20. Juni 2012

Putzfee reloaded - Rennrad-Reinigung & -Pflege

Dass ich Schraubarbeiten an meinem Cervélo versuche, auf ein Minimun zu reduzieren, wisst Ihr. Mechaniker bin ich nicht, werde ich nie sein. Und zum Glück muss ich das ja auch nicht.
 Was ich aber schon immer mit wachsender Begeisterung getan habe (neben dem Fahren des Rennrades natürlich) - ist das Putzen!

Das Rennrad zu putzen kann wie Meditation sein.

Ich habe einfach einen Fimmel für saubere Rahmen, finde, es gehört zum guten Ton, mit einem Rennrad an den Start zu gehen, dass gepflegt ist, glänzt und gut aussieht. Gerade als Repräsentant meines Sponsors. Abgesehen davon, dass regelmäßige Pflege die Qualität des Lackes und die Funktionsweise und Lebensdauer der mechanischen Komponenten verlängert.

Wann das Rennrad putzen - und was?

Jeder hat ja seine eigenen Vorlieben, Techniken und Arten (gerne Eure commenten). Bei mir gibt es zwei Arten von Reinigungstagen: Die schnelle Säuberung und den Komplettwaschgang.

Auf die Schnelle reinige ich mein Rennrad von groben Schmutzteilen - vor allem an Unterrohr, Gabel, Sitzstreben (bei den Bremsen) und Sitzdom. Das geht schnell mit einem feuchten Lappen - mit alten Baumwollsocken oder Klamotten wird drüberpoliert - fertig.

Mindestens ein mal im Monat - nach Regenfahrten sofort. Rennrad. Putzen!

Die beweglichen Teile, vor allem die Kassette, besprühe ich nach einer groben Reinigung ohne Kettenlöser oder andere chemische Hilfsmittel, mit Profi DryLube für den Leichtgang.

An den Umlenkpunkten, vor allem der Schaltzüge, punktiere ich Finish-Line nach - fertig.

Wenn ich gut drauf bin - oder die Ausfahrt mit Regen verbunden war - reinige ich noch Felge und Speichen. Eine gute Gelegenheit, die Speichen und Mäntel auf Schäden zu untersuchen.

Das kleine Programm wende ich mindestens nach jeder zweiten Ausfahrt, sicher aber am Freitagnachmittag in Vorbereitung der Wochenend-Rennen oder -Touren an. Wenn ich im Urlaub eine Rennrad-Tour mache, gehört dieses Programm zum alltäglichen Ritual: Eine umfangreiche Funktionskontrolle von Schalt- und Bremsverhalten gehört selbstverständlich dazu.

Großes Kino - das Rennrad komplett herrichten

Sehr zur Freude von Mitbewohnerin und Balkonzuschauern, gibt es natürlich noch den großen Waschgang. Nicht ganz so häufig - meist nach absoluten Dreckswetterfahrten, großen Urlauben oder aber mindestens alle 6 bis 8 Wochen.

Ein sauberes, gepflegtes Rennrad hält auch viel länger.

Dann lege ich mir Depeche Mode auf die Ohren und nehme mir 3 Stunden Zeit, denn die braucht es, um alles einmal richtig durchzuwaschen.

Zunächst werden die Laufräder demontiert. Mit WD40 und Kettenlöser (ich weiß, das ist böse - wird aber super sauber ...) reinige ich die Kassette von Schmutz und Schmand, bis sie wieder fein metallisch glänzt. Dabei fange ich das ablaufende Öl mit alten Plastiktüten auf - später wird das alles in einer Mülltüte verpackt bei der nahe gelegenen Tankstelle entsorgt. Ist ja schließlich Schadabfall.

Ist die Kassette gereinigt, passiert das selbe mit Kette, Schaltwerk und den Kettenblättern. Auch hier fange ich das aggressive Zeug ein. Schütze aber auch den Carbonrahmen vor den Mitteln - wer weiß, nacher frisst mir das Zeug mein Tretlager durch ...

Als Erstes mal großzügig mit warmem Seifenwasser duschen.

Mit lauwarmem Wasser, das ich mit ein paar Tropfen Geschirrspülmittel fein zitronig aufwerte, putze ich dann großzügig Rahmen, Lenker, Laufräder. Dabei soll es ruhig in Massen fließen - Wahnsinn, was da an Dreck und Schmutz rauszuholen geht!

Schnell die Flächen trocken feudeln (mit Baumwolle - keine Plastikfasern nehmen, die Kratzen!) und dann trage ich Lackschutzmittel für Autolacke auf. Der feine weiße Film soll dann trocknen.
Während er das tut, kümmere ich mich um die tiefengereinigten Bewegtteile.

Welche Pflegemittel kommen auf Kette, Schaltung und Co?

Bisher war ich ein großer Freund des Profi Dry-Lube und Teflon-Lube von Finish Line. Vor allem die Kettenleitröllchen, die ja bekanntlich am schnellsten vor Dreck und Schmutz stehen, aber auch die Kette haben dann aber regelmäßig nach 1.000 bis 2.000 km angefangen zu quietschen - anscheinend kommen beide Mittel nicht bis in jede Ecke der Kettenglieder.

Rolf Jacobs, Gründer des Startups Bike-Fluids, schickt mir ein Fläschchen DryFluid zu und bittet mich, dieses neue Produkt für ihn zu testen. Mittlerweile fahre ich seit knapp 1.500 km mit diesem Gleitstoff und ich bin wirklich angetan: Kein Quietschen (auch nach dreckigen Regenfahrten), eine Kette, die noch fast so silbern glänzt wie nach dem Säubern und ein solch leiser Schaltkäfig, dass ich ab und zu nach hinten schauen muss, um zu gucken, ob die Teile noch am Rennrad sind.

Das Mittel ist der Hammer!

Wundermittel? Der Kettengleitstoff DryFluid.

Zwar sieht es - milchig weiß mit kleinen Bröckchen - aus, als habe mir beim Vorbeifahren durch die holsteinische Heide ein Besamungsbulle falsch gezielt und meine Dura Ace getroffen, aber die weiße Färbung verliert sich mit der Zeit. Wichtig ist die Performance - und da ist DryFluid dem DryLube und auch den Finish-Line-Produkten um Einiges voraus.

Ich musste seit dem nicht mehr nachfetten oder ölen, brauche den Kettenkranz nicht mehr einzusprühen und freue mich bei jedem Schaltvorgang, bei jedem Tritt über das schnurrige Surren einer pefekt gepflegten Kette. Tolles Zeug!

Auftragen und einmassieren - nach 50 km wiederholen. Hält ewig.

Zwar schlägt es mit satten 18 € pro Flasche ganz schön zu Buche, aber ich habe tatsächlich weniger Verbrauch des Mittels (das man wirklich supersparsam anwendet) und das sollte die Mehrkosten relativieren. Wenn meine Testflasche alle ist, werde ich nachordern: Das ist es mir wert.

Die Kette nimmt tatsächlich weniger Dreck auf, sieht auch nach 3 Regenfahrten aus wie neu - so muss das sein. Ich weiß, "aus der Weltraumforschung" klingt wie Billigramsch auss den 90ern oder QVC-Mist, aber hier scheint es wirklich mal was zu bringen, dass sie die Shuttles und Sojus-Kapseln hochschießen.

Das Finish - polieren bis der Arzt kommt

Am Ende poliere ich die Carbonteile, bis ich mich in ihnen spiegeln kann. Ach, herrlich: Das ist der schönste Moment! Wenn alles glänzt, Neuwagengeruch versprüht und kein Staubkorn die Idylle stört!

Lackpflege aus dem Autobereich - perfekt!

Die Aluminium-Teile pflege ich mit einem Nigrin-Produkt, putze und rubble die Felge mit den selben Zeug glänzend, die Naben sind etwas frickelig, aber es lohnt sich. Die Kontaktstellen der Züge mit Umlenk-Funktion bekommen einen Tropfen Finish-Line, ebenso die Stellen, an denen die Bremszüge in den Hüllen verschwinden. Soll ja alles schön gleiten ...

Alles einbauen, Schaltungstest, Bremsen einstellen und das Cervélo steht wieder auf eigenen Reifen. Zum Schluss wird der Fizik-Sattel noch mit Lederpflegefett auf Vordermann gebracht, die Reifen wieder auf 8,5 Bar gepumpt und - nach harten, langen Touren - noch einmal jede Schraube auf festen Sitz kontrolliert.

Ich habe zwar wenig Metall - das aber soll glänzen!

