24. Februar 2013

Mit dem Halbmarathon zum Marathon - mein Wintertraining für Jerusalem

Wie schon im letzten Jahr nutze ich die rennradfreie Wintersaison um etwas Abstand zum Geleisteten zu gewinnen - und, um wieder Vorfreude auf das Kommende zu entwickeln. Die während der Rennen erworbene Fitness möchte ich weitestgehend konservieren - dennoch dabei meinem Körper nach fast neuntausend Kilometern auf dem Renner die wohl verdiente Erholung gönnen.

Meine Lösung: Laufen!

Samstag, 8:00 Uhr - keine Sau unterwegs. Unbezahlbar!

Noch in den Jahren 2008 bis 2010 trainiere ich während des Winters auf der Rolle. Erst die Feste - Watt-gesteuert und Puls-überwacht - dann die Freie - Zeit-gesteuert. Doch der Eintönigkeit des immer gleichen Blickes auf die sich nicht verändernde Kulisse meines Schlafzimmers kann ich erst 2011 entfliehen, als in mir die Idee reift, den Winter über ausschließlich mit Lauftraining zu arbeiten.

Und natürlich mit einem Schmankerl: Die Rennrad-Saison wird mit einem Marathonlauf begonnen.

Alte Strategie: Mit dem Halbmarathon zum Marathon

2012 teste ich diese Idee und finde sofort Gefallen daran. Da mein Job in einer Online-Agentur unter der Woche nur wenig Training - und das nur sporadisch - zulässt, geht eigentlich nur ein ernsthafter Trainingstag pro Woche: Samstag. Oder Sonntag.

Ein bisschen Cervélo muss sein - auch wenns nur die Socken sind.

Und so bereite ich mich 2011 mit 10 Halbmarathon-Distanzen an fast jedem Wochenende konzentriert vor. Etwa einen Monat vor dem Barcelona-Marathon, meiner Premiere, switche ich auf die 30 Kilometer-Distanz um - den "3Quarterton" - und kann davon 4 Läufe absolvieren.

In Barcelona, 25.3.2012, laufe ich dann nach diesen 14 Trainings eine Zeit von 4:30 Stunden mit einer 6:12er Pace. Ich bin sehr zufrieden.

Nun schreiben wir Ende 2012. Meine Rennrad-Saison war wieder der Hammer. Über 1.500 Renn-Kilometer, knapp 7.000 km mehr an Training und RTFs - am Ende fast 20 % mehr als im Vorjahr, stehen zu Buche. Noch während ich meine 2013er-Saison plane steht fest: Auch im Winter 2012/13 geht es wieder zum Laufen raus an die frische Luft!

Mehr Schliddern als Laufen: Winter an der Elbe

Bereits vor dem Jahreswechsel beginne ich wieder mit meinen Halbmarathons. Zunächst auf Usedom, dann, nach meinem Umzug ins schöne Altona, entlang der Elbe.

Nicht immer ist es leicht: Zwar vermisse ich das Gedränge und Laufsteg-Gehabe entlang meiner alten Laufstrecke um die Außenalster nicht, so muss ich mich aber an der Elbe oftmals halsbrecherisch über eisglatte, zugefrorene (und manchmal noch gefährlicher: angetaute) und nasse Wege retten.

Anyway: Sieben Halbmarathons kann ich so bis zum 19. Januar laufen, ehe ich wieder auf die 30-Kilometer-Distanz wechsle.

Trainingsdaten verglichen: 2011 versus 2012

So intuitiv ich oft bei meinen sportlichen Abenteuern handle, so zahlenfixiert bin ich in gleichem Maße manchmal trotzdem. Ich sammle mit dem Garmin Forerunner alle Daten meiner Läufe und kann sie so analysieren.

Zunächst laufe ich 2013 nicht ganz so weite Strecken beim Halbmarathon, als noch vor einem Jahr. Etwa einen Kilometer im Schnitt laufe ich weniger - was einfach an der Geographie meiner neuen Laufstrecke liegt. Dennoch kann ich anhand der reinen Pace-Werte eine Verbesserung gegenüber dem Training 2012 erkennen:



Halbmarathons 2013: Kontinuierlich besser.

Ich kann mich von 6:10 min/km in 2012 auf durchschnittlich 5:53 min/km in 2013 beim fast-Halbmarathon steigern - und zudem von Lauf zu Lauf die Endzeiten immer mehr verbessern. Zackt im Vorjahr die Kurve noch stetig hin und her, schlimmer noch, verschlechtere ich mich von Lauf 3 bis 8 stetig, kann ich 2012 endlich einmal eine kontinuierliche Verbesserung meiner Laufleistung erzielen.

