22. Oktober 2012

Ein Herbsttag - mein Zeitfahren Hamburg-Berlin ... bis Friesack

Es ist einer dieser Tage, die perfekter nicht sein könnten. Einer dieser Tage, an denen man sich wünschte, ein Roboterelektronenhirn zu besitzen, das ist der Lage wäre, jede einzelne Sekunde die man erlebt, in all ihren Einzelheiten aufzuzeichnen, jeden Blick in 360 Grad und in jedweder Farbschattierung abzuspeichern. Weil es ein perfekter Tag war. Ein Tag, das kein Foto und kein noch so blumiges Adjektiv vollständig beschreiben könnte.


Am Vormorgen mache ich dieses - mein 2012 wohl bestes - Foto vom Hamburger Sonnenaufgang aus dem Fenster meiner Agentur und ich weiß: Morgen wird das Wetter ähnlich sein. Die Vorfreude steigt umso mehr, je mehr ich mir den Wetterbericht besehe: Sonne. 18 Grad.

Ich werde ebenso früh - früher noch! - auf den Beinen sein, ich werde mich in diesen Farben suhlen, mich ertränken, mich ergötzen: Morgen mache ich mein eigenes Zeitfahren Hamburg-Berlin, nachdem ich beim echten Termin vor einer Woche wegen eines grippalen Infektes daheim auskurierend meinen Startplatz (fast) verfallen lassen musste.

Ein Fehlstart: Der Wecker klingelt nicht

Harald, der heute, an diesem wunderbaren Samstagmorgen auch HHB machen will, wird erst gegen 7 Uhr losfahren und das auch von Rothenburgsort: 295 Kilometer (es werden am Ende 298 km bei ihm auf dem Tacho stehen) in 12 Stunden Brutto? Mir zu heftig. Also alleine.

Ich stelle mir meinen Wecker auf 3:15 Uhr, denn ich will pünktlich 4:44 Uhr die S-Bahn nach Bergedorf nehmen, dort, wo ich meine privaten HHBs immer gern starte.


Als ich in der S-Bahn sitze, ist es 5:40 Uhr. Der Wecker klingelt aus unerfindlichen Gründen nicht. Ensprechend mies meine Laune. Ich komme erst um kurz nach 6 Uhr in Bergedorf los. Fast 1:20 Stunde Verspätung!

Noch immer ist es stockdunkel. Überraschend warm, obschon ich es kurz bereue (und gegen Abend noch mehr bereuen werde), nicht meine Windweste mitgenommen zu haben. Als ich bei Geesthacht am Sperrwerk die Elbe nach Süden überquere und langsam das Glühen Hamburgs hinter mir bleibt, tauche ich in eine perfekte Dunkelheit ein - über mir ein fantastischer, klarer Sternenhimmel!


Doch die Freude ob dieses Weltraumerfahrung hält nicht lange: Ich kann keine 30 Minuten die Dunkelheit (und die Leuchtkraft meiner neuen Rennrad-Beleuchtung) genießen, da zieht am Horizont schon silbern der Tag herauf. Schade, ich wäre gern noch länger im Dunklen gefahren.

Eine unbezahlbahre Stunde

Warum fahre ich HHB? Nun, in gewisser Weise ja immer noch, weil ich "eine Rechnung" mit dieser Strecke offen habe. Zu den Rennterminen habe ich noch nie ein Finish geschafft - ich scheitere zwei mal in 2010 und 2011 an diesem Trip. Beenden kann ich ihn dann "privat" im letzten Jahr.

Aber der eigentliche Grund ist jene Stunde, die ich nun, auf den ersten 30 Kilometern erlebe: Es ist der Sonnenaufgang.


Fast gespenstisch glatt liegt die Elbe links neben mir, schwarz die Silhouetten der Bäume, oben der Himmel dämmert Sekunde um Sekunde mehr auf, zart mischt sich Rosa in dieses Spiel und ich beobachte direkt vor mir - man fährt genau nach Osten und damit in diese grandiose Theatervorstellung hinein.

Deswegen mache ich das hier: Der einzige Tag im Jahr, an dem ich dieses überwältigende Schauspiel genießen kann.


Auf den Feldern steht dann und wann Nebel. Frischer Kuhdung, neben der Straße vom Bauern gerade abgekippt, dampft in die Heide und dichte Schwaden hängen wie Suppenschleier vor den feuchten Nüstern der Schafe, die mir immer wieder - vor allem am Deich - in dichten Gruppen sich gegenseitig wärmen zusammengedrängt, begegnen.

Die Kondensstreifen der Flugzeuge sind die, die wie frische Narben das erste Rot des Tages tragen.


