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28. April 2012

Auf die sanfte Tour: 1.000 Höhenmeter in Hamburg.

Ach herrlich. Heute war einer dieser Tage, an denen einfach alles stimmt: Nachdem der Schock (Regen!) des Morgens nach dem Aufstehen bereits nach wenigen Stunden überwunden war, denn die liebe Sonne und ein lauer, aber kräftiger, Wind den nassen Asphalt getrocknet hatten, sattle ich mein Cervélo und mache mich auf zu einer erneuten Trainingsrunde in den Blankenser Elbbergen.

Wie schon vor einer Woche, beschließe ich 1.000 Höhenmeter der "lockeren Art" zu sammeln. Anders als sonst will ich mir nicht die Kante beim Elb d´Huez-Run über den Waseberg geben, sondern die Runde wieder anders herum fahren. Über den Falkenstein. (ohne "c" :)


Die Falkensteiner Schlucht ist genau das, was ihr Name sagt: Eine fürs nördliche Flachland hier schon recht beeindruckende Schlucht, tief eingegraben, unbebaut - und gerade in diesen Tagen, da das neue Grün der Bäume so frisch vor sich hinsprießt, ein wahres Leuchtwunder der Natur.

Ich komme nach 25 Minuten Schussfahrt (Yeah! Rückenwind!) an der Tankstelle an und begebe mich sogleich auf meine erste Runde: Waseberg runter, dann am Ufer lang und schon liegt sie nach 5 Minuten vor mir. Die Schlucht.

Im unteren Teil geht es ganz gemütlich zu: Auf einhundert Meter steigt die Straße um keine 4% an und ich könnte hier locker mit mehr als 20 km/h hochkurbeln - mache es aber nicht, denn ich weiß, was da kommt. Der Anstieg über den Falkenstein ist wesentlich harmloser als die pure Brutalität des Wasebergs - keine Wand, die sich da auftürmt.

Eher die Tücke der Arhythmie.

Denn auf halber Strecke - kurz hinter der ersten Linkskurve - geht es kurz, aber knackig!, nach oben. 14, 15% mag es hier für wenige Meter haben.


Ich gehe kurz aus dem Sattel, trete mich hoch und setze mich sogleich hin: Durchatmen! Langsam machen - noch ist gerade einmal die Hälfte geschafft.

Der Asphalt ist (wie auch am Waseberg) miserabel. Vielleicht sogar noch schlechter: Tiefe, breit ausgewaschene Risse, eine Menge spitzer Bruchkiesel und bröckelndes Flickwerk vergangener Jahre machen es schwer, sie in Ruhe aufs Treten zu konzentrieren: Immer ein Auge auf die Straße haben!

Nach dem ersten kurzen Stint geht es mit 10, 11% weiter. Die fahre ich ruhig im Sitzen. Muss aber schon merklich ziehen. Dann, ich kann das große "S" der beiden letzten Kurven schon vor mir sehen, zieht die Steigung an. Noch immer sitze ich, muss aber kräftig treten. 14, 15% mag das hier jetzt haben.

Und dann - kurz nur, keine 15 Meter lang - kommt ganz oben die Krönung: Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde dieser Rampe eine 18% geben. Hier gehe ich aus dem Sattel und polke mich mit 5, 6 kräftigen, schnellen Umdrehungen hoch.



Falkenstein - Fahren mit Technik.

Den folgenden Anstieg über den Kösterberg spürt man kaum. Allerdings bin ich nach dem dann doch auch kräftezehrenden Anstieg voher langsamer als die Rennradler, die mich hier mühelos überholen. Aber lass sie ziehen - ich muss das hier noch 12 mal machen!

Den Waseberg gehts in Paris-Roubaix-Manier bergab. Ich halte mich konsequent links, denn dort ist der - allgemein bescheidene - Belag noch am besten. Sobald Gegenverkehr kommt (und der kommt da häufig) geht das natürlich nicht.

Zitterpartien und Schrecksekunden, wenn ein allzu PS-verliebter Cayenne-Fahrer plötzlich um die Kurve fegt, schön aufs Gas tritt, denn den Waseberg hinauf machts bei Fullspeed erst so richtig Spaß! Noch schwieriger wird es, wenn der Bus des HVV genau in der Kurve kommt - der schiebt sich weit auf die Gegenfahrbahn, um die Kurve zu nehmen. Gerade so kann ich das Rad noch um die rettenden Zentimeter ausweichend gegensteuern.

Den Waseberg hinunter lasse ich deshalb die Bremsen nur im oberen Teil und kurz nach der Brücke los - sonst bremse ich mich runter. Sterben muss heute nicht sein ...


Als ich auf der 5ten oder 6ten Runde wieder den Falkenstein hoch will, steht da ein Mann vor einem Pfosten. Er hat seine Mütze vor seinem Oberkörper. Er verbeugt sich kurz. Sieht mich, sein Blick bleibt kurz an mir hängen. Dann setzt er seine Mütze auf und geht in den Wald. Schnell verschluckt ihn das Grün.

Erst eine Runde später, nachdem ich mir im Anstieg ein supergeiles Duell mit einem RG-Uni-MTBler geliefert habe (gewonnen, natürlich), schaue ich genauer hin: Was ich noch eben für ein Vogelhaus gehalten hatte, ist ein Kreuz.

Auf meiner letzten Runde halte ich an. Das Kreuz ist Stefan Christiansen gewidmet. Der Rennradler verunglückte hier, wie das kleine Schild auf dem Kreuz verrät, vor 11 Jahren.

Der Junge war 16 Jahre alt.

Kurz schalte ich die unpassend treibenden Beats meines MP3-Players aus und stehe vor dem Kreuz. Vögel zwitschern und Wind raschelt im frischen Grün, das man jetzt noch so gar nicht als Laub bezeichnen mag. Ich bin nachdenklich. 16 Jahre alt.


Waseberg und Falkenstein gehören zu den steilsten Anstiegen, die wir in Stadtnähe in Hamburg haben. Ich liebe Beide.

Den Waseberg, weil er so einfach, so kompromisslos, so brutal und in seiner Simplizität doch so schön ist: Senkrechte Wand. Fahr hoch. Halte nicht an!
Den Falkenstein mag ich, weil er technisch anspruchsvoller ist. Etwa doppelt so lang wie der Waseberg dann auch länger "quält." Beide zu fahren bereitet mir unendlich Freude.

Als Abfahrten allerdings sind beide gefährlich: Schlechtester Asphalt, am Waseberg ständig (Gegen-)Verkehr. Aber der wenigstens (oben) einsehbar.

Die Abfahrt über den Falkenstein halte ich für noch gefährlicher: Im oberen Teil taucht die Straße plötzlich weg (die letzte Rampe) - wenn sich da gerade ein Auto befindet, sieht man es nicht. 3 Kurven machen die Abfahrt unberechenbar: Da diese nicht einsehbar sind, ist jedes Mal dort hinunter ein Glücksspiel. Dazu der schlechte Asphalt - sicher kann man eigentlich nur in der Mitte fahren. Aber da trifft man auch sicher die Motorhauben.

Ich fahre - nicht nur wegen des mich jetzt genau von vorn hart treffenden Gegenwinds - etwas langsamer als sonst heim. Ohne Musik im Ohr.

16 Jahre.



.
1.000 Höhenmeter über den Falkenstein: Der Garmin-Track

25. April 2012

Just sayin ...

Tja, da hatte ich also mal ganz viel Langeweile und dachte mir, ich miste meine Radsport-Zeitschriften-Sammlung mal aus. Das mache ich alle paar Monate - blättere in den Ausgaben, erfreue mich an dem einen oder anderen netten Bericht und schwelge in Erinnerungen.

So wie gestern: Auf meinem Wohnzimmertisch türmen sich drei Haufen ProCycling, Tour-Magazin, Rennrad und Roadbike.



Insgesamt eine schöne runde Zahl von 66 Zeitschriften. Die Euro, die ich da investiert habe, will ich mal lieber nicht ausrechnen ...

Als ich so lese, bemerke ich etwas: Der Canyon-Effekt. Irgendwie sehe ich nur noch ... Canyon.

Der Canyon-Effekt

Wo ich hinschaue, wohin ich auch blättere und egal in welche Ausgabe ich schaue: Immer Canyon. Und da im TV gerade wirklich nichts läuft, nehme ich mir einen Stift und einen Zettel und mache mal eine kleine Statistik.


Ich protokolliere den Namen der Zeitschrift und schaue mir jeden Test an. Wird in dem Test ein Canyon mit getestet? Dann gibts ein Kreuzchen. Natürlich notiere ich mir auch die Testnote.

So komme ich von einem "Überragend" zum anderen. So lese ich durchweg von "bester Verarbeitung", "präzisester Lenkung" oder wenn gar nichts mehr geht vom "besten Preis-Leistungs-Verhältnis." Ich komme mir vor wie Bart Simpson an der Tafel, vor lauter "Überragend".


