mit über 30 gehöre ich mittlerweile in die Kategorie "Masters" und da wird man wohl von Amtswegen gesiezt.

Bei der Anmeldung von Flo fragen sie mich nach einer Vollmacht.
"Wie, Vollmacht? Ich habe doch die Anmeldebestätigung?!", sage ich.
"Naja, wir müssen aber sicher sein, dass Sie ihn anmelden dürfen ...", sagt der Bengel hinter der Biertischgarnitur.
"Ähm, soll ich ihn für Dich anrufen? Dann kann er Dir das persönlich sagen ...", biete ich an.
Der Junge überlegt. Dann schiebt er mir den Zettel hin, auf dem wir unterschreiben, dass wir die Veranstalter nicht in die Haftung nehmen: "Okay, trage hier einfach seinen Namen ein ..."

Mit verstellter Handschrift kritzle ich seinen "Flo" hin.

Swantjes Anmeldung ist ähnlich kurios: Denn auch hier benötigen sie eine schriftliche Vollmacht. Ich sage dem Herren: "Also, wie gesagt, was Schriftliches haben wir nicht - aber hier, ich kann sie auf dem Handy anrufen ...?"
"Ähm, okay, dann geht das so in Ordnung." Swantje bekommt ihren Transponder und ihren Startplatz in Block B. So können wir alle die 125 Kilometer zusammen in Angriff nehmen. Toll.

Am nächsten Morgen treffen wir uns halb 8 zum Frühstück. Die Nacht war eine Katastrophe: Der guten Lage zwischen Hauptbahnhof und Altstadt sei Dank bleiben die Besoffenen anscheinend immer genau unter unseren Fenster stehen, um sich anzuschreien.

Von türkischen Jungs, die auf Mädchenjagd sind: "Schnecke. Hey, Schnecke! SCHNECKE IM WALD!" über einen Ehezwist: "Was guckstu Anderen hinterher?!? ICH BIN DIE MUTTER DEINER KINDER, DU ARSCHLOCH!" bis zu einem Battalion volltrunkener Briten, die gegen 6 Uhr den bunten Reigen an Partygängern mit lauten "Fuckyaallyoufuckinbastards!"-Gebrüll beenden, bekommen wir den gesamten Querschnitt eines präkariaten Standardpartysamstags geboten.

Ich bekomme außerdem geschätzte 1,5 Stunden Schlaf.

Ein Defizit, das ich morgens noch nicht merke. Wie alle anderen auch bin ich zu aufgeregt, zu aufgedreht. Es wabert vertrauter Beat alter NDW-Mucke durch die Gassen, in den Startblöcken sammeln sich die erwarteten 4.000 Rennrad-Fahrer und ein Sprecher gibt alle paar Minuten einen Countdown ab.

Der Himmel über uns ist blau. 24 Grad und Sonnenschein sind angesagt - Wahnsinn! Bei der Kleiderwahl hatten wir die Qual - bei mir wird das Kurzarmtrikot mit Armlingen und die lange Hose, meine Kollegen ziehen kurze Hosen vor.

We will see.

Die Stimmung ist perfekt. Genau hinter Block A - wo wir die verbissen angreifenden Punktefahrer der German Cycling Cup-Wertung vermuten - reihen wir uns in den anzunehmenderweise ruhigeren Block B ganz hinten ein.

Swantje will es ruhig angehen.
Flo, unsere St. Pauli-Hardcore-Bolzer hat da eine andere Strategie: "Also Jungs, von Anfang an gleich nach vorne, dann ists sicherer."

Aha.

Ich selbst fühle mich ganz gut, obwohl ich weiß, dass ich seit den Cyclassics - und die sind ja nun auch schon seit eineinhalb Monaten rum - nicht mehr ernsthaft trainiert habe. Erwärmt haben wir uns schon gar nicht. Eher das Maul mit schlechten Scherzen heiß geredet, aber so machen das Kerle nunmal - die quatschen ihre Zweifel hinfort.

Aber ganz hinten in meinem Köpflein dämmert ein kleiner Gedanke. Und deshalb bin ich froh, zwei Bananen, einen Powerriegel, eineinhalb Liter hochdosierten Iso-Drink und ganze 5 Gel-Tütchen von Nutrixxion in meinen Trikottaschen zu wissen.

Die werde ich schon noch gebrauchen!

Irgendwann tickert der Sprecher von 10 bis 0 herunter, dann soll irgend jemand den Startschuss abgeben. Wir hören allerdings nichts - egal, nun gehts endlich los!