Und dann steht es da, das Cervélo R3. Es sieht aus, wie am ersten Tag, es glänzt, es duftet, es surrt, es freut sich. Und mein Rennrad-Herz schlägt stolz wie das (naja, fast ...) eines frisch gebackenen Vaters. Ein tolles Gerät ist das, die Arbeit hat sich gelohnt!


Aahh, das Schmuckstück glänzt wie neu.

Und so geschehen wieder am letzten Sonntag nach der RTF und meinem Hammer-Höhentraining mit 25 mal Waseberg bei 2 Stunden Schauerwetter. Das Rennrad wird nun verpackt und demontiert: Am Samstag geht es auf nach Österreich zum Dreiländergiro - und da wird es als Strahlemann am Start stehen.



Was treibt Ihr, um Eure Rennräder sauber zu halten? Nutzt Ihr die Badewanne zum Duschen der Rahmen? Welchen Aufwand betreibt Ihr? Ich freue mich auf Eure Comments.

P.S. - mir ist schon klar, wie und WO man eine Kette fettet, Herr Schlaumeier - das Foto soll die weiße Konsistenz des Fluids zeigen.

17. Juni 2012

Bulletproof - das Abschlusstraining für den Dreiländergiro

Bin ich bereit? Bereit für 24 Kilometer bergan? 48 Kehren am Stelvio? Für 1.800 Höhenmeter am Stück? Für die höchste Passstraße Italiens? Und mehr noch, bereit für ein 168 Kilometer langes Rennen, das als einer der härtesten Alpen-Marathons gilt?


Am I Bulletproof? Dieses Wochenende soll die Antwort geben.

Nach meinem Wahnsinnsritt beim Velothon würde ich sagen - ja. Aber ich will mir noch den letzten Schliff abholen, eine Woche vor dem Ausflug in die Alpen. Und so beschließe ich, mich dieses Wochenende auf Herz und Nieren zu prüfen.

Kann ich das ab? Bin ich Bulletproof?

In die Höhe ...

Ich beginne am Samstagmorgen und nehme mir vor, den Waseberg mal so richtige ... herzunehmen. 80 Höhenmeter pro Runde. Die 15%-Rampe frisch asphaltiert. Ich starte morgens sehr früh und kämpfe mich zitternd Runde um Runde hoch. Anfangs noch im Regen - was uns nicht hart macht ... und so ...  - später bei feinstem Sonnenschein. Schön leer ist es, bis auf die obligaten Porsche Cayennes. Naja, is halt Blankenese, nech?

Irgendwann habe ich die 10 voll. Kenne ich schon.
Dann die 20, nicht ohne nach der 12ten Runde die obligate Riesenbockwurst von Shell verdrückt zu haben.
Bei der 25ten Überquerung des Wasebergs stehen endlich 2.035 Höhenmeter auf meinem Garmin.


Interessante Wetterlage am Wochenende: Harter Starkwind. Schauer. Hitze. Kälte.

Okay, das hätten wir. Allein 20 Kilometer bei 15% Steigung abgerockt, insgesamt, mit An- und Abreise, komme ich auf 117 Kilometer und knapp 2.200 Höhenmeter.  Wadenschmerzen. Aber gewonnen. Die Vertikale kann also kommen. Bring it on, the Stilfser Joch.


Die Garmin-Daten für das Höhenmetertraining gibts hier.

In die Distanz ...

Heiko, der gestern das Höhenmeter-Training aufgrund dringender Dinge verschieben musste, ist dafür heute auch mit am Start: Wir haben Sonntag, meine Beine schmerzen noch vom gestrigen Angriff auf den Himmel und wir sind verabredet, die RTF der RG Hamburg zu fahren.

Am Start freuen wir uns wie Bolle - das halbe Team SunClass Solarmodule ist anwesend! Zunächst treffen wir Robert von der RG Uni, er sich aber schnell wieder im Getümmel versteckt - und das große Hallo kommt, als uns Ines "Fischchen" über den Weg läuft. Unvergessen unser Kampf beim Rider Man 2011, wo wir eine saubere Teamleistung abliefern konnten und Ines als Belohnung dafür auf dem sensationellen 3ten Platz der Damen-Gesamtwertung strahlen durfte.

Ines "Fischchen" ist am Start: Dann kanns ja nur super werden!

Wir mischen uns in den Startblock A (ja, sie haben hier anscheinend Startblöcke) und verwickeln uns ins obligatorische Rennrad-Chauvi-Gelaber und dabei weiß ich schon ganz genau, dass das heute eine richtig schwere Angelegenheit werden wird. Mir sitzt die Anstrengung von gestern noch in den Knochen.

150 Kilometer? Na, schauen wir mal ... Pünktlich um 9 Uhr geben sie die Strecke frei und wie anzunehmen war, wird von Kilometer 1 an richtig gebolzt. Vorn ziehen sie dermaßen das Tempo an, dass mir sofort Schmerzen durch den brennenden Oberschenkel schießen - "Ach Scheiß drauf!", rufe ich Heiko zu und wir gehen mit.

Schon wieder Head of the Bunch?

Die erste Gruppe, an die 20 Mann, müssen wir nach 10 Kilometern ziehen lassen. Wahnsinn, was die da für eine Speed gehen. "Fahren die nur die 44 Kilometer?". Krass, wer da dran bleiben und dann die lange Strecke fahren will! Wir bleiben bei der zweiten Gruppe, finden uns aber ziemlich schnell an der Spitze der Fahrer wieder.

Das kennen wir schon und da mich - wunderlicherweise - die Schmerzen verlassen haben, beginne ich mit Heiko bereitwillig die Führung unserer Gruppe zu übernehmen. Da wir nach Nord-Osten fahren haben wir den heute richtig krass wehenden Wind von leicht seitwärts. Noch schiebt er.

"Die Rechnung kommt noch ...", meint Heiko.

Er wird Recht behalten.

Team SunClass führt das Peloton an.

Und so mühen wir uns vor den Jungs ab. Behalten über etliche Kilometer die Führung und reiten mit 36, 38 km/h die Wellen südlich von Lübeck, kurz vor Mölln ab. Wunderschön ist es hier: Das Korn steht voll auf den Feldern, noch ist es grün, noch sind auch die Blätter der Bäume so frisch, dass das alles mehr nach Frühling denn nach Sommer aussieht.

Das Wetter sicher ist eher herbstlich: Es stürmt wie im feinsten Oktober am Strand von St. Peter!

Und deshalb halten wir uns ab der ersten bis zur zweiten Pause auch verdientermaßen eher im Mittelfeld unserer Gruppe auf. Sie fahren sofort ungeordnet. Windkante. Warum nur? Fahrt vernünftige Zweierreihen, dann haben wir alle etwas davon! Einige regen sie auf wie Rohrspatzen, ich resigniere - und ziehe wenigstens mit Heiko ordentliches Paarfahren durch. Doch durch die Unordnung geraten wir auseinander. Zwei, drei kräftige Tritte und ich befinde mich irgendwann an Position 3 des kleinen Pelotons.

Als die zweite Pause ausgeschildert ist, biege ich ab und freue mich: Wir werden uns jetzt eine bessere Gruppe suchen: RG Trave oder RG Uni oder besser noch, die Lokomotiven von St. Pauli ...

Heiko steigt aus. Bulletproof und Einzelkämpfer? Oh man!

Doch als ich mich an dem reichhaltigen Büffet labe, ist kein Heiko da. Wo ist der bloß?
"Dein Kumpel hatte einen Kettenriss, das weißte, oder?", sagt ein freundlicher Mitstreiter im Cuneo-Trikot (übrigens ein sauleckerer Italiener auf dem Hamburger Kiez). Nee, wusste ich nicht, woher auch? Dann kommt die SMS: "Kette gerissen!".

Scheiße! Ich rufe Heiko an. Nichts gehört, nichts gesehen, leicht schlechtes Gewissen. Aber was hätte ich auch machen sollen? "Nee, kein Ding. Ich schiebe bis Mölln, ist ja nicht weit", sagt er, "Dann holt mich meine Süße ab." Na, wenigstens glimpflich ausgegangen.

Und wenigstens heute: Und nicht in 7 Tagen mitten im Stelvio-Anstieg.
Tja. Mist. Nun also ohne Heiko weiter.

Meine kleine Gruppe - auf in den Kampf!

Tatsächlich fährt keine größere Gruppe los, also mache ich mich allein auf die Socken. Ich finde schließlich zwei andere Mitstreiter und wir beginnen als Dreiergruppe zu kreiseln. Leider dreht die Strecke nun immer wieder auf Südkurs - Gegenwind!