Wirklich: Egal, wo ich schaue, in fast jedem Test tauchen die selben Kandidaten auf! Es ist immer ein Canyon mit dabei. Und wenn es dabei ist, dann meistens auf dem Siegertreppchen.

"Moment mal!", denke ich mir da - "So überragend wie diese Marke kann das doch gar nicht gehen! Wenn es so eindeutig ist, dann müssten wir alle ja nur noch Canyon kaufen! Schön blöde, wenn man als Verbraucher da zu einer anderen Marke greifte?!"


Und siehe da: Die Verbraucher sprechen - der große Tour-Test (für den in der aktuellen Ausgabe wieder der Fragebogen für 2012 drin ist) bescheinigt mir, was ich anhand der Testergebnisse schon gedacht habe. In allen Kategorien siegt Canyon!

Na bitte! Jeder mag die Räder!

Sparfüchse fahren drauf ab, im Mittelklassebereich wird Canyon gefahren, die Bestseller sind direktversendete Canyons und selbst bei den High-Tech-Rennrädern kann sich das Canyon gegen Marken wie Simplon (High-Tech?), Specialized und all die anderen No-Names wie Trek, Cervélo und wie sie alle heißen, durchsetzen.

Erfolg auf ganzer Linie!

Canyon im Tour-Magazin

Vor mir liegt ein Stapel alter Tour-Magazine. Ich zähle 18 Ausgaben, darunter viele Ausgaben mit so lieb gewonnenen Reportagen wie die über das Stilfser Joch oder das Zeitfahren Hamburg-Berlin 2010.

Was sagt meine Strichliste?

Ah, klar. In den 18 Ausgaben, die ich bei mir noch zuhause habe, sind 13 Ausgaben, in denen Tests mit Canyon-Rennrädern enthalten sind.

Kein Wunder, dass sich bei mir der Canyon-Effekt eingestellt hat: Canyon dominiert die Tests. Sicher - da taucht auch immer mal wieder ein Rose auf. Cannondales finden sich auch sehr häufig und die Tests sind allesamt - mal mehr, mal weniger - breit aufgestellt.

Aber eines, das ist fast immer mit dabei - das Rennrad aus Koblenz.


Das hat Tradition: Schon beim großen Tour-Lesertest 2010 hat Canyon abgeräumt wie Lady Gaga bei den MTV-Music Awards. Allerdings etwas bescheidener - damals siegten die Jungs vom Rhein in nur 3 von 5 Kategorien. Aber jeweils immer haushoch.

Ich will hier mal nichts unterstellen, das das klar ist. Ich sag ja nur ...

Penetration formt Meinung

Kann es sein, dass die Lesermeinung, die in den großen Tour-Tests zum Ausdruck kommt, auch ein Produkt der permanenten Penetration mit der Marke Canyon ist?

Wenn ich mich an RTFs oder Rennen erinnere, sehe ich viele Canyons - klar. Aber ich sehe keineswegs eine solch hohe Dominanz dieser Marke draußen, wie es die "Lesermeinung" vermuten lassen würde. Also könnte doch was dran sein, an der These, dass das stetige Bombardieren mit guten Testurteilen irgendwie Spuren hinterlässt?


Meine Strichliste spricht da klare Worte: In allen 18 Ausgaben der Tour, die ich zu Hause habe, sind 72 % der Tests mit Canyon-Beteiligung (und entsprechender Platzierung von Bild und Text).

Und von diesen Tests fährt das Canyon einen Sieg nach dem anderen ein: Sagenhafte 84 % aller Tests in meinen Tour-Ausgaben gewinnt Canyon.

Wow! Was für eine Supermarke, mag man da denken, oder?

Werbetext für Fortgeschrittene

Ich arbeite seit 10 Jahren in der Werbung. Begonnen habe ich als Redakteur beim TV, später einige Jahre für einige große Agenturen und Kunden als Texter gearbeitet. Ich weiß, wie das geht, gut zu texten. Bin da auch durch eine harte Schule gegangen.

Das, was die Tour an Texting abliefert, ist - aus Werbesicht - aller erste Sahne!


Da wird durch eine Headline - im oberen Fall "Kluge Wahl" - gleich mal eine Aussage in den Raum gestellt. Direkt neben der Headline platzieren die Redakteure (natürlich auch für Leute, die nur schnell mal drüberfliegen genau im diagonalen Lesefluss) die kleinen Rennradbildchen samt Namensnennung.

Dazu - ohne näher zu spezifizieren, zu welchem Rennrad und welcher Marke es wirklich gehört - eine "tolle Zahl" (mein erster Chef nannte das immer Facts´n´Figures - "Das muss schnell hängen bleiben!") und schon ist der Leser programmiert: Kluge Wahl - wenn ich ein Canyon nehme - 1,6 Bestnote

Und da kann man aufschlagen, welche Tour man will - mir als Werbefuzzi geht da ein Herz auf. Toll gemacht!


Da steht an erster Stelle das Canyon auf Platz 1 - daneben wieder Facts´n´Figures. Die haben unter Umständen gar nichts mit dem Canyon zu tun (die 874 Gramm für den leichtesten Rahmen gehörten nicht zum Koblenzer) aber es sieht so aus und erfüllt seinen Zweck.

Redaktionelle Platzierungen

Die hohe Kunst der Webeplatzierung - "im redaktionellen Umfeld" - beherrschen die Macher der Tour natürlich auch aus dem Effeff.


Bei einem Beitrag, der sich im Grunde genommen um ein Thema dreht, der nun wirklich rein gar nichts mit Canyon zu tun hat, wird durch geschickte Produktplatzierung ein Transfer der redaktionellen - und tatsächlich unabhängigen Inhalte - auf die Marke Canyon erreicht.

Im Falle oben geht es um die neue Generation von Supercomputern: Garmin, SRM und Co sind die eigentlichen Inhaltslieferanten. Das großformatige Foto, die sportliche Inszenierung und klar erkennbar das Canyon-Logo saugen Attribute wie "modern", "High-Tech" oder "up-to-date" auf und nehmen es von Garmin weg - übertragen es auf Canyon.

Unbezahlbar!

Organ des Koblenzer Direktvertriebes

Ich kann mich noch gut an die Zeitung der DDR aus meiner Kindheit erinnern: Das Neue Deutschland (Jibma det Endee her!). Unter dem Titel stand immer "Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands". Ja, die gute alte alte Zeit ...

Im Prinzip könnte sich die Roadbike doch so etwas Ähnliches als Subline hinschreiben. Es würde zumindest passen.


In den zufällig genau auch 18 Ausgaben, die ich auf meinem Tisch gesammelt habe, finden sich 14 Tests mit Canyon-Beteiligung. Und, Ihr werdet es ahnen, auch hier ist es überraschend, wie oft das Canyon in den verschiedensten Kategorien siegt.

"Naja, wenn die Tour mit den aufwändigen Testverfahren Canyon gut testet, dann kann das die Roadbike ja nicht anders machen, oder?" Stimmt - Qualität ist Qualität.

Und ein Rennrad ist entweder steif - oder nicht. Ob das nun die Tour herausfindet oder die Roadbike, ändert ja am Rennrad nix. Logisch.



Na, statistisch gesehen - ich erzähle nichts Neues - überrascht mich die Torte, die sich aus den Zahlen ergeben, dann auch nicht: 77 % meiner Roadbike-Ausgaben featuren Produkte von Canyon -  71 % kann die Marke gewinnen. bei 21 % werden sie Testzeiter.

92 % sehr gute Ergebnisse in allen Tests der Roadbike. Was für ein Traumergebnis!

Neue Zielgruppen

Jedes Unternehmen will wachsen - auch und gerade in der Krise, in der wir uns befinden und zusammen mit den immer härter werdenden Marktbedinungen, die die Globalisierung mit sich bringt, ist es gerade für ein Luxusprodukt wie das Rennrad essenziell, neue Märkte und neue Zielgruppen zu erobern.


Die Frauen sind - leider - im Rennradbereich noch in der absoluten Unterzahl. Also wird, zurecht und sehr gut, wie ich finde, von den Radsportmagazinen hier enorm viel unternommen, um die Damen für unseren tollen Sport zu begeistern.

Natürlich funktioniert auch hier die Markenprogrammierung durch eindrucksvolle Testergebnisse und redaktionelle Platzierung von Produkten wunderbar.

Welches Mädchen möchte nicht auf einem schneeweißen Superrennrad einen tollen Po durchs Peloton tragen?


Für Canyon betreibt die Tour einen massiven Aufwand, der teilweise absurd wirkt: In einem Special über Aero-Räder und Triathlon-Bikes wird - na klar! - ein schnittiges Canyon gezeigt. Dabei spielt gerade im TT- und Triabereich diese Marke nun wirklich keine Rolle!

Beim Kona Bike Count 2011 landet Canyon abgeschlagen weit hinten. (Cervélo gewinnt, aber das nur am Rande). Klar, dass die Zielgruppe für die Koblenzer interessant ist. Klar, dass hier eine Platzierung mit Wort und Bild den einen oder anderen Neuling ... überzeugen könnte.

