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16. November 2011

Barcelona Marathon - so wirds was

Ich habe die "Trainingsbibel". Ich habe "Das große Laufbuch". Ich habe "Laufen für Anfänger" und ich habe einige dutzend Websites vom Rookie bis Pro durchgelesen, den Running-, Triathlon- und Men´s Health-Trainingsplan angeschaut: Alles irgendwie nicht zufriedenstellend.
Wieso? Weil diese Pläne nicht meiner Lebenswirklichkeit entsprechen. Fast jeden Tag mindestens eine Stunde trainieren, an den Wochenenden noch mehr investieren - das geht mal so ganz gut. Aber keine 5 Monate.

Was also tun?

Ganz so fremd sind mir die theoretischen Grundlagen des Trainings nicht.
Auch kann ich auf eine recht erfolgreiche Karriere als Trainingsplan-Bauer während der Wintersaisons 2009 und 2010 zurück blicken - also, warum keinen eigenen Marathon-Trainingsplan aufstellen?

Gesagt getan.

Gegeben sei das Ziel, in Barcelona bei meinem ersten Marathon eine Zeit um 4:15 Stunden zu laufen.

17 Wochen Zeit. Also, ran an die Arbeit!


Der Grundzustand
Ich analysiere zunächst meine Ausgangslage. Ich gehe aus der Rennrad-Saison 2011 gelativ ausgepowert aber fit wie ein Turnschuh ins Wintertraining: Ich bin 2011 mit 6.500 Kilometern nicht viel - mit 1.200 Kilometern in Rennhärte und 1.000 Kilometern bei flotten RTFs allerdings viele harte Kilometer gefahren.

Mein Körper ist auf Belastungen eingestellt - mental fühle ich mich bestens. Ist ja auch ein Faktor: 90% der Menschen, die ich kenne, macht es Angst, sich vorzustellen, 42 Kilometer laufen zu müssen.

Mich turnt diese Vorstellung an.

Meine Run2Works - 5 Kilometer - laufe ich in rund um 25 Minuten, 20 Minuten sind möglich.
Der Halbmarathon-Test letzte Woche hat auf 20 Kilometer eine 6:30er-Pace erbracht, was hochgerechnet eine Marathon-Zeit von 4:13 Stunden bedeuten würde.

Theoretisch.


Die Trainingsaufgabe

Das Training soll mich nicht schneller machen.
Es soll mich lediglich befähigen, anzukommen.

Insofern sollen alle Maßnahmen aufs "Schaffen", nicht aufs "schnell Schaffen" ausgerichtet sein.

Letzter will ich aber auch nicht werden, weshalb ich mir die 4:15 Stunden als Maximalzeit gesetzt habe. Wie realistisch das ist, werden wir sehen.


Die Trainingsphilosphie

Mein Marathon-Training gliedert sich in 2 Bereiche: Run2Work-Einheiten und die Weekend-Runs.

Meine Run2Works sind kurz. Schnell (naja ...) und hart. Ich schieße mir morgens und abends den Kreislauf hoch, laufe mit Gewicht (Rucksack) und verfolge damit das Ziel, durch diese kurzen, aber relativ schnell gerannten Einheiten meine fehlende Muskel- und Sehnenmasse (habe ja nur fürs Rennrad relevante Muskeln, logischerweise) auszubauen bzw. zu reizen.

Die Weekend-Runs sind lange Einheiten, mit denen ich stetig die Distanzen, beginnend bei 20 Kilometer Halbmarathon bis 35 Kilometer steigern werde, um dann, punktgenau zum 25. März 2012 in Barcelona zum ersten mal die 42er Strecke in Angriff zu nehmen.

"Du rennst den Marathon zum ersten Mal beim Event selbst." - lautet auch bei mir die Devise. Es wird keien 42 km-Generalprobe geben oder so etwas. Ich trainiere mich zum großen Tag hin.


Der Plan selbst

Ausgehend von noch 17 Wochen Zeit für dieses Training - und ausgehend von meinem Leben als Werbefuzzi, angepasst an das, was möglich ist an Pensum, teile ich mir die Trainings ein: Es gibt die Run2Work-Woche. Mindestens 3 mal 2 Runs sind hier zu absolvieren. Erfahrungsgemäß setzt nach dem zweiten Tag (also dem 4ten Run) ein heftiger Muskelkater ein - diese werden mit fortschreitendem Trainingszustand allerdings verschwinden.

Diese Runs liegen so, dass ich sie vorzugsweise Montags bis Mittwochs (Donnerstags) laufe - Freitag ist frei.

Je nach Erholungsgrad, wird dann das Wochenende Run2Work-Woche für den Distanzlauf genutzt - entweder der Samstag oder der Sonntag.

Beginnend beim 20 Kilometerlauf, dem Halbmarathon, steigere ich die Distanzumfänge dieser Weekend-Runs schrittweise um 5 Kilometer, und das im 2-Wochen-Takt: Für das nächste Wochenende steht also nochmal ein Halbmarathon an, dann zwei Wochen kurz treten und dann gehts los: Zwei mal 25 Kilometer, dann zwei mal 30 km und zwei mal 35. Bis ich dann, 1 Woche vor Barcelona den letzten 35 Kilometer-Lauf hinlege.

Und dann kanns kommen.


Superkompensation?
Schon viel darüber gelesen und durchaus auch schon während der Rennradsaison ausprobiert - will ich mich durch gezielte Überreizung meines Körpers und anschließendem Aufstocken seiner Potenziale "nach oben schaukeln".

Wichtig ist hierbei natürlich, dass ich den Körper nicht überreize, ihm genug Zeit zur Regeneration gebe und den Reiz selbst groß genug zur Überreizung setze, aber wiederum nicht allzu groß, so dass er zum Ausfall führt.

Mal schauen, wie das klappen wird.

Beim Plan selbst habe ich ein gutes Gefühl. Durchzuhalten ist er - fragt sich nur, ob ein allzu harter Winter mit tiefen Temperaturen mir in Dezember/Januar/Februar nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht - wenn nicht: Wenn ich 35 Kilometer in dichtem Schneetreiben bei 5 Grad minus laufen kann, schaffe ich 42 Kilometer bei angenehmen 20 Grad an der spanischen Mittelmeerküste bestimmt.

Sicher.

Wir werden sehen.



Seid Ihr schon Marathon gelaufen? Wie war Eure Vorbereitung aufs "Erste Mal"? Ich freue mich auf Comments.

10. September 2011

Punktesegen und Risiko: Einige Gedanken bei "Rund um die Nürnberger Altstadt".

Am letzten Wochenende fuhr ich wieder im Rahmen meines Teams SunClass ein Rennen im German Cycling Cup. Diesmal geht es nach Nürnberg - die Sonne steht (eine Wohltat nach der kalten, verregneten und leider fast komplett trainingsfreien Zeit) hoch an einem blauen Himmel, T-Shirt-Wetter: Perfekt!

Nach getaner Arbeit ... Nürnberg war ein großartiges Rennen.
Ich hatte angenommen, dass kurz vor dem absoluten Saison-Höhepunkt, dem Rothaus Rider-Man, dieses "nur" 100 km lange Rennen eher ein kleines, unwesentliches Intermezzo im Kalender wird, eine Aufwärmrunde, ein Nebenkriegsschauplatz.

Weit gefehlt: Das Rennen mausert sich zum Wendepunkt der Saison 2011 für unser Team.

Punktesegen: Die Mechanik des Erfolgs

Alle 4 von uns schaffen es in die Punkte. Kein Wunder, wie wir später feststellen, sondern simple Mathematik.

Beim GCC bekommen nur die ersten 200 Fahrer Punkte. Alles ab Platz 201 nur 15 "Mitmachpunkte". Klar, dass bei einem Rennen, bei dem nur 400 Rennfahrer an den Start gehen, die Chance weitaus höher ist, in die Punkte zu fahren, als sagen wir beim Münsterland.Giro mit 2.000 Fahrern.