Es wabert die Erwartung in uns, die Vorfreude, das Rennfieber bricht aus.
Zwar können wir zunächst mit gerade einmal 15 bis 20 km/h fahren, langsam, fast in Zeitlupe quängelt und drängelt sich der Rennrad-Lindwurm durch Kreisverkehre und 90-Grad-Kurven aus der Stadt hinaus.

Und dann, auf einmal, beschleunigt alles wie wild.

Die Jagd ist eröffnet - auf auf zur großen Hatz!

Und wie es losgeht. Flo macht seine Ankündigung wahr und sprintet nach vorn. Ich folge ihm, Heiko und Steve hinter mir. Swante sehe ich bis nach Zieleinlauf nicht mehr.

Das Feld sammelt sich, Spreu trennt sich vom Weizen, gute Beine nach vorn, schlechte nach hinten. Und was Bitteschön mache ich dann hier vorn?

Flo dreht sich ab und zu um, schaut, ob wir kommen. Heiko an meinem Hinterrad, ich vier, fünf Positionen hinter Flo. Das Tempo ist hoch, nie unter 36, eher um die 40, 42 km/h herum. Noch ist die Straße feucht, Spritzwasser fliegt mir in den Mund, den ich jetzt schon offen halten muss, um genug Sauerstoff in meine Lungen zu pumpen.

15 Kilometer geschafft, Heiko kommt vor mich, Flo ist irgendwo weiter an der Spitze, ich lasse mich erstmal von Heiko ziehen. Oha, denke ich mir, das wird ja lustig heute!

Sie fahren allesamt sehr diszipliniert hier - kein Murren, keine Arschlöcher, die von rechts überholen, keine nervösen Lückenspringer, alles guter, sauberer Sport - Rennradfahrer, die es können.

Aber dafür ist auch das Tempo hoch.

Bei Kilometer 20 finde ich mich an Position 3 unserer Gruppe wieder. Vor mir Heiko, ich halte sein Hinterrad, davor einer, der im Wind das Tempo macht. Scheiße!, denke ich, wenn der jetzt raus geht muss Heiko in den Wind. Und wenn Heiko rausgeht, bin ich dran. Und ich halte das keine 500 Meter aus da vorn - 100 schnaufende Rennboliden im Nacken und ich muss die mit 38 km/h ziehen?

"No way!", beschließe ich und schere aus. Lasse mich rechts vom Peloton überholen und ordne mich bei Position 15, 20 ein. Ein bisschen schäme ich mich schon - immerhin sollte jeder einmal in den Wind und was für seine Gruppe leisten. Andererseits denke ich mir, sind hier 70 % der Jungs Windschattenlutscher. Permanent kreiseln tun da vorne höchstens 10, 15 Leute.

Heiko kommt nach ein paar Kilometer auch bei mir an. Atemlos ruft er: "Was, schon leer?"
Ich muss nicken.

Es ist 13:30 als ich über die Ziellinie komme. Vollkommen fertig. Ausgelaugt. Die letzten 50 Kilometer bin ich mit ständigen Krämpfen gefahren. Nicht mal mehr aufs große Blatt konnte ich schalten - 25 km/h max, mehr war nicht drin. Die Krämpfe fangen oberhalb der Knie an. Oberschenkel, Waden - jede Umdrehung ein Krampf.

Beim "Siegerfoto" grinsen wir. Aber nur, weil wir froh sind, überlebt zu haben.

Flo hat es zweimal erwischt.

Das erste Mal wird er abgeschossen, legt sich bei voller Fahrt und schrammt sich seinen Ellenbogen auf. Knie und Hände, dazu ein Riemen vom Helm abgerissen. Übel. Voller Adrenalin - immerhin liegt er zu dieser Zeit nur 4 Minuten hinter der Spitzengruppe - bolzt er mit Wut im Bauch und vollem Risiko, fährt mit über 40 in eine Kurve, schafft es nicht und stürzt ein zweites Mal.

Auch er kann jetzt, da wir im Ziel sind, grinsen: "Hey, cool - ich bin nicht tot!"

Ja, tot sein, das hätte er können.

Ich selbst kann mich erinnern, wie ich etwa bei Kilometer 40 meine Block B-Gruppe verlassen muss. Flo ist lange schon außer Sicht, Heiko kann ich noch ganz ganz vorn kurz sehen, dann lasse ich alle an mir vorbeiziehen - mit dem hohen 30er Schnitt, der hier gefahren wird, kann ich nicht mithalten.