Für mich ein toller Trainingserfolg!

Der Grund hierfür mag sicher darin liegen, dass ich mit einer besseren Grundfitness aus der Rennrad-Saison starte - oder aber schlicht und einfach darin, dass ich nun einfach "besser" laufe.


Dichter Nebel, kein Ufer: Die Elbe verzaubert.

Zahlen sind das eine - Emotion das andere. Ich genieße meine Läufe am Elbufer, genieße die Ruhe, wenn ich Samstagmorgens bei vollkommener Leere über den breiten Elbweg laufe, meine Lieblingsmusik auf den Ohren, nur ab und zu einen anderen Läufer grüße und sonst ab und an einen Ozeanriesen bestaune, oder mich von der eigentümlichen Schönheit der Elbe bei Nebel, bei Sonnenschein oder auch bei Schneefall berühren lasse.

Es ist ein Genuss, hier zu laufen. Ein Privileg.

Und wie genial dann die letzten 1.200 Meter, wenn ich das etwa 40 Meter hohe Elbufer nach 19 Kilometern erklimme und den Endspurt nach Hause antrete - schwer atmend mich in den vierten Stock schleppe, meine nassen Klamotten vom Körper wegexplodiere und unter dem heißen Strahl der Dusche dampfend den Frost aus zuckenden Muskelfasern dusche.

Unbezahlbar!

Sieht nicht so aus: Aber das ist Läufer-Glück.

Meine Rennrad-Saison 2013 wird nun also wieder mit einem Marathon starten. Diesmal suche ich mir ein noch südlicheres Ziel aus: Jerusalem. In der Hoffnung, auch hier vielleicht schon mit kurzer Klamotte antreten zu können, Sonne und Frühling und eine gute Zeit mitzunehmen, buche ich einen der frühesten Marathons in der heiligen Stadt.

Berge. Höhenmeter. Sind hier angesagt.

Level 2: Von der Halbmarathon-Distanz auf 30 Kilometer 

Wie schon 2012 switche ich auch in diesem Jahr auf die "3Quarterthon-Distanz". Und das am 10. Februar. Nur 7 anstelle 10 Halbmarathons also. Und so, wie die Zeitplanung bis 1.3. aussieht, wird es auch nur 3 anstelle 4 der besagten 30-km-Läufe geben.

Ach, das reicht schon ...

Zwischendurch auch mal Frühling: Elbufer

Dennoch bin ich guter Dinge. Meinen ersten Lauf über 30 Kilometer absolviere ich in guten 3:18 Stunden mit einer 6:36er Pace. Das ist schon mal als Startlauf wesentlich schneller, als mein erster 30er in 2012: Damals laufe ich eine 6:52er Pace - und muss dabei sogar knapp 1,5 km weniger hinter mich bringen, als dieses Jahr.

Auch der zweite 30er wird super: Ich weiß nicht, was mich so schnell macht, aber ich kann die ersten 3:18 Stunden um mehr als 10 Minuten unterbieten. 3:07 Stunden und eine super Pace mit 3:19 min/km. So schnell war ich bei keinem 30er-Lauf vor einem Jahr!

Erster 30er - schon mal eine viel versprechende Zeit.

Hinzu kommt, dass ich in diesem Jahr ein schönes Schmankerl in meine Route eingebaut habe. Um mich auf das Auf und Ab Jerusalems wenigstens ein bisschen vorzubereiten, zweite ich nach rund 11 Kilometern vom Elbweg ab und laufe den 800 Meter langen, dabei 15 % steilen Waseberg hinauf.

Den nicht weniger steilen Falkenstein geht es dann wieder hinab runter zur Elbe, wo ich nach einem, zwei Kilometern wende - und meine Bergtour noch einmal vollführe. Diesmal den Falkenstein (1.200 Meter mit 2 bis zu 15% steilen Rampen garniert) hinauf und den Waseberg hinunter.




Eigentlich mein rennrad-Revier: Falkenstein und Waseberg

Diese Anstiege bringen mich jedes mal in den roten Bereich - interessant aber auch zu beobachten, wie ich mich relativ schnell wieder erholen kann.