Logisch auch, dass bei nur 19 teilnehmenden Damen unsere Kerstin eigentlich nur ankommen brauchte - und dafür mit Punkten nur so überschüttet worden ist.

Das bedeutet: Eigentlich müsste man sich als Teilnehmer nur die kleinen Rennen aussuchen und dann eher als Frauenteam an den Start gehen. Denn von den 11 Rennen im Kalender werden für die Gesamtwertung eh nur die 7 Besten gewertet. Also Fokus auf die kleinen Rennen legen: Punkteregen garantiert!

Der Startbereich: Nur 350 Fahrer bei diesem eher kleinen Rennen.

Wenn man als "Teamchef" nun also strategisch denken würde, dann müsste man es wohl so handhaben.

Eine weitere Besonderheit beim GCC ist die Art, wie die Punkte weiterhin zustandekommen. Denn nicht nur die Platzierung, sondern auch die Streckenlänge haben Einfluss auf die Punktzahl.

Nehmen wir an, ich komme als 20ster bei "Rund um die Nürnberger Altstadt" ins Ziel (was ein Traum wäre). Dann bekäme ich 280 Punkte.

Warum?

Weil 200 (für den Erstplatzierten) minus 20 (meine Platzierung) gleich 180 Punkte sind - plus 100 Punkte für die Streckenlänge. 100 Kilometer = 100 Punkte.

Macht 280 Punkte. Komme ich hingegen als "nur" 80ster bei den Leipziger Neuseen.Classics ins Ziel, bekäme ich 285 Punkte. 60 Plätze schlechter - aber 5 Punkte mehr.
Klar: 200 minus 80 sind 120. Plus 145 Punkte für die Kilometer sind 285.

Also wie nun: Bei kleinen, langen Rennen richtig Gas geben?

Das alles ist natürlich trockene Theorie, denn ich glaube nicht, dass ein Team mit derartigen Überlegungen an den Start geht, zumal der GCC sehr inhomogen von den Teilnehmern (und deren Stärken) ist, sodass ein so genaues, strategisches Überlegen kaum sinnvoll scheint.

Aber ein bisschen nagt es schon an mir: Denn in Nürnberg sind wir alle in die Punkte gefahren, sodass wir in der Gesamtwertung - bei immerhinn 358 registrierten Mannschaften im Cup - von Platz 45 auf Platz 32 fast schon katapultiert worden sind.

Wie würden wir dastehen, wenn wir anstelle eines Mädels zwei mitgehabt hätten?
Oder drei?
Wenn wir alles Frauen wären?!?

Team SunClass in der Startaufstellung: Wenn wir Kerle Frauen wären ...

Anyway. Der unerwartete Punktesegen lässt mich aufhorchen und ich recherchiere: Beim Rothaus Rider-Man, dem ultimativen Höhenpunkt des GCC (aus sportlicher Sicht), sind bisher für alle 3 Rennen um die 400 Starter gemeldet.

400 Starter - also wieder eine klare Chance, in die Punkte fahren zu können. Und das bei 3 einzelnen Rennen, denn der Rider-Man verteilt sich auf ein Einzelzeitfahren und zwei Straßenrennen.

Rechnen wir mal für die Herren: Sagen wir, Platz 150 beim Einzelzeitfahren = 66 Punkte.
Platz 160 beim Straßenrennen Samstag = 120 Punkte.
Platz 170 beim Straßenrennen Sonntag = 110 Punkte.

Rund 300 Punkte sind möglich. Pro Fahrer! Macht bei 3 männlichen Rennfahrern in unserem Team 900 Punkte! Und kaum auszudenken, wie das bei unserer Dame aussehen könnte: Ich zähle jetzt 31 Starterinnen. Also: Devise Ankommen! Wenn sie nun also immer nur als letzte der Damen ankommt, generiert sie trotzdem insgesamt rund 660 Punkte!

Punktesegen beim Rider-Man - und damit erneut ein erdrutschartiger Sprung für unsere Equipe in der Teamwertung des GCC.

Naja. Vorausgesetzt, es kommen auch wirklich alle 4 Fahrer ins Ziel. Bei nur einem Ausfall wird das Rennen nämlich komplett nicht gewertet.

Was mich zum zweiten Thema bringt.

Risiko: Rennradrowdies und Carbonsplitter

Jetzt, da sich die Saison 2011 dem Ende neigt und ich knapp 1.700 Kilometer in "Rennhärte" sowohl bei RTFs als auch bei Rennen im GCC hinter mir habe, kann ich langsam aufatmen.

Sturzfrei durch die Saison gekommen!

Es gibt kaum ein Geräusch, das mir mehr Gänsehaut macht, als das plötzliche Stakkato quietschender Slicks auf Asphalt, begleitet vom hochfrequenten Schleifen von Bremsbelägen auf Carbonfelgen, dem chaotisch einsetzdenen Männergebrüll "AAAACCCCHTUUUUUNG!!!!" und schließlich dem charakteristisch trockenen Bollern brechender Carbongabeln und -rahmen.

Kurz nach dem Sturz: Feld geteilt, Spitzegruppe weg. Welcher Idiot wollte hier sprinten?!?

Ein Sturz bei einem Rennradrennen ist immer furchtbar: Und bei "Rund um die Nürnberger Altstadt" ist es wieder einmal passiert, diesmal direkt vor mir. Und wieder in einer Situation, bei der man am Verstand erwachsener Menschen zweifeln muss.

Gerade Strecke.
Super Asphalt.
Keine Gefahrenstelle - leicht abschüssig - hohes Tempo.

Und was machen (einige) Idioten? Müssen unbedingt nach vorn. Was ja okay ist, denn vorn zu sein ist der Sinn der Veranstaltung. Aber sich direkt nach dem Start - wo eh immer alles nervös und unsicher ist - auf einem Abschnitt, bei dem das Feld über 50 km/h drauf hat, alle noch dicht und kompakt beisammen sind und die ganze Straßenbreite einnehmen, nun unbedingt nach vorn durchquetschen zu müssen, ist einfach nur dumm!

Und gefährlich. Denn wo sowieso schon sehr wenig raum für Fahrtkorrekturen bleiben, wird es, wenn von hinten alles dichter zusammengeschoben wird, dieser Raum noch mehr eingeengt: Kein Wunder, dass dann selbst bei kleinsten Bewegungen sich die Lenker verhaken. Sturz unvermeidlich.

Warum können diese Freaks nicht etwas taktischer fahren?

Bei über 50 km/h kann man dem Feld sowieso nicht davon fahren. (Auch nicht mit einem Cervélo S5 :o) Bei einer Strecke, die fast 1.000 Höhenmeter bietet, wird sowieso an der ersten Steigung eine Selektion einsetzen und damit der Positionsgewinn fast schon garantiert kommen.

Warum fahren manche dann, als hätten sie Speed genommen?

Nicht ganz Alpe d´Huez, aber schwer allemal: 4 mal dieser 2.000 Meter Anstieg!

Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn mich so ein - mit Verlaub - blödes Arschloch zu Boden bringen würde. Aber ich glaube, ich würde ihm mit dem abgebrochenen Oberrohr meines Cervélo eins auf die Nuss geben.

Wir sind Jedermänner. Und da vorn, da ganz vorn, da fahren Juungs, deren Cyclassics-Zeiten nur 4 Minuten hinter der Zeit eines Erik Zabel sind. Da kommst du eh nicht hin! Und ob du nun 214ter oder 228ter wirst, wird ... absolut niemanden interessieren!

Naja, außer dein Ego vielleicht.