Nass fühlt es sich an - obschon es trocken ist. Meine Nase läuft und in diesen ersten Stunden schnäuze ich bestimmt zwei Liter hinaus, immer wieder glitzert feuchtes Gras am Straßenrand, die Halme von schweren Tautropfen nach unten gezogen - wie Stroboskop-Licht tanzt mein LED-Kegel durch Schwaden von Nebel.

Nur das Surren meiner Kette.
Das Atmen meiner Lunge.
Sonst keine Geräusche.


Kurz vor Bleckede immer wieder - und dieses Jahr schon zum viertel mal: Die Sonne kommt hervor. Es ist immer dieses Geradeausstück, das ich befahre, während unser Zentralgestirn zwischen dürren Birken hervorlugt und mich erste Strahlen schüchtern wärmend durch die Zweige treffen.

Unbezahlbar, dieser Anblick!

Was für ein tolles Bild. Als habe Caspar David Friedrich höchstpersönlich den Bau dieser Straße an dieser Stelle in diese Richtung konzipiert.

Bleckede, Hitzacker - ein bisschen Höhenarbeit

Hamburg-Berlin glänzt mit Weite, nicht mit Höhe. Die paar Höhenmeter, die man auf dieser Strecke macht, sind auf einige wenige Kilometer und Anstiege beschränkt. Es ist nun schon fast taghell, als ich noch einmal links neben mir die ruhige Spiegeloberfläche der Elbe besehe, und es dann auch schon in die ersten Rampen geht.


Es ist kurzzeitig bis immerhin 13 Prozent steil - aber das nur für wenige Dutzend Meter und nie so schlimm, dass man hart arbeiten müsste. Im Gegenteil: Jetzt, wo die Sonne im Herbst so tief steht und schon morgens dieses sonderbare, faszinierende Goldlicht produziert, gibt mir die langsame Speed im Anstieg umso mehr die Möglichkeit, den Anblick auf die gefärbten Laubkronen die so sonderbar warm und doch unnahbar kalt wirken, eingehend zu studieren.


Vor dem Kniepenberg gibt es sogar eine kleine Serpentine (als Abfahrt) und wenig später zwei, drei schöne knackige Rampen. Natürlich kein Vergleich zu den Anstiegen zum Passo Stelvio oder den Bergen des Ötztaler Radmarathons, aber immerhin: Hier sei gelobt, wer ein 28er-Ritzel oder Kompakt fahren kann!


Um diese Zeit ist hier noch nichts los - ein weiterer Vorteil, wenn man so früh startet, noch dazu an einem Samstag: Perfekte Ruhe. Ich sehe in den ersten Stunden keine 5 Fahrzeuge. Mir gehört das alles hier. Ein einmaliges Gefühl.

Bis Dömitz - dreieinhalb Stunden Nonstop

In Dömitz ist traditionell der erste Kontrollpunkt des Zeitfahrens Hamburg Berlin und hier haben sie immer ein schönes Büffet aufgebaut. Bis dorthin werde ich heute etwa 3:30 Stunden benötigen. Ein knapper 27er-Schnitt. Nicht der schnellste Ritt meines Lebens, dafür ein umso intensiverer.


Herbstzeit, das ist auch Erntzeit. Neben mir haben sie die unsäglichen Maisfelder größtenteils schon abgeerntet, dann und wann duften Graswiesen frisch gemäht - ein Duft, der in dieser Morgenfeuchte betörend wirkt, wie ein gutes Olivenöl auf der Zunge liegt. Geschwängerte Luft.

Dann wieder blanke, braune Erde. Matschgeruch. Dung. Mit jedem Feld ändern sich die Nuancen. Ich werde hier zu einem Connoisseur der Felddüfte. Habe viel Zeit, die Spielarten der Landluft zu studieren. HHB, das ist auch Naturerlebnis pur.


Es geht bei Kilometer 98 über die Elbe - die Dömitzer Brücke führt mich nach Mecklenburg-Vorpommern. Es ist nach einem Ministück Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen das vierte Bundesland, durch das ich heute komme - es werden mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin noch 3 weitere folgen. (Danke Harald :)

Die Brücke zu überqueren ist immer ein Meilenstein bei HHB. Ein Erhebender dazu: Ich habe das erste Drittel geschafft.


Bei perfektem Sonnenschein setze ich mich auf die Bänke, halte beim Kauen (ich habe sechs Vollkornstullen mit Salami dabei) Ausschau, ob ich im Sandboden noch Spuren meiner HHB-Mitstreiter von letzer Woche entdecke: Die Rennrad-Cleats machen hier unverwechselbare Abdrücke.

Da sitze ich, verdrücke zwei Stullen, eine Banane, trinke dazu reichlich und drücke mir noch ein Power-Gel rein. Denn was jetzt folgt, könnte Anstrengender nicht sein.