Die Trainingsdaten der 30-km-Läufe

Ich bin sehr zufrieden, als ich am Sonntag meinen dritten und letzten 30er in Vorbereitung auf den Jerusalem Marathon fertig laufe: Am Ende steht eine 3:02 Stunden auf dem Forerunner - Pace 6:06 min/km. Wieder verbessert!

Endspurt: Nur noch den Elb-Balkon hoch, dann 1.000 m bis nach Hause.

Im Gegensatz zu 2012, als meine "3Quarterthons" im Schnitt "nur" 27,61 km lang sind, laufe ich in diesem Jahr glatte 30 Kilometer - und die auf Anhieb schneller.

Zudem kann ich mich auch 2012 kontinuierlich bei den 30er-Läufen verbessern, was für mich ein eindeutiges Zeichen guter Ausgangsfitness ist, die mir nicht zuletzt bei der Leistungsdiagnostik, die ich am 4. Februar durchführe, ja auch bestätigt worden ist.



Auch bei der 30 km-Distanz trotz Höhenmeter eine tolle Verbesserung.

Die 30-Kilometer-Marke ist essenziel beim Laufen. Denn hier (plus/minus) sind die Energie-Vorräte eines Sportlers komplett entleert: Der Marathonläufer beginnt nun, fast ausschließlich "auf Kopf" zu laufen. Das ist auch der Grund, warum bei der 30 Kilometer-Marke immer die meisten Fotografen stehen - beste Chancen, das meiste Leid zu sehen.

Vorfreude: Der Marathon in Jerusalem kann kommen

Um so besser für mich, denke ich mir, wenn ich bei meinen Halbmarathons und bis an die 30 Kilometer-Marke kontinuierliche Steigerungen erreichen kann. Und das, bei nur einer Session pro Woche!

Zufrieden sinke ich nach meinem Letzten Trainingslauf auf der Hausbank zusammen und bin glücklich: Jerusalem kann kommen.

Der Spaß steht beim Marathon bei mir im Vordergrund.

Nun stehen noch ein, zwei Tage Arbeit an, am Mittwoch besteige ich den Flieger nach Tel Aviv (und wehe, am Airport wird gestreikt!) und düse in das hoffentlich warme Israel.

Welche Zeit ich laufen will? Alles unter 4:30 Stunden ist mir lieb, Sub4 ist allerdings sicher nicht möglich.

Aber wie bei allem, was ich mache - Spaß haben, sicher ankommen.

8. Februar 2013

Rennrad-Leistungsdiagnostik - Professionell zum individuellen Trainingsplan

"Ich bin Dein Vater, Luke!", raune ich düster in die Maske und feixe mit Timo, der die Kamera auf mich gerichtet hat. Er wird das Race Across the Alps - und deshalb unter anderem auch die Vorbereitung hier bei der Leistungsdiagnostik - mit der Cam begleiten. Noch habe ich gut Lachen - das wird gleich nach dem Test etwas anders aussehen.

Ich bin bei der Kaifu Leistungsdiagnostik. Das Testprogramm geht los.


Am Ende dieser etwas mehr als 2 Stunden intensiven Testens werden Frau Jalaß, selbst Triathletin, sowie Sportmediziner Dr. Frank Brons genug Daten gesammelt haben, um einen 3-montigen Trainingsplan für mich auszuarbeiten, der mich der Erreichung meines Saisonziels - Finish beim RATA - unterstützen soll.

Grundlage Blutbild: Die Analyse meines Lebenssaftes 

Alles beginnt damit, dass ich mich umkleide - lockeres T-Shirt, Laufhose und Turnschuhe - und erstmal auf der Arztliege entspanne, während Dr. Brons mit 4 Röhrchen Blut abnimmt.

Diese Proben werden im Labor getestet: "Wir werden neben einer Blutanalyse - dem sogenannten "Großen Blutbild" auch noch einige weitere Werte Ihres Blutes testen, was uns Aufschluss über Ihre momentane Gesundheit und natürlich auch Rückschlüsse auf Ihre Leistungsfähigkeit geben wird.", sagt Dr. Brons, als er mir sicher und ohne Nachstechen die Kanüle einführt.


Während ich nach der Entnahme einige Minuten ruhig auf der Liege verharre, das Minipflaster halte, fragt Frau Jalaß mich ab: Trainingsumfänge bisher, geplante Trainingsumfänge, die "Aufbaurennen" meiner Saison bis zum RATA und allgemeine Fragen zu meinem bisherigen sportlichen Vorgehen.