Bei all den Überlegungen also, die ich anstelle, ob und wie viele Punkte ich für SunClass einfahren kann, eines, das muss doch immer an erster Stelle stehen: Die Sicherheit! Und zwar sowohl die für mich selbst, mein geliebtes (teures) Rennrad und die für alle anderen, die sich vor, neben und hinter mir darauf verlassen - verlassen müssen - dass ich ordentlich, berechenbar und diszipliniert fahre, meine Spur halte und meine Aktionen - überholen, ausscheren, zurückfallen lassen usw. - anzeige.

Fühlen uns wie die Sieger: SunClass Cycling von Platz 45 auf 32!

Warum nur fahren dann so viele mit, die scheinbar beim Trikotanziehen sämtliche normalen Umgangsformen von Mensch zu Mensch ablegen und sich bei den Rennen gebärden, als seien sie zum ersten Mal auf einem Rennrad.

Vielleicht, weil sie es sind?

Hier geht es zum Garmin-Track des Rennens



Wie sind Eure Erfahrungen mit Stürzen? Wie "strategisch" geht Ihr in Rennen oder RTFs? Ich freue mich über Eure Comments.


17. August 2011

Aero oder nicht aero - das ist hier die Frage,

Fast besessen bin ich. Schon 20 Websites gebookmarked: Mir geistert das S5 schon seit Wochen im Kopf herum.

Was war das für ein Sommer: Sehr eindrucksvoll, wie Cervélo auf das S-Works Venge, das Scott Foil und all die anderen Aero-Bikes der Saison reagiert. Das S5 hält nicht nur die Fachpresse in Atem: In den einschlägigen Foren übertrumpfen sich die Verfechter und die Gegner so leidenschaftlich in Lob oder Kritik wie bei keinem anderen Bike zuvor, habe ich das Gefühl.


Noch eindrucksvoller, wie Thor Hushovd nicht nur 2 schwere Etappen bei der Tour de France gewinnt, sondern auch, wie er 7 Tage lang im Maillot Jaune führt. Es war die spannendste Grand Boucle seit Jahren. Auch Dank des S5?

Ich will hier keine Zahlendreherei anfangen.

Ich will auch keine Luftwiderstands-Diskussion oder Gewichts-Debatte entfachen.

Aber mal so, Cervélo sagt: Das S5 spart dem Fahrer, wenn allein Wind, bei 25 km/h 8 Watt. Mmh. Nicht so prall. Bei 40 km/h wäre das schon 32 Watt. Bei 45 km/h sollen es 37 Watt sein. Und das "gegenüber typischen Straßenrahmen".

Also allein mit High Speed - auf langen Strecken - daher in eher flachem Terrain:
Das ist also der S5-Fahrer, der am meisten vom Rad profitieren soll. Okay, ich fahre eigentlich eher selten allein mit 40 km/h im Schnitt vor dem Peloton her (oder hinter ihm).

Radsporttrainer sagen, man soll im Training seine Stärken ausbauen. Sie fördern. Denn vieles im Radsport ist genetisch bedingt: Kurze, schnell zuckende Fasern, lange, langsam zuckende - Sprinter oder Bergfloh. Genetik. Klar, trainieren kann und soll man auch seine Schwächen. Aber man wird nie ein brillanter, endschneller Sprinter, wenn man nicht auch die Anlagen dazu hat.

Wo sehe ich eigentlich meine Stärken? Ich bin halbwegs gut, wenn es mal richtig schnell gehen muss. Fahre meist im Peloton, fahre zwar ab und zu Löcher zu, fahre auch ab und zu allein, aber meist eben in der Gruppe. Am Berg bin ich sehr stark:
Also eher der Bergfloh. Eher der Teamfahrer - also nicht der S5-Kunde, wie ihn Cervélo beschreibt? Legte ich beide Graphen über einander, ergibt sich wenig Überschneidung. Um ehrlich zu sein: Eher bin ich das genaue Gegenteil des S5-Fahrers, oder?

"Es ist das Bike das beste für dich, das sich am besten anfühlt.", habe ich mal irgendwo gelesen. Klar, Design treibt Menschen wir mich sehr an. Das S5 ist für mich eines der aufregendsten Designs der letzten Jahre. Das von mir mit der größten Spannung Erwartete.

Und doch zuckt es mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich auf mein leichtes R3 starre: 1.200 Gramm S5 allein für den Rahmen (in der noch bezahlbahren Team-Version).

Da hat mein 2010er Renner glatte 400 Gramm weniger. Okay. Die spürt man nicht am Berg.

Aber man weiß um sie.

Ich sage es mal so: Ich glaube auch, dass die Watt-Einsparungen, Windtunnel-Tests und der ganze Zahlenkram rund um die Aero-Welle im echten Renn- oder Trainingsgeschehen kaum messbar sind. Und wenn überhaupt, dann nur bei den absoluten Cracks, die den Aero-Rahmen auch in echter, Zabriskie-Aeroposition fahren können.

Aber: Wenn sich jemand auf dem S5 schneller fühlt, denke ich schon, dass er ganz anders in eine RTF geht, sich der Startblock ganz anders anfühlt und ihn vielleicht schon allein dieses Gefühl von Überlegenheit zu höherer Leistung beflügeln könnte.

Ich frage heute Robert bei Pirate-Bikes - immerhin einer der beiden Cervélo-Fachhändler hier in Hamburg - was er vom S5 denn so halte. Er macht eine Schnute. "Ich bin es kurz gefahren.", sagt er. "Kann man kaufen.", nickt er dann. "Aber ob man damit nun wirklich schneller unterwegs ist ...?" Da schaut er mich an.

Hinter ihm steht ein Cervélo R5ca. Der leichteste, steifste Rennradrahmen der Welt. Sie viele tolle Räder, die Cervélo da im Angebot hat - die klassischen, schlanken Rahmen der R-Serie, die Carbon-Waffen der S-Serie. Wie soll man da eine Entscheidung treffen (wenn man sie treffen müsste)?

Nun, man könnte ja so argumentieren: Ich nehme das R, weil ich stark in den Bergen bin und dort meine Vorteile mit dem best möglichen Material ausspielen will. Ich brauche es leicht. Und steif.


Oder man argumentiert so: Ich nehme das S, weil ich gerade auf langen, flachen Alleinfahrten auf jedes Watt angewiesen bin (beim Hinterherfahren) und deshalb das best mögliche Material will. Am Berg bin ich eh stark - alles, was mich in der Ebene nur einen Tick schneller machen kann, soll mir recht sein.

Oh man, mir raucht der Kopf ...

Ah, hier noch zum Schluss die Preisfrage: Wie viele der Top 20-Finisher der Tour de France 2011 sind das Aero-Rad ihrer Teilesponsoren gefahren?

Keiner.

19. Juli 2011

Cervelo S5 - Carbonwaffe mit Suchtfaktor

Ich hatte schon länger spekuliert, na, sagen wir, gehofft, das sich Cervélo des genialen - aber dann doch schon etwas in die Jahre gekommenen - Aero-Klassikers S3 annehmen möge.

Warum? Das S3 galt und gilt nachwievor als Benchmark für alle Hersteller, die den Aero-Zug 2010 nicht verpassen wollten. Kaum ein White-Paper, kaum ein Test und kaum eine Website, die keine Referenz zum großen Vorbild S3 hergestellt hätte.

"Es war immer Cervélos Politik," so einer der beiden Gründer in einem Interview, "dass wir Dinge umsetzen, weil sie notwendig und sinnvoll sind und nicht, weil Marketingstrategen größeren Absatz prognotizieren." Dem mag man glauben oder nicht - Kritiker der Marke Cervélo halten ja von jeher dagegen, dass das Unternehmen keine eigene Produktion hätte und sowieso nur aus Entwicklern und Marketing bestünde.

Andererseits: Was will man als Kunde lieber? Ein Unternehmen, dessen Fokus auf Forschung und Entwicklung liegt oder eines, das viel Erfahrung in der Produktion hat?

