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20. Dezember 2012

Rennrad-Weihnachten: Das neue Cervélo S5 ist da. Und so.

Manchmal ist Heiligabend schon etwas früher - bei mir war er heute mittag. Robert von P-Bikes spielt den lieben Weihnachtsmann und überbringt mir die schöne Nachricht: "Hol´ Dein Rad ab, es ist zu schön, als dass es über die Feiertage hier im Laden stehen bleiben kann!".

Gesagt - getan.

Ich grinse vor Freude die ganze U2 an ... here we go: Cervelo S5 2013

Noch im U-Bahnhof beglückwünsche ich mich zu meinem Kauf: Das Rad sieht einfach richtig geil aus! Im September erst kann ich Dank Detlef Adam, dem Customer Support-Chef für cervélo Deutschland - ein S5 Team bei den 24 Stunden "Rad am Ring" auf der legendären Nordschleife ausführlich testen. Mich begeistert sofort das geile Fahrgefühl, der fast schon als schienenmäßig stur zu bezeichnende Geradeauslauf und die geniale optik des Aerorenners.

Das matte Finish der 2013er-Serie setzt da noch einen oben drauf: Genial!

 Stealth-Optik und Racing-Fieber: Das S5 sieht geil aus!

Wie ein Stealth-Fighter steht es da: Schwarz, silbern, kein Glanz. Die Cosmics - Tuningpotenzial - da ist sicher das letzte Wort noch nicht gesprochen. Ich entscheide mich diesmal für weißes Lenkerband. Nur die glänzende Sattelstütze, die laut Cervélo erst später dieses Jahr kommt, trübt etwas den Anblick. Aber das sind nur kleine Details.

Ich kann es gar nicht fassen: Ich besitze nun tatsächlich endlich ein Cervélo S5! Mit kompletter Sram Red-Ausstattung, Rotor-Kurbeln und Cosmic Carbone SL-Bereifung. Meinen Hintern werde ich auf einen Fizik Arione betten - nachdem der Antares an meinem R3 doch etwas zu hart daherkommt - die Rennradschuihe werden sich in Keo-Pedale von Look einklicken.

Leider ist noch nicht Frühling.

Tja, nun muss es nur noch Frühling werden, denke ich mir und lehne das Rad bei mir zuhause ein letztes Mal an die Mauer, um es an der frischen Luft in Gänze zu bewundern. Gleich wird es oben beim R3 erst einmal zum Überwintern eingelagert. Im Februar dann werde ich die Feinjustierung aller Elemente auf meine Körpermaße vornehmen. Und höffentlich dann schon im März in einen milden Frühling starten.

Á propos starten: Neues Rad? Neues Pedalsystem? Na, da kann ich doch nicht immer meine SPD-Platten von den alten Mavic-Rennradschuhen schrauben!

Edle Treter aus Italien: Die Fizik R3
Schön, dass Bike24 gerade die sehr geilen Fizik R3-Schuhe im Angebot hat. Schön in weiß - passend zur Optik. Die gönne ich mir auch noch. Eine erste Anprobe bestätigt den Eindruck der perfekten Verarbeitung dieses italienischen Handarbeits-Produktes. Ich bin gespannt, wie diese Schuhe im Vergleich zu meinen Sidi und Mavic performen.

Naja. Und da ja nun auch schon im dritten Jahr die heiße Renn-Sonne der südlichen Gefilde ungefiltert auf meinen Helm geprasselt ist, sendet Bike24 auch gleich noch den passenden, neuen Helm.

Haute Couture bei der Haute Route: Der Mavic Plasma SLR

Der Mavic Plasma SLR wird die matte Optik des Cervélo S5 auch auf meinem Kopf fortsetzen. Zwar kann ich nur Lobeshymnen auf meinen bisherigen Helm, den Catlike Whisper plus, singen, aber die großen Lüftungsschlitze des Mavic lassen gutes vermuten. Passend jedenfalls schmiegt sich der Helm schon einmal perfekt meinem Schädel an.

Tja, dann kann sie nun also kommen, die neue Saison: Was soll da noch passieren? Tolles Team, toller Rennkalender, tolles, neues Rennrad Cervelo S5 und ein paar schicke neue Teile zum tragen. Ein perfektes Weihnachten!

Ich wünsche allen meinen Lesern und allen Rennrad-Begeisterten ein tolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch: Danke, dass Ihr meinen Cervelover-Blog so die Treue haltet, und ich freue mich darauf, Euch im nächsten Jahr bestimmt wieder 50 Posts mit hoffentlich geilen Geschichten kredenzen zu können. Feiert schön - Ride safe - Peace!




Was legt Ihr Euch an Rennrad-Stuff unter den Weihnachtsbaum?

19. Dezember 2012

Road to RATA, Teil 1: Thesen & Theorien

Vor 2 Wochen ist es soweit, für mein Team SunClass Solarmodule kann ich den Rennkalender für die nächste Rennrad-Saison verkünden. Lange haben wir zusammen gesessen und überlegt. Nun steht ein Rennkalender, der sich sehen lassen kann. Und mit ihm der Saison-Höhepunkt.


Road to RATA - so sollen die kommenden Posts heißen

Denn SunClass steht vor allem für spannende Stories von ungewöhnlichen Rennen, nicht aber für die x-te Teilnahme an immer wieder den gleichen Rennen. Deshalb suchen wir auch so lange nach einem Motto, einem neuen Konzept - einer neuen Idee für das kommende Rennrad-Jahr.

Von London-Edinburgh-London zum Race Across the Alps

Schon als ich die erste Version des Rennkalenders präsentiere, halten mich alle für komplett verrückt. Mein Plan: Wir fahren nur Langstreckenrennen und fahren sie so, dass mit jedem Event mehr und mehr Leistung abverlangt wird um dann am Ende mit dem Knaller LEL - London-Edinburgh-London - die Saison zu beschließen.

1.400 Kilometer am Stück? Außer Flow meldet sich dafür niemand.



LEL? Wäre krass geworden. Und genial. 

"Was lief gut in 2012?", fragte ich mich und schrieb all die tollen Dinge auf, die wir erlebten. Wir haben alle auf unsere Weise unsere Grenzen verschoben. Heiko hatte es so ausgedrückt: "Dass ich mal das Stilfser Joch bezwinge, hätte ich nie gedacht." Richtig! Wir haben Alpen, Dolomiten und die Pyrenäen jeder für sich ein Stückchen nivelliert.

Also warum diese Grenze nicht noch weiter pushen?

Ich wage einen zweiten Anlauf und präsentiere dem Team einen neuen Rennkalender. Weniger europäisch, mehr auf die Berge, mehr auf die Alpen ausgerichtet. Ein "Italo-Kalender", wenn man so will.

"Race Across the Alps?", fragen sie alle. Und sind begeistert. Und irgendwie auch nicht. Teilnehmen will außer mir zwar wieder nur Flow, aber alle anderen sind zumindest mit den "Trainingsrennen" im Rahmen des italienischen Prestigio-Cups einverstanden. Die Saison ist geboren.