Er schreit es uns ins Ohr, haut uns den Sauerstoff nur so um die Ohren. Habe ich wieder einen Bremsenfeststeller? Was soll das hier - 19 km/h? Wir beißen und fluchen uns durch die Böen, die uns durch die Lücken der Feldhecken eins in die Fresse geben, als haue uns Mutti richtig gepfeffert eine runter. Alter! Ich bin nach wenigen Kilometern am Anschlag - jetzt rächt sich das hohe Anfangstempo. Aber wenigstens gehts den Anderen auch so.

Wunderbar: Zwei Regenschauer prasseln auf uns danieder. Alles trocknet durch den Sturm-Fön aber nach wenigen Sekunden sofort wieder.

Fahren in permanentem Gegenwind. Kein Spaß. Aber trotzdem geil.

Die Farben heute sind einfach der Hammer! Das satte Grün, angestrahlt von der Sonne, dahinter Schwarz wie beim Weltuntergang dramatisch aufgerissene Wolkenburgen, die über uns hinwegrollen, drohend gefüllt mit jeder Menge Wasser, eine Armada der Feuchtigkeit, getrieben von einigen Windstärken.

Das Antreten gegen den Wind ist pure Vernichtung von Kalorien. Fast kann ich meine Muskeln schreien hören. Die dritte Pause sei gesegnet ... ich rolle auf den Hof und bin einfach nur platt.

150 Kilometer? Heute? Never!

Verdrehte Augen. Komische Wahrnehmung. Vernebelte Gedanken: Leiden im Gegenwind.

Die letzten 40 Kilometer nach der Pause fahre ich komplett allein. Mich überholen ab und zu Mitstreiter, aber ich versuche es erst gar nicht, an ihnen dran bleiben zu wollen: Mehr als 25 km/h sind bei mir nicht mehr drin. Weder Powergel noch Energy-Drink können den Ofen wieder entfachen.

Den Gegenwind ertrage ich mit stoischer Gleichgültigkeit: Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen und ankommen! "Schult den Charakter", und noch mehr Sprüche dieser Art fallen mir ein. Na, ich wollte ja eine Prüfung haben. Hier hab ich sie nun. Die 114er-Runde, die ich (wie anzunehmenerweise 90% der Teilnehmer auch) heute fahren werde, reicht mir - Hut ab vor den Marathonis, die hier heute 220 km abrocken!

Die letzten 5 Kilometer bestreite ich im Sprint mit einem, der mich noch kurz vorher überholen wollte - purer Wille treibt mich dazu, noch einmal mit 35 Schnitt zu polken. Ah, wie sehr freue ich mich, als ich im Ziel ankomme!

Hätte ich heute auch gern gehabt: Windcheater Cervélo S5

Da stehe ich nun mit meiner Schinkenwurst, die ich in Ketchup und Senf ertränke und quetsche mir atemlos den gefüllten Naturdarm in den Mund. Bulletproof? Durchaus. Der Dreiländergiro kann kommen.

Trotz der "nur" 112 Kilometer heute bin ich auf den 31er-Schnitt angesichts dieser brutalen Sturmverhältnisse ganz froh und kann mir im Blick auf das gesamte Trainingswochenende mit 2.100 Höhenmetern am Samstag und heute immerhin knapp 700 hm bei 112 km ein bisschen Stolz nicht verkneifen.

Na dann also - nächste Woche zählt es.
Auf zum Dreiländergiro!


GPS-Daten der RTF gibts hier.


12. Juni 2012

AG Warpflug - beim Skoda Velothon 2012

Kurz vorweg: Aufgrund einiger aufgebrachter Kommentare zu diesem Blogpost möchte ich eines klar stellen: Ja, dieser Post ist zynisch und arrogant geschrieben. Vielleicht liegt es am Endorfinüberschuss kurz nach dem Rennen. Nehmt nicht immer alles so bockelernst bitte!
Viel Spaß beim Lesen.


Eigentlich hatte ich keine so großen Erwartungen an das Berliner Rennen: Bereits 2011 bin ich hier die lange Strecke gefahren und war ein wenig un-begeistert. Da die Strecke 2012 EM-bedingt in diesem Jahr nur im Start- und im Zielbereich verändert worden war, konnte ich hier nichts neues erwarten.


Cervélo R3, SunClass-Klamotten und mal wieder Velothon in Berlin.


Der Umstand, dass ich mich erst einige Tage vor dem Rennen für eine Anmeldung entschieden hatte, katapultierte mich in Startblock G.
G - das ist von den schnellen Fahrern in A und B etwa so weit entfernt, wie Tattooine von Coruscant. Und ähnlich deprimiert wie der junge Luke Skywalker war ich dann auch, als ich mich im Block eingefunden hatte. Phuh!

Im Startblock

Da finden sich neben Baumarkt-MTBs und Trekkingrädern denn auch auch wieder die obligatorischen Stylesünden zu Hauf: MTB-Visiere (jeder dritte Starter! Oh mein Gott!), Leute in trägerlosen Lodderhosen, einer hatte Schutzbleche an seinem Hobel, viele tragen die Helmschnallen über den Brillenbügeln, was auch No-Go ist und wenn ich in die Hocke ging, um meine Pneus auf EM-Glassplitter zu überprüfen, sah der Rundblick aus, als schaute ich auf die Beine einer Horde Orangs. Naja. Schnell so weit nach vorn wie möglich gedrängelt.

Block G eben. Nett waren sie trotzdem, die 1.600 G-Starter.


Daaaaaaa, ganz weit vorn, da ist Startblock A. Oh Backe!

"Fährste halt eine gemütliche Runde", dachte ich mir. So richtig ziehen wird heute nix. Nur ... das war schon mal ein Trugschluss, wie sich später herausstellen sollte.

Nachmeldung?

Die Nachmeldung zum Velothon kommt für mich überraschend, denn eigentlich ist das Rennen für wirklich nur Training: Primär bin ich in Berlin, um Detlef Adams von Cervélo Deutschland zu treffen.

Denn Cervélo bescheidet eine Anfrage meinerseits positiv und lädt mich ein, sie am Messestand zu besuchen. Ich bin hier um zu klären, wie wir das nun machen wollen: Der Cervelover bekommt für die diesjährige Ausgabe des 24-Stunden-Rennens "Rad am Ring" vom Top-Aeromodell der Kanadier ein S5 Team gestellt.


Sieht auch in 58 geil aus: Das Cervélo S5

Ich war so hoch erfreut und überrascht, dass ich die Chance, Detlef in einem original Cervélo Test Team-Bus zu treffen natürlich gleich genutzt habe. Sehr angenehme Leute da am Stand, sie outen sich als kleine "Fans" von meinem Blog. Das geht runter wie Öl.

Tja, und nun könnt Ihr Euch (und ich mich erst!) auf eine spannende Testserie von Cervélo R3 und S5 auf der Nordschleife gefasst machen: Hochgeschwindigkeit und Aerovorteil? Gewicht bei 18% Steigung in der Hohen Acht? Ich bin so aufgeregt ...

Aber zurück zum Velothon ...

Der Start

Und so macht es mir auch kaum etwas aus, inmitten etwas unbedarft schnackender Vollamateure zu stehen. Ich bin froh und glücklich, dieses geile Carbongeschoss endlich mal testen zu dürfen, noch dazu auf einer so grandiosen Strecke wie der Nordschleife, sodass ich den kommenden 120 km locker entgegen blicke.

Vorn fährt seit 2 Minuten Startblock F (auch nicht besser) weg und wir sind die letzten 1.600 Starter, die auf die Strecke gehen. 1.600 Starter - ich ziemlich weit vorn. Wir rollen gmeächlich an, ich sehe an erster Position zwei der offiziellen "Bike Guides", die darauf bedacht sind, die Geschwindigkeit bis zum Potsdamer Platz niedrig zu halten. Wir fahren keine 32 km/h.

"Los, macht schon, Jungs!", murre ich hinter den Rottrikots vor mich hin - ich will endlich rainhauen!

Ich nutze das lahme Treten und sortiere mich weit vorn ein, vierte, fünfte Position. Nach und nach kommen ein paar Jungs nach vorn, die neben rasierten Beinen, ordentlich sitzenden Rennradhelmen und Brillenbügeln über den Helmgurten auch wirklich trainiert aussehen: Ach, an die halte ich mich mal.

Dann geben die Guides kurz vor Beginn der Zeitnahme das Rennen frei: Der Krieg bricht los. Alles geht sofort in Untenlenkerposition. Es wird so hart beschleunigt, dass mir gleich mal das Laktat in die Beine rutscht.