Um mit einem, sehr deutschen, Vorurteil mal aufzuräumen: "Made in Taiwan" ist, was Carbon-Rahmen angeht, mittlerweile ein Qualitätsmerkmal. Die dort ansässige Industrie ist weit mehr, als Billigfertigung. Wenn also Cervélo mit einem guten Qualitätsmanagement sicher stellen kann, dass ein Kontraktor hochwertiges Material liefert, habe ich kein Problem damit.

Im Gegenteil - so kann sich Cervélo, laut eigenen Aussagen ja eine "Engeneering Company", auf das Entwickeln und Testen neuer Bikes konzentrieren. So wie aktuell beim S5. Echte Windkanaltests - keine 2-Stunden-Shootings. Echte Kooperationen, wie aktuell mit 3T oder Mavic, keine Komponenten-Deals.

Sicher, der Termin der Vorstellung des Bikes zur Tour de France ist clever gewählt, wann, wenn nicht zur TDF schauen die Leute zu? Die Erfolge von Thor Hushovd auf dem S5 tun ihr Übriges. Aber Cervélo hier "böse Marketingstrategien" zu unterstellen ... Leute, dieser Termin liegt so nahe, dass das im ABC beim Marketing-Grundstudium schon vorausgesetzt wird.

Was aber unterscheidet das S5 von einem S-Works Venge oder dem viel gerühmten Scott Foil?


Ehrlich Meinung von mir?

Es ist mir egal!

Darüber, ob Aero wirklich signifikante oder spürbare Vorteile bringt, lässt sich trefflich streiten. Da gibt es ja auch jede Menge Plattformen und Foren, wo dies leidenschaftlich und ausführlich getan wird. Da will und kann ich mich gar nicht einschalten.

Für mich als Cervelover sind diese Diskussionen zweitrangig: Ich werde den Rahmen nie auch nur ansatzweise an den Rand der Steifigkeitsgrenze bekommen, ich werde nie eine Soloflucht über 60 Kilometer mit einem 45er Schnitt antreten und ob ich bei einer RTF 1 Minute auf 40 Kilometer schneller bin als der Rest ... mal ehrlich, bei den RTFs bin ich eh schneller als die meisten Bierbauch-Daddies, und an den Boliden der RG Uni oder St. Pauli komme ich eh nicht vorbei. Ob mit oder ohne Aero.

Das entscheidet nicht über einen Kauf.

Das S5 ist für mich schlichtweg ... ein geiles Teil!

Es macht süchtig beim ersten Ansehen. Das Rahmendesign ist modern, ohne klassische Elemente zu verleugnen. Alle Entwicklungen (vor allem die Cervélo-eigenen wie BBRight oder Squoval) sind integriert, das Unterrohr, dessen scharfe Tropfenform, die beim Soloist schon super aussah, geht in ein Kamm-Profil über. Allein das Unterrohr hat einen Red Dot Design Award verdient!

Großartige Detaillösungen, wie der in das Unterrohr integrierte Gabelschaft-Ansatz, die Sitzstreben, die den Luftstrom um die Hinterradbremse leiten (sollen) und die Sattelstütze lassen mein Herz höher schlagen.

Der Paintjob ist bei Cervélo seit jeher ein Punkt, an dem sich die erhitzten Gemüter entzünden: Wer bunt will, soll sich ein Wilier oder ein Bianchi kaufen. Ich persönlich mag die einfachen Streifen und musste schmunzeln, als ich das S5 zum ersten mal sah: Die bei meinem R3 noch eckigen Stripes einfach etwas abgerundet, einfach etwas organischer auf den Rahmen aufzubringen, ist ebenso schlicht wie genial. Genau mein Ding.

Stellt sich mir jetzt nur noch die eine Frage: Wie zur Hölle kann ich nur der Versuchung widerstehen, mir ein Cervélo S5 zu kaufen?!?

Oder muss ich das gar nicht?


.

11. Juli 2011

Nachdenken.

Ein Anruf heute macht mich nachdenklich.

"Swantje hatte einen Unfall. Beim Rannrad-Training." sagt mein Teamkollege Steven. Ich bin sprachlos. Rauschen im Handy. "Irgendwas mit der Wirbelsäule. Sie liegt in St. Georg."

Gestern habe ich mir nach der RTF, noch vollkommen im Endorfinrausch, die Tour de France-Etappe angesehen. Schwere Stürze. Winokurov mit Beckenbruch, wird von seinen Teamkollegen aus der Böschung zurück auf die Straße gehievt. Viele stürzen. Müssen aufgeben. Johnny Hoogerland fliegt im Salto in einen Stacheldrahtzaun.

Abgeschossen von einem Auto.

Nachdem ich aufgelegt habe, beschließe ich, sie zu besuchen. Ich laufe nur wenige Minuten ins Krankenhaus. Die sterilen Gerüche empfinde ich als beklemmend. Swanjee - Punktesammlerin beim German Cycling Cup in unserem SunClass-Team, immer witzig drauf, immer am Grinsen und feixen - sie liegt im Unterhemd im Bett. Leere Augen starren mich an. Sie versucht zu grinsen.

Abgeschossen von einem Auto.

Es war eine Trainingsausfahrt. "Knacke die 200 Kilometer" war das Motto. Einhundert Kilometer hatten sie schon. Eine rote Ampel trennt das Hauptfeld von Swanjee. Als sie wieder auf die Straße fährt, sieht sie weit entfernt ein Auto. Wenig später wird sie überfahren.

Helm.
Rechtsfahren.
Aufpassen.

Hat alles nichts geholfen.

Und jetzt liegt sie da. Wirbel gebrochen.
Um 1 mm am Rollstuhl vorbei.
Mir wird schlecht, als sie erzählt. Es bricht mir das Herz, sie so zu sehen.

Gestern, als Eurosport die Übertragung beendet und die selbsternannten Radsportexperten anfangen, auf SPON ihren halbgaren Saft über "Sicherheit" und Radsport abzulassen, unterhalte ich mich noch mit meiner Freundin.

Sage ihr, dass das Risiko zum Rennradfahren dazu gehört.
Sage Dinge wie: "Sie bekommen Geld dafür. Sie leben ihren Traum."
Und rege mich auf über unqualifiziert aufpoppende Rufe nach mehr Sicherheit bei Radrennen. Wie soll das gehen? Langsamer fahren?

Winokurov wurde gestern das Becken genagelt.
Wahrscheinlich zur selben Zeit haben sie Swanje den Wirbelknochen zusammen geflickt.

Ich fahre nach Hause.
Auf meinem Rennrad.

Langsamer als sonst. Stiller. Denke nach. Über Swanjee. Über den Scheiß, den sie noch vor sich hat. Wunden, die suppen. Schmerzen. Operationen. Reha. Vom Psychokram ganz abgesehen.

Und denke an all die roten Ampeln, die ich selbst missachte. Ans Vorbeischlängeln wenn Autos stehen und warten. An zu schnelles Treten. Daran, wie oft ich gedankenversunken im eigenen Speed schwelge, wo ich mich doch konzentrieren sollte. Daran, wie gefährlich und risikoreich ich fahre. Wie scheißegal mir mein Körper ist - sorge ich mich doch nur um den teuren Carbonrahmen.

Stelle das Rad ab.
Grübelnd.
Hänge den Helm an den Lenker.

Und wie scheiße: Wenn nicht morgen, dann doch übermorgen, oder selbst erst in einer Woche. Ich werde weiterhin rote Ampeln missachten. Autos schneiden. Risikoreich fahren. Egal, wie viele Becken bei Eurosport noch genagelt werden. Und wie viele Schläuche aus Swantje hängen.

Wie bescheuert, oder?



.

Alpe d´Seevetal - mehr Höhe geht nicht?

Lange Rede - kurzer Sinn: Am Sonntag gab es wieder eine RTF zu bestreiten. Dieses Mal vom TV Meckelfeld ganz im Süden Hamburgs organisiert: Die Alpe d´Seevetal.