Das RATA aber ist das "härteste Eintagesrennen der Welt" und laut Aussage des Veranstalters "nur etwas für wirkliche Ultrasport-Profis". Ein Ultrasportler bin ich beiweitem nicht. Schon gar kein Profi. Aber wohl einer, der Herausforderungen annehmen und konzentriert, zielgerichtet und sehr hart trainieren kann.

Das Theorem des Scheiterns: Eine neue Herangehensweise

Für mich beginnt die Vorbereitung auf das Race Across the Alps schon im Oktober. Ich treffe mich mit Florian bei ein, zwei, drei kalten Beck´s und wir starten ein lockeres Brainstorming. Denn die zentrale Frage - und mithin der häufigste Einwand all der ganz Schlauen da draußen, die immer gute Tipps parat haben - ist doch diese: "Wann gebe ich auf?".

Wir notieren wild, was uns in den Sinn kommt.


Wichtige Stoffsammlung als erster Schritt: Was macht mich scheitern?

Ich schreibe mit dem Marker viele Stichworte auf, wir diskutieren sie, mal mehr, mal weniger. Wir erzählen uns Anekdoten, wir streichen auch Worte. Am Ende habe ich ein DIN A2-Blatt voller Schlagwörter.

Mit unterschiedlichen Farben fassen wir diese nun zu Gruppen zusammen. So finden sich Poschmerzen, Nackenschmerzen, Handgelenk-Schmerzen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen und all die anderen "Wehwehchen" zu der einen Gruppe zusammen, Zeitdruck, Gehetzt sein, Verfolgungswahn oder auch Übermotivation in eine Gruppe "Psychologisches".

Am Ende kann ich diese recht einfach in fünf Gruppen bündeln. Der erste Schritt ist getan. "Rennrad & Eqipment", "Ernährung, Drinks & Nutrition", "Gesundheit", "Psyche" und als Bonusgruppe "Support-Team".

Im Zentrum der Überlegung: Schmerzen & Leid.

Wenn wir uns mit den Dingen befassen, die uns ein Rennen von der Intensität des RATA abbrechen lassen könnten, dann steht sicher die Gruppe "Gesundheit", in der sich alle Keywords rund um das Thema Schmerz und Leid wiederfinden, für uns am höchsten.


Schmerzen stehen im Zentrum aller Überlegungen.

Ich male jeden der einzelnen Abbruchgründe in die Mitte zweier Kreise. Zum Beispiel stehen "Knie-, Handgelenk- und Nackenschmerzen" dort.

In den ersten, näheren Kreis schreibe ich nun jedes mal, was ich im Vorfeld des Events tun könnte, um den Eintritt dieses Abbruchgrunds zu verhinden. So steht bei den drei genannten Schmerzen dort unter anderem "Rennrad genau einstellen" oder "dick gepolsterte Handschuhe kaufen" oder auch "Core-Übungen zum Ausbau der Nackenmuskulatur".

Die Handschuhe markiere ich gleich mal: "Packliste" schreibe ich in Rot hin. Am Ende werde ich viele neue Produkte auf einem Bestellzettel zu stehen haben. Bike24 & Co werden sich freuen ...

Es kann aber auch etwas für das Training sein: So werde ich in dem ein oder anderen  Langstreckentest, der über die 540 Kilometer des RATA gehen wird, nicht nur Equipment wie optimale Beleuchtung oder eben jene neuen Handschuhe testen, sondern auch neue Energy-Drinks oder Nahrungsergänzungsmittel. Vielleicht teste ich die Wirkung von Koffeintabletten - wer weiß?



Ernährung - der zweite Riesenberg Arbeit.

In dem zweiten Kreis schreibe ich nun die Stufen, die während des Race Across the Alps - anzunehmenderweise - eintreten könnten, um zum Abbruch zu führen. Denn natürlich sind beispielsweise ebenjene Nackenschmerzen selten sofort so krass, dass man abbrechen müsste.

"Was sind die ersten Anzeichen?" und "Wie kann ich/mein Support-Team diese erkennen und gegensteuern?" Vielleicht erkenne ich hier Mechanismen und kann daraus Anweisungen für mein Team generieren, dass mir hilft, Abbruchgründe zu erkennen und zu "behandeln"?

Diese Eskalationsstufen, die ich am Ende recherchiert habe, sollen mich maximal auf alle möglichen Facetten vorbereiten, die rund um das jeweilige Thema, den jeweiligen Abbruchgrund, auftreten könnten.

Lessons learned: Was 2012 mich gelehrt hat.

"Das schaffst Du nie!"

Ach Kinder. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört - und das weit, weit vor meinem Entschluss, mich beim Race Across the Alps anzumelden! Abgesehen davon, dass man Menschen in ihrem Bestreben, Großes (auch wenn es nur für sie selbst "groß" scheint) unterstützen sollte: Warum müssen manche so offensiv missgünstig sein?

Ich höre das so oft, dass ich nur milde grinsen muss. Die Durchquerung der Rocky Mountains, die 24 Stunden auf der Nordschleife, der Ötztaler Radmarathon ... so oft haben Leute versucht, mir Dinge auszureden, von denen sie selbst vielleicht gar nichts verstehen. Und wenn ja, verstehen sie mich vielleicht nicht. Die Liste ist lang und sicher kennt Ihr das aus Eurem Bekanntenkreis zur Genüge.

Ohne die Härte des RATA herunterzuspielen - und ich bin mir durchaus bewusst, dass dieses Event ein Grenzgang im allerwahrsten Sinne des Wortes ist - aber was macht mich so sicher, das Geld unseres Sponsors in gerade dieses Rennen zu stecken?


Aus dem "Scheitern" wird ein Plan der systematischen Prävention.

Es sprechen im Gegenteil einige sehr gute Gründe für ein Finish beim RATA.

Zunächst, und das ist nun wirklich alles andere als ein leerer Spruch: Man wächst mit seinen Aufgaben. Es ist wirklich so! Als ich 2010 dem Team den Rennkalender für 2011 vorstelle - damals fahren wir den German Cycling Cup und zum ersten mal die 24 Stunden "Rad am Ring" - halten mich alle für bescheuert.

"Zu viele Rennen!" heißt es - "Fast alle 4 Wochen ein Rennen!", klagen sie und: "Immer die längste Strecke!". Und am Ende? Am Ende steht Ines beim 3 Etappen-Rennen RiderMan auf dem 3ten Gesamtrang der Damen, am Ende belegt unser Team den 23ten Gesamtrang aller Teams und das obwohl wir mit nur 5 anstatt 7 Rennen gewertet werden! Das hätte keiner für möglich gehalten ...



Die Pro-Gründe zeigen auf, warum es klappen muss. Kann. Soll.