Und ab dafür!

Hetzjagd

Über die Strecke will ich hier nichts berichten: Die hat sich zu 2011 nicht verändert. Selbst wenn wollte, ich könnte nur wenig sagen, denn was nun folgt habe ich noch nie erlebt: Wir sind eine Gruppe von 15 bis 20 Mann. Ich bin ständig vorn, gehe sehr oft (was untypisch ist für mich) auch an die Spitze und ziehe das Feld.

Mit stetig um und über 40 km/h jagen wir zunächst durch leere Straßen, dann sammeln wir die ersten Abgehängten von F ein und dann die ersten größeren Gruppen. Es wird gebolzt wir beim Weltuntergang!

"Meine Fresse!", denke ich, während in meiner Bauchhöhle die ersten Lungenbläschen anfangen zu brennen, "Ob ich das durchhalte?"


Heute wird gejagt. Nix mit Windschatten und Lutschen.

Aber ich habe heute fantastische Beine, das merke ich.

Das Feld mit 41, 42 km/h ziehen? Kein Ding heute. Starker Seitenwind nervt, aber ich ziehe das durch! Dann zurück fallen, fremde Handflächen auf meinem Rücken: "Gut gemacht! Sortier Dich hinten ein, Kumpel!". Eine geile Gruppe habe ich hier! Schmecke ich da Blut auf meiner Zunge? Nee, nur ein die Mücken, die wohl gerade am Wannsee ein paar fette feule Wampen erledigt haben ...

Wir fliegen nur so an den Überholten vorbei. 10, 15 km/h Überschuss mindestens. Wir brüllen sie aus dem Weg: "RECHTS FAHREN!" und "ACHTUNG! VON LINKS!". Wie aufgescheuchte Rehe drängeln sich die schockierten Freizeit-Zabels an den Rand. Einige Baumarkträder wissen nicht, dass da von hinten ein komplett verrückter D-Zug angescheppert kommt, erschrecken sich.

Wir kreiseln, wir schreien: Belgischer Schreisel.

Pause?

Ich weiß nicht, wo die Zeit hin ist, aber irgendwann erreichen wir den Pausenpunkt bei Kilometer 70. Was? Schon? Viele halten an. Wir polken weiter. Ich hatte heute morgen nur ein Brötchen zum Frühstück und gestern beim Deutschland-Spiel dafür einige Bier zu viel getrunken - aber ich spüre nichts. Keine Müdigkeit, keine schweren Beine! Es ist wie verhext. Auch habe ich nur 2 Gels dabei, das eine drücke ich mir hastig in den Mund: Fantastisch., wie das heute geht!

Ich ballere mit den Jungs durch die Ortschaften, wir fliegen um die Kurven und baallern um die letzten Kurven auf die B 101 zu - meinem Lieblingsstück der Strecke. 20 Kilometer feinster Asphalt, gesperrte Autobahn-Athmosphäre und dazu ein schicker Rückenwind.


Die ganze Meute leidet. Wegen mir. Geil!

Ich ziehe unsere Gruppe mit 43 über die Autobahnbrücken, dann schwenken wir auf die B-Straße ein und ich gebe Vollgas. Yeeehaw! 45 km/h und wir zocken alles ab, was da fährt. Ich weiß nicht, wie viele ich heute schon überholt habe, aber das hier ist wie Star Wars im Asteroidenfeld: Es scheint, als stünden die anderen.

Ich fahre seit über einer Stunde komplett in Untenlenkerhaltung - und es fühlt sich großartig an! Nach einigen Kilometern an der Spitze brauche ich Erholung und lasse mich an vierte Position fallen. Es geht einer mit ein einem Schweizer Trikot an die Spitze.

Und der Warpflug beginnt.  

Im Wurmloch

"Alter, was hat der denn gegessen?!?", wundere ich mich noch, als das Tempo rasch zunimmt. Mein Vordermann muss richtig reintreten, um nicht abgehängt zu werden. Die Schweiz macht Dampf. Hat sich da Fabian Cancellara ins Jedermannfeld verirrt?


Kurz bevor Mr. Assos auf Wargeschwindigkeit geht. Energie!

Wahnsinn, was der Mann treten kann! Als ich mir seine Waden besehe, die in etwa so dick sind, wie ich selbst, wundert mich gar nichts mehr. Drahtige Sehnen wie Stahlseile, definierte Muskeln wie das markannte Kinn von Kirk Doudlas in jungen Jahren - eine Rennradwade wie aus dem Bilderbuch.

Der Flug über die B-Straße ist ein Rausch. Nicht ein mal lässt der Schweizer einen Wechsel zu, wir ballern, wir bolzen wie die Blöden, wir überholen alles, was geht. Rauschen am Feld vorbei, linke Spur, Lichthupe und ab geht die Luzie - unfassbar!

Die Zeit fliegt, und als wir in Berlin einreiten, trete ich mich nach vorn, setze mich neben ihn: "Wow, Hut ab, mein Lieber, das war ganz großes Kino!" Er bedankt sich - und bleibt weiter vorn.

Endspurt 

Wir düsen durch den Flughafen Tempelhof - leider nicht über die Start- und Landebahn, aber immerhin - und dann durch Kreuzberg. Im Gewusel der engen Tempelhofer Straßen inmitten der vielen langsameren Fahrer verlieren wir zu erst die hintere Hälfte unserer 8-Mann-Staffel.

Bleibt nur noch die Schweiz, ein weiterer Schneller in einem roten Trikot und ich.

Das Gekurve anschließend auf ziemlich schlechten Straßen verlangt nach viel Geschick. Ich habe zu tun, mich zu konzentrieren und dabei weiterhin zu überholen. Die Schweiz macht dermaßen Dampf, dass ich irgendwann merke, dass ich dieses Tempo nicht mehr mitgehen kann - kurz vor der Oberbaumbrücke muss ich dann die beiden ziehen lassen - das harte Beschleunigen aus den Kurven geht bei mir nicht mehr.

Dafür entdecke ich ein SunClass-Trikot der Saison 2011. Nanu?

Noch immer bin ich schneller als die meisten anderen, 38, 39 km/h, hole den Menschen schnell ein. "Hey, SunClass!", rufe ich: "Wo hast Du denn das Trikot her?" Er freut sich ebenso, einen im SunClass Solarmodule-Dress zu sehen. Es ist der atemlose Nachbar von unserem Teamsponsor. Na siehste ...


SunClass-Trikot für Sonne. Dieses Knoaky fürs Glück. Wirkt!

Die letzten Kilometer durch Berlin bestreite ich mal allein, mal mit mehreren. Aber nie langsam. Noch immer hoch motiviert bolze ich knapp am Anschlag über Schlaglöcher und Asphalt-Patchwork und schaffe immerhin noch 37, 39 km/h im Gegenwind. Zum Schluss holt mich ein Veteran aus unserer AG Warpflug ein, an den hänge ich mich.

Idioten im Ziel

Dann die letzten Kurven durch Mitte. Und endlich, Gold-Else umrunden - Zielgerade. Alles wird nervös, es zieht das Tempo an, wir fahren etwas schneller, vorn sprintet einer los. Soll er mal.

Da kommt von hinten einer, streift mit seinem Lenker meine Beine, schiebt sich zwischen mich und meinen Nebenmann, schlenkert, lenht sich auf mich, bringt mich aus dem Gleichgewicht, sein Lenker verhakt sich wieder bei mir, dann stützt er sich auf mir ab, ich bin kurz vor dem Sturz. Noch 200 Meter zum Ziel.

Ohne Rücksicht polkt er an mir vorbei, reißte meinen Oberschenkel mit, ich kann gerade noch mein Rad abfangen. "ARSCHLOCH!" brülle ich ihm voller Zorn hinterher, mir fällt nichts besseres ein.


Fertig. Glücklich. Vorn dem Duschen voller Endorfin.

Hat dieses Arschloch wirklich nichts besseres im Sinn, als rücksichtslos und vollkommen hirnrissig kurz vor Ende noch einmal einen Sturz zu riskieren? Sich selbst und andere in Gefahr zu bringen? Waren das heute nicht genug Krankenwagen am Straßenrand?

Was geht in solchen Idioten vor? Arschlöcher! Immer wieder - Arschlöcher! Ich rolle aus. Im Zielbereich stehen einige, die sich ihr Gesicht blutig geschrammt haben. Wo ist der Wichser? Zu gern würde ich ihm noch einen Spruch an die Backe nageln!