Steter Tropfen ... und so weiter.

Emotionen

Marken brauchen Emotionen. Sie brauchen sie so, wie wir die Luft zum atmen. Ein Bianchi wäre nichts, ohne die 125-jährige Tradition, ohne Bartali und Giro. Ein Cervélo wäre nichts, ohne Gerard Vroomen und Mr. White, ohne 3 Paris-Roubaix-Gewinne. Ein De Rosa wäre nichts ohne Ugo. Ein Colnago nichts ohne Ernesto.


Canyon hat kein Gesicht. Oder doch?


Ete Zabel - unser aller Liebling. Ich hoffe, sie entlohnen Dich angemessen, denn Deine Dienste für Canyon sind eigentlich unbezahlbar!

40er Schnitt - weeßte wie schlecht det is?

Erik Zabel war nach der Schmach, die wir mit Ulle erleben mussten, einer der einzigen Sympathieträger eines Radrennsportes, der durch (maßlos aufgebauschte) Dopingskandale immer mehr in Verruf geraten war. Ete, nicht zuletzt durch eine Siegesbilanz, die ihresgleichen sucht, durch den wunderbaren "Höllentour"-Film und sein tränenreiches Geständnis vor laufenden Kameras, Ete ist Vorbild geblieben.

Ete ist einer von uns. Ete ist schwer in Ordnung. Ete, dem nehm´ ich das ab!


Umso besser, wenn dieser Ete dann als "Markenbotschafter" im Canyon-T-Shirt Interviews gibt (auch wenn es oft gar nicht um Canyon geht, sondern um seinen Sohn (Alles Gute, Rick!) oder um Zabels Tätigkeiten bei Katusha.

Denn so werden all die positiven Emotionen, die wir mit ihm verbinden, auf die Marke übertragen. Das, was Canyon als Versendermarke ohne Gesicht, ohne Geschichte fehlte - das holt Ete souverän raus.

Ete ist tausendmal präsenter, tausendmal wertvoller, als der Fakt, dass Canyon seit langem ProTour-Teams sponsort. Ete bringt Emotion ins Spiel.



Natürlich kann Erik das nicht alles alleine managen - immerhin braucht eine Marke auch Geschichte. Also warum nicht mal zum "Macher" hinter Canyon fahren und 2 Doppelseiten die tolle Story des Unternehmers erzählen?

Sicher: Ich habe höchsten Respekt vor Herrn Arnold und seinem Werk, das er mit Canyon aufgebaut hat. Keine Frage. Eine Traumkarriere und eine Riesenleistung. Oder sagen wir es so: Er hat es geschafft, mit ungelabelten No-Name-Frames made in Fernost eine Marke aufzubauen, die mittlerweile selbst entwickelt, ganz vorne in der Rennradliga mitspielt und eine Erfolgsgeschichte ist, auf die man stolz sein kann.

Absurd?

Manchmal allerdings, da übertreiben es die Jungs, wie ich finde. Wie zum Beispiel beim großen Aero-test vor einem Jahr. Ich musste lachen. Musste den Kopf schütteln. Und war stinksauer.


Da lässt die Tour-Redaktion das nagelneu Entwickelte Canyon-Produkt Aeroad gegen - unter anderem - das Cervélo S2 anreten. Ein S2 mit schwacher Ausstattung noch dazu!

In der Spezifikation, wie es die Tour getestet hat, würde sie niemand, der ein Aero-Rad kaufen wollen würde, dieses Rad zusammen stellen. Und hey, warum das S2? Warum nicht gegen das Alphatier?

Das macht die Tour dann wenig später. Wieder das Aeroad. Aber diesmal gegen das (damals noch) Premiumprodukt Cervélo S3. Im Text verklausuliert müssen Windkanalprobleme des Aeroad verschleiert dargegeben werden (armer Redakteur, der sich da bestimmt ein Bein ausgerissen hatte) und es wird das S3 abgewertet, durch eine angeblich schwache Garantie.

Leute: Cervélo gibt 15 Jahre Garantie und hat ein super Crash-Replacement. Auch damals schon!

Ich will hier nichts unterstellen ... ich sag ja nur ...

Übrigens gewährt Canyon 6 Jahre.

Cervélo-Komplott?

Wo wir gerade bei Cervélo sind: Ich will ja hier nicht mit Dan Brown kommen und auch kein zweites "Loose Change" aufmachen, aber etwas spanisch kommt mir das schon vor:


In den 66 Ausgaben, die ich da habe, wird Cervélo in nur 23 Augaben erwähnt. In zwei Drittel aller Ausgaben spielt diese Marke keinerlei Rolle.

Okay, okay, Serotta, Cinelli und sehr viele andere Marken werden noch weniger erwähnt - aber Himmel - gerade bei Themen wie Leichtbau, Steifigkeit oder Aerodynamik kommt man doch um die Kanadier nicht herum!

Interessanter wirds, wenn man sich anschaut, wenn denn dann - wo Cervélo erwähnt wird. Und das ist zum Großteil in der ProCycling der Fall. Ansonsten halten sich Tour & Co sehr bedeckt. (Oder berichten über "weiche Lenkköpfe" und "schwache Garantien")

Ich sag ja nur ...

Ach, stimmt nicht - guck mal an, im großen Tour-Test 2011 kann Cervélo wenigstens einen dritten Platz bei den "eigentlich unbezahlbaren" Traumrennern punkten. Und die sollte man sich ja nicht kaufen, wenn man auf Preis/Leistung guckt. So als guter Deutscher, nicht wahr?


Langsam wirds langweilig. Canyon. Canyon.

Grand Canyon auf meinem Wohnzimmertisch: Von 33 Tests in 45 unterschiedlichen Ausgaben kann die Marke aus Koblenz 21 Testsiege und 4 Zweite Plätze erringen. Blöd, wer da ein anderes Rad kauft!
Da fällt mir was auf: Ich lege mal die Zeitschriften mit und die ohne "Canyon" nebeneinander. Witzig - Da habe ich also einen Roadbike-Tour-Stapel (mit) und einen ProCycling-Rennrad-Stapel (ohne).

So, wie Cervélo in Roadbike und Tour kaum Erwähnung findet, scheint es anders herum auch irgendwie ... Misstöne zu geben.



Gut, die ProCycling ist weniger eine Testzeitschrift (Marcel Wüsts lieb gemeinte Kolumne würde ich mal nicht als "Test" bezeichnen wollen) sondern eine Zeitschrift, die sich eher dem Radsport verpflichtet fühlt. Dass bei einer auf Profisport, Ergebnisse und Rennen ausgelegten zeitung Canyon eine untergeordnete Rolle spielt, ist zu verstehen.

Ach, und die Rennrad hat ja eh einen deal mit einem ganz anderen Hersteller ...


Das Rennrad-Nutrixxion-Team wird seit eh und je von Corratec gesponsort. Da würde ich als Materialsponsor ja auch mit Argusaugen darüber wachen, dass da kein anderer Hersteller in meinen Gefilden wildert ...

Big Spender

Einen Teil, den überspringe ich meist: Die Kleinanzeigen. Ich habe meinen Fahrradladen und ansonsten bestelle ich im Internet. Gebrauchtes ist nicht so meins.

Für meine kleine Statistik schaue ich mir den nun aber mal genauer an ...


Denn da findet sich das eigentlich Interessante an meinem kleinen Recherche-Abend: Die Anzeigenabteilung. Und hossa, was da abgeht!

Canyon schaltet mindestens eine 1/1 (also ganzseitige) Anzeige, gern auch mal - als Follow-up bezeichnet - zwei 1/1 hintereinander. Clever gemacht: Auf der ersten Seite wecken starke Rennradlerwaden Begehrlichkeiten - eine Seite später, schön prominent dann die Lösung: Ein Bike von Canyon, logisch!


Besonders clever (kann man das buchen?) sind die Anzeigen, die nicht als solche zu erkennen sind. Zum Beispiel beim Herstellernachweis: Immerhin eine halbe Seite Produktplatzierung. Wie oft da ein Canyon abgebildet ist, habe ich jetzt nicht gezählt - aber das ist da tatsächlich sehr oft zu sehen.

"Kann es sein," denke ich etwas ketzerisch, "dass Testergebnis und Anzeigenaufkommen irgendwie miteinander zusammenhängen?"



Nur so, ich denke da nur mal so drauf herum ... wie viele Canyon-Anzeigen finden sich denn so in den Zeitschriften? Und dann baue ich wieder ein paar Haufen aus meinen Zeitschriften. Ziemlich eindeutig, was ich da sehe: Zwei Riesenhaufen.

Und zwei kleine Ausreißer. Aber irgendwie doch erschreckend eindeutig - so als alter Statistiker:

 

In 29 ProCycling-Ausgaben finde ich gerade einmal 2 Anzeigen. Von 18 Roadbike-Ausgaben sind 14 mit einer und oftmals mehreren Anzeigen der Koblenzer versehen, immerhin in noch 11 von 18 Tour-Magazinen findenm sich Ete & Co.