Durch das Death Valley Sachsen-Anhalt/Brandenburgs

Endlose Landwirtschaftswege.
Absolut flach.
Sonne blendend im Gesicht.
Keine Menschenseele.
Stunde um Stunde.

Hier ist die Erde noch Scheibe.


Die einzige Abwechslung der in ihrer unfassbaren Eintönigkeit wiederum so faszinierenden Kulisse liegt im Bewuchs der Felder oder in der Farbe der Brachen neben den wie mit einem Lineal brutal durch die Lanschaft schneidenden, mitunter perfekt asphaltierten Sträßchen.

Es geht kilometerweit nur gerade aus.
Oft fahre ich Schlenker. Nur um zu sehen, ob mein Lenker nicht schon festgerostet ist.

Es bleibt viel Zeit. Vor allem, wenn ich meinen MP3-Player ausmache. Und in die Stille horche - den so unglaublich weiten blauen Himmel über mir.


Ab und zu eine Kuhherde. Schafe finden sich hier keine mehr. Auch die Elbe ist außer Sichtweite.
Die Nutztiere blöken mich nicht einmal an. Nur wenige schauen teilnahmslos. Menschen, so etwas kennen sie hier wohl nicht. Interessiert sie auch nicht.

Wer kümmert sich hier um Euch? Gibt es hier Bauern? Gehöfte?

Keine Telefonmasten. Nur ab und zu eine Starrkstromleitung. Die hängt weit über mir. Transportiert Energie in die weit entfernten Ballungsräume. Hier aber scheint nichts und niemand zu sein. Wilde Kuhherden streifen übers platte Land.

Die German Great Plains.


Ich freue mich, wenn dann und wann mal Bäume den Rand säumen. Heute habe ich Glück: Zwar weht wieder ein Süd-Ost-Wind direkt in mein Gesicht, der ist aber so schwach, dass er kaum Leistung kosten sollte. Das habe ich aber schon anders erlebt: Wenn hier mal richtig Wind geht, von vorn, verhungert man auf diesem Teilstück von HHB förmlich.

Kein Wald. Kein Windschutz. Nichts.


Nur bei Gegenwind bringt die Gruppe hier etwas. Sobald er von der Seite kommen sollte, war es das - effektive Windstaffeln sind auf diesen kaum 3 Meter breiten Straßen eine höchst gefährliche Angelegenheit.

Mit Triathlonaufsatz in Zeitfahr-Position

Ich fahre heute mit den Tria-Aufsätzen. Auf den langen Geradeausstücken kann ich mich bequem ablegen, den Kopf senken und - wie ich finde - entspannter und energieschonender treten.


Lange aber halte ich das nicht aus: Mein Sattel ist nicht nach voorn gekippt und auch wenig gepolstert. In der starren Tria-Position lange zu verharren ist daher kaum förderlich. Kilometerfressen ist hiermit nicht möglich: Dazu müsste ich mein Rennrad noch mehr abstimmen.

Und ich merke es wieder: Ich bin kein Mann der weiten Strecken. Eher einer der Berge. Immer und immer wieder denke ich da an meinen Plan, mir ein Zeitfahrrad zu kaufen. Gut, dass ich das nun nicht tun werde.

Ich hätte mich geärgert.

Wittenberge - die Hälfte ist im Sack

Traditionell stückle ich mir HHB wieder zurecht. Bis Dömitz kann man gut in einem Stint durchfahren. Doch nachdem die Elbe hier auf die rechte Seite gewechselt ist, baue ich nun mehr, kleine, Pausen ein. Bei Wittenberge, knapp 50 Kilometer hinter Dömitz, mache ich meine Zweite.


Wittenberge ist schnell durchquert - hier lege ich mich hinter der Stadt an den Deich. Ich habe für die 50 Kilometer bis hier her 1:50 Stunde gebraucht: Ein glatter 25er-Schnitt.

Weniger, langsamer als das fast doppelt so lange Stück nach Dömitz, ein km/h langsamer. Ich bin heute nicht gut drauf. Die Saison war lang und sehr hart. Letzte Woche kämpfe ich noch mit einem grippalen Infekt und seit dem letzten Rennen - mein 24-Stunden-Einsatz bei Rad am Ring - saß ich nicht mehr auf dem Rennrad.

Das ist dann jetzt auch schon knapp 6 Wochen her.

Ich reibe mir großflächig den Damm mit Ibutop ein - einer Ibuprofen-haltigen Schmerzsalbe - und schwinge mich nach 15 Minuten wieder in den Sattel. Georg hat eine SMS geschickt - er ist jetzt wohl 50 Kilometer vor Havelberg, meinem nächsten Etappenziel.