"Eines sehe ich jetzt schon", sagt sie im Hinblick auf meine Strategie, nur an Wochenenden Gas geben zu wollen: "Damit wirst Du zu wenig Training bekommen! 2, 3 mal die Woche und am Wochenende muss schon drin sein." Ich weiß: 4 Monate (ab jetzt) bis zum Race Across the Alps sind nicht wirklich lange ...


Doktor Frank Brons führt eine orthopädische Untersuchung an mir durch, indem er alle Gelenke und meine Beuge-, Streck- und Drehfähigkeit checkt und verabschiedet sich fürs Erste, während Frau Jalaß das Ergometer klar macht. Das Herzstück des Events steht an: der Stufentest mit spiroergometrischer Atemgasuntersuchung.

Vorher muss ich auf eine elektronische Spezialwaage. 62 Kilogramm stehen da. Und bei der Körperfettmessung: Error.
Frau Jalaß justiert das Gerät. Überprüft die Batterien.
Wieder Körperfettmessung.
Wieder Error.

Na. Das Blutbild wird schon genug Daten liefern ...
Aber wie war das? Körperfettanteil unter 4% ist gefährlich ...?

Die leistungsdiagnostischen Voruntersuchungen: Orthopädie und Ruhe-EKG

Ich nehme auf dem (viel zu breiten) Sattel der Ergometers Platz, den wir noch justieren. T-Shirt aus, die sich maschinell ansaugenden Elektroden des EKG-Gerätes werden mir an Brust und Rücken angehangen. "Wir messen zunächst Deinen Ruhepuls" - der in diese Situation naturgemäß alles andere als ruhig ist.


Im Ruhezustand misst sie meinen Blutdruck. "100 zu 60.", sagt Frau Jalaß. "Das ist sehr niedrig. Aber nicht gefährlich. Sicher besser, als hohen Blutdruck zu haben." Und wohl auch nicht ungewöhnlich für so schlanke Kerle wie mich.

Seltsamerweise leuchtet mir schon jetzt Einiges ein: Wie schwer es mir zum Beispiel selbst nach relativ kurzen Pausen - an Renn-Büffets zum Beispiel - wieder auf Touren zu kommen. Oder anders herum: Wie schnell und einfach ich nach Belastungen fast sofort "runterfahren" kann um zu regenerieren.

Ein Grund mehr also, beim RATA die Stand- und Pausenzeiten minimal zu halten. "Ich will mindestens eine Stunde schlafen!", wird Flow, mein RATA-Mitstreiter, mir am nächsten Tag versichern. Ich bin gespannt.


Sie schreibt über 5 Minuten ein Ruhe-EKG. "Es dauert so lange", erklärt sie mir, "weil Du anscheinend etwas aufgeregt bist. Außerdem erkenne ich eine leichte Arhythmie ..." Schreck!
Äh, wie bitte? Herzrhythmusstörung? Ich?
Dr. Brons kommt rein. Schaut auf den Monitor (Timo hält immer schön drauf). "Ja, das ist leicht arhythmisch. Aber das sind nur kleine Huckel - ich nehme an, wegen der Aufregung. Nichts Außergewöhnliches. Alles gut."

Na, da bin ich aber mal beruhigt.

Der Stufentest: Ablauf und Regeln

Stufentests á la Conconi, á la Joe Friel und dergleichen kenne ich schon. Mithilfe dieser Tests konnte ich 2008 bis 2010 zuhause auf der festen Rolle mit Widerstandsregelung und einem Pulsgurt mehrmals meine Schwelle , meine HFmax (und damit die Trainingsbereiche) bestimmen.

Damals lag meine Schwelle bei 160 bis 170 bpm / 180 bis 210 W. Ich bin also gespannt.

Frau Jalaß erklärt mir aber erstmal, wie der Test funktioniert.


"Also, während des Tests darfst Du nicht sprechen. Wir kommunizieren nur mit Handzeichen - Daumen hoch heißt ´Alles Okay´, Hände wackeln heißt ´Ich bin mir nicht sicher´ - dann frage ich nochmal nach und Daumen runter heißt ´Abbruch´, okay?"

Jo, ich nicke.

"Wir beide können abbrechen: Du, wenn Du nicht mehr kannst - und ich, wenn ich irgendwas Alarmierendes sehe oder ich merke, dass Du fertig bist, ja?"

Daumen hoch.