Und wenn doch, dann hätte mich spätestens die erste Bergwertung, die bei Coesfeld auf uns wartet, abgeschossen - hier wird das Feld brutal von der 800 Meter langen Rampe gesprengt. Ketten springen auf die kleinsten Ritzel, Vortrieb bleibt in senkrechtem Asphalt stecken - wir treten uns ächzend den Gradienten hinauf.

Am Straßenrand steht Mel, meine gute, liebe alte Freundin. Sie sieht mich, winkt und grinst. Ich freue mich, sie zu sehen, winke kurz, muss dann aber wieder treten.
Komischerweise komme ich die Steigung besonders leichtfüßig hoch - schneller als die meisten meiner Mitrennfahrer. Das ist mir schon bei den Cyclassics aufgefallen ...

Oben angekommen bietet sich uns ein herrlicher Blick über die münsteraner Landschaft. Zeit zum Genießen bleibt freilich keine.

Im Ziel beschaue ich mir meine Klamotten - Spritzer von Schlamm auf der Brille, die Hosen voller Tropfen, Schweiß in Trikot und Handschuhen. Zeugen einer Schlacht sondergleichen.

Bei Kilometer 50 haben sie - vollkommen unverständlich - die Verpflegung hingebaut. Keiner hält an. Auch ich nicht. Lasse Drinks, Riegel und Bananen rechts liegen und kämpfe weiter. Seit 10 Kilometern als Einzelfahrer. Vor mir, auf etwa 2 Kilometer, auch nur noch Einzelkämpfer, Abgehangene, Übriggebliebene, Renegaten des Pelotons.

Hinter mir, am Horizont, die nächste große Gruppe. Aber bis dahin ist noch Zeit. Jetzt heißt es für mich erst einmal: Zähne zusammen und rankommen an Windschatten!
Ich finde eine Gruppe von 15, 20 Rennradlern. Finde auch Windschatten, kann nun wieder beschleunigen. Der zuweilen ruppige Gegen- und Seitenwind wird optimal abgeschirmt. Bald habe ich wieder 36, 36 Sachen drauf, sogar zu einem Cervélo-Klönschnack reicht die Puste.

Bei Kilometer 69 verabschiedet sich mein Schnackpartner nach vorn - und setzt sich ab.
Oha!

Während sich Swantje ihre wohlverdiente Pasta holt und die Jungs die Renngeschichten ausplappern, als gäbe es kein Morgen mehr, versuche ich etwas abseits der Truppe, herumzulaufen: Noch immer fahren mir schmerzhafte Krämpfe durch die Beine. Was für eine Qual!

Zur Qual wird es für mich ab Kilometer 90. Mein Wasser ist alle. Die zweite Banane kann ich nicht mal mehr runterschlucken, muss die Hälfte wegwerfen. Meine Gruppe habe ich mittlerweile auch verloren - die Kärmpfe setzen ein und hier hilft entweder nur aufgeben oder - Drehzahl reduzieren.

Ich kurbele auf dem kleinen Blatt mit maximal 25 km/h durch die Lande. Leute klatschen am Straßenrand Beileid. Als mich eine Gruppe überholt, fingert der eine gerade ein Geltütchen auf, dabei löst sich sein Radcomputer, der fällt auf seinen Oberschenkel, der sich gerade in einer kraftvollen Aufwärtsbewegung befindet, kickt den Computer in die Luft und über dessen Schulter und ich bekomme den mit voller Wucht in mein Gesicht. Batsch! Eine gescheuert bekommen. Schneidezähne noch drin? Ja. Ach, cool - wenigstens lenkt der Schmerz hier oben von den Krämpfen da unten ab ...

Irgendwo haben sie an der Rennstrecke ein Jacuzzi aufgebaut. Es stehen sogar Rennräder am Straßenrand. Ob ich mich einfach mit reinsetze? Nee, zieh! Fahr!

Noch 35 Kilometer? Never!

Die Sonne scheint uns auf die verschwitzten Trikots. Wir sind glücklich und zufrieden - im Hintergrund werden Sieger geehrt und gehen die Profis auf die Strecke. Es wummert Blasmusik zu uns herüber und wir können wieder herumblödeln. Meine Schmerzen sind auch erträglicher geworden - langsam bekommen wir unsere Köpfe frei zum Denken.

