4. Juni 2011

Got spoiled by Scott´s Foil?

"Yyyyes and ... no." - müsste ich antworten, fragte mich einer danach.

Aber fangen wir von vorne an. Es war der Tipp eines Twitter-Kollegen, der mich auf den Bike-Shop Bergedorf - einem Scott Vertragshändler - aufmerksam macht. Eine E-Mail, eine freundliche Antwort und ein Telefonat klären es: Stephan, der Inhaber, besitzt ein Scott Foil.

"Ob ich mir das mal anschauen kann?", fragte ich.
"Klar! Sehr gern!".

Samstag, die Sonne brennt - auf gehts!


Das Stück der Begierde wird extra für mich vom Ehrenplatz im Schaufenster geholt. Es ist ein Traum in Mattschwarz mit weißen Applikationen. Stephan ist stolz: "Sie haben 30 Exemplare für den deutschen Markt ausgeliefert - bei über 200 Händlern." Er grinst.

Ich besehe mir das Teil in Ruhe. Okay, gleich vorweg: Eine Ultegra darf man an dieses Kunstwerk genauso wenig dranschrauben, wie die lütten Cosmics in der billigsten Variante.

Auffällig sind sofort die sogenannten "Kamm-Profile", die sich Scott mittlerweile hat patentieren lassen. Sie bilden nur die wulstige Stirnfläche des Tragflügelprofils nach - ohne den gesamten Flügel zu immitieren kann Scott so nach eigenen Angaben eine wesentlich höhere Steifigkeit gegenüber normalen Aeroprofilen garantieren. Das Foil soll fast genauso steif wie das Addict RC sein - und die Addicts gelten seit Jahren als das Non-plus-Ultra bei Carbonrahmen.

Wenn der F-117 Stealth Fighter eine Entsprechung im Rennradbau hätte, dann wäre es das Scott Foil, daran besteht für mich kein Zweifel. Obwohl dieses Rad als "aero" verkauft wird, sieht es nicht danach aus: Fast bullig, sehr kantig, sonderbar geradlinig und ... irgendwie fies sieht der Rahmen aus. Wundbar anzuschauen.

Das massive Hauptrohr ist für uns Rennradfreunde wohl das, was eine Orgelpfeife für Bachianer: Ein Kunstwerk an sich. Ich sinke auf die Knie und taste das matte Carbon ab - makellos verarbeitet und ein echter Hingucker!

Richtig genial wird es am Sitzdom.

Hier haben Ingenieure und Designer ganze Arbeit geleistet: Die Sitzstreben - selbstverständlich auch Kamm-Profile - fließen geradezu in das Sitzrohr hinein und gehen elegant in das zunächst fragil wirkende Oberrohr über. Dieses wird nach vorne zum Lenkkopf breiter.

Das Sitzrohr selbst - yep, auch Kamm - bietet dann Platz für den Sitzdom von Ritchey. Diese integrierte Sattelstütze ... Kamm, na logo ... ist ebenso matt lackiert wir der restliche Rahmen. Das ganze Rennrad wirkt daher wie aus einem Guss.

Zum Jauchzen die integrierte Klemmung, sauber im Sitzdom versenkt. Augenweide, Zucker!

Ebenso begeistert bin ich von den Kettenstreben (leider versagt meine Kamera bei den Nahaufnahmen). Die Formgebung dieser Teile ist nicht zu beschreiben - man muss sie erfühlen. Weder oval noch eckig, weder Rhombus noch Rohr. Allein die Streben könnten schon den Red Dot Design Award gewinnen.

Die mattschwarze Lackierung mit weißen Applikationen gefällt mir außerordentlich - im Internet sind schon Bilder einer schwarz glänzenden Version mit fiesen roten Applikationen zu sehen. Quasi im Darth Vader-Style.

Aber ich finde auch Dinge, die ich zunächst nicht so gut gelungen finde. Zumindest bin ich mir nicht so sicher, ob ich das so schön finde.