Ich wechsle nach einem kurzen Abstecher hier nach Sachsen-Anhalt ins Land Brandenburg, mein Heimatland, und fühle mich sofort wohl auf den prächtigen Alleestraßen, die seinerzeit schon die berittene Garde der preußischen Reiter Friedrichs des Großen durchgalloppiert haben mögen.

Und ich denke mir so, was wohl angenehmer sei: Mein Cervelo aus Carbon, oder der Ledersattel eines stattlichen Rosses?


Ein letztes Mal winke ich der Elbe, ehe sie nach Süden in Richtung Tangermünde und Magdeburg abknickt. Von nun an wird mich die Havel begleiten.

In Brandenburg, so habe ich das Gefühl, bauen sie weniger ekelhaften Mais an. Vermaiste Landschaften, ich kann den Biosprit-Wahnsinn noch immer nicht verstehen und freue mich über jeden Rüben-, Kartoffel- oder Stevia-Acker, den ich sehen kann.


Wo sind nur die prächtig-gelben Raps-Landschaften meiner Kindheit hin?

Entscheidung in Havelberg

Mir schwinden die Kräfte. Ich erreiche Havelberg - 33 Kilometer nach Wittenberge - nach einer Fahrtzeit von eineinhalb Stunden. Wieder ein bisschen langsamer. 24,3 km/h Schnitt. Unmissverständlich zeigen mir diese Leistungswerte, dass das hier heute nicht mein Tag ist.


Ich fühle mich nicht schlecht, das nicht. Es tut auch nichts weh. Ich merke nur, dass ich keine Kraft mehr habe. Der Saisonhöhepunkt scheint wohl überschritten.

Ich rechne: Ab hier sind es noch etwa 90 Kilometer bis Spandau. 90 Kilometer mit diesem Schnitt, das sind noch fast 4 Stunden. Plus etwas Pause dazu. Sagen wir viereinhalb, besser 5 Stunden. 5 Stunden? Ich habe einen Zug um 19:30 Uhr gebucht. Es ist jetzt 14:30 Uhr. Reichen würde die Zeit noch - nur ich hätte dann keinen Sicherheitspuffer. Und das Garmin ist auch fast leer. Navigieren durch die Dörfer Rand-Berlins? Oder doch alternativlos-suizidal die B5 durchballern?

Ich beschaue mir die fantastisch gefärbten Blätter über mir. Und beschließe.


Dass ich noch bis Friesack fahren werde. "Die 220 km voll machen", schreibe ich Georg in einer SMS.

Für mich genug heute. 220 Kilometer, dazu die An- und nachher in Hamburg die Abreise vom Bahnhof, da komme ich auf 230 km Tagesleistung. Ordentlich, für meine Jahresend-Facon, beschließe ich.

Hinzu kommt: Alles ab Paulinenaue ist nur noch nervig. Nauen, die B5, Brieselang und die lange Anfahrt furch Falkensee bis Berlin sind einfach nur unschön. Nee, heute nicht.

Ich hatte heute die schönste Herbsttour, die man sich wünschen kann.
Mehr wollte ich nicht.
Und beweisen muss ich niemandem mehr etwas.


Sobald diese Entscheidung getroffen ist, fährt es sich gleich entspannter. Nur die vielen Spinnen an ihren feinen, luftleichten Fäden nerven mich noch, aber nur ein bisschen. Nur wenige Kilometer braucht es, und mein Rennrad, meine Jacke, meine Brille sind verklebt mit den weißen Fäden.

Ich drehe mich um und habe eine Schweif wie der weiße Zauberer aus Herr der Ringe. Aber das alles kann mich nicht mehr aus der Ruhe bringen: Ich genieße einfach diese letzten Kilometer.


Vor Rhinow wird es wieder schnurgerade. Leider nimmt auch der Verkehr zu und ich sehne mich zurück zu jenen menschenleeren Straßen heute morgen: Ich ohrfeige mich, das der Wecker nicht geklingelt hat. So sind mir heute morgen wertvolle 1,5 Stunden abhanden gekommen.
Das Sicherheitspolster, das mir so wichtig wäre, würde ich jetzt doch das ganze Stück bis Berlin-Spandau fahren wollen.


Hinter Rhinow fahre ich noch das Stück bis Friesack, wo ich die HHB-Strecke nach 42 Kilometern ab Havelberg verlasse. Ich habe bis hier her seit meiner letzten Pause knapp 1:40 Stunde gebraucht, was einen Schnitt von 25,5 km/h ausmacht. Etwas schneller bin ich also geworden.