Das Motto ist ebenso attraktiv wie spannend: "Mehr Höhe geht nicht!" verkünden Sie lauthals in ihrem Logo. Ich bin gespannt.

Pünktlich kurz vor 8 Uhr - dass das Aufstehen eine Qual ist, muss ich nicht extra betonen - finden sich Jan und ich in beschaulichen Meckelfeld ein. Da stehen sie schon und klönen, an die 1.000 Rennradler mögen es schon sein, die sich hier heute eingefunden haben.

Wir akkreditieren uns, heften uns die Startnummern an und rollen gemütlich zum Start: Jan möchte heute 87 Kilometer fahren, ich nehme mir die 158 vor. Die Radmarathon-Strecke mit 201 Kilometer muss es dann doch nicht sein ...

Wieder einmal wundert mich das dann doch recht hohe Durchschnittsalter der Teilnehmer: Auffällig viele Grauhaarige - fit und durchtrainiert - finden sich im Startbereich am Rande eines Fußballfeldes ein.

Natürlich ist auch Waffenschau angesagt: Die neuesten Mavic Cosmic Carbon SLR-Systemlaufräder bei dem einen, ein niegelnagelneues Scott Addict RC und einige andere Highlights der verbundwerkstoffverarbeitenden Industrie rollen an die Startlinie.

Um 9 geben sie die Strecke frei - immer rund 30 Fahrer verlassen den Startbereich. Da sie bei mir alle recht langsam dahinrollen, gebe ich etwas Gas und kann schon nach den ersten Kurven einen komfortablen Vorsprung heraus fahren.

Dass ich diesen allein nicht werde halten können, ist mir klar - als ich aber vor mir die ersten Rennradler des vorhergehenden Startblockes anfange zu überholen, rechne ich mir berechtigte Chancen aus, den schnellen Kern vielleicht doch noch zu erreichen.

Was ich nicht schaffe: Etwa 5 der schnellsten meines Blockes holen mich ein. Dankbar ob des 38er-Schnittes integriere ich mich ins Gruppetto.

Als ich mit Führen dran bin, kann ich unsere Gruppe konstant bei 40 km/h halten. Stolz trete ich gegen den Wind an und bolze in Untenlenkerhaltung durch die Heide: Noch 150 Kilometer vor mir, aber ich gebe Vollgas. Egal!

"Reeechts!", brüllen sie hinter mir.
Ich aber schieße geradeaus. Als ich endlich abbremse und umdrehen kann (Schild übersehen), rollt schon das Peloton um die Kurve.

Mühsam arbeite ich mich von hinten das Feld nach vorn. Komme an Jan vorbei, der es ruhig im Mittelfeld angehen lässt.

"Na? Verfahren?", ruft er etwas schelmisch.
Ich nicke nur, beschleunige wieder und bin einige Minuten später wieder in der Führungsgruppe.

Als ich das nächste mal führe, brüllen sie "Liiinks!" und ich schieße wieder geradeaus. Verdammt, bin ich bescheuert?!?

Nach einigen Minuten kann ich mich wieder bei der Führungsgruppe einordnen, halte mich aber erstmal zurück. Allerdings: mir juckt es in den Beinen! Heute scheint einer guter Tag zu sein.
Ist es Übermut oder bin ich nach meiner Tour de France tatsächlich so fit?

Ich mache mir jetzt erst einmal keinen Kopf um Kilometer und Kondition und hänge mich an eine Gruppe St. Paulianer, die mit enormem Geschwindigkeitsüberschuss an unserem Feld vorbei ziehen.

RG St. Pauli und RG Uni sind bekannt für extrem hohes Tempo und hartes Fahren. Aber auch für Radbeherrschung und Disziplin. Heute fahre ich mal mit, denke ich mir und reihe mich ein ins Camouflage der Altonaer.

Es geht ab Meckelfeld stringent nach Süden. Angeblich haben sie hier alle Steigungen eingebaut, die das flache Norddeutschland so zu bieten hat und so reiten wir eine Welle nach der anderen ab. Harte Anstiege oder fiese Rampen sind das nicht - heute sammeln wir die Höhenmeter durchs Auf und Ab, nicht durch Berge, das ist mir klar.

Mitten im Pauli-Pulk fährt ein Herr auf einem alten Stahlross. Sein antiquierter Kopfschutz macht mich neugierig. Ich fahre neben ihn und frage: "Von wann ist denn dein ... Helm?"

"Ach", macht er und winkt lächelnd ab: "Das weiß ich gar nicht. Ich weiß nur noch, dass ich ihn 1978 mal zur Überholung hatte."

Stramme Waden und ein Wetter gegerbtes Gesicht sprechen für ihn - dieser Herr hier hat bestimmt noch die Epoche Merckx und Anquetil mitbekommen ... Chapeau! Er fährt den hohen Schnitt locker mit.

Irgendwann nach der ersten Verpflegung fahre ich wieder allein auf die Strecke: St. Pauli scheint auf Teamkollegen zu warten und da ich heute gute Beine habe, gehe ich halt solo on track.

Schnell sammle ich einen weiteren Stahlveteranen ein, zu erst gehen wir als 2er-Team in den Wind, nach einigen Kilometern sammeln wir einen mid-40er ein, der die Helmpflicht ignoriert, keine Startnummer hat und trotzdem die RTF mitnutzt. Was ihn auszeichnet: Waden, die so dick sind, wie ich.

Führt der ältere Herr, fahren wir mit 31 km/h.
Führe ich, bringen wir es auf immerhin 34 km/h.
Wenn der weiße Megamann vorn ist, fahren wir 40.

Wir bleiben zu dritt. Ob im Wind oder mit Rückenwind. Ob im Wald oder durch die schöne Heide bei Lüneburg - erst die einzige ernstzunehmende Rampe, ich schätze, sie hat 9 Prozent, kann unser Grupetto aus einander reißen.

Bis zur nächsten Verpflegung fahre ich mit dem weißen Megamann zusammen. Als er nach nur 1 Minute Wasserauffüllen weiterfährt, muss ich mir wieder neue Kameraden suchen.


Die ich auch finde: In Form meiner "alten" St. Pauli-Kollegen, mit denen ich den dritten und schließlich auch den vierten Abschnitt bis zur letzten Verpflegungsstation fahre. Das Tempo ist, da wir eine größere Gruppe sind, zunächst im angenehmen Bereich. Selten mehr als 33 km/h kurbeln wir durch den Wind.

Irgendwann bin ich dann nach einer Straßenquerung mit 5 Fahrern allein. Eine tolle Gruppe, denn so können wir in 2er-Reihe neben einander an drei Positionen fahren. Das Kreiseln funktioniert wie am Schnürchen und so bleibe auch ich mit einem sehr sympathischen mid-50er 3, 4 mal vorn im Wind, bis wir wieder von der großen Gruppe, angeführt von den bolzenden Paulianern, nach einer knappen Stunde eingeholt werden.

Schlagartig wird das Tempo verschärft: Die Gruppe wird aus einander gerissen und nur etwa 15 Mann können den Tarnjägern vorn folgen. Ich mit ihnen, denn mir fängt mein noch von der Tour de France arg lädierter Hintern wieder an zu schmerzen. Ich denke mir: "Lieber ein schnelles Ende als noch 2 Stunden herum kurbeln".

Was schade ist, denn sie haben die Strecke durch wirklich sehr feine Landschaften gelegt: Tiefe Wälder, sumpfige Heide, Felder in vollem Korn, dichte Maisfelder und saftig-frische Weidewiesen.

Irgendwann nach 4:20 Stunden komme ich mit den Jungs wieder nach Meckelfeld hereingebolzt. Nicht, ohne dass mir noch einer von denen an einer roten Ampel in mein vorderes Laufrad kippt: Erst bolzen und dann nicht aus den Pedalen kommen?