2012 schüttelt Heiko nur den Kopf. "Was willst Du fahren?", fragt er mich und zweifelt an meiner Zurechnungsfähigkeit: "Die Leggendaria mit über 4.000 Höhenmetern? Das Eröffnungsrennen mit 190 Kilometern? Bist du wahnsinnig? Und dann alle 2 Wochen so ein Rennen?!?"

Am Ende finishen wir bei jedem Rennen. Keiner gibt auf. Wir fahren in den Alpen, in den Pyrenäen. Wir fahren sogar die 24 Stunden durch. Hätte im Januar auch keiner gedacht ...

Herausforderungen? Ja klar! Häng´ die Latte ruhig hoch.

Bei meinem Training werde ich präziser, spezifischer. Ich fahre meine Wasebergrunden, bis mir die Waden glühen, reite so oft 1.000 hm, ein mal sogar 2.000 hm am 16% steilen Sträßchen in Blankenese runter. Ich konzentriere mich und mache keine Spirenzchen, ich habe ein Ziel. Und kann den Ötztaler ohne Probleme finishen. Ein durch und durch perfektes Rennen. Nur eine Woche später das RAR - immerhin knapp 6.700 Höhenmeter.

Was mir die Zuversicht für das RATA gibt? Meine bisherigen Erfolge. Meine Leistungen, die mich bis hier her gebracht haben.

Und - jedes - einzelne - Eurer - "Das schaffst Du nie!".

(Ein) Schlüssel zum Erfolg: Der Team-Support.

Sicher, es wäre vermessen, nur von sich selbst auszugehen. Denn ich bin davon überzeugt, dass mindestens 50 % des Finisher-Erfolgs beim RATA auf eine gute Support-Crew zurück gehen werden.

Und tatsächlich: Viele meiner Keywords, viele Dinge, viele Aufgaben und damit sehr viel Verantwortung für meine Performance beim Race Across the Alps ... viele der Linien, die ich von den Abbruchgründen und den "Lösungen" ziehe, enden beim Support-Team.


Alles ist mit allem verwoben - Kausalketten mit einem Anfang. Und einem Ende.

Schön zu wissen, dass sich Angela und Benji, die uns schon beim 24-Stunden-Rennen auf Nordschleife und Nürburgring 2012 so toll supportet haben, spontan und begeistert bereit erklärt haben, uns beim RATA zu begleiten.

Und ebenfalls toll zu wissen, dass Ines und Robert, zwei Teammitglieder unserer Equipe SunClass Solarmodule und selbst aktive Radrennfahrer (Ines als B-Lizenzlerin) das Team aufstocken. So werden sowohl Flow als auch ich je einen Supporter mit Boxenerfahrung als auch einen gestandenen Rennradler in der Crew wissen: Beste Voraussetzungen, um den Schwierigkeiten gewachsen zu sein.

Equipment bereithalten, Abbruchgründe frühzeitig erkennen und einschreiten, für stetige Nutrition und Getränke sorgen, den Fahrer auf dem Laufenden halten - all das sind Aufgaben, die unsere 2-Mann-Crew ebenso lange hellwach und auf den Beinen halten muss, wie die Aufgabe, 14.000 Höhenmeter und 540 Kilometer in 24 (bzw. 32) Stunden zu fahren, uns selbst.

Ob wir das schaffen? Mit so einem Support sind wir diesem Ziel sicher wieder einen Schritt näher.

Formeln, Thesen und Ergebnisse: Vorschau auf Teil 2.

Die Brainstorm- und Cluster-Charts füllen eine Wand. Jedes mal, wenn ich auf sie schaue, kommen mir neue Facetten und neue Ideen. Jedes mal schreibe ich klein diese dazu - ich vervollständige so mit der Zeit immer mehr mein Wissen über das Scheitern. Ein super Methode, finde ich, die mich zuversichtlich stimmt, mich optimal vorzubereiten.

Die Charts werde ich in einigen Wochen in eine "To buy-Liste", eine "Equipment-Packliste", eine "Einkaufsliste Essen & Trinken" + "Essensplan", eine "RATA-Apotheke" in ein "Support-Briefing" und einen "Trainingsplan" überführen. Dies wird die Essenz sein.

Weil ich so Lust habe, zeichne ich noch ein Chart.


Der nächste Step: Die Strecke des Race Across the Alps.

Es ist das RATA-Höhenprofil. Ich markiere alle Steigungen auf Stilfser Joch, Mortirolo, Flüela- und Co, notiere Länge und Höhenmeter und berechne - schnell mal im Kopf - auf Basis meiner bisherigen Steigleistungen, wie lange ich wohl brauchen werde.

"39 Stunden 30 Minuten" stehen da am Ende. Uff.
Das wäre ein DNF.

Na, denke ich mir: Das berechne ich dann mal demnächst sauber und ordentlich. Und das wäre dann auch der zweite Schritt in meiner Road to RATA: Wie will ich mir mein Rennen gestalten? Das erfahrt Ihr im nächsten Beitrag.

Fürs erste aber bin ich mit meiner Abbruch-Analyse sehr zufrieden. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich nicht alles einkalkulieren oder voraus sehen kann. Aber eben Vieles.
Und so generiere ich am Ende neben dem Wissen, mein Equipment anzupassen, speziell zu trainieren oder meinen Support zu briefen vor allem Sicherheit für mich selbst, für meine Psyche, mich so tief und gut wie es ging mit allen möglichen und unmöglichen Gründen für ein Scheitern befasst zu haben. Und das wird mir enorm Sicherheit geben.

20. November 2012

Marathon Training #1 - Der erste Halbmarathon der Saison

Es ist kurz nach acht Uhr morgens, als ich durch den Dünengang auf den Strand trete, mich kurz umblicke - oben im Hotelzimmer schläft meine Süße noch - und mich nur noch zwischen "Laufe ich rechts herum" oder Laufe ich links herum?" zu entscheiden habe: Heute steht der erste Halbmarathon als Vorbereitung für die Saisoneröffnung 2013 auf dem Programm. Ich bin auf der Insel Usedom.

Ich entscheide mich, links herum zu laufen. Oder ist es der Drall? 
Es lässt sich gut an: Hinten in der Tasche meines Longsleeves plätschern 0,75 Liter Energydrink herum, als ich den Garmin Forerunner auf "go" stelle und loslaufe. Schön locker: Ich fühle zwar, dass die Saison 2012 auf dem rennrad hat superfit hat in diesen Frühwinter starten lassen, aber Laufen ist ja immer noch eine ganz andere (Muskel-)Sache, als Rennrad zu fahren.

Diesig ist es, das Meer neben mir plätschert träge in dem Nebel herum. Keine Menschenseele unterwegs: Nebensaison. Zu früh wahrscheinlich.


Ach, herrlich - ich genieße es! Ich habe leichten Rückenwind, der feuchte Sand ist nicht zu hart, aber auch nicht zuckerweich. Es läuft sich prima. Die ersten 3 Kilometer muss ich erst einmal den Rhythmus finden. Als ich am Hotel Baltic vorbei bin und den Strand von Zinnowitz verlasse, kann ich noch ein laufendes Pärchen überholen - Kurs gen Karlshagen (wo ich als kleiner Jungpionier im NVA-Ferienlager so manch tolle Woche verbracht habe) und später weiter gen Peenemünde, wo die Nazis die V2 entwickelt und getestet haben.