Tatsächlich überlege ich noch kurz - immerhin sind es keine 50 Kilometer mehr bis Berlin - ob ich hier auf  Harald und Georg warten soll, um mich an sie heran zu hängen. Nachdem mir Georg aber von einem "31er-Schnitt" auf der Hinfahrt berichtet und beide später am Bahnhof den Stint nach Berlin mit 28 km/h Durchschnitt gemacht haben werden, bereue ich meine Entscheidung, hier in den Zug gesprungen zu sein, keineswegs: Ich hätte beide nur unnötig gebremst (und die kamen um 19:10 Uhr ja auch nicht gerade komfortabel an).


So lehnt mein Rennrad gegen 16 Uhr am Bahnhofs-Zaun, der Regional-Express bringt mich die letzten paar Kilometer - 4 Stationen - in 20 Minuten nach Berlin-Spandau, wo ich es mir gemütlich mache und dem verrückten Treiben der Hertha-Fans und Bahnhofsklientel zuschaue.

Kurz nach 19 Uhr dann treffen Harald und Georg ein. Wir schnacken noch ein bisschen, ich beglückwünsche Harald und wir geben uns die Hand. Harald und ich springen dann auch schon in den komfortablen EC der Österreichischen Staatsbahn.


Die Fahrt wird nach 2 Stunden vorbei sein.

Harald kann stolz sein: Er wird seine 298 Kilometer in 12 Stunden heruntergeritten haben. Hut ab vor dieser Leistung! Und Punktlandung ohne Wartezeit am Bahnhof noch dazu. Auch Dank der Lokomotiven-Leistung von Georg, der ihn anscheinend etwas in Schlepp genommen hatte.

Ich selbst freue mich über diesen tollen Herbsttag, immerhin auch 230 Kilometer auf der Saisonabschluss-Fahrt auf dieser wunderschönen Tour. Zu Hause erwartet mich eine lange heiße Dusche und ein mindestens ebenso heißer Kuss meiner Süßen. Besser geht es doch gar nicht, oder?

Und Danke auch an Burkhard vom Audax-Club SH, der meinen Startplatz für das echte HHB mit in 2013 nehmen wird. In 12 Monaten also - nächster Anlauf. Es bleibt also spannend ...



Hier geht es zu den Garmin-Daten.

11. Oktober 2012

HHB´s calling: Die Langstrecken-Modifikation für mein Rennrad

Meine Erkältung ist auf dem Rückmarsch und es sieht ganz gut aus für Samstag: Das Zeitfahren Hamburg-Berlin - oder kurz HHB - ruft als Saisonabschluss und mithin längstes Event meines Rennkalenders. Schon vor einigen Tagen mache ich mein Cervélo R3 langstreckentauglich.

Here we go.


Wie ich schon Anfang des Jahres austesten konnte, bringen Tria-Aufsätze für normale Rennräder gerade auf langen Streckenabschnitten spürbare Vorteile.

Schneller & entspannter vorwärtskommen.

Durch die aerodynamischere, gestrecktere Haltung auf den Aufliegern biete ich dem Wind noch weniger Angriffsfläche, als in Untenlenkerhaltung. Da selbst die schon Vorteile bringt, aber nicht so lange durchzuhalten ist, verspreche ich mir von den Aufliegern entweder einen höheren Schnitt (zumindest auf den langen Geradeauspassagen) oder, wenn auch nur eine geringe, Energieeinsparung bei gleicher Leistung.

HHB wird 280 bis 290 km lang werden - selbst wenn ich nur ein paar Watt über diese Distanz sparen kann, wäre dies ein Erfolg.


Entspannter ist es zudem auch: Spätestens bei Kilometer 180, so meine Erfahrung, sind Schulter- und Nackenmuskulatur dermaßen gemartert, dass jede Griffhaltung am klassischen Rennradlenker einfach nur noch weh tut. Wenn es dazu noch nass und kalt im Rücken zieht, potenziert sich das.

Wohl dem, der ab und zu seinen Oberkörper über die Ellenbogen auf den Aufsätzen ablegen kann - Entspannung pur!

Das neue Cockpit

Mehr Übersicht verspreche ich mir auch vom neuen Cockpit: Mein Garmin Edge 800 wird mich (hoffentlich die ganze Strecke lang - ich habe (noch) kein Ersatzakku) navigieren. Da ich den Mount am Vorbau durch die Tria-Aufsätze nicht mehr nutzen kann, befestige ich ihn am rechten Aufsatz.

Der Vorteil: Das Gerät ist nun satte 10 cm vor dem Lenker und dadurch mit deutlich weniger "Nachuntenbücken" des Kopfes einsehbar. Auch das wird bei 290 km Länge sehr zur Entspannung beitragen.