Nur die Rennrad, die macht keinen Umsatz mit Canyon. Und wo werden Canyon-Rennräder gleich nochmal so überragend oft überragend gut getestet?

Ich sag ja nur ...

Cervélo hat in den 66 Ausgaben übrigens 3 1/2 Anzeigen geschaltet. Als Thor Hushovd Weltmeister wurde.



Aber schon bin ich beim nächsten mal Umblättern schon wieder voill abgelenkt: Woran wollte ich gerade denken? Rennräder, Waden, Muskeln ... Äh, was war da noch gleich?

Kann sein, dass ich bei all den bunten, durchgestylten Anzeigen (Canyon beschäftigt mit wysiwyg eine der besten Werbeagenturen Deutschlands) etwas den Überblick verloren habe?



Bitte versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen Canyon.

Canyon baut sicher genauso tolle Rennräder, wie jede andere ernsthafte Rennradschmiede auch. Und auch wenn ich persönlich niemals bei einem Versender kaufen würde, heißt das nicht, dass diese Marke, die Menschen, die hinter der Marke stehen und auch die Produkte schlecht wären.

Das hier soll auch kein Canyon-Bashing sein.

Just sayin ...

Klar, ich bin der Cervélover und als solcher, wie ein trauer St. Pauli-Fan, stehe ich zu "meinem Verein".

Was ich mit diesem Post nur mal deutlich machen wollte: Vergesst all die "Tests" und "Bewertungen". Das kann alles so nicht stimmen. Fahrt die Räder Probe, lasst Euch beraten von einem Händler, der Ahnung hat, von einem Händler, bei dem die Fahrradkuriere ihre Räder warten lassen.

Ich habe die Tour abonniert. Und das wird auch so bleiben.
Ich kaufe jede Ausgabe der Roadbike und der ProCycling. Und manchmal auch gern die RennRad.

Aber ich weiß, wenn ich die Tests dort lese - dass ich im Grunde nichts anderes tue, als meine Mutter, wenn sie beim Frisör die Brigitte zur Hand nimmt.



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Wie ist Eure Meinung? Freue mich über Eure Comments.

20. April 2012

Passage Dangereux - beim Granfondo Colnago Saint Tropez

Wenn einer eine Reise tut ...

... dann gibts was zu erzählen. Wann hat man schon einmal die Chance, zusammen mit Dandys und Millionärstöchterchen Privatjet-Luft zu schnuppern, in einen kleinen Düsenflieger zu steigen und nach Nizza zu fliegen?

Die dritte Saison, die ich als Teil des Teams SunClass Solarmodule bestreiten darf, führt uns an diesem Samstagmorgen an die Cote d´Azur - zum Granfondo Colnago in Saint Tropez.



Einer, der sich auch wie Bolle freut, ist Florian - nicht nur, weil er so stolz auf seine nagelneue Teamkollektion ist, sondern auch, weil dieser Trip ein hartes Rennen, Einzelzimmer mit Frühstück und ein verlängertes Wochenende mit Profi-Feeling in Aussicht stellt.

Die Laune ist sagenhaft - die Sonne scheint, als wir in Hamburg abheben, der Flieger ist nicht einmal halb ausgebucht und die zwei Stunden rasen buchstäblich an uns vorbei.


Auch Heiko ist mit von der Partie - anders als Florian übernimmt er aber den eher abwartenden Part: "Ich habe kaum trainiert, Digger.", versichert er mir mit Blick auf das monstrröse Höhenprofil der Strecke.

Wir haben 180 Kilometer vor uns. Was okay wäre, wenn da nicht die 5 Anstiege mit einer Summe von 2.500 Höhenmetern wären. "Unrhythmisch" ist ein Wort, das gern und oft im Radsport genutzt wird - eigentlich viel zu harmlos, will es doch eigentlich sagen: "Egal, was du tust, du wirst kaputt gehen!"


Ich für meinen Teil würde mich eher zu Flow zählen: Ich bin aufgeregt, aufgekratzt, megastolz auf das Team SunClass und kann es kaum erwarten, endlich die neuen Teamklamotten überzustreifen, mein Cervélo unter mir zu wissen und so richtig reinzutreten: Nach dem langen Winter, dem elend langen Warten und Lechzen kann mir die Strecke ehrlich gesagt nicht lang genug sein, die Prüfung nicht hart genug.

Nach dem Marathon in Barcelona fühle ich mich eh wie der beste Sportler der Welt.

Nach der Landung relativiert sich das ein wenig ...


Hörbar prasselt Starkregen auf das Flugzeug. Die Pfützen auf dem Rollfeld explodieren förmlich unter dem stetigen Bombardement faustgroß wirkender Wassertropfen - es ist kalt, es ist dunkel und windig, als wir aus dem Flieger kommen. Die 20 Meter zum wartenden Bus reichen, um meine Stoffjacke zu durchnässen.

"Ach du Scheiße!" entfährt es mir. Die Jungs quittieren das nur mit einem fatalistischen Blick.


Nizza ist etwa 2 Stunden Autofahrt von Saint Tropez entfernt. Als wir unsere durchnässten Rucksäcke und die gottseidank heil gebliebenen Rennräder in Empfang genommen haben, werden wir bei Europcar schnell und zuvorkommend bedient.

"Heiko, welches Auto hatten wir nochmal gemietet?", frage ich ihn. Immerhin sind zwei Hartschalen-Rennradkoffer und Flows Softshell-Sack echte Volumenfresser.

"Joa. So´n Renault oder so ...", antwortet er. "Sollte passen".


Wir brauchen eine geschlagene halbe Stunde und sämtliche Skills eines Profi-Tetris-Gamers, um unser Gepäck in den Renault zu stopfen. Allerdings auch nur, weil wir Flows Rad aus der Tasche nehmen und jeden Zentimeter des Fonds ausnutzen.

Beim Fahren stoßen Heikos Knie an sein Kinn, ich selbst muss zwei Rucksäcke auf meinen Schoß nehmen und hinten kommt sich Flow (der beim Schnickschnackschnuck verloren hat) wie ein Hund "im Transportkorb" vor.

Ein Glück, dass er seine Tüte gekochte Nudeln dabei hat ...


Als wir losfahren, hat sich der Regen kein bisschen beruhigt. Das Wasser steht auf den Straßen, wir stehen im Stau, im Radio laufen schlimmste Achtzigersongs und wenn die Fahrt nicht bald endet, werde ich morgen schon vor dem Start des Rennens Rückenschmerzen haben. Nice!

Nach seinem ausgiebigen Nudelmahl (Wo hatte er denn bloß die Nudeln versteckt?!?) schläft Flow ein, wir kämpfen uns durch Stau und Nässe.


Gottseidank reißt der Himmel hinter der Stadt auf - als wir später die ersten Berge hinter uns gebracht haben, scheint die Sonne. Und als wir endlich Saint Tropez erreichen (ich summe die Titelmelodie von Louis de Funes´ Politessen-Schmonzetten) ist es sogar trocken.

So soll das man morgen auch bleiben!

Genau unten am Hafen ist die Messe und die Akkreditierung aufgebaut.

"Messe"


Es stehen drei kleine Zelte herum, wenige Leute vor Ort, leise Musik. Beim Zelt mit den Startnummern müssen wir kaum anstehen.

"I don´t have a BIB-Number", sage ich der Dame und zeige ihr die Anmeldebestätigung: Dort steht mit Datum November 2011 dass "im Februar die E-Mail mit der Startnummer" käme. Nichts kam natürlich.

"Oh, no problem!", sagt sie, nimmt den Ausdruck und händigt uns die Startnummern aus. Ah. Das kennen wir aus Deutschland anders - aber wenigstens haben wir nun unsere Nummern, bekommen das Teilnehmertrikot (ist Colnago als Sponsor durch Cannondale ausgetauscht worden?) und können beruhigt ins Hotel fahren.


Das befindet sich etwa eintausend Meter vom Stadtzentrum entfernt auf einem Berg. "Les Amandiers" ist die Villa von Madame Bartolotto, die 8 Zimmer vermietet. Das Haus liegt idyllisch und ruhig inmitten von blühenden Rhododendren, Zypressen und duftenden Blumen - eine Oase.

Sie begrüßt uns überschwenglich und bringt uns zu unseren Zimmern. Diese liegen neben der Villa in einer umgebauten Remise. Große Flügeltüren öffnen sich zu einer kleinen, grün umwachsenen Terrasse - ein Träumchen!


Da wir uns noch die Stadt ansehen wollen, beginnen wir sofort, die Rennräder aufzubauen. Der Transport der sensiblen Stücke im Flugzeug ist ja immer ein Abenteuer - so vieles kann zwischen Röntgen, Transport zum Flieger, Verladen, Ausladen, Transport zum Gepäckterminal und Ausgabe passieren - so viel kann kaputt gehen ...

