18. Oktober 2013

Rad am Ring 2013 - wie die "Grüne Hölle" zur "Wasserhölle" wird

"Rad am Ring" ist ein Muss für Rennrad-Begeisterte in Deutschland. Warum? Weil es die geilste Strecke ist, die man hier fahren kann: Sicher (keine Autos!), breit (Formel 1-Strecke!), bester Asphalt (Formel 1-Strecke!) und berauschend (Formel 1-Strecke!).

Klar, dass ich 2013 auch am Start bin - wenn auch, im Rückblick - mit eher gemischten Gefühlen.

Enttäuschung am Nürburgring


Viel ist geschrieben worden im Vorfeld, schmutzige Kampagnen gefahren, Newsletter-Krieg und banges Warten, kaum dass RAR 2012 vorbei ist, ob es 2013 überhaupt eine Ausgabe geben würde. Nürburgring GmbH ist pleite, eine komische, zwielichtige Firma geht mit einer eigenen Website an den Start, kassiert schon Startgebühren für 2013 ... Rechtsstreit. Ein guter Start sieht anders aus ...


Nanu? Wo ist die Messe? Die gute Laune? Party?

Umso schöner die Nachricht, dass auch weiterhin der RV Herschbroich federführend bei der Ausrichtung ist. 2011 und 2012 erlebe ich hier auf der Nordschleife die genialsten Renneinsätze, die ich in Deutschland je gefahren bin, das soll - auch organisatorisch - gern so bleiben.

Tja. Und dann stehe ich im leeren Ring-Boulevard, muss mich in einer der F1-Boxen zur Startnummernausgabe drängeln, schaue in eher verdrießte, genervte Gesichter der Helfer und merke an meiner Box (die selbe wie 2012), dass es wesentlich weniger Toiletten gibt. Die Stimmung ist ... nicht so geil. Mmh.


Am Morgen des Starts: Irgendwie kommt nicht das rechte Feeling in mir auf.

Dazu passt das Wetter. Am Ankunftstag vorher leichter Niesel, für den Renntag ist Regen ab 17 Uhr vorher gesagt, dann für die Nacht "Starkregen mit orkanartigen Böen". Na hossa!

Ich schlafe überraschend gut, friere mich am nächsten Morgen zum Frühstück. Neben mir in der Box die Gute Laune am Start - das Team von Hebro Chemie. "Hey, von Euch habe ich noch immer die Waschpaste, die Ihr uns letztes Jahr geschenkt habt! Super Zeug!", rufe ich hinüber. Sie freuen sich.

Ich besuche die Box von Ines, die mit einer Freundin im Zweierteam starten wird. Ines hat 2012 bei uns im SunClass-Team mit Swantje zusammen eine tolle Platzierung herausgefahren - ob sie das Ergebnis heute und morgen verbessern können wird?

Unterwegs in der "Grünen Hölle" der Nordschleife - hier bin ich Wildsau, hier darf ich´s sein ...


Ich treffe kurz vor dem Start noch Georg, der mit zwei Zweierteams und Betreuung im Caravan angereist ist. Es wird seine erste Teilnahme werden - und mithin gleich mal bei einer der krassesten Ausgaben von Rad am Ring, seit dem ich an dem Rennen teilnehme.

Dann geht es auch schon los - Gottseidank bei gutem Wetter.


Ob ich mit dem Cervélo S5 die 100 km/h knacke?

Wie immer ist die erste Runde noch sehr voll, laufen lassen und ausfahren ist kaum angesagt, dafür sehr aufmerksames Steuern gefordert. Ich habe mir für heute nicht viel vorgenommen: Als Einzelstarter will ich fahren, was ich kann. Etwas reißen oder Bestzeiten aufstellen, das ist nicht mein Ziel.

Was ich allerdings schaffen will - endlich ein mal und unbedingt! - dass ist das Knacken dieser verfluchten 100 km/h-Grenze. Das habe ich in 2 Teilnahmen und bisher 18 Runden Nordschleife noch nicht geschafft.

Deshalb auch heute auf dem windschnittigen Cervélo S5 - und gib ihm!