Danke Marc fürr den Tipp - ich habe die Griffenden der Tria-Aufsätze mit Lenkerband (nicht sehr schön, ich weiß) umwickelt. Das macht die Durchmesser größer und erhöht so die Griffsicherheit. Zudem sollte das Lenkerband dämpfend und vor allem kältehemmend wirken, wenn wir wieder bei 4 Grad starten und sich das Alu mit Kälte vollsaugt.

Besserer Durchblick - LED-Power satt

Dieses Angebot bei Karstadt.sports konnte ich nicht ausschlagen: Die Sigma Smilux (Frontbeleuchtung) und den Cuberider 2 (Rücklicht) gibt es dort im Angebot für 39,99 €. Allein die Smilux kostet im Online-Einzelverkauf schon 25 bis 35 €.

Naja, die großen Onlinehändler haben dieses Set mittlerweile auch für sogar 32 € parat, aber was solls ...


Die Lichtausbeute stellt sich bei einem Vergleichstest mit meiner bisherigen Cateye-Funzel in meinem Keller bei absoluter Dunkelheit als herausragend dar.

Meine HHB-Startzeit in diesem Jahr wird 6:47 Uhr in der Frühe sein - zwar wird die Sonne rein rechnerisch 7:43 Uhr aufgehen, aber meine Erfahrung zeigt, dass man mindestens 1, 2 Stunden noch mit Licht fahren sollte. Da mit 18:24 Uhr der Sonnenuntergang weit vor meinem geplanten Finish erfolgen wird, werde ich die Akkus sicher voll aufgeladen haben.

Ein nächster Tipp vom Georg (Danke auch hierfür!) führt mich zu einem kleinen, aber feinen Bauteil von Profile Design, das ich mir vor 2 Wochen gleich bestelle: Der UCM Computer Mount.


Dank ihm kann ich die Frontbeleuchtung am linken Tria-Aufsatz unter diesem befestigen: Jederzeit schneller Zugriff auf die Lichtsteuerung und sicherer Halt der Beleuchtung garantiert!

Bento-Box & Co

Ich habe schon 2 offizielle HHB-Teilnahme hinter mir, habe HHB ein mal "privat" gefinished und einmal "privat" auch abgebrochen. Was alle Teilnahmen gemein hatten: Rückenschmerzen!

Deshalb lautet mein Motto für 2012: Alles runter vom Rücken, was geht! In Tria-Haltung geht sowieso kein Rucksack und jedes Gramm, das ich von meiner Wirbelsäule bekomme, entlastet spürbar.

Gott segne da die Zugabe der Firma deuter, die ich in meinerm Starterbeutel für den Ötztaler Radmarathon gefunden habe: Eine Mini-Satteltasche, die sich hervorragend als Bento-Box eignet.

Leider kann ich die Tasche nicht am klassischen Bento-Platz auf dem Oberrohr am Lenkkopf befestigen, finde aber unter dem Lenker den perfekten Platz: In die Tasche fülle ich 6 Energy-Gels, meine EC- & Kreditkarte sowie das Essensgeld für unterwegs. Perfekt!

Hinten raus sicher

Den leichten, kleinen und niedlichen Aeroonauten von SciCon, in dem ich meinen Ersatzschlauch transportiere, ersetze ich wieder durch die größere Topeak-Tasche. In ihr findet das komplette Pannenset inklusive der Pumpe sowie die Regenjacke Platz.


Da ich nun so viele Dinge in den Taschen am Rad verstauen kann, muss ich nur noch die Stullen und die Bananen in die Trikottaschen nehmen: Easypeasy.

Die bereits angesprochene Cuberider 2-Rückleuchte befestige ich ganz unten. Da ich keine Schutzbleche fahren werde, werden, so meine Hoffnung, Leuchte und Satteltasche dann hoffentlich das gröbste vom Dreck abfangen, bevor es sich zu meinem Hintern durchweichen kann.


Ein schöner Wasserdichtheitstest für das Licht ist es zudem auch.

Tja. Da steht es nun, das Rennrad mit seiner Langstreckenkonfiguration. Kette frisch gereinigt und geschmiert, Schaltung geputzt und eingestellt, Reifen auf 8,5 bar, Bremsen justiert - nun muss ich nur noch die Rüsselseuche aus der Nase bekommen und es kann am Samstag losgehen.

Auf zum letzten Event dieses fantastischen Rennradjahres! HHB - kann kommen.


So besehe ich mir die Startnummern meiner Teilnahmen von 2010 und 2011. Beides mal scheitere ich. Und ich bin mir sicher, wenn ich am Samstag an den Start gehe, wird am Montag, wenn ich aus Berlin zurück komme, eine weitere Rückennummer im Regal liegen. Diesmal aber keine zum Abhaken - sondern eine zum Anstoßen.

