23. Juli 2014

HIT-Training für das Rennrad? Wie ich mich mit hochintensiven Einheiten auf den Radamarathon vorbereite.

Wie ich in meinem vorherigen Beitrag "Training für den Alpen-Radmarathon" schon beschrieben habe, hatte es mich in den letzten 5 Wochen im Rahmen meines Trainings auf den Brocken gezogen: Zu einem Crash-Training in Sachen Höhenmeter-Leistung und Kraft-Ausdauer als Vorbereitung auf die Tour du Mont Blanc, die ich am 20.7. in Angriff genommen habe. Heute möchte ich Euch das Training, dessen Ziele und Ergebnisse etwas eingehender erläutern. Vielleicht könnt Ihr diese, meine eigene "HIT-Methodik" auch für Euer Rennrad-Training adaptieren.

Besonders freue ich mich, dass Frau Jalaß von der Hamburger Kaifu Leistungsdiagnostik mein Training und dessen Ergebnisse aus professioneller Sicht kommentiert.


Training für die Tour du Mont Blanc: Trainingsziele und Trainingsdaten.


Die Ausgangslage war so klar wie ungünstig: 5 Wochen Zeit. Brutto. Netto gar nur ein Tag in der Woche. Nicht mehr, nicht weniger. Schnell ist deshalb (aus Verzweiflung?) die Idee geboren, meine "Elb d´Huez"-Einsätze - also X mal den Waseberg (800 m bei 16%) zu fahren - auf einen größeren Berg zu übertragen. Und der war schnell gefunden. Miteldeutschlands höchster Brocken - mit 1.041 Metern. Der Brocken selbst.

Am Ende nun, nach vier Trainings, habe ich ihn dann 28 mal befahren. Das gibt zwar nur 500 Kilometer Distanzleistung, aber auch 250 Kilometer durchgehend in der Steigung, und das 14 Stunden lang. Knappe 15.000 Höhenmeter kann ich mir gutschreiben. Und vor allem: Ein gutes Gefühl für die Tour du Mont Blanc, das Optimum mit den verfügbaren Mitteln in der Vorbereitung geleistet zu haben.

Mein Training zusammengefasst: Generell fühle ich
mich gut auf die Tour du Mont Blanc vorbereitet.

Und wofür das ganze? Mein Ziel ist die Tour du Mont Blanc - ein Radmarathon der härteren Kategorie: Rund um das Mont Blanc Massiv geht es von Saisies aus über nicht weniger als 7 Pässe. Darunter so klingende Namen wie der Kleine und der Große St. Bernard, der Cormet de Roseland, den ich schon bei der Haute Route (allerdings von der anderen Seite) befahren konnte, oder der als schwierig geltende Anstieg hinauf nach Champex Lac.


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Mit 330 Kilometern Streckenlänge und einer Gesamtleistung von 8.000 Höhenmetern rangiert dieses Rennen noch vor Ötztaler Radmarathon, Alpen-Traum und Alpenbrevet. Allesamt Rennen, die ich nach der Mont Blanc-Tour fahren werde. Und auf diesen Klopper will ich mich so effektiv wie möglich vorbereiten. 

F. Jalaß hierzu: "Sicher ist diese Ausgangslage alles andere als vorteilhaft: Besser wäre allemal, die Rennen auch aufbauend auf einander gewählt zu haben. So, wie Ihr es in Euren anderen Saisons machen konntet. Nun aber musst Du im Prinzip "falsch herum" trainieren."

HIT-Methode - was ist das?


Wenig Zeit. Ich muss es also mit der Brechstange versuchen. Klarer Fall für die HIT-Methode, denke ich mir. Doch, was ist das eigentlich? HIT steht für "High Intensity Training" und kommt eigentlich aus dem Kraftsport. Wer mehr wissen will, Wikipedia hat einen ordentlichen Artikel hierüber, einfach hier klicken. 