Einzel als Einzelfahrer 


Viel vorgenommen habe ich mir heute auch deshalb nichts, weil ich keinen Betreuer am Start habe. Leider sind meine beiden angefragten Jungs abgesprungen. Einzelfahrer, okay, dass kann ich mir vorstellen, aber dann auch in der Box alle Jobs übernehmen? Schwierig.

Und: Box? Box kann man das nicht nennen, was ich mir da aufgebaut habe ...


Box oder Flüchtlingscamp? Schwer zu unterscheiden ...

Mein altes Abi-Iglu-Zelt, das ich man gerade so halbwegs stabil im betonharten Boden verankert bekommen habe, flattert im Wind. Daneben, behelfsmäßig, die Plane meines Pavillons, für dessen Aufbau kein Platz mehr war, wenigstens als eine Art Stoff-Carport an dem Hänger meines Nachbarteams befestigt - keine professionelle Box.

Angesichts des anstehenden Wetters wird mir allerdings Angst und Bange: Im Regen fahren ist auf der Nordschleife schon krass genug. Dann aber, völlig durchnässt, an meiner Flatterbox anzukommen, im Auto in den Klamotten rumgrabbeln, um mich dann im klammen Zelt umzuziehen, um dann wieder im Auto nach Essen zu kramen, mich da dann selbst zu versorgen ... das wird anzunehmenderweise alles andere als "Pause". Das wird eher Scheiße.


Noch in kurz/kurz. Es rollt super.

Höchstleistung als Einzelfahrer und Betreuer in einer Person? Und das noch bei Regen? Unwahrscheinlich.

"Ich bringe mich hier heute sicher nicht um!", beschließe ich und sage das auch dem Christian, der mich für seinen Podcast Velohome interviewed. "Ich werde die Strecke genießen, so lange es geht, ich werde versuchen, vielleicht die 100er-Marke zu knacken - und sobald es nasty wird, gehe ich auf Nummer Sicher."

Tja. Und so kommt es dann auch.

Regen? Monsun!


Ich kann drei Runden non-stop im Trockenen fahren. Immerhin drei Runden.
Dann geht es los. Über die Eifel zieht eine schwarze Regenwand auf, es beginnen, erste Tropfen zu fallen. "Pünktlich!", denke ich mir, freue mich, denn ich bin gerade Start/Ziel, parke gezielt das Rennrad unter dem Poncho, steige ab, als die Hölle los bricht.


10 Stunden Wolkenbruch auf der Autobahn.

Es beginnt herunter zu schütten. So schnell bin ich noch nie umgezogen gewesen. Das Zelt eingerollt und verstaut, schnell das Rennrad zerlegt und ab in den Kofferraum, dazu über die Strecke gespiked und den Transponder abgegeben - noch einen Teller Bolognese gegessen und ab auf die Strecke. (Der Vorteil der Box direkt am Ziel: Man kommt ohne Probleme auch während der Veranstaltung vom Hofe ...)

Okay. Man mag sich streiten, ob es das teure Startgeld, die teure Anreise, den teuren Mietwagen wert war, für 2:50 Stunden, 75 Kilometer und daher nicht einmal die Jedermann-Renndistanz zu fahren. Zudem fahre ich mit "nur" 95,6 km/h Spitze auch nicht über die 100 km/h.

Naja. Dafür mal wieder ein paar nette Gesichter gesehen. Und ehrlich: Ich habe bei RAR niemandem (vor allem nicht mir) etwas zu beweisen und muss mich unter diesen Umständen auch nicht unnötigen Risiken aussetzen.

Ich freue mich, dass Ines und ihre Teamkameradin (obschon in der Regennacht noch deren Zelt absäuft und dann beim Versetzen wegfliegt) den ersten Platz der Zweierwertungen erringen. Hut ab, Ines! Gut gemacht!

RAR 2014?

Eher wohl nicht - ich fand die Atmosphäre in diesem Jahr leider nicht annähernd so schön und mitreißend, wie die Jahre davor. Ich wünsche deshalb der Veranstaltung, dass sie an das Niveau der letzten Jahre anknüpfen kann. Mit nur einem Klo für 50 Boxen ... Leute, das war echt nix!