Alle die HHB mitfahren - und alle, die auch in der nasskalten und dunklen Jahreszeit auf die Maschinen steigen: Ride Safe!

Wen es interessiert: Hier geht es zum Bericht des Zeitfahren Hamburg-Berlin 2010 mit meinem Freund Steven Brown, hier zum Bericht 2011 zusammen mit Lars Kattge und hier zum privaten Finish der Strecke eine Woche nach dem offiziellen Termin 2011.

Nachtrag: Da ich leider nicht gesund werde, muss ich meine Teilnahme an HHB 2012 absagen. Nur halb-gesund (oder eben halb-krank) auf diese Strecke zu gehen, macht keinen Sinn. Schade.



Wie bereitet Ihr Eure Rennräder auf Brevets oder Langstrecken-Events vor? Ich freue mich über Eure Comments.

3. Oktober 2012

Ötztaler, Dreiländergiro, GFNY & Co: Eine Rennrad-Saison und ihre Trikots

Ihr wisst, ich bin ja etwas sentimental. Ich behalte mir jede Startnummer jedes Rennens auf, an dem ich seit 2010 teilgenommen habe. Ich hüte jede noch so billig gemachte Medaille der Rennrad-Events, die ich finishe. Und am Jahresende, wenn die Saison vorbei ist, kaufe ich mir einen DIN A1-Bilderrahmen, pinne die Blätter, an denen so viele Erinnerungen hängen, hinter Glas und hänge das mir liebste Trikot davor.

So auch jetzt. Denn die Rennradsaison 2012 ist (fast) vorbei.


Es ist natürlich wieder das Trikot unserer Equipe SunClass. Denn dank des Sponsorings des Solarmodul-Herstellers aus Hamburg-Norderstedt konnten meine Teamkollegen und ich eine fantastische Saison auf dem Rennrad verbringen. Danke noch einmal hierfür!

Mitgebracht habe ich auch einige Trikots von den Rennen - und ich mache mir den Spaß, ziehe die alle mal an (ich fahre ja nur in SunClass oder Cervélo-Klamotten) um in den Erinnerungen zu schwelgen.


Da ist zum Beispiel das Trikot unseres ersten Rennens - es ist Ende April, die Beine sind noch kalt und wir müssen ran. Das schicke Saint Tropez an der Cote d´Azur ist unser Ziel. Auf zum Gran Fondo Colnago Saint Tropez! Immerhin ein Rennen im Rahmen der offiziellen UCI Weltmeisterschaft der Amateure und Jedermänner.

Knapp 190 Kilometer aus der Kalten - mir gehts bescheiden. Aber wir finishen. Ein tolles Rennen - und das im nagelneuen SunClass-Outfit!

Hier geht es zum Rennbericht des Gran Fondo Colnago Saint Tropez

Wir wundern uns nicht, dass wohl kurz vor dem Rennen der Sponsor Colnago von Cannondale ausgetauscht wird. Na, wenigstens die Trikots waren schon richtig bedruckt.

Solche Querelen gibt es beim nächsten Rennen nicht: Es ist die zweite Austragung des Gran Fondo New York. Ein Event, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird!


Ich bin mit meinem Teamkollegen Heiko vor Ort und wir verbringen einen wunderbaren, 10-tägigen Urlaub in der tollsten Stadt der Welt. Das Wetter ist traumhaft, das Rennen wird es auch. Uli und Lidia Fluhme haben eine extraharte, extralange Strecke mit 4 Bergwertungen in die nördlich der City gelegenen Berge festgelegt.

Wir müssen an unsere Grenzen gehen, denn es ist heiß und sehr hart. Es wird sich aber lohnen: Da hier nur die Anstiege getimed sind und ich am Berg meine Stärken weiß, kann ich beim GFNY 2012 die beste Platzierung in einem Rennen ever einfahren: Ich komme unter die besten 19% aller Finisher!

Wenn Ihr die Chance habt: Nehmt am GFNY teil, macht Euch einen geilen Urlaub dort. New York fuckin´ rocks, Baby! Denn nicht umsonst titele ich: "Kammerflimmern am Bear Mountain". Doch lest selbst ...

Hier geht es zum Rennbericht des GFNY 2012

Bald geht es in die Alpen: Tirol und mithin der - wie ich finde - schönste Pass, den ich bisher fahren durfte, locken: Der Dreiländergiro 2012 mit Start in Nauders lockt.


Er wird als "Skandalgiro" in die Geschichte eingehen: Die schweizer Behörden werden viele Rennrad-Fahrer hinter der Grenze zurückschicken - der Veranstalter hatte angeblich die Warnungen der Behörden, nur maximal 1.500 Starter auf die Strecke zu lassen, ignoriert. Insgesamt gehen knapp 3.500 Starter auf die 165 km lange Runde durch Österreich, Italien und das schweizer Engadin.