"Ach du Scheiße!", rufe ich und stehe vor Schreck wie angewurzelt da.
"Wasn los?", schnoddert Heiko. "Was kaputt?"
"Keine Ahnung - ich habe den Schlüssel in Hamburg vergessen ..."

Schön dämlich. Aber zum glück hat Heiko einen baugleichen Koffer - meine Sicherheitsschlösser bekomme ich mit seinem Schlüssel auch auf. Phuh!


Ich gebe mir Mühe, alle Drehmomente exakt einzustellen, alle Teile ohne Zeitdruck zusammen zu bauen - jeder Auf- und Abbau ist Stress für das Carbon. Flow ist nach zwei Minuten fertig. Naja, so kann er die Sender auf dem Zimmer-TFT checken, während Heiko über Flows Pumpenwahl nur staunen kann ...


Nachdem JoeBlow auch meine Pneus auf 9 Bar aufgepumpt hat, mache ich mich an Sattelstütze (4,5 Nm, nicht mehr!) und das Pedal (ich schraube nur eines ab, passt auch in den Koffer). Die Kette habe ich ja mit dem neuen DryFluids Kettengleitstoff behandelt und bin gespannt, wie das neue Mittel performed.

Sollte es regnen, wäre das der beste Härtetest für das Mittel.

Muss aber nicht unbedingt sein ...


Beim Zusammenbau des Rennrades bin ich Autist: Ich kann es nicht ausstehen, wenn der Lenker nicht perfekt gerade ausgerichtet ist, der Sattel nicht exakt auf Linie mit dem Oberrohr ist oder nicht auf den Millimeter genau die perfekte Einstellung übernommen wurde, die mir Martin bei Veloskop ausgemessen hat, drehe ich durch. Unmöglich, so ein 180 Kilometer langes Rennen durchzustehen! Also lasse ich mir Zeit.

Ganz anders Flow.


Da sein Rennrad eh schon aus dem Softshell genommen wurde, brauchte er nur noch die Laufräder einzusetzen und die Bremsen einzustellen. Fertig.

"Gehts los Jungs?" Jo - ab geht er!

C´est Saint Tropez

So verbinden wir die Testfahrt unserer Rennräder mit einer kleinen Stadtbesichtigung. Und - was mich freut - die Jungs ziehen ihre neue Montur an. Freiwillig. Ohne, dass ich Teamboss spielen muss.


"Toll, wie die Klamotten aussehen!", ruft Flow, als wir die rasante Abfahrt vom Les Amandiers genommen haben und uns am Hafen vor der kleinsten Jolle fotografieren lassen.

Es ist ein richtig lauer, noch etwas kühler Abend, die Leute sitzen bei ihrem Pastis und besehen sich die Millionenjachten der Reichen - und schauen uns hinterher. Kleine Kinder zeigen mit ihren Fingern auf uns, Erwachsene nicken uns zu. Herrlich!

Den Anstieg zurück zum Hotel - 80 Höhenmeter - gewinne ich im spontanen Bergsprint. Die Steigung ist teilweise bestimmt bis 12 % steil: "Jungs, das ist steiler als alles, was wir morgen fahren werden ..." rufe ich. Recht werde ich behalten.

Und irgendwie auch nicht.


Abends im Zimmer statte ich mein Cervélo mit Startnummer und Transponder aus, lege mir die PowerGels bereit (alle 40 Kilometer eine Packung), packe 3 Riegel dazu und fülle Isodrink in meine Flaschen, die mir schon bei den Münsterland.Grio-Teilnahmen 2010 und 2011 auf den langen Strecken Glück gebracht haben.

Auch ich teste noch die frisch gewaschene neue Teambekleidung.


Als draußen unter Zirpen der Zikkaden und dem Tschirpen der Vögel die Sonne untergeht, legen wir uns in die Betten. Flow hat es nochmal runter zum Hafen gezogen, Heiko schaut sich englischen Fußball auf France2 an und ich versinke müde zu den Rhythmen meines MP3-Players.


Die Nächte vor den Renntagen sind bei mir immer kurze Nächte.

Racing Day!

Den Wecker habe ich auf 6:50 Uhr gestellt, bin aber schon kurz nach halb fünf wach. Unruhig wälze ich mich im viel zu warmen Bett hin und her, mache mir Gedanken, gehe das Streckenprofil noch und nöcher durch und werde immer wieder von Schlafwellen überrollt, die wirre Bilder projizieren und Realität mit wilden Traumwelten verschmelzen.


Als das Handy dann endlich doch piept, könnte ich mich ohrfeigen - viel zu wenig geschlafen wieder! Verdammt.

Madame Bartolotto hat für uns eine Ausnahme gemacht und das Petit dejauneur schon bereit gestellt. Heiko stößt als zweiter zu mir an den Tisch, wo dampfende Croissants, zwei Marmeladen und ein Kännchen Kaffee bereit stehen ...


"Lecker.", sage ich.
"Aber nicht wirklich gehaltvoll ... für so ein Rennen", bemerkt Heiko im Hinblick auf weißes Mehl, etwas kurzkettigen Zucker in der Marmelade und keinerlei Power, die wir ja gleich so dringend brauchen würden.


Ich beschließe spontan, noch vor dem Start einen Power-Riegel und ein Gel einzuwerfen - 1.000 Kalorien Startkapital. Denn auf nüchternen Magen geht die Strecke auf keinen Fall.

Um 8 Uhr ist start - kurz nach halb fahren wir los.

Unten am Hafen ist der Start. Als wir eintreffen, stehen sie schon ziemlich weit hinten, ein Sprecher galoppiert durch schnelles Französisch. Die Musik haben sie aber etwas leise gelassen: Die Herren Millionäre schlafen wohl noch ...


Es sind keine 100 Meter bis zum Torbogen, der die Startlinie markiert - da sind wwir vom GCC ganz andere Teilnehmerzahlen gewohnt. Wir besehen uns unsere Mitstreiter und müssen staunen - kaum junge Fahrer und Fahrerinnen, graues Haar, das unter den Helmen hervorlugt, ist die Regel: "70 Prozent der Teilnehmer im letzten Jahr waren über 40 Jahre alt ...", sagt Heiko, der sich toll vorbereitet hat.

Ich nehme an dass die, die hier heute um den Sieg fahren, ganz vorn stehen. Weit vorn ist das nicht: Es nehmen gerade einmal 750 Radrennfahrer teil, 260 auf der langen Strecke. Unter ihnen Ex-Weltmeisterinnen und Profi-Granfondo-Teams.


Wir fahren hier heute, um anzukommen - 180 Kilometer, dazu Höhenmeter en masse, das ist ein Saisoneinsteig, wie wir ihn alle noch nicht hatten: Flow hat laut eigenen Aussagen 9 Kilo Übergewicht.

"9 Kilo?", ziehe ich ihn auf: "Dir ist schon klar, dass du 8 Watt für ein Kilo brauchst? Das wären 72 Watt die du stetig produzieren musst, nur um deine Plautze zu bewegen ..." Wir lachen.

Aber ich weiß, dass Flow auch mit 20 Kilo Übergewicht uns allen wahrscheinlich noch davon fahren würde ...


Die Uhr tickt runter, alle strömen auf einmal nach vorn, klicken sich ein - das Feld steht kompakter. 5 Minuten bis Start - wir sprechen die letzten Details durch. Flow ist es sehr am Herzen gelegen, dass wir drei zusammen bleiben, komme was da wolle. Er hat Angst, alleine im Wind zu enden oder bei einer Panne allein am Straßenrand zu stehen.

Recht hat er - wir treten hier heute als orangenes Team an. Schon allein, damit unser Sponsor tolle Teamfotos im Verbandsflug bekommt.


"Okay, ich möchte vor DEM ins Ziel kommen!", sage ich scherzhaft, nachdem sich ein ganz anderes Kaliber vor uns geschoben hat. Und überhaupt: Diese Granfondo-Szene hier in Frankreich hat so gar nichts mit den Startern bei den deutschen Jedermannrennen zu tun: Älter sind sie allemal, aber auch weniger gestylt.

Kaum mal sehe ich Rapha und Assos - viele lokale Vereinstrikots oder einfache, gern auch abgenutzte Radfahrsachen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass wir uns hier bei einer ADFC-Sonntagsausfahrt befänden. Ob hier wirklich Blumenkinder in den Klickpedalen stecken, werden wir gleich ja sehen.



Mein persönliches Ziel ist heute das Ankommen. Anders als im letzten Jahr, wo ich zum Saisonstart erst einmal 3 RTFs und über 300 Trainingskilometer gefahren bin, habe ich heute keine 200 Kilometer in den Beinen. Keine RTF. Nur den Marathon und eine Menge Grundvertrauen in meine Fitness. Ob das reicht?



Heiko schaut auch noch etwas skeptisch - die Minuten vor dem Start sind immer die ruhigsten Minuten. Rad ein letztes mal checken. Noch ein Gel einwerfen. GPS starten. Habe ich genug Klamotten an, es ist ganz schön kalt ...?

Gran Fondo ... was?