Achso, Ihr seid mit den Cleats verschweißt?!

Eine tolle RTF war das - schnell am Anfang, lazy in der Mitte und hammerhart am Ende. Was den Speed angeht.

"Mehr Höhe geht nicht!" - übertrieben.
983 Höhenmeter stehen auf meinem Garmin. Das ist ein bisschen mehr als die Hälfte von
Alpe d´Huez.

Da geht noch was!



Gefahren: 157 km in 4 h 34 min mit 983 Höhenmetern



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15. Juni 2011

Ultimate Challenge

Los geht es - die Sachen sind gepackt, das Cervélo ist zerlegt im Radkoffer und wartet auf den Flug nach Nizza. Meine Beine glänzen frisch rasiert und ich bin einfach nur gut drauf: Morgen geht es los.

11 Etappen, 1.300 Kilometer und mehr als 20.000 Höhenmeter liegen vor Flow und mir. In 2 Wochen werden wir uns - hoffentlich - wohlbehalten die Champs Elysées im mörderischen Feierabendverkehr triumphierend durchkämpfen, denn dann werden wir den Galibier, den Izoard, Alpe d´Huez, Tourmalet, Mont Ventoux und einige andere große Legenden der Tour de France bezwungen haben.

Bis dahin ist es ein weiter Weg.

Euch eine schöne Zeit. Ride safe.


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13. Juni 2011

Im Warpfeld - die Neuseen Classics 2011

"Mehr Power" - steht da auf den nagelneuen Trikots, Hosen und Jacken, die der Sponsor unseres Rennrad-Teams für die neue Saison zur Verfügung stellt. Und mehr Power, das werden wir auch brauchen. Immerhin stehen in dieser Saison 7 Rennen im Rahmen des German Cycling Cups in unserem Kalender.

Am Wochenende ist es wieder soweit: 4 Fahrer der Equipe besteigen den Bus. Es geht nach Leipzig zu den Neuseenclassics.

Wir sind guter Dinge. Das Wetter stimmt, die Stimmung ist mehr als hochgradig und zum schnellsten Rennen der Saison - wenn man anderen Blogs Glauben schenken darf - haben wir sogar den Segen der NASA.

Tjaha, die Nationale Raumfahrtbehörde, sie nämlich hat sich nämlich - wenn man dem Hersteller unserer neuen Bekleidungslinie glauben darf - maßgeblich an der Entwicklung der Arschpolster beteiligt. Na, wenn das mal nicht die beste Voraussetzung für ein schnelles, tolles Rennen ist?

Flow ist Samstag morgens noch bei seiner kleinen Tochter, Heiko weilt in der Pfalz und wird auch erst am Abend zu uns stoßen, und so fahre ich mit Swantje alleine nach Leipzig. Im Transporter haben wir unsere Räder, die des Teams und allerlei Zubehör.

Wir erreichen Zwenkau kurz vor 15 Uhr, genauer gesagt, das Kraftwerk Lippendorf, wo wir die Startunterlagen abgeben und die Beutel abholen werden. Wir nähern uns mächtigen Kühltürmen, fahren unter funkelnden Starkstromleitungen daher und auf den Parkplatz des riesigen Kohlekraftwerkes, das Vattenfall - Hauptsponsor des Rennens - betreibt.

Etwas schüchtern eingeklemmt zwischen Haupteingang, mehrstöckigen Generatoren-Hallen, mächtigen Kühltürmen und einem greenwashenden Besucherzentrum flattern Fahnen im Wind. Hier haben sie liebevoll drei, vier Zelte aufgebaut.

Odlo bietet Bekleidung zu Sonderkonditionen an, Multipower kann man auch billiger kaufen und es knattert Beat zu sächischem DJ-Akzent aus bassigen Boxen.
Klein und süß hier alles, fast familiär.

Wir treffen noch Lars, einem Freund, den ich noch aus Liegeradzeiten kenne, der mittlerweile auch auf das Rennrad umgestiegen ist. Aufgrund einer Knieverletzung wird er morgen leider nur die 30 Kilometer fahren - schade!

Die Pastaparty mutet wie eine gemütliche Zusammenkunft im Garten an. Ein Dutzend Bierbänke haben sie hier aufgebaut, die Vattenfall-Kantine macht in Sonntagsarbeit Überstunden und versorgt die Rennfahrer, die ich meist älteren Baujahres einschätze, mit Nudeln und Tomatensoße.

In Leipzig spazieren Swantje und ich noch durch die Gruftis, die während des Wave Gotik-Treffens die Stadt fest in ihrer Hand haben. Und nachdem spät am Abend mit der Ankunft Flows und Heikos das Team endlich komplett ist, lassen wir uns von den tollen Damen des Hauses "Weißes Ross" in Groitzsch mit deftiger Hausmannskost versorgen. Perfekt.

Die Nacht ist so ruhig, wie sie es nur auf dem Lande sein kann: Unter meinem Fenster mauzt eine kleine Katze, das war es aber auch schon.

Renntag! Sonntag, wir stehen auf. Die neuen Klamotten passen perfekt und schon beim reichhaltigen Frühstüclk schnattern wir angeregt über die zu erwartenden Stunden auf dem Rennrad.
Die 15 Kilometer vom Teamhotel nach Zwenkau bestreiten wir im Teambus - nobel, nobel, so muss das sein!

Die Neuseen Classics gelten als das schnellste Rennen im Kalender des German Cycling Cup. Heiko und ich rekapitulieren einige Blogeinträge aus den letzten Jahren, in denen rasantestes Tempo und gefährliche Stürze das Hauptthema waren. Da ich in 4 Tagen nach Frankreich in den Urlaub fliegen will, steht für mich dabei eines fest: Heute wird das keine Rekordfahrt werden, heute gehe ich es ruhig an, schwimme mit, sehe das Rennen als Training für Izoard, Galibier & Co.

Swantje ist unser Zugpferd. Der German Cycling Cup vergibt bis zum 200sten Platz "echte" Punkte - jeder, der ab Platz 201 finished, kann mit nur 15 "Mitmachpunkten" rechnen. Da nun jedoch wesentlich weniger Damen an den Start gehen ist natürlich die Chance, unter jene 200 Ersten zu fahren, für Swantje viel größer, als für uns Kerle.

Und so spornen wir sie an, heute alles zu geben.
Mit Erfolg, wie sich heraus stellen wird.

Heiko ist wie immer verschlossen - aber guter Dinge. Er hat genug Rennen, RTFs, Triathlons und andere Wettkämpfe in seinen Waden, als dieses Rennen ihn auch nur irgendwie aus der Reserve locken könnte.

Auf dem Weg zum Start ist es Flow, der für die Scherze zuständig ist. Da ich mit ihm die Tour de France in vier Tagen fahren werde, wird auch er heute nach eigener Auskunft kaum um den Sieg mitfahren. Aber gut drauf ist er - kann man anders auch gar nicht, bei diesem Wetter.

Am Start reihen wir uns - diesmal komfortabel im ersten Startblock A - hinter unseren "Feinden" von Merkur-Druck ein. Diese Druckerei hat ein eigenes Jedermann-Team mit größtem PR-Aufwand und extremen Investitionen auf die Beine gestellt. Die Fahrer sind berüchtigt und Stark.

Da eine Dependence dieser Druckerei ebenfalls in Norderstedt bei unserem Sponsor SunClass angesiedelt ist, freue ich mich jedes Mal, einen von denen überholen zu können. Umso mehr, wenn ich mir deren hochkarätige Ausstattung und vor allem die dicken Waden anschaue.

Punkt 9 Uhr starten wir. Unerwartet irgendwie.

Und der Warpflug beginnt.