So viele Erinnerungen, so viele Geschichten. Und doch, man sieht es diesem unschuldigen Strand nicht an - noch immer wird hier eindringlich davor gewarnt, Bernstein nicht mit dem weißen Phosphor zu verwechseln, das aus Blindgängern und abgeschossenen Bombern der Alliierten noch immer Wasser und Strand verseucht.

Ich spüre weder Seitenstechen noch Krämpfe - alles läuft perfekt.


Ich werde noch 14 Wochen Zeit haben, mich auf den Start in die neue Saison vorzubereiten. Am ersten märz findet der Jerusalem Marathon statt, für den ich mich angemeldet habe. Startgeld überwiesen, Tickets gebucht. Ich versuche, die schrecklichen Kriegsnachrichten aus Gaza auszublenden und frage mich doch immer wieder, ob das eine so gute Idee war, einen Marathon in Israel laufen zu wollen.

Ich nehme mir vor, nach einem Laufshirt mit "Peace"-Aufdruck oder einer ähnlichen Botschaft zu suchen. Wenigstens Zeichen setzen ...


Nach 10 Kilometern erreiche ich den Scheitelpunkt meines ersten Halbmarathons. Wie schon im letzten Jahr, werde ich versuchen, 10 mal die Halbdistanz an einem Wochenende zu laufen, um dann in mindestens drei Sessions vor dem eigentlichen Event die Distanz auf 30 Kilometer zu steigern.

Das hat 2012 beim Barcelona-Marathon super geklappt. Meine Finisher-Zeit von 4:30 Stunden ist zwar nicht rekordverdächtig, aber für einen ersten Marathon ganz okay. Ich bin zufrieden.

Als ich zurück laufe sehe ich dank der leicht gebogenen Küste Usedoms, wie weit 10 Kilometer wirklich sind: Ich müsste hier, am Scheitelpunkt meines Laufes, eigentlich nur hinter die Düne klettern, schön stünde ich auf dem Gelände des ehemaligen Prüfstand VII. Der Ort, an dem der Mensch zum ersten Mal ein Objekt ins Weltall geschossen hat.


Es ist kurz nach 10, als ich im Hotel ankomme. Ich laufe eine Halbmarathon-Zeit von 2::07 Stunden. Das ist eine Pace von 6:25 min/km. Das ist etwas schneller als der erste Halbmarathon im letzten Jahr. Bis in 10 Wochen möchte ich die Pace auf 6:00 min/km steigern, um dann auf die 30 Kilometer zu switchen.

Wir werden sehen.

Sportlich ein guter Auftakt. Und für die Seele ein Hochgenuss, hier auf Usedom zu laufen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie in Israel und Gaza endlich eine Lösung, Frieden - oder wenigstens einen Waffenstillstand - finden. So sehr mich dieser erste, leichte und vollkommen beschwerdefreie Lauf erfreut - das Unbehagen im Bauch bleibt.

Sport ist eben doch keine hermetisch perfekte Glückswelt.



Hier geht es zu den Garmin-Daten meines Insel-Halbmarathons.

3. November 2012

Die Rennrad-Saison in Zahlen

Der Winter schmeckt uns nun mit jedem Atemzug, den wir allmorgendlich auf der Zunge spüren, kalt und feucht - ich habe meine Rennrad-Saison bereits vor 2 Wochen mit einer gemütlichen Herbstausfahrt á la HHB beendet: Ab dem 5.11. geht die Wintersaison los. Für mich heißt das: Marathon-Training für Jerusalem.

Es heißt aber auch, zurück zu blicken und ein bisschen die Zahlen versuchen zu verwerten.

Distanz auf dem Cervelo

2012 bin ich 8.662 Kilometer auf meinem R3 gefahren - keine Superleistung, denn verglichen hiermit sind andere Freunde von mir weit über 10.000 Kilometer unterwegs. Das liegt bei mir daran, dass ich keine großen Touren mehr fahre, wie damals meine 3-Wochen-Trips durch Kanada oder Japan, und auch nicht mehr große Distanzen zur Arbeit pendele. Die 4 Kilometer zur Agentur fallen da kaum mehr ins Gewicht.



2012 fahre ich 10 mal von Nord nach Süd durch Deutschland

Ich kann im Vergleich zum Vorjahr dennoch 1.707 Kilometer an Mehrleistung verbuchen: Keine Superdistanz, aber ordentlich, stellt dieses Ergebnis doch immerhin eine Steigerung von 24 Prozent dar. Und das, obwohl ich jobbedingt in 2012 kaum noch nach Feierabend trainieren konnte, sondern nur die Wochenenden zur Verfügung hatte.

Gesehen auf meine Gesamt-Leistungen (ich beginne erst 2008 ernsthaft, Rad zu fahren), kann ich 2012 fast an das Ergebnis des Jahres 2009 anknüpfen - jenem Jahr, in dem ich massiv Kilometer bei langen Touren geschrubbt habe.




Kontinuierlich steigere ich meine Gesamtkilometerleistung


2012 war ein Jahr der extremen Bergrennen für mich: Ich schaffe zwar nicht mehr die runde 50, aber immerhin stehen am Ende 48.395 Höhenmeter (gemessen mit Garmin Edge 800) auf meinem Konto. Da ich keine Vergleichswerte habe, nehme ich das mal als Startwert für eine nächste Erhebungsreihe, die ich Ende der nächsten Saison 2013 mit einem Vergleichswert werde füllen können.

Immerhin - fast 50.000 Höhenmeher für einen Flachland-Hamburger nenne ich eine ordentliche Leistung.

Verhältnis Rennen zu Training

2012 war ein tolles Jahr. Ich hatte einen Event-Kalender, der sich sehen lassen kann und mich noch immer in absolute Hochstimmung versetzt, denke ich an die vielen tollen Rennen zurück - Unserem Team SunClass Solarmodule sei Dank, durfte ich mich 2012 wie ein Profi fühlen.

Im letzten Jahr bestreite ich 5.050 Trainingskilometer. Hinzu kommen 880 Kilometer bei RTFs und 1.030 Kilometer bei Rennen.
In diesem Jahr sind es sehr viel weniger RTFs, nämlich nur noch 2. Und diese sind mit 343 RTF-Kilometern (inkl. HHB) sehr viel weniger ausgefallen, als noch 2011. Dafür kann ich mit 6.800 Trainings-Kilometern und 1.550 Kilometer bei Rennen hier massiv zulegen,.





Das Verhältnis von Rennen zu Training - +3% zu 2011


Zählt man eine RTF (und HHB ist für mich eher eine RTF denn ein Rennen), dann ergibt sich für dieses Jahr eine Steigerung des Verhältnisses zwischen Training und Rennen: Von 15 % auf 18 % Renn-Anteil.