Weiter gehts: "Der Test ist zwar ein Stufentest, aber in Form einer Rampe. Es wird also stetig immer schwerer, 25 Watt Widerstand alle 2 Minuten." Ich nicke. "Du musst die Trittfrequenz stetig zwischen 70 und 80 Umdrehungen halten. Außerhalb dieses Bereiches wird der Test abgebrochen - unter 70 musst Du zu viel Kraft aufwenden, über 80 wird es zu leicht." Okay. Ich nicke.

90 Umdrehungen sind zwar optimal beim Rennradfahren, aber dann halt 75 Umin im Mittel.


Ich bekomme eine Maske über den Hinterkopf gezogen, das Darth Vader-Gummigegenteil vorn über Nase und Mund und ein Mundstück, durch das ich direkt in den Atemgas-Analysator atmen werde, wird draufgesteckt. Ich bin nun Teil einer Elektro-Atemmaschine.

So weit weg ist Darth Vader gar nicht ...

"Wir messen natürlich Sauerstoffaufnahme und CO2-Abgabe, wir messen die Menge der aufgenommenen Atemluft, also deren Volumen.", erklärt mir Frau Jalaß. Dann muss ich einige Atemübungen nach ihren Vorgaben absolvieren um den Computer zu justieren - Lungen komplett entleeren, schnell und tief einatmen, alles was geht - und dann alles explosionsartig ausprusten.

Dann pedaliere ich bei 25 Watt Widerstand einige Minuten, um Ruhe-Atemgase und EKG in eine relaxte, aufgewärmte Norm zu bringen.

Sie fragt, ob es losgehen soll.
Daumen hoch.

Und ab geht die Luzie ...

Conconi? Hardcore!

Anfangs spüre ich nur wenig. Es wird kaum merklich schwieriger, das Schwungrad des Ergotrainers auf 75 zu halten, noch mache ich mir den Spaß und versuche, bei 71 zu bleiben: Dass ich mich hier gleich bis zum Gehtnichtmehr verausgaben werde, ist mir klar, dann kann ich noch solange es geht, Kraft sparen.


Die "Rampe", die ich hier virtuell hochfahre, fühlt sich trotzdem ich es besser weiß, doch wie eine Stufe an. Immer wieder sackt die Umdrehungszahl plötzlich und unvermittelt ab und ich muss mich sehr konzentrieren, meinen Kraft-Output entsprechend anzugleichen.

Noch sitze ich locker auf dem Sattel, während sie meine Werte überwacht und ab und zu live Kommentare abgibt. Ich kann bequem durch die Nase atmen (noch), meine Hände liegen locker auf den Lenkerhörnern.


Einige Minuten später sieht das freilich etwas anders aus.

Atemgas-Analyse: Leistung, HFmax und Sauerstoffschuld

Mein Puls wird merklich schneller, ich fasse fest um die Lenkerhörnchen, reiße förmlich an ihm, unten wirbeln meine in Klettschnallen fest eingeklemmten Schuhe am Schwungrad. Es wird krasser. Schon wird mir heiß, wie Nadelstiche fühle ich den Schweiß aus Hals und Schultern treten.


Jetzt hetze ich, Kondensat bildet sich im Inneren meines Mundstückes, jetzt würde ich gern mein Maul aufreißen, den Querschnitt vergößern bis es nicht mehr geht, die Luft gleich zentnerweise einsaugen. Ich röchel, ich trete, ich kämpfe.

Frau Jalaß feuert mich an. Mehrmals recke ich meinen Daumen. "210 Watt, sehr gut!", ruft sie. Und: "Noch 2 min?" Ach, Ausrollen wäre schön ... naja, was solls: Daumen hoch!
Ich reiße am Rad, ich konsumiere den Sauerstoff um mich herum, heiß ist mir, ich ächze - Scheiße, durch diese enge Maske kann ich nur die Lippen spitzen, nicht aber meinen Kiefer herunterklappen. Das Atmen fällt mir schwer. Mein Arsch tut weh.

"230 Watt, super!", feuert sie mich von ganz weit weg an.

Ich höre das Beepen des Computers.

Vor mir, unerbittlich, sinkt die Trittfrequenz immer wieder von 76 auf 71, ich schrecke auf, trete wieder rein ... Luft, ich brauche Luft!


Die Soll-Grenze für "Gut trainierte Ausdauersportler", nach deren weltweiten Datenpool ich bemessen werde, liegt bei um die 240 Watt. So viel will ich noch machen, schwöre ich mir. Und ich quäle mich.
Die Beine sind schwer.
Wenn ich könnte, ich würde Laktat nur so auskotzen.