Aber gut. Von diesem - einzigen - Zwischenfall lasse ich mir meine Laune nicht verderben, ich komme durchs Ziel und kann mich über dieses perfekte Rennen freuen wie ein Schneekönig. Mit knapp 41 km/h ein superschnelles Rennen - mit meiner Lichtgeschwindigkeitsgruppe hat das Spaß gemacht wie lange nicht mehr.

Das SunClass-Trikot hat mal wieder für bestes Wetter gesorgt, Deutschland hat das Em-Spiel gewonnen, ich bekomme ein Cervélo S5 und - bin super vorbereitet auf den Dreiländergiro, der in 2 Wochen abgeht.


Die Medaillen-Ausbeute 2012 kann sich schon sehen lassen

Berlin, Velothon? War der Hammer!




Hier gehts zum Garmin-Track

Leider gibts keine schicken Fotos vom Veranstalter. Hier könnte sich Upsolut mal an den Lenkernummern und der Transpondertechnik vom Gran Fondo New York eine Scheibe abschneiden. Sehr ärgerlich.


Und noch eine Anmerkung aus aktuellem Anlass:  Viele Kommentare, vor allem von Usern die einem Link aus dem Tour-Forum gefolgt sind, monieren, dass ich diesen Text sehr zynisch und von oben herab geschrieben habe. (Von einigen Beleidigungen, die gelöscht worden sind, mal abgesehen). Noch einmal: Ich will hier in keiner Weise unerfahrene Velothon-Teilnehmer, unrasierte Sportler, MTB-Visier-Träger oder langsame, ältere oder sonstwelche Sportler herabwürdigen - dieser Post gibt ziemlich genau meine Gefühlslage unmittelbar nach dem Rennen wieder. Und da war ich nunmal aufgekratzt und besoffen von einem (für mich) wahnsinnigen 41er-Schnitt. Und ja: ich erlaube mir, auch mal etwas arrogant zu sein, auch wenn das nicht PC ist. Ich bin auch nur ein Mensch.
Mit etwas Abstand habt Ihr natürlich Recht - jeder, der sich die 120 km vornimmt, hat Respekt verdient. Und den Meinen hat auch jeder, der seinen Arsch nicht bei RTL2 auf dem Sofa breit sitzt, sondern sich früh um 8 in einen Startblock stellt.
Nehmt nicht immer jedes Wort gleich persönlich und so ernst, bitte.
Peace.

5. Juni 2012

"Wie Sex mit vorher aufhören" - meine RTF Nortorf 2012


Tja, das ging wohl gehörig in die Hose - kaum ein Event seit meinem schäbigen Scheitern beim Zeitfahren Hamburg-Berlin 2010 hat mich so unbefriedigt zurück gelassen, wie die diesjährige Ausgabe der RTF "Rund am Mittelpunkt" in Nortorf. Dabei fing alles so gut an ...

Vorspiel

Heiko ist heute Teamkollege und Mannschaftschef in einem und holt mich pünktlich 8 Uhr morgens mit dem Auto ab. Dass das heute ein nicht so geiler Tag werden würde, hätte ich spätestens nach dem Aufstehen eigentlich wissen müssen - aus unerfindlichen Gründen weckt mich mein Tablet um 6 Uhr - statt um 7. Naja.



Die RSG Nortorf organisiert eine der besten RTFs hier in der Hamburger Umgebung - das konnte ich im letzten Jahr schon erfahren, als ich die schon fast als episch zu bezeichnende 150-km-Runde absolviert habe: Bei allerfeinsten Sturmverhältnissen.

Heute weht es auch, aber längst nicht so stark. Auch angenehm: Es ist keine gefühlte 40 Grad heiß - eher etwas zu frisch. Dennoch haben alle gute Laune und so gehen wir zusammen mit etwa 400 weiteren Rennrad-Jüngern pünktlich um 9 Uhr auf die Strecke.

Langsam anfangen ...

Heiko laboriert noch an einer Erkältung herum und warnt mich vor, bei ihm würden es heute sicher keine 150 km werden. Er deutet aber an, dass er auf mich warten würde, falls ich länger als 110 km fahren möchte. Genial! So bin ich guter Laune und wir beschließen, uns zunächst in einer Gruppe aufzuhalten - nun man nicht gleich überdrehen!



Als es losgeht, zuckelt unsere etwa 30 Mann starke Gruppe mit 28 km/h durch die Gegend. Oha. 27 km/h. Selbst Heiko, der ab und zu immer mal hustet, wird nun ungeduldig. Als wir konstant 26 km/h erreichen, schaue ich nach vorn: "Ähm, Heiko - also das hier wird nix mehr", vor uns erkenne ich in etwa 700 Metern Entfernung eine weitere große Gruppe, die sich langsam entfernt: "Wenn wir jetzt losmachen, können wir die noch erreichen."



Also los! Ich stürme voran - schnell zeigt das Garmin 42, 43, 44 km/h - super Gefühl! Heiko an meinem Hinterrad und ich polke durch den leichten Gegenwind. Es schmerzt, es brennt in den Beinen - aber es ist so saugeil. Mal die Schlagzahl erhöhen, das da hinten war echt nicht zu ertragen. RTF hin oder her - mit 26 km/h Rennrad fahren?

Wechsel, Heiko übernimmt. Ich kann kaum im Windschatten aufatmen, kraftvoll haut er rein, ich bewege mich nur wenige Zentimeter hinter seinem Laufrad. Supergeil! Endlich mit Power mal die Sache hier angehen - das Rennrad will es doch auch!



Nun wieder ich - zum greifen nah nun die Leute vor uns. Ich ziehe an, gehe in Sprinterhaltung und aus dem Sattel, ziehe, trete, habe den Mund weit offen, das Pochen meines Herzens kann ich in den Ohren hören. Längst schon tiefroter Bereich, aber egal - rausnehmen - die Gruppe ist erreicht. 700 Meter Loch gebridged - geiles Gefühl!

Ich drehe mich um und blicke zu Heiko: Wir müssen beide grinsen.

... nee, ich will aber nicht vorne sein!

Leider ist diese Gruppe auch nicht viel besser: Obwohl wir uns vornehmen, nach diesem Parforceritt erst mal die Laktat gefüllten Waden locker zirkulierend auf Normalzustand runterzukühlen, reichen sie uns ziemlich schnell nach vorn durch.

Denn dort will keiner Führungsarbeit leisten. Es ist ein Witz: Zwei Fahrer - offensichtlich sehr durchtrainiert und mit immensen Waden gesegnet, treiben uns mit immerhin nun schon mal 29 km/h voran. Als die beiden zur Seite gehen und die nächsten zum Führen auffordern, verstecken sich Reihen 2 und 3 hinter den beiden, bremsen, unsicheres Hin- und Hergekurve, die Gruppe verliert ihre Struktur, alles bröselt, alle schütteln den Kopf, niemand will die Verantwortung übernehmen, weitere Fahrer bremsen sich verstohlen dreinblickend nach hinten.



Heiko und ich an Positon 2.
Die beiden Megawaden übernehmen noch mal die Führung.

Wenig später sind wir dran.

Du bist zu schnell!

Wir fahren locker und halten uns wirklich zurück. Heiko links, ich rechts. Wir pendeln uns bei gemäßigten 30 bis 32 km/h ein, auf den kleinen Abfahrten kann es dann schon mal in die 36, bis 40 km/h gehen, aber ich merke, dass ich immer wieder rausnehmen muss: Hinter uns entstehen bis zu 10 Meter lange Löcher.
Oh man! Ihr müsst doch nur im Windschatten bleiben?

Dann fährt einer in einem sehr schnieken, nagelneuen, weißen Canyon Speedmax an uns vorbei.
Ich schaue Heiko an, verziehe meinen Mund und schüttle den Kopf: "Mountainbike-Visier!"
Leute, echt, Ihr müsst Euch wirklich von mir aus nicht die Beine rasieren, wenn Ihr das nicht möchtet - aber bitte, um Himmels Willen - NEHMT DIESE SCHLIMMEN MTB-VISIERE AB! Das sieht doch furchtbar aus!



Der MTB-Zeitfahrer fährt zunächst neben Heiko, dann überholt er uns und - merkt wahrscheinlich, dass Gegenwind keine so tolle Sache ist - bald haben wir ihn wieder ein. Er heftet sich an mein Hinterrad. So geht das nun mehrere male. Komischer Typ.