Unsere letzte Saison 2011 war schon ein Knaller, als wir sieben Rennen im Rahmen des German Cycling Cups fahren konnten - dieses Jahr hat alles mit der Teilnahme am Gran Fondo New York, Dreiländergiro und Ötztaler sowie den Klasserennen in Italien und Spanien im Rahmen der UCI World Cycling Tour getoppt.

Im letzten Jahr fahre ich 10 Rennen (wenn man den RiderMan Rothaus als 3 Einzelrennen nimmt) mit insgesamt 1.030 Kilometern Gesamtlänge. 2012 ebenfalls 10 Rennen, mit rund 500 Kilometern mehr - eine gute Steigerung.




2012: Gleiche Anzahl an Rennen. Die aber länger & härter.


Meine 2012er Events sind also mit durchschnittlich 150 Kilometern immerhin 50 Kilometer länger, als noch 2011. Eine Zahl, die natürlich verfälscht wird durch die kurzen Einzelzeitfahren, die ich sowohl im letzten wie auch in diesem Jahr fahre.


Rennleistung in Distanz, Höhenmeter und Stunden

2012 war das Jahr der extremen Rennen: Ötzi, La Leggendaria und wie sie alle hießen - außer meiner Teilnahme am Velothon Berlin und dem Zeitfahren des HU Sunrace bin ich kein Rennen unter 2.500 hm gefahren - was sich auch in den Statistiken widerspiegelt:



Die Hammer zum Schluss.

Im Schnitt fahre ich 2011 also 103 Kilometer mit jeweils 1.050 Höhenmetern: Am Ende des Jahres im German Cycling Cup habe ich also 10 Rennen mit insgesamt 10.574 Höhenmetern bestritten. In diesem Jahr sieht diese Rechnung etwas anders aus.

29.132 Höhenmeter stehen nach 10 Rennen auf dem Konto - im Schnitt also 2.913 hm pro Rennen. Ich fahre 2012 also fast 3 mal so hart, wie noch im letzten Jahr, was die Höhenmeter angeht!



2012 fahre ich durchschnittlich 2.900 hm pro Rennen

Super interessant war allerdings die Erfahrung in diesem Jahr, eine Saison mit ihren Rennen und Events "strategisch" aufzubauen.

Formaufbau und Konservierung von Leistungen auf dem Rennrad

2011 beginne ich die Rennsaison mit 4 relativ gleichartigen Renn-Events, die allesamt knapp 3 bis 4 Wochen auseinander liegen. Im August pausiere ich.
Ich fülle die rennfreien Wochenenden mit vielen Trainings-Sessions, so zum Beispiel meine Hoopte-Runde oder die vor allem 2012 perfektionierten Elb d´Huez-Einsätze auf. Aber ich arbeite auf kein Gesamtziel, keinen Höhepunkt hin, sportlich betrachtet.



Wenn überhaupt, dann könnte man den 2011er-Einsatz bei den 3 Etappen des Rothaus RiderMan und dem 24-Stunden-Rennen "Rad am Ring" als Saisonhöhepunkt beschreiben.

Fakt ist: 2011 war zu "langgezogen" und von den Anforderungen her zu gleichförmig. Ich musste über einen langen Zeitraum gleichartige Leistungen liefern. Kein Wunder, dass ich schon im Frühherbst bei einigen Rennen einige male den Mann mit dem Hammer hinter mir verspürte.

2012 war da anders: Zum ersten mal ist es mir gelungen, ein Thema, eine Formkurve durch die Saison zu ziehen und über das Jahr auf ein Ziel hinzuarbeiten. Die Saison wirkt dadurch insgesamt kompakter.



Es ist kontrovers, ob es so klug war, gleich im April mit dem Gran Fondo Colnago und mit ihm mit einem Knaller, was sowohl was die Renndistanz als auch was die Anforderungen an meine Kletterfertigkeiten angeht, begonnen zu haben. Sicherlich ist aber die Verteilung der Rennen und die Reize, die ich dadurch im System setzen konnte, sehr viel besser gewesen, als noch vor einem Jahr.

Erstaunlich auch, dass zum Beispiel die fast 2 Wochen renn- und trainingsfreie Phase vor dem Ötztaler wahre Wunder gewirkt hat (Superkomensation?) und mich der Ötzi dann extrem fit geschossen hat, um nur eine Woche später beim 24 Stunden-Rennen auf der Nordschleife eine für meine Verhältnisse tolle Leistung abzuliefern.

Für 2013 - es stehen längst noch nicht alle Termine fest, auch sind noch nicht für alle Rennen die Startplätze gesichert - plane ich eine noch kondensiertere, noch konzentriertere Kurve, die möglicherweise auch nach oben zeigt. Ist es möglich, durch noch härtere Steigerungen (sowohl was Distanzen als auch und vor allem was Höhenmeter angeht) der Anforderungen sowie eine noch engere Abfolge von Renn-Events die Form schärfer auf den Höhepunkt zu treiben?

Wir werden es in knapp 14 Monaten sehen ...

Spaß und Freude

Bei allen Rennen, die ich sehr wohl mit einer höchst möglichen Akkuratesse und Ernsthaftigkeit angehe, ist mir auch in meiner dritten Saison auf dem Cervélo R3 nicht der Spaß an diesem und die Faszination für diesen Sport abhanden gekommen.



Klettern: Auch das Thema für 2013.

Ich habe die Berge noch mehr lieb gewonnen - Tirol, die Alpen und natürlich die Pyrenäen - und konnte mir wieder meine Schwachstellen aufzeigen lassen: Mangelne Kraft-Ausdauer für die wirklich langen, flachen Strecken (wie HHB) mit konstanter Trittleistung sowie zu wenig Kraft im Core, um Schulter, HWS und Arme im Sitzen zu entlasten. Dinge, an denen ich arbeiten werde.

Ich habe ein neues Rennrad bestellt: Kein Zeitfahrrad, wie einst enthusiastisch angekündigt, sondern ein reinrassiges Rennrad. Ich hoffe, dass es möglichst bald geliefert wird, denn es gibt nichts Motivierenders, als auf ein tolles Rennrad zu starren, sich den Frühling herbei zu sehen und von neuen, krassen Herausforderungen zu träumen.

Zwei davon sind schon gebucht und fix: Die Haute Route und die Primavera - Mailand-San Remo - sind wieder Events der Extraklasse, auf die ich mich schon sehr freue.

Nun aber beginnt erst einmal wieder der Winterpokal. Und mit ihm die Trainingssaison für meine Rennrad-lose Zeit. Ich werde im März wieder einen Marathon laufen und tausche deshalb Mavics und Cleats gegen meine Adidas-Laufschuhe ein ...


Euch allen eine tolle Winterzeit - und viel Spaß beim Planen und Träumen für 2013!