Denken, dass mir die letzten 30 Kilometer schwer fällt. Ich habe nämlich nur einen Gedanken: "AUFGEBEN!".
So schlimm war es noch nie. Wirklich. Bei meinen fast 24.000 Kilometern im (Renn-)Radsattel ist mir so ein Tiefpunkt noch nie untergekommen. Eben noch tänzle ich wieder fast mühelos die zweite, noch schlimmere Bergwertung, diesmal über eine 1.000 Meter lange Rampe, hinauf, jetzt schon kann ich nicht mehr. Und ich meine nicht, dass ich fertig bin - nein, wegen diesem Schmerz sind wir ja alle hier, nein, ich meine, dass ich wirklich bei JEDER EINZELNEN Kurbelumdrehung einen Krampf habe.

Krampf rechts.
Krampf links.
Krampf rechts.
Krampf.
Krampf.
Kampf.

Besenwagen. Ein Blog-Post aus dem Besenwagen hatte ich auch noch nie, denke ich mir. Auch mal was ... und doch, ich beiße. "Lass es ruhig angehen.", mahne ich mich im Stillen und lasse mich von rund 300 Rennradlern überholen. Einer schiebt mich sogar an und meint: "Komm, häng Dich hinten ran!"

Nett von Dir, aber ich KANN NICHT.

Besinnlich geht es zu, fast schon nachdenklich, als wir kurz vor Aufbruch zum großen Duschen noch auf der Wiese hocken. Was für ein Rennen, oder? Wie geil war das denn bitte wieder!

Noch vorhin war mir noch ganz anders: Ich halte 18 Kilometer vor Münster an einem Haus, dort stehen zwei Mädchen. Ich bitte sie atemlos, mir eine Wasserflasche aufzufüllen. "Mit Sprudel oder ohne?", fragt sie lächelnd.
Ich bin sprachlos. "Hauptsache randvoll ..." stammle ich zitternd. Sogar im Stand habe ich Krämpfe. Ich bemerke sie kaum einmal mehr. Krämpft mir doch am Arsch!

Ich will nur noch eines: Ankommen. Bitte! Nur ankommen will ich. Und wenn es sein muss, als letzter, mir egal, aber ich will finishen!

Die letzten Kilometer bin ich ganz allein. Zuschauer sind schon weg. Auch die Strecken-Stewards, die anfangs noch recht enthusiastisch mit ihren Fähnchen den Weg gewiesen haben, sie lehnen sich hockend an die Absperrungen, lassen sie ihre Nasen von der fantastischen Sonne bräunen und heben höchstens mal den Finger, um mir Nachzügler die Richtung zu weisen.

Vollkommen fertig, nicht einmal mehr im Stande, auch nur einen Arm hochzureißen, fahre ich nach 3 Stunden und 46 Minuten und 125 Kilometern in spastisch zuckenden Beinen über den Zielstrich.

Kein glänzender - aber immerhin ein Sieg.

Beim Dönermann gibts Döner-XXL mit Pommes. Flo trinkt sein fünftes Bier. Wir scherzen in Münsters Sonne - Helden des Rennens, Kämpfer des Speichenordens - Rennrad-Jedis. Wir haben den Münsterlandgiro bestritten.

Und das gar nicht mal so schlecht, wie sich heraus stellt: Heiko und Flo kommen trotz der beiden Stürze von Flo nur 25 Minuten nach dem Sieger des Rennens ins Ziel. In einer größeren Gruppe trudelt Swantje, die in der Frauenwertung auf Platz 21 fährt, keine 30 Sekunden nach mir ein und auch Steve ist nur eine Minute hinter mir über die Ziellinie gefahren.

Die Dusche genießen wir, die Leute vom Hotel, die mich heute morgen noch fragten, ob wir denn auch beim Oldtimerrennen (?) starten würden, lassen uns großzügihg die Zimmer bis 14 Uhr benutzen. Sowas hat man auch selten.

Wir duften nach Pfirsich, nach herben und weichen Gels, je nachdem, wie man es mag. Ein ganz anderes Gel, das ich übrig behalte, nehme ich mit nach Hause: Von den fünf Power-Gels habe ich nur vier genommen (das erste keine 20 Kilometer nach dem Start), und auch deshalb nur vier, weil ich zum Schluss kein Wasser mehr hatte, um auch das fünfte hinabzuspülen.