Wir erreichen die erste Verpflegung: Traditionell bei der Nortorfer RTF ist diese vom Feinsten. Super leckere Wurst- und Käsestullen auf frischem Brot, Gurken, Bananen, Schaumküsse, Gummitiere, Nüsse, alle möglichen Getränke - und eine Superlaune bei den Helfern. Toll! RSG Mittelpunkt Nortorf - Ihr seid die Kings!



Weiter geht es.
"Komm, wir fahren mit dieser Gruppe da!", ruft Heiko und hechtet aufs Rennrad. Ich kann mir noch die Banane ins Gesicht drücken und schon kurbeln wir wieder.

Im Stehen kann ichs nicht.

Wieder finden wir uns im Mittelfeld einer etwa 20 Mann starken Gruppe. Erschreckend viele Visier-Träger auch hier. Ich versuche, alle zu überholen. Nach vorn setzen. Außerhalb des Sichtfeldes - der Anblick frustriert mich.

Richtig schnell geht es hier aber auch nicht voran, aber sie fahren sehr diszipliniert und vorn scheint es sogar mit dem Ablösen zu klappen. Wir haben genug Puste, um uns noch zu unterhalten. Ich genieße mit dem einen oder anderen Seitenblick die fantastische Natur, die hier rund um den Mittelpunkt Schleswig Holsteins zu finden ist - seichte Hügel mit frischen Feldfrüchten oder tiefen Wäldern - es riecht wunderbar nach Landluft, gesund hier. Gut für unsere Lungen allemal.


Weniger geil ists für unsere Waden - nach all den harten Rennen und durchaus auch harten RTFs, die ich bisher gefahren bin, fühlt sich das hier heute irgendwie falsch an. Kein Gebolze, kein Laktat. Wir sind doch extra so früh mit den Ersten gestartet ... warum wird hier nicht Stoff gegeben?



Na egal, geben wir halt Stoff ...

Als Heiko und ich führen, können wir den Schnitt von 30 auf immerhin 32 km/h steigern - immer wieder schaue ich mich um, immer wieder müssen wir etwas rausnehmen. Als vor uns eine längere Rampe auftaucht - nicht steil und mit vielleicht 1.500 Metern auch nicht die Welt - kann ich einfach nicht anders: Ich gehe aus dem Sattel, Heiko neben mir zieht mit, und wir polken uns im Stehen mit 28 km/h die Schräge hinauf.
Der Puls jagt wieder nach oben, die Waden brennen wieder, die Lunge rasselt: Herrlich!



Als wir oben sind und ich mich umdrehe, ist da nur der MTB-Tria-Canyon-Mann (mit Camelbak-Rucksack ...) und sonst ... keiner. Auf kleinen Blättern kriechen sie diese "Steigung" hoch. Ich lasse meinen Kopf hängen: Irgendwie kommen wir hier heute nicht zusammen, diese RTF und ich.

Du denkst immer nur an Dich!

Irgendwann gibt dann auch der Speedmax-Fahrer auf und versteckt sich im Feld, ein Mid-40er auf einem schicken Supersix evo überholt Heiko und mich (wir krepeln mit 25 km/h herum, um die Gruppe herankommen zu lassen) und beschleunigt. Da die Strecke nun in Ostrichtung - und damit in den Rückenwind - dreht, zucken wir mit den Schultern und gehen mit.



Schnell bleiben sie hinter uns zurück. Einer pfeift noch aus der Gruppe. Aber wir ignorieren das. Wenn Rennblut in Wallung ist, kann man es halt nicht herunter kochen ...

Ahhh, welch´ Wohltat! Mit 34, 35, 38 km/h können wir als Dreier durch die Heide ballern. Die Wechsel klappen perfekt, Heiko führt, dann der Susi-Fahrer und dann wieder ich, fast eben geht es zu, fast schnurgerade - und fast ohne Kurven stürmen wir die letzten 10 Kilometer zur zweiten Verpflegung. Ein perfektes Teamzeitfahren legen wir hin, treten, reinkloppen, rausgehen, rausnehmen, Wechsel, einordnen, langsam mitkurbeln, wieder im Wind und reingehauen.



Die Zeit verfliegt förmlich, ich könnte jauchzen, endlich tut es wieder mal weh, endlich Rennfeeling. Und dann sind wir auch schon wieder in Hohenwestedt. Stullen fassen.

Oh je ... Sorry, das wars schon ...

Auf der Weiterfahrt zum Depot 3 erwischen wir zum ersten Mal bei dieser RTF eine richtig gute Gruppe. Dachte ich. Es geht gleich zu Beginn mit 34 km/h im Schnitt los und soweit ich das sehen kann, fahren hier auch keine Visier-Typen mit. Wir halten uns im Mittelfeld auf, kurbeln ruhig im Feld und freuen uns, dass es endlich mal etwas schneller voran geht.

Dann ist wieder Wechsel-Time. Und ich kann es wieder nicht fassen! Schon wieder verkriechen sich Reihen 2 und 3 hinter den Windarbeitern - ich schüttle den Kopf und fluche ein "Lutscher!" in den Fahrtwind. Und setze mich mit Heiko mal wieder an die Spitze.



Wir ziehen das Feld mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Wir lassen uns auswechseln. Sind aber - oh Wunder! - schon nach wenigen Minuten wieder an der Spitze. Was ist hier heute los?

Und dann passiert es: Ich wundere mich schon, warum hier immer Nortorf ausgeschildert ist ... zum Depot 3 kommen wir doch gar nicht durch Nortorf?!? Und plötzlich leuchtet gelb vor dem Helm das Ortsschild. Erst jetzt schmeiße ich mein Navi an - "Scheiße, falsch abgebogen?"
"Was´n los da vorn?", rufen sie.
"Wir haben den Track verloren!"
"Scheiße!"

Ja, Scheiße! Schon reiten wir in Nortorf ein. Ich fingere am Gerät herum und entdecke den Track - 25 Kilometer entfernt! Wir sind anscheinend schon vor 15 Kilometern nicht abgebogen, wo wir hätten nach rechts fliegen sollen.

"Habt Ihr ´nen Pfeil übersehen?"  - okay, die Frage ist wirklich blöd (Was soll man da antworten? "Ja, den Pfeil da ander Kreuzung, kannste dich erinnern? DEN haben wir übeersehen!") - aber sie steht nun im Raum. Alles rätselt, wo wir die RTF versaut haben. Ich berichte den Vorfall einer RSG-Offiziellen, immer mehr Irrgeleitete treffen ein.

Es hat wohl jemand bei Aukrug einen der Pfeile demontiert. Occupy Mittelpunkt oder ein witziger Holsteiner. Jedenfalls, wenn nur einer fehlt ...

Gib mir 15 Minuten Zeit ...

Einige beschließen, wieder zum Track zurück zu fahren. Andere fahren mit uns zu Start/Ziel - sie nutzen den unfreiwilligen Halt für eine außerplanmäßige Wurst am Grillstand, der eigentlich für die Finisher vorgesehen war. "In 15 Minuten gehts weiter ... versprochen."

Heiko winkt ab - angesichts seines Hustens ... und wo wir schon mal da sind ... brechen wir eben ab. Für seine Lungen und die noch nicht ganz auskurierte Erkältung sicher die beste Entscheidung - ich für meinen Teil bin auch etwas zu frisch angezogen. Noch ein Trikot oben und lange Handschuhe wären perfekt gewesen.


 
Und doch - ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Den spülen wir gleich mal mit lecker Grillgut hinweg - man muss ja auch noch Mensch sein zwischendrin, nicht wahr?

Wie Sex mit vorher aufhören ...

... genau so fühle ich mich, als wir wieder im warmen Kombi gen Hamburg düsen. 80 Kilometer Anfahrt für gerade mal 81 km Rennrad - kein besonders gelungener Tag. Irgendwie konnte heute nicht der Funke überspringen, wenig Rennfeeling, wenig Hochleistung. Eher gemütliche ADFC-Ausfahrt.



Nee, das war heute nicht unser Tag. Keine Helden geboren. Nicht mal die 100 geknackt. Wenig verausgabt. Schade - dabei ist die Nortorfer RTF meine Lieblingsstrecke.

Vielleicht 2013? Sicher 2013! Ich werde wieder am Start sein. Und dann Visier ab zum Gebet!


Hier geht es zum Garmin-Track

1. Juni 2012

Die Rennrad-Garantie im Website-Check

In einigen Posts bin ich auf die Bedeutung von Garantieleistungen und Crash-Replacement-Angeboten beim Rennrad-Kauf eingegangen. Wie wichtig diese beiden Faktoren sind, muss natürlich jeder Käufer für sich selbst entscheiden - nur wie sich im schier unüberschaubaren Dschungel der Anbieter zurecht finden?