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Wertet Ihr Eure Trainingsdaten am Jahresende aus? Welche Ziele habt Ihr Euch für 2013 gesetzt? Ich freue mich auf Eure Comments.

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22. Oktober 2012

Ein Herbsttag - mein Zeitfahren Hamburg-Berlin ... bis Friesack

Es ist einer dieser Tage, die perfekter nicht sein könnten. Einer dieser Tage, an denen man sich wünschte, ein Roboterelektronenhirn zu besitzen, das ist der Lage wäre, jede einzelne Sekunde die man erlebt, in all ihren Einzelheiten aufzuzeichnen, jeden Blick in 360 Grad und in jedweder Farbschattierung abzuspeichern. Weil es ein perfekter Tag war. Ein Tag, das kein Foto und kein noch so blumiges Adjektiv vollständig beschreiben könnte.


Am Vormorgen mache ich dieses - mein 2012 wohl bestes - Foto vom Hamburger Sonnenaufgang aus dem Fenster meiner Agentur und ich weiß: Morgen wird das Wetter ähnlich sein. Die Vorfreude steigt umso mehr, je mehr ich mir den Wetterbericht besehe: Sonne. 18 Grad.

Ich werde ebenso früh - früher noch! - auf den Beinen sein, ich werde mich in diesen Farben suhlen, mich ertränken, mich ergötzen: Morgen mache ich mein eigenes Zeitfahren Hamburg-Berlin, nachdem ich beim echten Termin vor einer Woche wegen eines grippalen Infektes daheim auskurierend meinen Startplatz (fast) verfallen lassen musste.

Ein Fehlstart: Der Wecker klingelt nicht

Harald, der heute, an diesem wunderbaren Samstagmorgen auch HHB machen will, wird erst gegen 7 Uhr losfahren und das auch von Rothenburgsort: 295 Kilometer (es werden am Ende 298 km bei ihm auf dem Tacho stehen) in 12 Stunden Brutto? Mir zu heftig. Also alleine.

Ich stelle mir meinen Wecker auf 3:15 Uhr, denn ich will pünktlich 4:44 Uhr die S-Bahn nach Bergedorf nehmen, dort, wo ich meine privaten HHBs immer gern starte.


Als ich in der S-Bahn sitze, ist es 5:40 Uhr. Der Wecker klingelt aus unerfindlichen Gründen nicht. Ensprechend mies meine Laune. Ich komme erst um kurz nach 6 Uhr in Bergedorf los. Fast 1:20 Stunde Verspätung!

Noch immer ist es stockdunkel. Überraschend warm, obschon ich es kurz bereue (und gegen Abend noch mehr bereuen werde), nicht meine Windweste mitgenommen zu haben. Als ich bei Geesthacht am Sperrwerk die Elbe nach Süden überquere und langsam das Glühen Hamburgs hinter mir bleibt, tauche ich in eine perfekte Dunkelheit ein - über mir ein fantastischer, klarer Sternenhimmel!


Doch die Freude ob dieses Weltraumerfahrung hält nicht lange: Ich kann keine 30 Minuten die Dunkelheit (und die Leuchtkraft meiner neuen Rennrad-Beleuchtung) genießen, da zieht am Horizont schon silbern der Tag herauf. Schade, ich wäre gern noch länger im Dunklen gefahren.

Eine unbezahlbahre Stunde

Warum fahre ich HHB? Nun, in gewisser Weise ja immer noch, weil ich "eine Rechnung" mit dieser Strecke offen habe. Zu den Rennterminen habe ich noch nie ein Finish geschafft - ich scheitere zwei mal in 2010 und 2011 an diesem Trip. Beenden kann ich ihn dann "privat" im letzten Jahr.

Aber der eigentliche Grund ist jene Stunde, die ich nun, auf den ersten 30 Kilometern erlebe: Es ist der Sonnenaufgang.


Fast gespenstisch glatt liegt die Elbe links neben mir, schwarz die Silhouetten der Bäume, oben der Himmel dämmert Sekunde um Sekunde mehr auf, zart mischt sich Rosa in dieses Spiel und ich beobachte direkt vor mir - man fährt genau nach Osten und damit in diese grandiose Theatervorstellung hinein.

Deswegen mache ich das hier: Der einzige Tag im Jahr, an dem ich dieses überwältigende Schauspiel genießen kann.


Auf den Feldern steht dann und wann Nebel. Frischer Kuhdung, neben der Straße vom Bauern gerade abgekippt, dampft in die Heide und dichte Schwaden hängen wie Suppenschleier vor den feuchten Nüstern der Schafe, die mir immer wieder - vor allem am Deich - in dichten Gruppen sich gegenseitig wärmen zusammengedrängt, begegnen.

Die Kondensstreifen der Flugzeuge sind die, die wie frische Narben das erste Rot des Tages tragen.


Nass fühlt es sich an - obschon es trocken ist. Meine Nase läuft und in diesen ersten Stunden schnäuze ich bestimmt zwei Liter hinaus, immer wieder glitzert feuchtes Gras am Straßenrand, die Halme von schweren Tautropfen nach unten gezogen - wie Stroboskop-Licht tanzt mein LED-Kegel durch Schwaden von Nebel.

Nur das Surren meiner Kette.
Das Atmen meiner Lunge.
Sonst keine Geräusche.


Kurz vor Bleckede immer wieder - und dieses Jahr schon zum viertel mal: Die Sonne kommt hervor. Es ist immer dieses Geradeausstück, das ich befahre, während unser Zentralgestirn zwischen dürren Birken hervorlugt und mich erste Strahlen schüchtern wärmend durch die Zweige treffen.

Unbezahlbar, dieser Anblick!

Was für ein tolles Bild. Als habe Caspar David Friedrich höchstpersönlich den Bau dieser Straße an dieser Stelle in diese Richtung konzipiert.

Bleckede, Hitzacker - ein bisschen Höhenarbeit

Hamburg-Berlin glänzt mit Weite, nicht mit Höhe. Die paar Höhenmeter, die man auf dieser Strecke macht, sind auf einige wenige Kilometer und Anstiege beschränkt. Es ist nun schon fast taghell, als ich noch einmal links neben mir die ruhige Spiegeloberfläche der Elbe besehe, und es dann auch schon in die ersten Rampen geht.


Es ist kurzzeitig bis immerhin 13 Prozent steil - aber das nur für wenige Dutzend Meter und nie so schlimm, dass man hart arbeiten müsste. Im Gegenteil: Jetzt, wo die Sonne im Herbst so tief steht und schon morgens dieses sonderbare, faszinierende Goldlicht produziert, gibt mir die langsame Speed im Anstieg umso mehr die Möglichkeit, den Anblick auf die gefärbten Laubkronen die so sonderbar warm und doch unnahbar kalt wirken, eingehend zu studieren.


Vor dem Kniepenberg gibt es sogar eine kleine Serpentine (als Abfahrt) und wenig später zwei, drei schöne knackige Rampen. Natürlich kein Vergleich zu den Anstiegen zum Passo Stelvio oder den Bergen des Ötztaler Radmarathons, aber immerhin: Hier sei gelobt, wer ein 28er-Ritzel oder Kompakt fahren kann!