Nach der ersten Kurve geht es hart zur Sache. Der Block A bleibt kompakt beieinander und stetig steigt der Speed auf 52, 55 km/h. Ich bin sofort außer Puste, trete hart und noch während ich mich wundere, komme ich mit dem Schalten kaum hinterher - so hart habe ich in der Tat noch nie ein Rennen begonnen!

Warp 1.

Es geht zunächst auf die B-95, alle kloppen wie die Berserker gegen den Wind, ich wage einen Blick hinüber zu Heiko, auch er vollkommen fertig außer Puste dreht nur mit den Augen: Was ist hier denn los?

Die Brücke über die Autobahn die uns auf die B2 bringt, eigentlich nur eine unbedeutende Welle, sorgt für die erste Selektion: Oben staut es sich kurz, wir müssen hart in die Eisen, von 50 runter auf 25 - wahrscheinlich hat es vorn einige Schwache an der zarten Steigung zerlegt. Es regen sich alle um mich herum auf. Ich aber bin ganz froh, dass dieses irrwitzige Gebolze eine kleine Pause hat. Wie wollen wir das 135 Kilometer lang durchhalten?

Weiter geht es einige Kilometer in Richtung Markkleeberg, wieder im niedrigen 50er-Bereich. Ich verstecke mich im Windschatten des Pelotons und komme aus dem Staunen nicht heraus: Wieso freuen wir uns in anderen Rennen über Schnitte um die 40, und hier fahren sie 52 km/h im Schnitt?!? Sind die Sachsen so hart?

Vor Markkleeberg verlassen wir die Bundesstraße, es wird gefährlich.

Die Einfahrt ins Erholungsgebiet der Neuseen ist exrem eng. Hier fluten sie seit der Wende die großen Tagebaugruben, haben eine Parklandschaft von besonderer Schönheit angelegt. Nagelneue Wege für Radwanderer und Spaziergänger schlängeln sich durch frisches Grün, zarte, junge Wälder entlang der Ufer der erst halb gefluteten Seen.

Nachdem wir in höchster Geschwindigkeit es geschafft haben, uns in Zweierreien auf die dürren Asphaltwege einzufädeln, steigert sich das Tempo sofort wieder. Es geht in schärfsten Kurven auf und ab, kaum Zeit zum Gucken, ich muss extrem aufpassen, zwei, drei neben mir, Bremsen, reintreten, Spur halten!

Sehr gute Fahrkunst ist angesagt. Abreißen lassen geht hier nicht: Zum Rechtsranfahren wäre kein Platz! Sie bolzen auch hier die engen Wege entlang, es knallt mir der Wind in den Ohren, links, rechts, rechts und wieder links - hart herunter, scharf bergauf, wir schlängeln uns durch die Neuseen, und ich bekomme vor Action kaum etwwas mit.

Warp 2.

Am Störmthaler See kann ich dann endlich einmal kurz durchatmen - das längere Geradeausstück ist zwar nicht weniger schnell, aber fahrerisch anspruchsloser. So gelingt mir sogar mal ein Foto, leider kann ich den riesigen Abraumbagger, den sie hier am anderen Ufer stehen haben, nicht mehr festhalten, denn mit 47, 48 km/h geht auch die längste Geradeausstrecke einmal vorbei.

In der Ferne sehen wir immer wieder Lippendorf qualmen, wie in einem okulten Hexentanz scheinen wir um das Kraftwerk zu kreisen, aufgeladenen, wütenden Elektronen gleich, die ihren Kern umkreisen.

Das Wetter ist wunderbar - es scheint die Sonne, kein einziges Wölkchen am Himmel, nur ein scharfer Wind, der ab und zu zum Gegenwind wird, scheint die Laune zu trügen. Aber anders als sonst ist der Gegenwind heute kein Thema: Ich weiß nicht, wie sie es machen, aber ich registriere keinerlei Verlangsamung, wenn wir in ihn drehen.

Oder hat bei Warp-Speed der Wind keinen Einfluss mehr?
Wir schlängeln uns in Höchgstgeschwindigkeit durch die Natur, es wird nicht gesprochen im Feld, alle fahren am Anschlag. Noch immer bin ich ich an der Grenze dessen, was ich leisten kann, meine Waden brennen, zum ersten Mal in einem Rennen schmerzen die Finger - vom vielen Schalten.

Sie bolzen durch die Heide, das einem Angst und Bange werden kann. Vor allem die Passagen auf den sehr engen Wanderwegen fordern höchste Konzentration, zumal sie alle 2, 3 Kilometer riesige Schilder in Neon aufgestellt haben: "Gefahrenstelle!". Nur leicht wird dann abgebremst, dann rufen wir alle "Liiiiinks!" oder "Aaaaachtung!". Widerwillig wird sich in Kurven hinein gebremst - wie Wikinger nach dem Angriffsbefehl beschleunigen wir wütend. Es scheint, alles unter 40 km/h ist unter ihrer Würde.

Irgendwann - ich kann meine Kamera nicht mehr herausholen - warnt ein Schild vor der anstehenden "Bergwertung". 2.000 Meter soll die Rampe lang sein, und siehe da: Wir biegen um die Ecke, von Warp 2 auf 15 km/h gebremst bleibt das Peloton im vertikalen Asphalt stecken. Ich rufe noch "Ach du Scheiße!" und dann brauche auch ich meine Lunge für etwas anderes.

Selbst Heiko, neben dem ich wie ein Adjutant fahre, muss aufs kleine Blatt. An der Steigung stehen sie und feuerrn uns an - sowieso, wenn wir durch Dörfer kommen, herrscht immer ausgelassene Feierstimmung - ich pruste mich die Steigung hoch. Wieder kann ich viele Plätze gut machen, irgendwann an Position 3, irgendwann, ganz oben, bin ich an 1. Na hossa!

Dann geht es in die rasante Abfahrt. Na, dabei bleibe ich lieber vorn, denn es geht mit 69 km/h und Gegenwind auf einem nicht einmal 3 Meter breiten Weg durch ... Weinberge.

Ja, sie haben hier Weinberge ...

Bergab meistere ich super, fühle mich gut. Neben mir schließt einer von Merkur-Druck, der Feind, auf. Mir ist der lieber, als hinten im Pulk zu fahren. Bei fast 70 Sachen möchte ich nicht in Dreierreihe fahren!

Bergrunter, bergauf, bergab, bergoch - ich führe das Feld durch das Geschlängel einige Kilometer an, dann habe ich meine Pflicht erfüllt, meinen Windschatten bezahlt, den Kräfteobulus erbracht und lasse mich ins Feld zurück sacken, an 10ter Position lässt es sich besser mitschwimmen.

Von da an halte ich Heikos Hinterrad. Da kann man nichts falsch machen, denke ich mir und weiche kaum mehr von ihm. Wir sind mal an 10, mal ganz vorn. Von jetzt ab ändert sich auch das Tempo ein bisschen. Der Schnitt sinkt von Lichtgeschwindigkeit auf vertretbare 38 bis 40 km/h, das Peloton fährt ruhiger.

Neben mir ab und zu der Merkur-Mann, auch er hat nun genug Luft zum Plaudern über.

"Besser als Münsterland-Giro", sage ich zu Heiko. Er neben mir: "Da haste Recht! Sehr geil - aber sehr schnell!"

Bei Kilometer 90 scheint sich die hohe Pace der Anfangsphase dann endgültig zu rächen. Die Führenden - in unserer Gruppe so 10 sehr starke Fahrer aus unterschiedlichen Teams - schaffen es nicht mehr, uns konstant über 40 km/h zu halten. Verständlich - wie soll das auch gehen?!?

Ich sehe zwei Fahrer des Deutsche Post-Nationalteams, zwei sehr starke Rennfahrer vom Chariteam München, einer in Rot, auf dessen Hintern "Tölutex" steht (der immer an der Spitze zu finden ist) und eine saustarke Dame, klein, kompakt, sehr muskulöse Schenkel, vom Sparkasse Leipzig-Team, die sich nicht zu schade ist, auch selbst mal zu führen.