Ich habe mir mal die Mühe gemacht, und bin wieder auf Recherche im Netz gegangen. Garantie, Gewährleistung, Crash-Replacement, Limited Lifetime ... was geben die Internetseiten der Hersteller denn diesbezüglich so her?

Garantieleistung, Gewährleistung und Co.

Zunächst einmal: Garantie und Gewährleistung sind nicht das selbe. Leider tun viele Hersteller aber so, verschleiern die Unterschiede, verdecken mit wohlgeformten Marketingsätzen die Tatsachen, verdrehen die Realität und lullen den Käufer wohlwollend ein.

Die Gewährleistung ist eine vom Gesetz vorgeschriebene Zeitspanne, innerhalb derer ein Händler für Fertigungsmängel innerhalb eines bestimmten Rahmens zu haften hat. Diese Gewährleistung beträgt im EU-Raum in der Regel 2 Jahre. Also aufgepasst: Wenn Euch ein Hersteller vollmundig 2 Jahre Gewährleistung einräumt und so tut, als sei das eine tolle Leistung: Dieser Hersteller macht nichts weiter als das, wozu er laut Gesetzt verpflichtet ist. Für mich ist das Augenwischerei. Das Minimum zu erfüllen und so zu tun, als sei man der Heiland. Kein guter Stil.

Wichtig zu wissen: Tritt ein Schaden innerhalb der ersten sechs Monate nach Kauf auf, muss das Produkt ohne Beweislast des Kunden umgetauscht oder wiederhergestellt werden. Nach den ersten 6 Monaten ändert sich die Beweislast: Der Käufer muss dem Händler beweisen, dass der Schaden auf seine Kappe geht.

Eine Garantie hingegen ist eine freiwillige Leistung eines Herstellers - hier kann der Garantiegeber den Rahmen der Garantieleistung, wann die Garantie greift und was es als Kompensation gibt, selbst bestimmen. Diese gilt natürlich zusätzlich zur Gewährleistung und auch darüber hinaus.

Eine Prüfung der Garantieleistungen durch den Käufer - also Euch - kann signifikante Unterschiede zutage führen. Da sich die Garantien auch innerhalb bestimnmter Grenzen bewegen, sind diese meist "limitiert".
Zum Einen könnt Ihr von 3 Jahren bis "Lifetime" eine breite Palette an Leistungen rausholen.


Wie das Wort schon sagt: Von meinem Hersteller erwarte ich Support!

 Zu meinem Cervélo: Das geht jetzt in die dritte Saison. Es ist ja Baujahr 2010. Und ich finde es wunderbar, zu wissen, dass ich auch nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Gewährleistungsfrist (die nämlich nun zu Ende ist) mit meinem Rennrad gegen Fertigungsmängel abgesichert bin. Bei vielen anderen Marken wäre ich dies nun nicht mehr.

Oh natürlich: Das gilt nur für den Erstkäufer. Gebrauchtkäufer haben von all dem nichts.

Im Falle eines Falles - das Crash-Replacement.

Schon mal an einem Radrennen teilgenommen? Ich bin in den drei Saisons, die ich jetzt intensiv das Rennrad bewege, mindestens 20 Rennen gefahren. German Cycling Cup, UCI WCT, viele RTFs (ich weiß, das sind keine Rennen), einige Marathons.

Es gab nicht ein einziges Event, bei dem es nicht zu Stürzen gekommen wäre.

Ich fahre selten auf Radwegen. Meist auf Straßen - oft und gern auch in dichtem Verkehr. Mir selbst (Toi Toi Toi!) ist noch nichts passiert. Aber wie oft hört man von Auto-Rad-Konflikten, Schneide-Aktionen und gar schweren Unfällen?

Das kann schnell ins Auge gehen: Nervöses Gruppenfahren im Rennen.

Das Geräusch von brechendem Carbon geht durch Mark und Knochen. Abgesehen vom Schaden an Leib und Seele, sind die Schäden an den Rädern beträchtlich. Schon ein leichter Sturz - unglückliche Stelle getroffen - kann zum Totalschaden an Rahmen oder Gabel führen.

Wohl dem, dessen Hersteller ein Crash-Replacement anbietet. Oft reicht schon die Registrierung des Rahmens aus (ein guter Händler übernimmt das für seinen Kunden) und man hat über Gewährleistung oder Garantie hinaus die Sicherheit, dass wenn doch mal ein Schaden außerhalb der Garantieleistungen auftritt, wenigstens ein Rabatt drin ist.

Je nach Hersteller kann das bis zu 50% Preisnachlass auf den Rahmen bedeuten - gerade bei teurem Geröhr eine unglaubliche finanzielle Erleichterung!

Einige Hersteller bieten das Crash-Replacement in Stufen an, und das dann auch wieder limitiert. Canyon zum Beispiel hat feste Sätze für Rahmen, das Crash-Replacement läuft auf 3 Jahre limitiert. Andere Hersteller gewähren den Austausch zerstörter Teile auf "Lebenszeit" an, 20%, 25% Rabatte sind da gern mal drin.

Auch hier lobe ich mir mein Cervélo, denn ich weiß, dass ich jederzeit 25% Nachlass auf den Austauschrahmen bekomme, sollte meinem Bergtiger R3 einmal etwas zustoßen. Bei Rahmenpreisen von bis zu 4.000 € hat man da schnell einen guten Mavic Cosmic Carbone-Laufradsatz oder die Anzahlung für ein Lightweight raus.

Und besser noch: Mit dem Crash-Replacement ist (bei Cervélo) sogar ein Upgrade möglich - 25% Rabatt auf den aktuellen Rahmen - und dafür eine Klasse "besser" kaufen? Von R3 auf R5 upgraden? Kein Problem!

Das nenne ich Service!

Ich recherchierte da mal ...

... die Websites von 43 Rennrad-Herstellern und versuche, diese mit den Augen des kaufwilligen Konsumenten zu sehen: Wie schnell finde ich die Garantieleistungen? Wie ehrlich, wie offen kommuniziert der Hersteller seine Leistungen und wie transparent macht er das?


So bitte NICHT: Bei Ghost findet man in der Navi gar nichts, selbst die Suche liefert keinen Treffer. Schlecht!

Ich versuche, die Websites - die ja oft die erste Informationsquelle für einen Käufer sind - dahingehend zu analysieren, wie Navigation, Suchfunktionen und Komposition den potenziellen Käufer aufklären (oder eben verklären). Potenzielle Kunden vertrauen oft den elektronischen Medien und lassen sich hier schnell beeinflussen - wie verantwortungsvoll gehen die Hersteller mit diesem Wissen um?

Im zweiten Step schaue ich mir an, wie die Garantie/Gewährleistung erklärt ist: Wird offen kommuniziert, was drin ist und was nicht? Was bekomme ich im Schadensfall, was nicht? Wie ehrlich, wie direkt ist der Hersteller?

Selbiges für ein Crash-Replacement-Programm.

Generelles Fazit: Überraschung in Sachen Garantie! Nur eine Handvoll Hersteller schafft es, mit wirklich kompletten, gut und offen dargestellten Leistungen auf diesem Sektor zu überzeugen. Erschreckend viele Hersteller bieten lediglich die gesetzlich geforderten Leistungen an (und einige preisen das dann auch noch als Superleistung an, was ich frech finde!), noch sehr viel mehr Hersteller bieten keinerlei Crash-Replacement an.

Für Rennräder - gerade bei Marken, die selbst aktiv im Profisport engagiert sind oder mit diesem Marketing betreiben - ein Fakt, der mich den Kopf schütteln lässt.

Enttäuscht bin ich von den Italienern, die fast allesamt abgeschlagen hinten rangieren.

Finger weg beim Rennrad-Kauf! Die Nono-Marken.

Wenn Garantieleistung und Crash-Replacement für Euch eine so wichtige Rolle spielen, wie für mich, dann sind Marken wie Colnago, De Rosa, Look oder Stork leider außen vor. Enttäuschend, denn hier finden sich vor allem die großen Italiener wieder, die allesamt noch immer von ihrer glorreichen Rennvergangenheit und teilweise auch Gegenwart profitieren und dies im Marketing-Auftreten auch zur Imagepflege nutzen.

Aber ehrlich: Steht man denn dann wirklich mit einem sicheren Gefühl im Startblock der Cyclassics, wenn man auf das nagelneue, handgebaute, maßgefertigte, sauteure Colnago C59 nur 2 Jahre Garantie hat und kein Crash-Replacement?