Die Idee ist, durch sehr harte (und eigentlich auch eher kurze) Einheiten aber mehr Zeit für die Regeneration einen gleichen, wenn nicht höheren Trainingserfolg zu erzielen, als mit der klassichen Methode, die auf viel GA und akzentuierten EB-Trainings besteht. Für ist sofort klar, dass ich nur diese eine Chance haben werde, mich von 1.500 hm Jahresleistung bisher auf die 8.000 hm der Tour du Mont Blanc vorzubereiten. Hier im Flachen kann ich dafür nicht trainieren. 

So nehme ich mir vor, den Brocken bei 5 Trainings-Sessions zu befahren - beginnend bei 2.500 hm will ich am Ende 5.000 hm an diesem Berg wegtreten.

Mein "HIT" - konstante Steigerung der Kletterleistung
am Brocken. Leider ohne die 5.000 hm am Ende.

Gesagt, getan: Ich koordiniere das Familienleben um, plane und organisiere und kann mich meist an Sonntagen freischaufeln. Doch wie das Leben so spielt, kommt auch einiges dazwischen: Leider schaffe ich es nur an 4 Trainings-Sessions, die etwa 3-stündige Fahrt ab Hamburg und rund 10 Stunden vor Ort in Schierke zu verbringen. Gottseidank spielt auch fast immer das Wetter mit. Aber nur fast.

Meine Trainings gestalte ich immer schwerer: Die Steigerung der Kletterleistung will ich von 2.500 hm, dann auf 3.000 hm über 4.000 hm und am Ende bis auf die 5.000 hm treiben - allein das Wetter macht mir beim letzten Event einen Strich durch die Rechnung, nach 8 von 10 Aufstiegen muss ich abbrechen. Besser so: Eine Woche vor dem Rennen noch eine Erkältung einfangen? No way.

F. Jalaß hierzu: "Dein Engagement finde ich erstaunlich, allerdings hat Dein Ansatz eigentlich nicht wirklich etwas mit HIT (auch HIIT - High Intensity Interval Training) zu tun. Denn darunter versteht man wirklich hoch intensive Einheiten in sehr kurzen Intervallen. Beim Laufen kann das zum Beispiel in einem 15-minütigen Training aus jeweils nur ca. 30 Sekunden all-out Sprints und ca. 2 Minuten lockeren Laufpausen bestehen. Beim Training auf dem Rennrad könnte das z.B. 5 bis 6 Wiederholungen von 30-sekündigen Sprints sein, dazwischen 4 Minuten locker pedalieren. Das, was Du da am Brocken machst, würde ich eher als intensives Training der Wiederholungsmethode bezeichnen."

 

Trainingseffekte durch HIT-Methode: Die Durchschnitts-Zeiten pro Auffahrt/Training.


Dass sich das alles lohnt, sehe ich erstmals, als ich die durchschnittlichen Zeiten pro Auffahrt und Training in ein Koordinatensystem übertrage. Benötige ich bei meinem ersten Training mit 5 Auffahrten für einen Trip zum windigen Gipfel im Schnitt nur 43 Minuten, brauche ich 2 Minuten pro Auffahrt länger, als ich eine Woche später 6 mal nach oben kurbele. Zwei Minuten länger bei einer Auffahrt mehr.

Sicher: Das sind keine Megazeiten. Christina Rausch, die ich beim Race Across the Alps und Alpen-Traum 2013 kennen lernen konnte, fährt diese Steigung in 28 bis 32 Minuten. Und auch sicher, dass ich da auch wesentlich schneller hochkäme - nur geht es mir ja wie gesagt nicht um Zeiten an sich, sondern um das Trainieren von Kraft-Ausdauer und Kletterhärte.

Und genau dieser erhoffte Effekt tritt auch ein: Schon beim nächsten Training flacht die Kurve jedoch ab. Ein Zeichen für einen positiven Trainings-Effekt. Nur noch knapp 1 Minute brauche ich nun pro Auffahrt mehr. Und das bei immerhin 1.000 hm, die ich mehr zu treten habe. Ich muss mehr Leistung bringen über einen längeren Zeitraum, verschlechtere mich aber weniger. Das ist ein Erfolg.

Bis zum letzten Training toll: Die Kurve flacht ab. Dann leider durch die Wetter-Unterbrechung 
kein allzu tolles Ende.