Lange Zeit bleibt uns nicht mehr zum Schnacken - vorne rufen sie "Allez, allez!" und schon geht es los. Anfangs im Schritttempo, dann rollen wir schonmal - und als wir auf Louis de Funes´ Paradestraße sind, zieht das Tempo an: Kette rechts, Gas geben!

Angeblich geht es neutralisiert aus Saint Tropez hinaus. Da sich das Feld durch die langen Minuten am Start aber dermaßen in die Länge gezogen hat, kann ich von einem Pacecar nichts sehen - auch lässt die extrem hohe Anfangsspeed darauf schließen, dass es keinen Pacemaker gibt. Oder ist das einer der Lamborghinis vom Hafen?


Es geht nach Norden auf der großen Hauptstraße, die sie in unserer Richtung für uns gesperrt haben. Schnell hat sich das Feld sortiert - wir fahren in einer etwa 50 Fahrer großen Gruppe. Es wird nicht geredet, ich achte darauf, nicht zu überdrehen - die Jungs fahren hier alle sehr diszipliniert, keine wilden Seitenwechsel oder bescheuerten Manöver - alles geht ruhig und gesittet - aber bestimmt zu.


Was für ein Unterschied zum GCC in Deutschland! Da kamen die Vollhonks gerade in der Anfangsphase von allen Seiten, überholen und Spurwechseln was das Zeug hält, reinknallen, plötzlich bremsen, wie Idioten fahren.

Hier fahren wir als geschlossenes Feld. Diszipliniert, vorne wird gekreiselt, Richtungswechsel zeigen sie an - ich fühle mich inmitten meiner Mitfahrer angenehm aufgehoben und bin überrascht, wie professionell das hier abgeht.


Schnell bringen wir die Flachpassage nach Ramatuelle hinter uns, die Kurven zu durchfahren macht in diesem Verband richtig Spaß, ich kann mich darauf verlassen, dass hier keiner seine Spirenzchen treibt.

Flow ruft von hinten :"Genial!"

Und Recht hat er.

Bergfloh und Bergflow

Da wir das Roadbook kennen wissen wir, dass es bei Kilometer 35 den ersten ernst zu nehmenden Anstieg geben wird. Bis dahin überfliegen wir die kleinen Wellen, die sie uns in den Weg stellen förmlich - als wir durch Canadel sur Mer kommen, kann ich mich gerade noch wundern, dass hier keine Sau am Straßenrand steeht, um zu applaudieren, als die Steigung auf den Col du Canadel vor uns auftaucht.


Die drei SunClass-Fahrer sind zu diesem Zeitpiunkt fast an der Spitze der Gruppe, schnell setze ich mich von den Jungs ab und drehe auf: Ich liebe Steigungen! Bin ein Bergfloh! Hier kann mir keiner was vormachen! Und so schalte ich runter, finde meinen runden Tritt und arbeite mich an den drei, vier restlichen Jungs, die vor uns waren, vorbei.

Dann beginne ich die Fotosession. Von vorn, zurückfallen lassen, die Jungs fotografieren - die Steigung merke ich gar nicht.


"Boah, die Trikots sehen geil aus!", rufe ich - und wahrlich, es hat sich gelohnt, noch einmal Geld in die Hand zu nehmen. Gerade in dieser Morgensonne glänzen die Farben, kommen die Solarmodule unseres Sponsors umso besser raus.

Als es richtig steil wird, das einhändige Fahren etwas schwieriger, stecke ich die Cam ein und konzentriere mich auf den Anstieg.


Flow ist an Position 2, Heiko knapp dahinter - und ich vorn. So reiten wir die zwei, drei Serpentinen ab und erreichen als SunClass-Trio den Gipfel des Col du Canadel. Keine Meisterleistung - ist der Berg doch weder steil noch lang. Aber immerhin - hinten sehe ich weniger Fahhrer, es hat also eine Selektion stattgefunden.


Oben angekommen verfluche ich wieder meinen Frosthintern: Ich habe wieder einmal zu viel angezogen! Thermo-Unterhemd, Langarm-Trikot, Kurzarmtrikot und die Langarm-Jacke drüber. Dazu eine lange Laufhose und die Trägerhose sowie zwei paar Strümpfe.

Was am klirrekalten Start noch super war, erweist sich jetzt, keine Stunde nach Start in der ballernden Morgensonne als Schweißtreiber. "Bei der Verpflegung ziehe ich mich erstmal aus!", kündige ich an. Doch bis dahin sind es noch 2 Berge und 30 Kilometer ...


Indes geht es nach einer wunderbaren Abfahrt (Vorsicht Gegenverkehr!) den Canadel wieder hinab und hoch über der Cote d´Azur nach Westen. Wir folgen der Küstenlinie und können immer wieder großartige Aussichten genießen - unter uns liegen die türkisen Buchten, kleine Dörfchen und das blaue Meer. Landinwärts sehen wir die grünen Wellen des Massif Maures, einem Ausläufer der Seealpen, in dem wir uns hier befinden.


Wir führen noch immer das Feld an, diktieren die Speed. Flow macht gern die Lokomotive an der Feldspitze und so können wir die Abfahrten besonders genießen - freie Fahrt voraus.



Ab und zu holt er sein Telefon heraus und beginnt, bei 50, 60 km/h zu filmen. Einige schütteln angesichts dieser nicht gerade sicheren Fahrweise ihren Kopf - das Video aber ist gelungen.

"Sag mal, ist hier nicht abgesperrt?", fragt Heiko verwirrt, nachdem uns in einer Kurve ein Bus entgegen gekommen war.
"Keine Ahnung?!?", antworte ich. Vielleicht ist das bei Granfondos so?


Wir schauen ein letztes mal auf den Strand hinab, als sich die Strecke zum zweiten Anstieg nach Norden beginnt zu drehen. Der Col de Babaou wartet auf uns. Kleiner, weniger steil und weniger hoch, als der Canadel - weshalb das Tempo hoch bleibt.

Aber ich weiß, dass das ein Fehler sein kann - denn hinter dem Babaou, direkt nach der Abfahrt, wartet das Dach dieser Tour auf uns: "Dann kommt der Notre Dame!", ruft Flow, der einen kleinen Zettel mit dem Höhenprofil mit sich führt. Und es sieht so aus, als ob er diese Steigung nicht gerade herbeisehnen würde ...


Dann geht es bergan - schneller als erwartet.Wir drei setzen uns wieder an die Spitze und führen das kleine Feld von knapp 20 Fahrern in die Höhe. Zunächst geht es mit mäßig langsamen 20 km/h an einem scharf abfallenden Abhang entlang - der Blick inlands gerichtet eröffnet beeindruckende Aussichten über die Landschaft.

"Ist das da hinten Schnee auf dem Berg?", frage ich Heiko.

Der grinst nur. Ich weiß, was er sagen will: Hoffentlich erst über der 750-m-Grenze!


Die Steigung zieht an, jedoch stoßen wir kaum in Höhen vor, in denen die Vegetation zurück gehen würde und so kommt es einem vor, als fahren wir endlos durch einen senkrechten Wald. Es duftet harzig nach Pinien oder anderem Nadelgehölz, es riecht feucht inmitten dieser trockenen Stille, nur durchbrochen vom sonoren Surren und Klacken der Schaltungen.

Die Gruppe bleibt kompakt beisammen - SunClass vorneweg. Eine Schande, dass es hier keine Fotografen gibt!


Immer wieder ziehen andere Teilnehmer an uns vorbei, grüßen, sprechen uns auf unsere Trikots an oder wo wir herkommen. Flow freundet sich mit einem aus Nordfriesland an, dann redet er mit einem Holländer über Fußball und wenig später berichtet er mir, dass er mit einem Typen aus London über St. Pauli "ganz nett schnacken" konnte.

Woher nimmt dieser Mann die Puste, im Anstieg das ganze Peloton kennenzulernen?


Die Fahrt auf den Babaou zieht sich hin - nicht so sehr, weil der Berg so unendlich hoch wäre, sondern, weil er keinen definierten Gipfel hat. Immer wieder schließen längere Flachpassagen an eine Rampe an, wir entrücken immer mehr der Welt, finden uns in einer Mischung aus Wald, Moor und Graslandschaft wieder - ein beeindruckendes Tourerlebnis.

Heiko meint, dass er sich vorkommt wie "bei einer RTF". Ich rolle mit den Augen. RTF ist da doch irgendwie noch ne Nummer entspannter ...


Irgendwann erreichen wir endlich den "Gipfel". Wir wissen: Nach der nächsten Abfahrt kommt der Hammerberg. Notre Dame des Anges.

Auf dem Grat.

Doch zunächst halten uns die Streckenplaner hin. Seicht auf dem Berggrat entlang schwebend können wir etwas rausnehmen und durchatmen. Der Blick geht über seichte Hügel - dennoch müssen wir aufpassen. Die Straße wird immer schlechter, Schlaglöcher, gerne mal Sandhaufen auf der Fahrbahn und enge Kurven.