Rad am Ring - als es perfekt war


Wenn Ihr eine tolle Rennrad-Dokumentation über "Rad am Ring" auf DVD sehen wollt, die diese Veranstaltung bei Sonne und Hitze dokumentiert, dazu über eine Stunde eine komplette Runde Nordschleife aus Onboard-Perspektive mit Audio-Kommentar und wertvollen Tipps zur Strecke - dann ist "Punchline - 24 Stunden Grüne Hölle" genau das Richtige für Euch.

Die DVD könnt Ihr hier für 11,99 € bestellen - einfach auf den Banner klicken:




Hier gibt es meine bescheidenen Garmin-Daten von RAR 2013.

Danke Joas Kotzsch für die beiden Fotos.


6 Kommentare:

  1. Hallo Lars,

    Ich habe gar nicht mitbekommen, dass Du früher bei RaR abgereist bist. Dein wenig komfortables Zelt wäre gar nicht nötig gewesen. Wir hätten Dich sofort und gern bei uns einquartiert und mitversorgt.
    Das Rennen war sehr hart und auch der Sieg setzte danach bei mir keine Kräfte frei. In der Woche danach also vor dem Endura und speziell in der Nacht vor dem Rennen habe ich mich scheiße gefühlt. (Danke für die nette Erwähnung ;-))
    Wegen der Rennunterbrechung beim RaR wurde es leider nichts mit einem neuen Rundenrekord. Trotzdem wäre ich sogar bei den Männern auf Platz 8 gefahren und darauf bin ich schon stolz.
    Im Moment feiere ich den Hotelgutschein vom Ötztaler in Lienz ab. Das Hotel ist "retro" um es euphemistisch auszudrücken. Viel cremeweiß, nussbaum und schwere Stoffe. Ein bisschen wie im Wohnzimmer meiner Großeltern. Das Bad ohne Stilbrüche frühe Sechziger.
    Als Ausgangspunkt für goldene Herbsttouren trotzdem gut. Gestern um 19.30 auf dem Großglockner war es bitterkalt, sternenklar und ich allein im Mondschein. Das sind Augenblicke, die mich für den RATA motivieren. Die Nacht durchfahren, es gibt nichts schöneres, dagegen verblassen alle Erfolge in diesem Jahr. Letzte Woche habe ich in Nauders die Unterkunft gebucht.

    Ich bin immer wieder fasziniert von Deinen Tabellen, Grafiken und Auswertungen. Warum fährst Du eigentlich nicht mit Leistungsmesser? Es würde sich eine ganz neue Welt auftun. Du wärst der perfekte Nutzer! Knappes bald noch knapperes Zeitbudget, Technikaffinität und Cleverness sind bei Dir vorhanden. Für 600€(Cycleops G3) oder etwa 800€(Power2Max) gibt es neue Motivation und ein tatsächlich effizientes Training. Beim Ötzi gabs für unter 8 Stunden 30% bei P2M für einen der besten deutschen Hobbyradsportblogger sollte doch auch etwas möglich sein :-) .

    Euch alles Gute für die nächsten Wochen,

    Liebe Grüße

    Christina

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    1. hi christina,

      ooooh, danke für das liebe lob :)

      ja, ich bin schnell weg. das war nix bei RAR, zumindest, leistungsbezogen. die luf/st war raus. ist halt manchmal so.

      umso mehr freue ich mich auch über deine perfomance. mal wieder wahnsinn!

      und erst ein mal nochmals großen glückwunsch für deinen RAR-sieg. ich bewundere echt deine härte und deinen willen. da kann ich mir (und eigeentlich alle radsportler, die ich persönlich kenne) echt ganz viele dicke scheiben abschneiden ... wahnsinn!

      bin gespannt auf deine RATA-performance 2014 - alles alles alles gute!!!

      was das wattmeter angeht ... bei mir stehen 2014 "große" veränderungen an, weswegen ich auch radsportmäßig eher etwas kürzer treten werde. mal schauen, ob und wie es 2015 weiter geht ...

      wenn du lust & zeit hast, können wir uns gern mal aufn käffchen in HH treffen?