Einzig der letzte Trainingseinsatz ärgert mich: Im Diagramm stürzt die Kurve hier stark ab - knapp 1:30 min langsamer pro Auffahrt, und das bei gleich gebliebener Anzahl der Auffahrten. Jedoch war das anfangs beabsichtigt: Bis mitten in der achten Auffahrt eiskalter Wind und Regen, später auch schwere Schauer, über den Brocken zogen, bin ich ja noch von 10 Aufstiegen ausgegangen, hatte mich also bewusst verlangsamt. Die letzten beiden Auffahrten hätte ich dann wieder aufgedreht, was den Schnitt verbessert hätte. Naja ...

Wenn ich die 2 letzten Auffahrten noch gemacht hätte - kein Problem, vom körperlichen Vermögen her - hätte ich auch diese Werte durchaus als Erfolg bezeichnet: Klar, dass ich bei 5 Auffahrten schneller fahren kann, als bei 10.

F. Jalaß hierzu: "Ich schätze, dass die Verbesserungen, die Du bei den letzten Auffahrten beobachtest, eher Deiner Motivation denn einem Trainingseffekt geschuldet sind. Mitten in einem langen Training lassen sich eigene Kraftreserven oft schwer abschätzen - bei der letzten Auffahrt dann aber meist viel besser."


Rennrad in der Steigung: Training, Tagesform oder Muster?


Interessant finde ich ein weiteres Diagramm: Pro Training trage ich die einzelnen Zeiten jeder Auffahrt in eine Grafik ein und schaue mir die Kurven an. Was kann ich da heraus lesen? 

Wie immer, sind die jeweils ersten Zeiten die besten. Klar: Man ist noch frisch, sehr motiviert, es ist kühl und zwei mal fahre ich ja auch mit meinem Trainingskollegen Sebastian zum Brocken. Und wer nicht allein fährt, der geht meist ein höheres Tempo.

Dann gehen immer zur zweiten Auffahrt die Zeiten teilweise massiv herunter, im schlechtesten Fall brauche ich 7 Minuten mehr, als beim Aufstieg davor. Auch das ist normal: Der erste Aufstieg ist geschafft, die erste Abfahrt gemeistert - nun heißt es, sich konzentrieren, denn es liegen noch viele weitere Aufstiege vor mir. Oft bin ich dann auch ab der Zweiten ohne Sebastian gefahren.


Interessante Kurven: Während der Trainings sind Muster zu erkennen.

Und wieder interessant: Der dritte Anstieg ist dann wieder schneller. Klar, denn das liegt an den Pausen. Bei den 5er- und 6-er sowie dem ersten 8er-Training haben wir nach jeweils 2 Aufstiegen eine kleine Essens- und Trinkpause am Auto eingelegt, beim letzten Training jeweils nach 3 Aufstiegen.

Was mich zuversichtlich stimmt: Es scheint dann jeweils zu den letzten Fahrten eine Art "Gewöhnungs-Effekt" einzusetzen und ich werde wieder schneller. Ist das die klassische "Los, noch zwei Aufstiege und dann hast Du es!"-Motivation? Mag sein. Traurig auch hier: Beim letzten Training kann ich dieses Effekt nicht nachweisen, nach dem 8ten Aufstieg ist wetterbedingt leider Schluss.


Mein Alpen-Training auf dem Rennrad: Generell gesehen.


Ich kann durchaus eine positive Bilanz meines Ausflugs in die Welt des High Intensity Trainings ziehen: Abgesehen davon, dass ich erstens ein Training zu wenig hatte (eigentlich waren 5 geplant) und zweitens mir beim letzten Training 1.000 hm fehlen, ist alles so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte.

Subjektiv fühlte sich der Brocken-Anstieg (der an sich in Repetition durchaus sehr gut als Simulation eines unrhythmischen Alpen-Passes herhalten kann) mit jedem neuen Training immer leichter an. Ich fühlte mich von Training zu Training stärker. Und das ist nicht zu unterschätzen - nicht erst seit meinen Marathonläufen weiß ich, wie unheimlich wichtig ein starker Wille ist. Und ein Wille wird umso stärker, je selbstsicherer er sein kann. Der psychologische Effekt dieser Trainingsmethode ist enorm.