Um diese Zeit ist hier noch nichts los - ein weiterer Vorteil, wenn man so früh startet, noch dazu an einem Samstag: Perfekte Ruhe. Ich sehe in den ersten Stunden keine 5 Fahrzeuge. Mir gehört das alles hier. Ein einmaliges Gefühl.

Bis Dömitz - dreieinhalb Stunden Nonstop

In Dömitz ist traditionell der erste Kontrollpunkt des Zeitfahrens Hamburg Berlin und hier haben sie immer ein schönes Büffet aufgebaut. Bis dorthin werde ich heute etwa 3:30 Stunden benötigen. Ein knapper 27er-Schnitt. Nicht der schnellste Ritt meines Lebens, dafür ein umso intensiverer.


Herbstzeit, das ist auch Erntzeit. Neben mir haben sie die unsäglichen Maisfelder größtenteils schon abgeerntet, dann und wann duften Graswiesen frisch gemäht - ein Duft, der in dieser Morgenfeuchte betörend wirkt, wie ein gutes Olivenöl auf der Zunge liegt. Geschwängerte Luft.

Dann wieder blanke, braune Erde. Matschgeruch. Dung. Mit jedem Feld ändern sich die Nuancen. Ich werde hier zu einem Connoisseur der Felddüfte. Habe viel Zeit, die Spielarten der Landluft zu studieren. HHB, das ist auch Naturerlebnis pur.


Es geht bei Kilometer 98 über die Elbe - die Dömitzer Brücke führt mich nach Mecklenburg-Vorpommern. Es ist nach einem Ministück Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen das vierte Bundesland, durch das ich heute komme - es werden mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin noch 3 weitere folgen. (Danke Harald :)

Die Brücke zu überqueren ist immer ein Meilenstein bei HHB. Ein Erhebender dazu: Ich habe das erste Drittel geschafft.


Bei perfektem Sonnenschein setze ich mich auf die Bänke, halte beim Kauen (ich habe sechs Vollkornstullen mit Salami dabei) Ausschau, ob ich im Sandboden noch Spuren meiner HHB-Mitstreiter von letzer Woche entdecke: Die Rennrad-Cleats machen hier unverwechselbare Abdrücke.

Da sitze ich, verdrücke zwei Stullen, eine Banane, trinke dazu reichlich und drücke mir noch ein Power-Gel rein. Denn was jetzt folgt, könnte Anstrengender nicht sein.

Durch das Death Valley Sachsen-Anhalt/Brandenburgs

Endlose Landwirtschaftswege.
Absolut flach.
Sonne blendend im Gesicht.
Keine Menschenseele.
Stunde um Stunde.

Hier ist die Erde noch Scheibe.


Die einzige Abwechslung der in ihrer unfassbaren Eintönigkeit wiederum so faszinierenden Kulisse liegt im Bewuchs der Felder oder in der Farbe der Brachen neben den wie mit einem Lineal brutal durch die Lanschaft schneidenden, mitunter perfekt asphaltierten Sträßchen.

Es geht kilometerweit nur gerade aus.
Oft fahre ich Schlenker. Nur um zu sehen, ob mein Lenker nicht schon festgerostet ist.

Es bleibt viel Zeit. Vor allem, wenn ich meinen MP3-Player ausmache. Und in die Stille horche - den so unglaublich weiten blauen Himmel über mir.


Ab und zu eine Kuhherde. Schafe finden sich hier keine mehr. Auch die Elbe ist außer Sichtweite.
Die Nutztiere blöken mich nicht einmal an. Nur wenige schauen teilnahmslos. Menschen, so etwas kennen sie hier wohl nicht. Interessiert sie auch nicht.

Wer kümmert sich hier um Euch? Gibt es hier Bauern? Gehöfte?

Keine Telefonmasten. Nur ab und zu eine Starrkstromleitung. Die hängt weit über mir. Transportiert Energie in die weit entfernten Ballungsräume. Hier aber scheint nichts und niemand zu sein. Wilde Kuhherden streifen übers platte Land.

Die German Great Plains.


Ich freue mich, wenn dann und wann mal Bäume den Rand säumen. Heute habe ich Glück: Zwar weht wieder ein Süd-Ost-Wind direkt in mein Gesicht, der ist aber so schwach, dass er kaum Leistung kosten sollte. Das habe ich aber schon anders erlebt: Wenn hier mal richtig Wind geht, von vorn, verhungert man auf diesem Teilstück von HHB förmlich.

Kein Wald. Kein Windschutz. Nichts.


Nur bei Gegenwind bringt die Gruppe hier etwas. Sobald er von der Seite kommen sollte, war es das - effektive Windstaffeln sind auf diesen kaum 3 Meter breiten Straßen eine höchst gefährliche Angelegenheit.

Mit Triathlonaufsatz in Zeitfahr-Position

Ich fahre heute mit den Tria-Aufsätzen. Auf den langen Geradeausstücken kann ich mich bequem ablegen, den Kopf senken und - wie ich finde - entspannter und energieschonender treten.


Lange aber halte ich das nicht aus: Mein Sattel ist nicht nach voorn gekippt und auch wenig gepolstert. In der starren Tria-Position lange zu verharren ist daher kaum förderlich. Kilometerfressen ist hiermit nicht möglich: Dazu müsste ich mein Rennrad noch mehr abstimmen.

Und ich merke es wieder: Ich bin kein Mann der weiten Strecken. Eher einer der Berge. Immer und immer wieder denke ich da an meinen Plan, mir ein Zeitfahrrad zu kaufen. Gut, dass ich das nun nicht tun werde.

Ich hätte mich geärgert.

Wittenberge - die Hälfte ist im Sack

Traditionell stückle ich mir HHB wieder zurecht. Bis Dömitz kann man gut in einem Stint durchfahren. Doch nachdem die Elbe hier auf die rechte Seite gewechselt ist, baue ich nun mehr, kleine, Pausen ein. Bei Wittenberge, knapp 50 Kilometer hinter Dömitz, mache ich meine Zweite.


Wittenberge ist schnell durchquert - hier lege ich mich hinter der Stadt an den Deich. Ich habe für die 50 Kilometer bis hier her 1:50 Stunde gebraucht: Ein glatter 25er-Schnitt.

Weniger, langsamer als das fast doppelt so lange Stück nach Dömitz, ein km/h langsamer. Ich bin heute nicht gut drauf. Die Saison war lang und sehr hart. Letzte Woche kämpfe ich noch mit einem grippalen Infekt und seit dem letzten Rennen - mein 24-Stunden-Einsatz bei Rad am Ring - saß ich nicht mehr auf dem Rennrad.

Das ist dann jetzt auch schon knapp 6 Wochen her.