Da treffen wir dann auch - wahrscheinlich durch Zufalle - ein Rentnerehepaar auf einer Bank sitzend. Sie applaudieren uns ein Allez-allez! hinterher. Die ersten beiden Zuschauer des Rennens. Wir quittieren es mit einem lauten "Hallo!"

Die Aus- und Einblicke in das Massif Maures werden unterstrichen durch immer wilder daherkommende Wolken, die sich dann und wann bedrohlich dunkel einfärben. Mein Wetterbericht Zuhause hatte Regen ab 13 Uhr vorhergesagt - der von Heiko ab 16 Uhr.

Wir einigen uns auf Heikos Vorhersagen.


Die Strecke führt ein letztes Mal an die Küste: Noch einmal tief das Blau des Mittelmeeres aufsaugen, die Pupillen im Türkis ertränken, nach Wasser lechzend an den Strand blicken - gleich werden wir das Meer für mehrere Stunden nicht mehr wieder sehen. Es geht tief ins Inland.


Ich achte darauf, viel zu trinken. Die erste Flasche ist bald alle. Das erste Gel schon längst gelutscht. Ich nehme mir vor, am Fuße des Notre Dame das Zweite einzuwerfen.

Wenn ich mir meine Mitstreiter besehe, kann ich keine größeren Strapazen erkennen: Flow sieht frisch aus, auch Heiko findet noch Kraft für ein Lächeln. Nur die Gespräche, die noch bis vor wenigen Kilometern geführt worden sind, sind verstummt. Langsam beginnt das Arbeiten.


Vom Babaou rollen wir eine wunderbare Abfahrt nach unten: Nicht sonderlich schnell, dafür technisch anspruchsvoll durch eine Vielzahl von Kurven. Wir können vor allem in Linkskurven nicht immer die Ideallinie nehmen - Gegenverkehr - aber dafür ist unsere Gruppe klein genug, dass wir uns nur auf uns zu konzentrieren brauchen. Generell erstaunt mich immer mehr, wie diszipliniert und sicher hier gefahren wird.


Wie Jagdflieger beim Einsatz stürzen wir uns tief über die Lenker gebeugt von einer Kurve in die andere, ein Rausch, der ein paar Kilometer anhält, ehe ein weiteres Flachstück oder ein kleinerer Gegenanstieg die Schussfahrt beendet.

Noch immer sind wir kompakt zusammen - unsere kleine Gruppe hat es ziemlich lange ausgehalten. Doch frage ich mich, wie es wohl an der Spitze aussehen mag. Die Ersten werden mit Sicherheit schon über den Notre Dame des Anges hinweg sein. Immerhin ist das hier ein UCI-Weltmeisterschafts-Qualirennen und keine lahme RTF.


Ich genieße die letzte abfallende Rampe ganz besonders, dann wird es eben. Dann wird es flach. Zwei, drei Kurven. Dann hat er uns. Der Notre Dame.

Tiefschlag vom Mann mit dem Hammer.

Wir werden auf eine mehr als schmale Straße geführt, kaum merklich, dann zieht der Gradient abrupt hart an und wir versacken in der Vertikalen. Vorne drehen Flow und Heiko auf - ich schalte mal lieber einen Gang zurück und lasse es langsam angehen.

Immer mehr Rennradfahrer überholen mich. Langsam fängt der Schweiß an zu fließen.


"Was ist denn mit Flow los?", denke ich so in mich hinein, als ich ihn davonziehen sehe. Heiko ruft noch "Ein Hoch auf meine Kompaktkurbel!" und strampelt wieselflink an mir vorbei.

Ich gucke runter: Bin ich schon auf dem Kletterritzel? Ja. Was ist denn auf einmal los mit mir?


Eine Kurve folgt der anderen, bald schon ist Flow außer Sicht, dann Heiko. In den Serpentinen über mir kann ich sie noch ein, zwei mal erkennen, dann ist ihr Vorsprung so groß, dass ich ins Leere winke. Hinter mir sieht es nicht anders aus: Wie es zu erwarten war, hat der Notre Dame das Restfeld pulverisiert - was nicht zu erwarten war, dass ich zu den Pulverisierten zähle.

Ich knirsche mich die Abschnitte hoch, gehe öfter aus dem Sattel, atme schwer. Es grummelt in meinem Magen. "Alter!", stöhne ich in die Leere - "Was ist denn hier los?"

Unfassbar!


Irgendwie geht das hier jetzt ziemlich langsam voran. Ziemlich zäh ziehe ich die Meter unter meinen Pneus durch. Wie Gummi fühlen sich meine Beine an. Vorne fahren sie mir immer mehr weg. Ich drehe mich um: Hinter mir nur noch zwei Mann. Okay. Dann halt ganz hinten.

Durchhalten ist jetzt die Devise.

Mir schnürt es die Kehle zu - auch das Gel bringt keine Besserung. Habe ich zu wenig getrunken? Da zuckt der erste Krampf durch den linken Oberschenkel. Na hossa, mir wird übel und ich bekomme Krämpfe. Wie lange ist das her, dass ich mal Krämpfe hatte? 


Der Schweiß läuft mir in Strömen. Ich öffne Trikot, Langarmtrikot und nehme den Helm ab. Die Sonne knallt herunter auf uns, wenig Schatten hier, kein Wind. Eine Kurve nach der anderen - je nachdem, in welche Richtung wir fahren, starre ich mal auf eine senkrechte Wand aus Fels, mal auf in weites Tal.

Oben auf dem Berg (so weit hoch sind 750 Meter?!?) steht ein Fernsehturm, ein Hinweisschild erzählt etwas von "Arriveé 10 km". Na wunderbar - von hinten kommen wieder neue Überholende. Mir ist jetzt richtig schlecht, ich könnte sofort rechts ranfahren und kotzen. Hungerast?


Irgendwann sind es nur noch 4 Kilometer. Dann nur noch 2 bis zum Gipfel. Und dann, endlich, kämpfe ich mich um die letzte Kurve - oben angekommen!

Ich rolle zu den Jungs, die oben auf mich warten. Flow liegt entspannt im Abhang, Heiko muss gerade auch erst angekommen sein. Ich stammle nur was von "Scheiße ... Krämpfe ... Kotzübel ..." und nestle mir ein neues Gel aus der Tasche.

In tiefen Zügen hänge ich an der Flasche, spüle das Gel runter, trinke mich voll - Flüssigkeit hilft doch gegen Krämpfe, oder? - und schiebe gleich noch einen Riegel hinterher. Dem Magen geht es dadurch nicht besser. Aber ich will alles tun, um den Hungerast und die Krämpfe loszuwerden.


Oben auf dem Gipfel findet sich wiederum nichts Besonderes: Weder Zuschauer noch Fotografen noch irgendetwas. Nur zwei Schilder warnen vor einer gefährlichen Abfahrt. Mit großen Abständen kommen vereinzelte Rennfahrer an uns vorbei. Einige halten an um zu pinkeln, die meisten gehen in die Abfahrt.

"Können wir weiter?", fragt Flow ungeduldig. Ich kann nicht. Noch nicht.
"Mir ist kotzübel, Flow - fahrt vor, wenn ihr wollt - aber ich muss noch 5 Minuten pausieren ..."

Sie warten.


"Naja, jetzt kannste dich erstmal auf der Abfahrt ausruhen", meint Heiko. Es sollte jetzt 10 Kilometer bergab gehen, dann nochmal 12 km seicht bergab - genug Zeit zum Ausruhen also.

Wenig später kommt die Puste wieder. Ich recke und strecke mich. Dann steige ich auf, klicke mich ein und wir rollen los.

Paris-Roubaix, Route malaise und Lebensgefahr

Was nun folgt ist könnte man mit den Worten "Folter", "Fahrlässigkeit" oder "Risikovergessen" beschreiben - ich nenne es mal "die schlimmste Abfahrt meines Lebens".

Die Straße - wenn man sie so nenen kann - ist in einem Zustand, der meiner Meinung nach das Prädikat "unbefahrbar" verdient hätte. Unglaublich, dass sie uns da herunter schicken: Mindestens 3 Schichten Asphalt sind durch Erosion oder Abnutzung allenthalben so freigelegt, dass die Strecke wie eine Rastermikroskopaufnahme aussieht - die spitzen, holperigen, tiefen, aufgebrochenen und abgebrochenen Straßenbröckel verursachen ein Fahrgefühl wie bei Paris-Roubaix.

Das Rennrad springt unter mir hart hin und her, ich habe nach wenigen Metern schmerzende Gelenke. Es ist fast unmöglich, dosiert zu bremsen, ich bete zu Gott, dass mir keine Autos oder Busse entgegen kommen - und bin fassungslos, wie unverantwortlich es ist, uns hier runterzujagen! In den Haarnadelkurven sind teilweise meterdicke Löcher, stetig klaffen scharfe, tiefe Risse und das Rad kracht von einem Schlagloch ins nächste.