Wir rollen in eine Abfahrt hinein. Schnell steigt der Speed wieder in den 53er-Bereich. Kühlender Wald, Grüne Hölle. Es duftet nach frischem Torf.

Die Straße wird wieder eng, ich halte mich eher hinten, Position 15. Dann ein Schild: "Buffett 1.000 m" - na, da werden also gleich einige Fahrer anhalten, denke ich mir. Noch immer Abfahrt. 55 km/h. Schneller immer schneller. Irgendwas stimmt doch hier nicht, frage ich mich - normalerweise machen sie Verpflegung doch in der Steigung?

Dann der Moment. Helfer von der Feuerwehr stehen am Wegesrand und versuchen, uns Flaschen zu reichen. Vollkommen chancenlos - wer es dennoch versucht, bei 55 km/h eine Flasche zu erwischen, knallt sie dem Helfer meist nur aus der Hand und uns in die Räder. Ein Wasser-Massaker. Bekloppt! Und gefährlich obendrein - diese Verpflegung bietet allerbeste Chancen zum Abflug!

Als wir wieder aus dem Wald in die Sonne schießen, wirft einer der Mitfahrer seine leere Flasche zur Seite hin weg. Sie prallt an einem Laternenpfahl ab und trifft den Rennfahrer hinter mir an der Brust. Wildes Gepöbel folgt: Idioten fahren also auch noch mit!

Da wir fast alle drei Flaschen dabei haben, hat niemand unserer Gruppe angehalten. Das Feld konnte sich also auch nicht neu formieren. Also mit der alten Garde weiter. Wir schießen aus dem Wald, zwei drei Kurven, dann wieder Felder und Kulturlandschaft - und Wind.

Heiko scheint es zu bunt zu werden. Die Geschwindigkeit ist mittlerweile auf 37 bis 35 km/h gefallen, anscheinend zu langsam für unseren Fahrer. Zielstrebig arbeitet er sich nach vorn - und ich mich mit ihm. Wie im Paarflug halte ich sein Hinterrad, kein noch so forscher Drägler kann mich davon abhalten, stur meine Position zu halten.

Irgendwann sind wir ganz vorn - aber nach meinem Führungsritt vor der Verpflegungsstelle, der mir noch immer in den Waden brennt, verspüre ich wenig Lust, hier noch weiter im Wind zu bolzen. Ich lasse ihn ziehen und halte mich vornehm an einer hinteren Position.

Vorne bolzen sie Tempo. Heiko führt, wechselt sich ab mit einem Kollegen vom Deutsche Post-Team, der Mega-Lady von Sparkasse Leipzig und einem Ur-Krostritzer-Fahrer, dem Team von Uwe Raab, einem meiner Friedensfahrt-Idole von ... damals.

Wir erreichen jedcoh nicht mehr die hohen Anfangsgeschwindigkeiten: Von hinten kommt kein frisches Blut nach vorne, jedes mal, wenn einer aus dem Wind geht, schlängelt sich alles hinter ihm her, keiner geht nach vorn. Ärgerlich - aber ich ziehe ja selbst auch nicht.

Irgendwann sind es nur noch 20, dann nur noch 15 Kilometer und wir beginnen, die letzten Hörnchenlenker der 80er-Runde einzusammeln. Wilde Gruppen in 5er-Reihen versperren uns den Weg, man kommt kaum vorbei, Pöbeln und Meckern an der Tagesordnung, ich schüttle nur meinen Kopf, aber hey, wer erwartet von den Muttis, dass sie sich mit Rennrad-Etikette auskennen? Ich genieße die Sonne und schwimme mit.

Wenig später stehe ich mit den anderen Finishern schon im Zielbereich und hole mir meine Medallie ab - zum Schluss geht alles ganz schnell: Wir kommen nach Zwenkau rein, das Tempo zieht wieder kurz an. Auch ich kann noch einige Plätze gut machen, schieße noch einmal über die 40er-Marke, wild surren die Freiläufe, sie treten rein, links und rechts Menschenmassen die uns anfeuern - Musikbeats dröhnen aus dem Zielbereich, bunte Reklameposter fliegen vorbei, ich sprinte und trete rein.

Vor mir versammeln sich die Merkur-Druck-Leute, bilden eine geschlossene Reihe über die ganze Straßenbreite, ein Fotofinish, bestimmt sehr schön anzusehen, nur, dass ich nicht vorbeikomme. So kann Heiko noch rechts an ihnen vorbeischlüpfen. Ihm sei´s gegönnt.

Wir treffen uns an der Medallienausgabe wieder. Glücklich.

Die Neuseen Classics sind eines der schönsten Rennen bisher, resümmieren wir: Eine wundervolle Strecke, durch die Neuseen-Landschaft, die Rampen und Steigungen, vorbei am idyllischen Schloss Colditz, einfach perfekt!

Wir warten auf die anderen beiden. Bei einer Bratwurst und alkfreien eiskalten Getränken machen wir es uns bequem. Salz steht krustig auf unseren Gesichtern, Massen an Helden ziehen an uns vorbei.

Heiko meint, Flow vor uns gesehen zu haben. Umso wunderlicher, dass er nicht ans Telefon geht. Laut Heiko hat sich das Peloton, der Startblock A, bei der ersten Autobahnüberführung, auseinander gezogen. Und ich erinnere mich: Es gab diese Bremsorgie, ja, klar, im Anstieg ganz am Anfang, als wir uns lautstark aufgeregt hatten, warum es nicht weiter gehe: Hier haben die Bremsenden vorne dafür gesorgt, dass sich die andere Hälfte absetzen konnte.

Und laut Heiko war Flow in eben jener ersten Hälfte.

Swantje trifft ein. Überglücklich, Adrenalin und Endorfine scheinen ihr nur so aus den Ohren zu quellen: "Ich habe es geschafft!", flötet sie fröhlich. Beim Frühstück hatte sie uns nämlich enthusiastisch von ihrer Idee erzählt, ihrem Körper mittels Power-Gels 60 Gramm Kohlenhydrate zuführen zu wollen. Pro Stunde.

Pro Gel-Tütchen werden 20 Gramm konsumiert: Sie müsste also 3 Tütchen pro Stunde essen. Ekel erregend für uns andere, aber sie hat ihr Experiment wohl durchgezogen.

"6 Gels!", trötet sie über den Bratwurststand.

Und niemand wundert sich, dass sie keine der leckeren Würste ordert. (Abgesehen davon, dass sie Vegetarierin ist).

Irgendwann trifft auch Flow ein. Stinksauer.

"5 Kilometer nach dem Start, kurz hinter dem ersten Anstieg, hatte ich einen Platten!" flucht er und schmeißt die Radhandschuhe in die Ecke. Wer kanns ihm verübeln? All seine Ambitionen durch eine erzwungene Pause zerstört: Nachdem er seinen neuen Schlauch drauf hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als im sehr viel langsameren C-Block zu versuchen, das beste herauszuholen. Was natürlich nicht geht. Bierbauchfraktion. Kuchenblock.

Und trotzdem, wir können zufrieden sein: Der erste Einsatz für die neue Equipe SunClass war mehr als ein Erfolg. Mehrmals werden wir auf unsere schicken neuen Trikots angesprochen, und wenn wir Verträge mit gehabt hätten, hätten wir für unseren Sponsor sicher die eine oder andere Solar-Anlage verkaufen können.

Leipzig Neuseen Classics? Ein feines, kleines, familiäres, ganz großes, super spannendes, tolles, extrem schnelles Superrennen und mithin der Tipp für alle Jedermänner, die noch was Schickes für 2012 suchen - Ab nach Leipzig, es lohnt sich!


Gefahren: 132,07 km in 3:32 h und einem Schnitt von 37,8 km/h

Den Garmin Track gibts hier.


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