      sei lieb gegrüßt, auch dein mann ...

      ride safe,
      L

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  2. Hallo Lars,

    ja Rad am Ring war dieses Jahr etwas speziell :-) . Das die Veranstaltung einen etwas abgespeckteren Eindruck machte kann ich bestätigen. Ich denke aber das dies daran gelegen hat, dass es den Streit zwischen den ehemaligen Betreibern (zum Glück sind die endlich weg) des Nürburgrings und dem Veranstalter gab. Ich denke das einfach Zeit fehlte um alles in geregeltem Maß ablaufen zu lassen.
    Desweiteren ist es am Ring mittlerweile so, dass man als Veranstalter von den Betreibern eher Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt, als das man Unterstützung erfährt. Dies ist leider so, da musste ich mich als Motorsportler auch schon mit abfinden.
    Naja, damit muss man halt leben. Ich hoffe mal das sich die Situation mal wieder zum Besseren umkehrt.

    Das eigentliche Rennen fand ich sehr interessant. Keiner von "meinem" 4er Team ist zuvor mit dem Rennrad im Regen gefahren, dementsprechend nervös war bei uns die Stimmung vor dem Rennen. Dies legte sich aber nach der jeweils ersten Runde. Es lief eigentlich richtig gut und wir konnten drei von vier Zielen, die wir uns gesteckt hatten erreichen. Wenn das Rennen nicht abgebrochen worden wäre, hätten wir das Vierte auch noch erreicht und sogar noch übertroffen.
    Aus unserer Sicht hätte auch nicht abgebrochen werden müssen, wir waren so gut im Rhythmus das wir auf jeden Fall weitergefahren wären. Ich kann die Entscheidung aber verstehen, denn für die Einzelstarter war das natürlich total ätzend. Im 4er Team war nur der Schritt aus dem Wohnwagen in die feuchte Eifel nicht so leicht :)

    Aus meiner Sicht war das RAR 2013 aber auch wieder ein richtig geiles Rennen. Ich komme vom Mountainbiken und habe es schon immer gemocht wenn es richtig matschig und dreckig wird. Somit hatte ich auch meinen Spaß mit dem Rennrad im Regen. Es war ja zum Glück nicht kalt :)

    Das Wetter hat uns am Ende dann noch zu einer Platzierung verholfen, von der wir unter trockenen Bedingungen nicht mal träumen würden.

    Nächstes Jahr sind wir natürlich wieder dabei, vielleicht mit noch ein bisschen mehr Training, denn wir haben alle Spaß am Rennradfahren gefunden. Das Mountainbike wird zwar weiter mein Liebling bleiben, aber der Rennradpart wird sich sicher vergrößern.

    Gruß Stefan

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    1. moin stefan,

      erst ein mal danke für deinen kommentar. und herzlichen glückwunsch zu deiner tollen platzierung! vielleicht sieht man sich mal aufm ring?

      viele grüße & ride safe.
      L

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  3. Hey Lars,
    dein Bericht spricht mir aus der Seele. Ich dachte, dass mit den Dixies habe ich mir nur eingeblidet oder wir hatten einfach einen ungünstigen Standort.
    Das mit dem Wetter ist Pech. Im nächsten Jahr ist die Veranstaltung am 25. - 27.07.2014. Vielleicht hilft das ja.
    Meiner Meinung war die Unterbrechung dringend notwendig (hast du ja nicht mehr mitbekommen) und gerechtfertigt. Bei den Massen an Wasser war Bremsen nicht mehr drin.
    Wirst du nächstes Jahr wieder dabei sein?
    Ich für meinen Teil habe entschieden, dass dieses Jahr mein letztes gewesen ist. Zumindest im 2er-Team. Aber als Einzelstarter ist doch verrückt? Und nicht mehr ohne Wohnmobil.
    Drück dich
    Ines

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    1. hi ines. nee, nächstes jahr machen wir ... was spezielles :)

      noch mal herzlichen glückwunsch zum 1ten platz. bin sehr sehr sehr stolz auf euch!

      lass mal treffen, okay?

      grüßle, L

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