Die teilweise schon krasse Steigerung der Trainingsbelastung konnte ich gut verarbeiten: Vom ersten zum zweiten Einsatz um 25%, dann um 33% im Vergleich zum Vor-Training und eigentlich sollte es beim vierten mal wieder um 25% schwerer als beim Vor-Event werden, sodass dann der Sprung zur Höhenmeterleistung der Tour du Mont Blanc "nur" 60% betragen hätte. So sind es 100%. Spannend ... 


Auch mit einem Training und 1.000 hm zu wenig ein schlüssiger Trainings-Ansatz 
und durchaus einer mit Erfolgsaussichten.

Ich denke, diese, meine kleine "HIT-Methode" hat durchaus ihre Stärken, kommt aber nicht ohne ihren Preis: Voraussetzung sind meiner Meinung nach eine relativ gut ausgeprägte Grundfitness, ohne die gar nichts geht, sowie der Wille, der besonderen Härte dieser Methode Stand zu halten. 

Denn 2:30 Uhr an einem Sonntag aufzustehen, 3 Stunden Autobahnfahrt zu meistern um dann 10 Stunden in der Vertikalen zu verbringen, um dann wieder 3+X Stunden (A7 = Staugarantie) im Auto zu sitzen, das muss man mögen. Aber von Nichts kommt nichts: Leider wohne ich nicht in den Alpen.

Den Beweis freilich, dass diese Brocken-Trainings wirklich so gut funktioniert haben, den musste ich am vergangenen Wochenende antreten: Bei den 330 Kilometern und 8.000 Höhenmetern der Tour du Mont Blanc. 

F. Jalaß hierzu: "Ich stimme Dir zu, dass der psychologische Effekt Deiner Methode enorm ist. Allerdings denke ich auch, dass man nur so trainieren kann/sollte, wenn man eine wirklich gute Ausgangsbasis hat, wirklich fit ist. Aus der "kalten" heraus wäre das kein Erfolg versprechender Ansatz. Ich finde, Du hast ein wirklich interessantes Experiment gemacht - wirklich raten hierzu würde ich als Trainings-Profi aber niemandem."

Regen, Kälte und 8.000 hm. Das wird
ein Spaß ...

Ich freute mich wie Bolle auf dieses Rennen - nicht nur wegen des Trainings - sondern weil ich nach dem Achterbahn-Trubel, der vielen Schreibtisch-Orga und dem Huzzle rund um unsere RAAM-Teilnahme und Sponsoren nun endlich wieder das machen kann, weswegen ich diese ganzen Strapazen auf mich nehme: Auf meinem Rennrad Abenteuer erleben.

Und dass das wahrlich ein Abenteuer epischen Ausmaßes wurde, das könnt Ihr hier demnächst im Rennbericht zur Tour du Mont Blanc nachlesen.






Vielen Dank an Frau Jalaß und Dr. Frank Brons für die Profi-Kommentare. Wenn Ihr wissen wollt, was die beiden mit mir bei meinem Leistungsdiagnostik-Termin Anfang 2013 gemacht haben: Hier gehts zum Bericht.


4 Kommentare:

  1. Hi Lars,
    wie kommt es dass du ohne Leistungsmesser unterwegs bist? Hiermit bekommst du für deine zahlreichen Auswertungen doch viel verlässlichere Werte. Diese werden dann auch nicht von Wind und Wetter beeinflusst.

    Viele Grüße,
    Felix

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  2. Hallo Lars,
    Bin grad auf deinen Blog gestoßen und schon gespannt auf deinen Bericht von der "Regenschlacht".
    Ich war auch dabei und bin in den Abfahrten beinahe erfroren (obwohl ich viel anzuziehen dabei hatte).
    Grüße Andi!

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    1. moin andi,

      ja, sobald ich wieder obenauf bin, mache ich mich ans schreiben: liege seit drei tagen mit der fettesten erkältung seit jahren im bett. heute das erste mal das tablet angemacht....die TMB hat mich vollkommen ausgeknockt. noch nie erlebt, sowas...

      dann bis bald,
      lars

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