Boah, Fuck, jede Sekunde geht rein! Dieser verfickte Drehzahlmesser! Mehrmals sacke ich auf 69 Umin, reiße mich zusammen: "Los, noch eine Minute dreißig, Lars los." Ich will den Daumen hochreißen ... und drehe ihn um.

Aus. Vorbei. Nichts geht mehr!

"Okay, super gemacht! Tolle Leistung", feuert sie mich an und: "Nicht aufhören zu treten! Nicht aufhören!"


Sie stoppt den Test. Es fühlt sich an, als steckten zwei mittelalterliche Hellebarden in beiden Oberschenkeln, als säße ich auf einem stählernen Morgenstern - "... nicht aufhören! Wird gleich leichter!" - hält sie mich am treten. Alter, Fuck, das ist fast krasser, als der ganze Test!

Ich könnte schreien, so weh tut es, die Digits des Drehzahlmessers auf 40 Umin zu halten.

Nach dem Test: Ausrollen. Oder: Meine Regenerationsfähigkeit

Irgendwann fährt der Computer den Widerstand auf 25 Watt herunter. 5, 10 Minuten - ich weiß nicht wie lange - bleibe ich auf dem Gerät sitzen, atme schwer in meine Maske, puste alles heraus. Sie nickt mir zu. Schweiß läuft mir in Strömen.

"Wir messen, wie Du dich unmittelbar nach der aeroben Leistung regenerierst, wie sich Herzfrequenz und Atemgase verändern ...", ich habe nur einen Gedanken: Runter von diesem Ergometer. Der Sattel ist die reinste Hölle!


Als sie mir die Maske abnimmt und die Saugnäpfe wie von Zauberhand entfernt abfallen und mich aussehen lassen, wie nach einem Oktopus-Angriff bei Jules Verne, lasse ich endlich locker.

Das war Hardcore!

Die Auswertung: Das kann ich. Und das wohl nicht.

Doktor Brons kommt rein, beiden schauen auf die Ergebnisse. Die detaillirte Auswertung werde ich erst in ein paar Tagen erhalten, zusammen mit dem Vorschlag eines Trainingsplanes. Beide nehmen sich allerdings schon einmal die Zeit, einige Werte - grob - zu interpretieren.

"Der beige Bereich ist das Soll - der Bereich, in dem sich gut trainierte Ausdauersportler bewegen sollten", fängt Frau Jalaß an. Der Doktor meint: "Und da haben Sie schon einmal eine sehr gut aussehende Werte - das ist eindeutig die Kurve eines Leistungssportlers."


"Was mich wundert", sagt sie, "ist der Fakt, dass Deine Schwelle scheinbar schon recht früh eintritt - hier bei 144 bis 146 bpm. Das hätte ich später erwartet." Doktor Brons klickt einige Tabellen durch - die Werte müssten noch bereinigt und geglättet werden meint er, aber 146 käme Pi mal Daumen hin.

Aha. Meine handmade Conconi-Messung also krass unterschritten!, denke ich mir. Sowohl beim Dreiländergiro als auch beim Ötztaler versuchte ich ja immer, bei 150 bpm die Berge hoch zu fahren, weil ich annahm, damit sei ich bequem weit weg von der Laktatschwelle. Tja, wenn dieser neue Wert stimmt, bin ich also immer schön im roten Bereich gefahren ...

"Die Werte müssen wie gesagt alle noch geglättet werden ...", sagt Dr. Brons. "Aber bei einigen Kurven sind Sie auch über dem Durchschnitt. Das sieht alles ganz gut aus auf dem ersten Blick."


Am nächsten Montag wird Flow hier seinen Test machen. Auch ihm wird Blut abgenommen, auch sein Körperfett wird (vrmutlich viel erfolgreicher als bei mir) gemessen werden, auch er bekommt die Darth Vader-Maske und auch er wird sich die Lungenbläschen aus dem Leib treten während er versucht, ganz cool bei 75 Umin der Frau Jalaß ein Thumbs-up zu liefern.

Ich bin auf Flows Werte fast ebenso gespannt, wie auf die Auswertung von Frau Jalaß und Dr. Brons - und unserem RATA-Trainingsplan.

Fürs Erste sage ich Danke für über 2 spannende Stunden in der Kaifu Leistungsdiagnostik Hamburg bei Frau Jalaß und Dr. Brons - es war aufregend, überaus interessant und sehr angenehm bei Euch!


Wie sind Eure Erfahrungen bei einer professionellen Leistungsdiagnostik? Ich freue mich auf Eure Comments.