Da wäre die Gabel.

Steif mag sie sein, okay. Und anders, als auf diesem einzig halbwegs scharfen Foto zu sehen, ist die Gabel irgendwie auffallend dick. Ich weiß, ich bin da von der 3T Funda Pro-Gabel bei meinem Cervélo extrem verwöhnt, denn die ist messerscharf dünn und dabei unverwüstlich steif, die Scott-Gabel kommt mir daher im Vergleich wie die Pluderhosen von MC Hammer vor.

Den leicht nach vorne geschwungenen Bogen der Gabelscheiden muss man auch mögen. Naja, ein Detail ...

Dass Scott die Züge innen verlegt, ist für ein Aero-Rad selbstverständlich, warum sie die Zugtunnel aber so weit hinten am Unterrohr beginnen lassen, unverständlich. Bei jeder Lenkbewegung scheuern so die Züge am schicken Lack - unschöne Stopper und amateurhaftes Gewebeband müssen nachträglich angebracht werden. Das muss nicht sein, hätte man die Züge schon an der Front in den Rahmen ein- und um den Gabelschaft herumführen können.

Na, vielleicht bei der Evo-1-Stufe ...

Am meisten komme ich ins Grübeln beim Lenkkopf. Dieser ist so massiv ausgeführt, dass man das Gefühl hat, ein Vorschlaghammer hätte den Designern Pate gestanden. Zugegeben, das massige Teil weckt Vertrauen in nicht zu erschütternde Steifigkeitswerte, aber optisch wirkt das Foil dadurch irgendwie "kopflastig" - hinten filigran und dünn, vorneweg ein Rammbock nach römischer Seefahrer-Manier.

Aber ich will nicht zu viel meckern - dies sind Kleinigkeiten.

Leider kann ich das Rad nicht probefahren, aber eine gute halbe Stunde lässt mich Stephan mit ihm allein. Ich kann mir das Rennrad von allen Seiten besehen und mir sehr gut vorstellen, wie dieser Rahmen in Zukunft noch für einiges Aufsehen sorgen wird.

Das megateure Specialized Venge - vor einigen Wochen mit einem PR-Rummel vom Feinsten eingeführt - kostet wesentlich mehr als das mit 3.200 € mehr als fair kalkulierte Rahmen-Gabel-Set und ist dabei sogar noch schwerer. Und das bei überraschend schlechter Performance, was die Steifigkeit angeht.

Scott selbst legt Wert darauf, das Foil nicht als reinen Aero-Renner zu bezeichnen. Vielmehr biete seine Steifigkeit ein Rennrad für alle Belange, nicht nur für die (gerade im Hobby- und Jedermann-Bereich äußerst seltene) Soloflucht.

Ich selbst bin noch etwas ziegespalten, als ich mich von Stephan und dem schönen Stealth-Rad verabschiede: Das Foil begeistert mich, aber nicht restlos. Scotty kann mich nicht an Bord ziehen. Der Cervelover ist und bleibt seiner Marke treu.

Vorerst. Ich bin bin gespannt, was Cervélo zur Tour de France am Start haben wird. Wenn es ein neues S3evo, ein S4/S5 sein soll, dann denke ich, wird dieses Modell, wenn ausreichend steif und designed, es nicht schwer haben, es Darth Vader zu besorgen.

So trete ich mein geliebtes R3 in den Wind und ziehe über die Deiche bei Curslack davon. Raus in die sonnige Marschlandschaft. Und wähne hinter mir eine foilige Meute ...



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1 Kommentar:

  1. Na, wenn ich dass so lese: Da wäre ich doch glatt mit zu einem StellDichein bei dem Radhändler in Bergedorf gekommen. Den Laden in meiner (nicht ganz unmittelbaren) Nachbarschaft wollte ich mir schon lange mal anschauen.

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