Würde ich (wenn ichs hätte) die mehr als 4.000 € für das - zugegeben traumhafte! - Rahmenset des nagelneuen Flaggschiffes aus der De Rosa-Rennradschmiede, das Protos, ausgeben - und habe auf diesen Rahmen nur 2 Jahre Garantie?


Super: Garantie-Aktivierung auf der Startseite.
Gar nicht super: Nur 2 Jahre und kein Crash-Replacement.

Wie kommt das denn rüber, liebe Unternehmen, wenn ihr ein High-Tech-Produkt zu Mercedes S-Klasse-Preisen anbietet, euch bei der Garantiezeit aber nur an das durch das Gesetz vorgeschriebene Pensum haltet? Ich kann euch sagen, wie das auf mich wirkt: Schäbig!

Ja, klar, Carbon ist empfindlich und Garantieabwicklungen nervig - aber wirklich: Ihr könnt uns doch keine Träume verkaufen, das letzte Ersparte aus den Konten leiern und dann nur läppische 2 Jahre für eure Qualität gerade stehen wollen?!

De Rosa - ein Traum! Aber durch diese Garantiepolitik, kein Crash Replaceement? Für mich absolut kein Produkt, in das ich investieren würde. So leid mir das bei diesem - zurzeit für mich - interessantesten Rahmen auf dem Markt auch tut.

Im Mittelfeld.

Etwas besser sieht es dann schon im großen Mittelfeld aus. Marken wie Stevens, Canyon, Bianchi oder auch Ridley bieten zwar nur die 2 Jahre, haben dafür schon mal ein Crash Replacement-Programm.

Bei Focus, Scott oder Wilier gibts zwar kein Crash Replacement - dafür aber immerhin schon einmal 5 Jahre Garantie auf den Rahmen.


Bei KTM ist die Website übersichtlich, schnell und informativ. Super! 

Aber immerhin: Die Websites, die ich hier besuche, weisen zumindest nach dem zweiten oder dritten Klick die Garantiebedingungen aus, hier wird nicht getrickst oder versteckt, der potenzielle Käufer offen und ehrlich informiert. Das ist schon mal einen Schritt besser.

Besonders fällt mir Canyon auf, die sich wirklich Mühe geben: Der Punkt Crash-Replacement ist sehr prominent untergebracht und leicht zu finden. Die Bedingungen sind anschaulich erklärt, die Rabattstufen transparent aufgeliustet. Sehr gut!

Eine schicke Website auf der man alles schnell findet.

Auf anderen Websites sind die Garantiebedingungen gar nicht zu finden. Allen voran die wirklich über alle Maßen enttäuschende Seite von Storck (unfassbar, dass diese Marke mit einer Website auf dem Stand von vorr 15 Jahren im Netz wirbt), Radon oder Cannondale.


Gerade Cannondale mit seiner Race-DNA überrascht mich negativ.

Gut bis sehr gut.

Hier würde ich meine Kandidaten suchen: Die Angebote der Garantieleistungen sind bei Marken wie Eddy Merckx, Felt, Giant, Orbea, Koga Miyata, Specialzed oder Time unbegrenzt - Limited Lifetime Warranty.


Die Giant-Website wirkt ein bisschen wie ein Bauchladen und
turnt den Radrennfahrer sicher kaum an. Toll aber ist die 
lebenslange Garantie allemal! 

Das gibt die Sicherheit, die ich als Käufer - gerade von hochpreisigem Geröhr - erwarte. Zudem zeigt es, wie sicher sich der Hersteller seiner Qualität ist, das schafft Vertrauen, überzeugt den Neukunden und bindet die Bestandskundschaft.

Leider bieten all diese Hersteller kein Crash-Replacement, was vor allem bei einer Marke wie Specialized, die ja nun wirklich im Rennen gefahren werden will, enttäuscht. Auch mCipollini oder Orbea haben da leider nichts zu bieten. Schade.


Auch Orbea ist in Sachen Web-Kommunikation ganz weit vorn. Nur das 
fehlende Crash-Replacement enttäuscht.

Dabei ist doch gerade die Website der Spanier geradezu vorbildlich, was das Garantiethema angeht: Prominent in der Hauptnavigation kann sich der User schnell und unkompliziert die Garantieleistungen besehen. Besser geht es nur bei Giant, deren Lebenslange Garantie das Hauptthema ist (dadurch aber alles recht unsexy, was die Race-Optik angeht, wirkt).

Die Testsieger - besser als erwartet.

Ja, ja, ich weiß, ich habe hier nacher wieder Comments, die meinen, nur weil ich mich Cervelover nenne schreibe ich hier Lobeshymnen auf diese Marke. Dem ist nicht so - auch ich sehe bei Cervelo genug Kritikpunkte, die ich auch nicht verschweigen will.

Aber im Ernst: Garantiemäßig kann dieser Marke schon immer nichts vorgeworfen werden. Lebenslange Garantie auf den Rahmen und 25% Rabatt beim unbegrenzten Crash Replacement. Das ist einfach Spitze!


Schnell zu finden, dann noch unbegrenzt und ein
tolles Crash-Replacement: Cervélo hat es einfach drauf! 

So muss das sein: Wir fahren hier sauteures Material, da möchte ich einfach, dass der Hersteller sagt: "Junge, ich stehe zu meiner Qualität, mach dir keinen Kopf - und wenns trotzdem mal kracht, kein Problem!" Cervélo hat mich damals schon überzeugt, mir sind Garantie und Crash Replacement absolut wichtig.

Den ersten Platz aber haben die Kanadier nicht, da findet sich - Überraschung! - der Versender Rose wieder. Vorbildlich und ungeschlagen das Crash Replacement der Jungs: Satte 50% Rabatt bekommt der Gestürzte auf den Rahmen - und das unbegrenzt. Wow! So kann man sich Rennfahrer als Kundschaft sichern! Hut ab.

Ebenfalls als absoluten Kauftipp, was Garantieleistungen angeht, ist Trek.


Zwar nicht in der Hauptnavi, dafür jederzeit im Footer zu finden.
Bei Trek wird offen und ehrlich kommuniziert. 

Zwar wird Umfang des Replacements nicht näher verraten, aber der Fakt, dass sie eines haben, die unbegrenzte Garantie UND die in der Branche einmalige Rücknamepolitik alter Carbonrahmen und deren umweltgerechtes Recycling - und nicht zuletzt die vorbildliche Website - katapultieren die Amerikaner auf Platz 3 meines Rankings.

Nicht nur die Leistungen, auch die Art, wie sie diese Online darstellen, verdient Lob: Hier wird teilweise sogar offensiv mit den Leistungen geworben. Ja warum nicht? Was nutzt mir ein Tour de France Sieg von Gino Bartali von vor 40 Jahren - wenn ich nach Ablauf meiner Gewährleistung mit einem kaputten, teuren Rahmen dastehe und der Hersteller mit den Achseln zuckt? Nichts.

Das Fazit.

Sicher spielen beim Rennrad-Kauf sehr, sehr viele Faktoren eine Rolle. Und sicher sind wir alle durch Marketing, "Tests" in den Radsportmagazinen, Freunde und Bekannte, den Berater im Laden und vor allem unseren eigenen Geschmack (ich selbst z.B. würde nie ein Specialized oder Look wegen der für mich unakzeptablen Oberrohre kaufen, würde wegen der Verbändelung zwischen Armstrong und Trek nie ein solches bestellen) sehr viel mehr gelenkt, als wir das glauben mögen.

Wem aber die nackten Jahreszahlen einer Rennrad-Garantie auch wichtig sind, wer viele Rennen, RTFs oder Marathons fahren will, für den ist sicher auch das Crash Replacement ein wichtiger Kaufimpuls.

Hier meine Recherche:


 Kein schickes, aber informatives Excel. Ich versuche die Websites
mit den Augen eines (ungeduldigen) Kaufwilligen zu sehen.

Ich hoffe, mit meiner Recherche ein Tool zur Entscheidungsfindung geliefert zu haben - und an euch Hersteller gerichtet: Nehmt euch ein Beispiel an Giant, Rose, Cervélo und Trek - so muss das sein.

So und nicht anders!



Habt Ihr Erfahrungen mit Garantiefällen oder dem Crash-Replacement bei Euren Rennrädern? Hat sich auf den von mir recherchierten Websites mittlerweile etwas getan? Habe ich einen Fehler in meiner Recherche oder etwas übersehen? Schreibt einen Comment!