Wie Babies schlafen wir im Zug, dösen uns durch Norddeutschland, der sonnigen Heimat entgegen. Von was mögen die beiden nur träumen?

Vom nächsten Rennen. Sicher!
Da stört es dann auch nur periphär, dass ich im Hotel das Zugticket für uns fünf weggeworfen hatte und sich eine interessante Diskussion mit dem Schaffner entwickelte. Aber das ist eine andere Geschichte ...

Bleibt abschließend zu sagen: Das Rennen war der Hammer! Eine wundervolle Strecke die alles geboten hat, was das Rennradlerherz begehrt: Schnelle Abfahrten, steile, fiese Rampen, lange Flachstücke zum gleichmäßigen Speedmachen, verwinkelte Kurvenabschnitte (auch auf Kopfsteinpflaster) die fahrerisches Können verlangen und - wenn auch leider nur periphär bemerkt - eine Landschaft, die wunderschön anzusehen ist.

Eine tolle Organisation, was Streckenleitung, Posten und Mannschaft angeht. Einziger Wermutstropfen ist der völlig unsinnige Verpflegungsstand nach 50 Kilometern - den hättet Ihr mal lieber bei km 80 oder 90 postiert ... naja, 2011 ist auch noch ein Jahr!

Die Stimmung im Feld war perfekt: Keine Rempler, Raufer oder Arschlöcher, keine Anfänger, Rechtsüberholer und Radrowdies. Alles haben jederzeit Acht gegeben, ich musste nur einen Sturz mit ansehen.

Ich kann sagen: Auch wenn ich mit meiner eigenen Performance alles andere als zufrieden bin, es war ein super Wochenende, hat Spaß gemacht mit Euch, Jungs & Mädels vom SunClass-Rennrad Team und mit Euch 4.000 anderen Radlern.

Und hey - wie geil dieses Gefühl ist, als ich am Abend beim "Tatort" auf der Couch liege und das Blut noch heiß und wallend mir durch die krampfgeplagten Adern schießt, nach einem Einstundenvollbad - das kann eh nur nachempfinden, wer über so viele Dutzend Kilometer alles gegeben hat.
Und darüber hinaus.


Statistics Münsterland.Giro 2010:

Gefahren 125 km-Runde mit 984 Männern und 32 Rennrad-Ladies

Finished auf Platz 751 (von 984) und 217 (von 281 meiner Klasse) nach 3 h 46,09 min mit einem Schnitt von 33,2 km/h

Unser SunClass Cycling Team belegt Platz 49 von 63 in der Teamwertung.

Und nächstes Jahr - kommen wir wieder!


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6 Kommentare:

  1. Hallo, Lars. Danke! Toller Bericht ... Ich habe beim Lesen mit gelitten ...

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  2. danke, herr/frau anonym.

    naja, war schon sehr hart. aber wie bei allen harten prüfungen - der adrenalinstoß und die endorfinflut hinterher machen die schmerzen schnell vergessen.
    heute, 2 tage nach dem giro, könnte ich sofort wieder auf den sattel und losjagen ... :o)

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  3. Klasse Rennbericht, hab ihn gestern auf dem Handy und jetzt nochmal gelesen. Obwohl ich die 90km-Strecke gefahren bin, konnte ich mich gut darin wiederfinden. Es lief bei mir eher "suboptimal" und habe ebenfalls gelitten - jedenfalls bis zur Zieldurchfahrt :)
    Mit meinen erst 3000km im Rennsattel gibt es bestimmt noch etwas Potenzial auszuschöpfen... Nächstes Jahr in Münster wieder dabei!

    Beste Grüße
    Thorsten

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  4. hi thorsten - danke fürs lob!

    lass mal, bin auch erst gerade mal knapp 4 T km im rennrad gefahren ... aber das kommt alles noch.

    und nächstes jahr machste dann auch die 125, okay?

    grüße aus hamburg,
    L

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  5. Stand da nicht irgendwas von 24.000km im Rennsattel? Bei mir sind's 3000 insgesamt...

    Wenn es mit dem Training klappt, fahre ich 2011 auch die 125km, klaro ;)

    Gruß
    Thorsten

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  6. hi thorsten,

    nee, da steht "24 T km im sattel" - und das sind 18.000 km im liegerad: www.speedmachineadventures.blogspot.com
    plus die aktuellen knapp 4 T km aufm rennrad.

    ooookay, das sind nur 22 T ... aber die restlichen 2 schaffe ich auch noch.

    grüße, L

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