Ich reibe mir großflächig den Damm mit Ibutop ein - einer Ibuprofen-haltigen Schmerzsalbe - und schwinge mich nach 15 Minuten wieder in den Sattel. Georg hat eine SMS geschickt - er ist jetzt wohl 50 Kilometer vor Havelberg, meinem nächsten Etappenziel.


Ich wechsle nach einem kurzen Abstecher hier nach Sachsen-Anhalt ins Land Brandenburg, mein Heimatland, und fühle mich sofort wohl auf den prächtigen Alleestraßen, die seinerzeit schon die berittene Garde der preußischen Reiter Friedrichs des Großen durchgalloppiert haben mögen.

Und ich denke mir so, was wohl angenehmer sei: Mein Cervelo aus Carbon, oder der Ledersattel eines stattlichen Rosses?


Ein letztes Mal winke ich der Elbe, ehe sie nach Süden in Richtung Tangermünde und Magdeburg abknickt. Von nun an wird mich die Havel begleiten.

In Brandenburg, so habe ich das Gefühl, bauen sie weniger ekelhaften Mais an. Vermaiste Landschaften, ich kann den Biosprit-Wahnsinn noch immer nicht verstehen und freue mich über jeden Rüben-, Kartoffel- oder Stevia-Acker, den ich sehen kann.


Wo sind nur die prächtig-gelben Raps-Landschaften meiner Kindheit hin?

Entscheidung in Havelberg

Mir schwinden die Kräfte. Ich erreiche Havelberg - 33 Kilometer nach Wittenberge - nach einer Fahrtzeit von eineinhalb Stunden. Wieder ein bisschen langsamer. 24,3 km/h Schnitt. Unmissverständlich zeigen mir diese Leistungswerte, dass das hier heute nicht mein Tag ist.


Ich fühle mich nicht schlecht, das nicht. Es tut auch nichts weh. Ich merke nur, dass ich keine Kraft mehr habe. Der Saisonhöhepunkt scheint wohl überschritten.

Ich rechne: Ab hier sind es noch etwa 90 Kilometer bis Spandau. 90 Kilometer mit diesem Schnitt, das sind noch fast 4 Stunden. Plus etwas Pause dazu. Sagen wir viereinhalb, besser 5 Stunden. 5 Stunden? Ich habe einen Zug um 19:30 Uhr gebucht. Es ist jetzt 14:30 Uhr. Reichen würde die Zeit noch - nur ich hätte dann keinen Sicherheitspuffer. Und das Garmin ist auch fast leer. Navigieren durch die Dörfer Rand-Berlins? Oder doch alternativlos-suizidal die B5 durchballern?

Ich beschaue mir die fantastisch gefärbten Blätter über mir. Und beschließe.


Dass ich noch bis Friesack fahren werde. "Die 220 km voll machen", schreibe ich Georg in einer SMS.

Für mich genug heute. 220 Kilometer, dazu die An- und nachher in Hamburg die Abreise vom Bahnhof, da komme ich auf 230 km Tagesleistung. Ordentlich, für meine Jahresend-Facon, beschließe ich.

Hinzu kommt: Alles ab Paulinenaue ist nur noch nervig. Nauen, die B5, Brieselang und die lange Anfahrt furch Falkensee bis Berlin sind einfach nur unschön. Nee, heute nicht.

Ich hatte heute die schönste Herbsttour, die man sich wünschen kann.
Mehr wollte ich nicht.
Und beweisen muss ich niemandem mehr etwas.


Sobald diese Entscheidung getroffen ist, fährt es sich gleich entspannter. Nur die vielen Spinnen an ihren feinen, luftleichten Fäden nerven mich noch, aber nur ein bisschen. Nur wenige Kilometer braucht es, und mein Rennrad, meine Jacke, meine Brille sind verklebt mit den weißen Fäden.

Ich drehe mich um und habe eine Schweif wie der weiße Zauberer aus Herr der Ringe. Aber das alles kann mich nicht mehr aus der Ruhe bringen: Ich genieße einfach diese letzten Kilometer.


Vor Rhinow wird es wieder schnurgerade. Leider nimmt auch der Verkehr zu und ich sehne mich zurück zu jenen menschenleeren Straßen heute morgen: Ich ohrfeige mich, das der Wecker nicht geklingelt hat. So sind mir heute morgen wertvolle 1,5 Stunden abhanden gekommen.
Das Sicherheitspolster, das mir so wichtig wäre, würde ich jetzt doch das ganze Stück bis Berlin-Spandau fahren wollen.


Hinter Rhinow fahre ich noch das Stück bis Friesack, wo ich die HHB-Strecke nach 42 Kilometern ab Havelberg verlasse. Ich habe bis hier her seit meiner letzten Pause knapp 1:40 Stunde gebraucht, was einen Schnitt von 25,5 km/h ausmacht. Etwas schneller bin ich also geworden.

Tatsächlich überlege ich noch kurz - immerhin sind es keine 50 Kilometer mehr bis Berlin - ob ich hier auf  Harald und Georg warten soll, um mich an sie heran zu hängen. Nachdem mir Georg aber von einem "31er-Schnitt" auf der Hinfahrt berichtet und beide später am Bahnhof den Stint nach Berlin mit 28 km/h Durchschnitt gemacht haben werden, bereue ich meine Entscheidung, hier in den Zug gesprungen zu sein, keineswegs: Ich hätte beide nur unnötig gebremst (und die kamen um 19:10 Uhr ja auch nicht gerade komfortabel an).


So lehnt mein Rennrad gegen 16 Uhr am Bahnhofs-Zaun, der Regional-Express bringt mich die letzten paar Kilometer - 4 Stationen - in 20 Minuten nach Berlin-Spandau, wo ich es mir gemütlich mache und dem verrückten Treiben der Hertha-Fans und Bahnhofsklientel zuschaue.

Kurz nach 19 Uhr dann treffen Harald und Georg ein. Wir schnacken noch ein bisschen, ich beglückwünsche Harald und wir geben uns die Hand. Harald und ich springen dann auch schon in den komfortablen EC der Österreichischen Staatsbahn.


Die Fahrt wird nach 2 Stunden vorbei sein.

Harald kann stolz sein: Er wird seine 298 Kilometer in 12 Stunden heruntergeritten haben. Hut ab vor dieser Leistung! Und Punktlandung ohne Wartezeit am Bahnhof noch dazu. Auch Dank der Lokomotiven-Leistung von Georg, der ihn anscheinend etwas in Schlepp genommen hatte.

Ich selbst freue mich über diesen tollen Herbsttag, immerhin auch 230 Kilometer auf der Saisonabschluss-Fahrt auf dieser wunderschönen Tour. Zu Hause erwartet mich eine lange heiße Dusche und ein mindestens ebenso heißer Kuss meiner Süßen. Besser geht es doch gar nicht, oder?

Und Danke auch an Burkhard vom Audax-Club SH, der meinen Startplatz für das echte HHB mit in 2013 nehmen wird. In 12 Monaten also - nächster Anlauf. Es bleibt also spannend ...



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