Ich selbst werde den Stevio, das Stilfser Joch, ohne Probleme bezwingen und ein gutes Rennen fahren - in knapp 7 Stunden Netto finishen, das ist ein für mich ansehnliches Ergebnis.

Genauso ansehnlich wie die grandiosen Ausblicke, die ich vom Passo dello Stelvio aus 2.700 Metern Höhe genießen kann: Atemberaubend!

Den Rennbericht vom Dreiländergiro könnt Ihr hier lesen.

Leider gibt es bei der einfach nur als episch zu bezeichnenden Val d´Aran Cycling Tour, einer 160 km langen Tortur bei Maximalhitze durch die spanischen Pyrenäen, kein Trikot, das ich hier abbilden könnte - wohl aber lohnt es sich, den Rennbericht zu lesen - und in 2013 vielleicht selbst teilzunehmen - denn neben der supersympathischen, familiären Atmosphäre dieses UCI WCT-Rennens kann ich nur sagen: Die Pyrenäen sind DER Arschtritt für alle, die zünftig nach Altvätersitte am Berg leiden und sich von 17-jährigen spanischen Bergflöhen mal so richtig abziehen lassen möchten.

Richtig krass wird es einige Wochen später dann auch wieder: Wir sind in Bella Italia. Aber "bella" wird das nicht werden ...


Wir sind bei der La Leggendaria Charly Gaul, wieder ein UCI-Rennen, gemeldet. Natürlich für die lange Runde, die zwei mal den Monte Bondone, Gilberto Simonis Hausberg, überquert und alles in allem sagenhafte 4.100 Höhenmeter bei gefühlten 40 Grad anhäufen wird.

Ich habe einen schlechten Tag, kann aber zum Schluss doch noch das Ruder herumreißen und ein gutes Ergebnis einfahren. Die Leggendaria bereitet mich auf meinen absoluten Saisonhöhepunkt perfekt vor: Die Höhenmeter werde ich gebrauchen können, die Rennhärte auch.

Für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, 2013 an diesem fantastisch organisierten Rennen teilzunehmen: Hier wird das Finale der UCI World Cycling Tour ausgetragen, inklusive einem Berg-Einzelzeitfahren einen Tag vorher. Ein Radsportfest aller erster Güte ist garantiert!

Alles zur La Leggendaria Charly Gaul 2012 findet Ihr hier.

Oh man, geht mir die Muffe, als ich mich einreihe im Startblock, um meinen Saisonhöhepunkt, den Ötztaler Radmarathon, zu fahren! 240 Kilometer und 5.500 Höhenmeter - und das über 4 Alpenpässe - stehen an.

Es ist das Trikot, das mir in meiner Sammlung am meisten bedeutet.


Zum Ötzi muss man nicht viel sagen: Er gilt als eines der härtesten Jedermann-Eintagesrennen und wer ihn finished, wird eine fast als mythisch zu bezeichnende Reise hinter sich haben. Eine Reise über 4 Pässe, eine Reise mit Höchstgeschwindigkeit (ich werde 96 km/h erreichen), eine Reise mit tausenden anderen Argusschiffern, eine Reise ins Schmerzland - und am Ende, eine Reise zu sich selbst, zu seinen eigenen Grenzen und zu so viel Emotion, wie man sie selten nach sportlichen Events erfährt.

Mir bedeutet das Ötztaler-Trikot so viel, dass ich das kaum in Worte fassen kann.

Es war das schönste, das perfekteste, das beste, das krasseste, das tollste Rennen bisher. Einfach Ötztaler ...

Meinen Ötztaler Radmarathon 2012 könnt Ihr hier miterleben.

So viele Rennen, so viele, die hier unerwähnt bleiben, wie das spaßige HU Sunrace, das großartige 24-Stunden-Rennen "Rad am Ring" auf der Nordschleife. So viele Kilometer, fast 50.000 Höhenmeter.

Es war eine fantastische Saison 2012! Danke SunClass, danke Teamkollegen, danke Mitstreiter!
Und im nächsten Jahr? Wir werden sehen. Wir werden sehen, ob es mit SunClass weiter geht, welche Abenteuer wir mit dem Solar-Trikot noch alles erleben dürfen, oder ob es ein anderes Trikot ist, das auf meinen Schultern sitzen wird.

Wie auch immer: Es wird bestimmt viele tolle, neue spannende Berichte auch im nächsten Jahr geben. Und viele neue bunte Trikots - hoffentlich aus aller Welt.

Euch einen tollen Saisonabschluss - einige treffe ich ja beim Zeitfahren Hamburg-Berlin - und wie immer: RIDE SAFE!