"Nur 58 km/h Höchstgeschwindigkeit?", twittert nacher Harald, als der sich den Garmin-Track angeschaut hat. "Nur"? Ich wundere mich, dass es überhaupt so schnell wurde.

Gern liegen auch mannsdicke Äste oder 30 cm hohe Sand- oder Kieselhaufen in den Rampen - ich bete immerzu das Mantra: "Ich bin der Sohn eines Jagdpiloten. Ich bin der Sohn eines Jagdpiloten." und hoffe, dass ich hier ohne Sturz und ohne Platten heil herunter komme.


Als wir bei Kilometer 112 an der letzten Verpflegung eintreffen, blicke ich in geschockte Gesichter: Heiko und Flow können das eben Geleistete auch noch nicht verarbeiten.

"Stell dir vor, du musst da mit einer 50-Mann-Gruppe runter ...", sagt Flow. Nee, stelle ich mir lieber nicht vor.

Der Apfel steigt nicht weit vom Ast ... ab.

Die letzte Pause. Ich kann die Banane kaum halten, so sehr schmerzen die Handgelenke vom Höllenrit des Notre Dame. In meinem Magen brodelt Magma, habe ich das Gefühl, das sich demnächst erbricht - und doch verspüre ich brennenden Hunger und elenden Durst. Ich stopfe mir vom - ausgezeichnet ausgestatteten - Büffet alles rein, was sie haben: Salamibaguette, Nüsse, Trockenobst, Bananen, Viertelstücke Brie und trinke ("Rouge - Blanc?") Blubberwasser direkt aus dem großen Fass.

Mir ist zum Kotzen. Und doch - ich muss hier durchhalten!

"Ist ja nicht mehr lange hin!", spreche ich mir Mut zu - wohlwissend, dass da noch etliche Höhenmeter anstehen. Als wir wieder losfahren vereinbaren wir, zusammen zu bleiben.


Wir sind wieder eine kleine Gruppe - keine 8 Mann groß. Vorne fahren Heiko und Flow, dahinter gesellen sich 4 französische Fahrer (alle Ü50) und dann ganz hinten ich. Ich genieße den Windschatten - und erschrecke, als mich wieder Krämpfe im linken Oberschenkel beginnen zu plagen.



Es geht flach zu jetzt, wir fahren durch eine fast verwunschen ausschauende Moorlandschaft. Ganz anders, als die duftenden Pinienwälder gerade noch auf den Bergen - und doch sonderbar schön, fast romantisch. Wenn da nicht ... ein Haufen Kotze in meinem Magen herumschwappen und bei Geschwindigkeiten über 35 km/h der Schenkel krampfen würde.

"Jungs, wenn wir zusammenbleiben wollen, könnt ihr nicht mit 37 km/h hier langpolken!", raunze ich etwas harsch meine Mitstreiter an. Heiko nimmt sofort raus: "Hast Recht ...", stimmt er mir etwas atemlos zu. Flow zieht einen Flunsch.


Wir fahren bis Vidauban (jetzt ists geschafft!) und werden von vier, fünf weiteren Fahrern eingeholt. Dann geht es sogleich hinauf zum letzten größeren Berg der Strecke - dem Col de Vignon.

Heiko lässt sich zu mir zurück fallen. "Alter. Ich bin gleich fertig!", gesteht er mir. Aha.

Es geht in die Steigung. Vorne - ganz vorne - führt Flow noch das Feld an. Wir werden durchgereicht. "Ja, dann langsam kurbeln, schön im GA1, anders kommste nicht durch ...", empfehle ich ihm und bin froh, hier nicht alleine wieder strampeln zu müssen.

Mittlerweile schwillt auch der Autoverkehr an - der, weil wir bergauf so langsam sind - umso bedrohlicher wirkt, wenn er überholt.


Immer mehr holen uns von hinten ein, bis wir beide schließlich ganz allein in der Steigung hängen. Ruhig, ohne Hast kurbeln wir hoch. Heiko baut sichtlich ab. Ich kann wenigstens über keine weiteren Krämpfe klagen.

Trennung.

Oben angekommen holen wir Flow ein, der langsam kurbelnd auf uns gewartet hat. Mit uns sind noch zwei andere Fahrer am Gipfel angekommen, mit denen wir uns nun in die kurze Abfahrt begeben.


Richtig Gas geben kann ich eh nicht mehr, ich habe Angst, dass mich erneut Krämpfe heimsuchen, also lasse ich rollen. Heiko, der sonst immer ein undurchdringliches Pokerface zur Schau stellt, sieht richtig schlecht aus - er pumpt schwer, sitzt in sich zusammengesunken auf dem Rennrad und tritt auch eher die kleinen Gänge.



Vorne zieht Flow wieder das Tempo an - ich muss ihn zwei mal pfeifend zum langsamer Fahren ermahnen. Irgendwann setzt er sich neben uns: "Sagt mal, wollen wir nicht einfach durchziehen - Bam-bam! - noch 60 Kilometer und dann wars das?"

Sprachlosigkeit. Woher nimmt der Typ nur seine Kraft? "Fünfte Herren St. Pauli" ... denke ich mir so und starre etwas neidisch auf seine riesigen Fußballerschenkel.

"Flow ... fahr. Wir müssen langsamer machen ... sind froh ... überhaupt ankommen", stammle ich. Flow zieht davon. Mit ihm die beiden Anderen. Heiko und ich sind allein.


"Noch 50 Kilometer ...", rufe ich uns Mut zu. Wir kommen kaum mehr über die 30 km/h-Grenze. Bei mir lassen gottseidank die Krämpfe nach, jetzt, wo ich ohne den Speeddruck weniger Power von den Muskeln abverlange - das Kotzgefühl allerdings wird stärker. Ich lockere den Kinngurt, was etwas vom Ekeldruck auf den Gaumen nimmt.

Zweite Luft im Regen.

Ab jetzt fahren wir wie in Trance. Wir sammeln einen ziemlich alten, grauhaarigen Teilnehmer ein, den ich beim Überholen ermutige, sich bei uns ranzuhängen. Was er auch tut. Die kleinen, kurzen Abfahrten nutze ich, um locker tretend etwas Erholung in die Muskeln zu bekommen - Heiko allerdings ist nur noch am fluchen.


Ich kann kaum noch meinen Nacken oben halten - so sehr schmerzt der Hals. Meine Handgelenke spüre ich kaum noch, dank der Roubaix-Abfahrt und kann dem ganzen doch etwas Positives abgewinnen: Durch die Schmerzen vorne merke ich kaum, wie sehr mir der Hintern mittlerweile weh tut.

Der alte Mann lässt abreißen, als es nach Plan de la Tour geht und wir uns einen flachen - aber elend langen - Anstieg (ist das jetzt endlich der letzte?!?) hinauf winden. Ein einsamer Krankenwagen überholt uns. Ansonsten sind wir alleine in dieser beeindruckenden Westernkulisse.


Als es anfängt zu regnen, mischt sich ein kalter Gegenwind dazu. Na herrlich! Mir fröstelt sofort und ich beglückwünsche mich zu meiner Entscheidung, mit etwas übertrieben vielen Schichten in dieses Rennen gegangen zu sein. Heiko friert. Er sieht gar nicht gut aus.

Bei mir fühle ich die berühmte "zweite Luft" - ich bin zwar kaum mehr im Stande, hier heute Höchstleistungen zu vollbringen, aber fühle ich doch trotzdem eine gewisse Beruhigung meines Körpers (bis auf die Übelkeit) und finde zu einem - wenn auch langsamen - Rhythmus.

Mehr und mehr gehe ich in Führung und versuche, Heiko Windschatten zu geben. Der zieht sich noch ein Gel rein, aber er meint, dass er bodenlos leergefahren sei - so ein Gel helfe da jetzt auch nicht mehr.

Der Regen schwillt an - und dann aber auch gleich wieder ab.
Bei jeder Rampe hoffen wir, es möge die letzte sein.


"Kleine ... Pause ... pinkeln!", ruft Heiko. Auf einer die vielen Kuppen halten wir kurz an. Ich kann mich strecken, während Heiko - mittlerweile kaum mehr auf Etikette bedacht - direkt vom Rad in die Pampa pinkelt. Scheißegal. Das Absteigen verursacht nun auch bei ihm Krämpfe. Die Strecke fordert ihren Tribut.

Über 2.600 Höhenmeter stehen da mittlerweile auf meinem Garmin. "Dann muss doch schon Schluss sein?!?", rufe ich. Die hatten was von 2.500 geschrieben - und eigentlich kommt noch der Endanstieg nach Gassin ... oder wie?


Die letzten 20 Kilometer habe ich heute, fast eine Woche nach dem Rennen, vollständig vergessen. Ich weiß nur noch, dass wir uns mit letzter Kraft über den letzten Berg bei Plan de la Tour schleppen und ich mir die ganze Zeit überlege, mir einfach den Finger in den Mund zu stecken und der nun fast 70 Kilometer andauernden Übelkeit ein Ende zu setzen.

Wir fahren in die Ebene bei Port Grimaud - Gegenwind! Und ich schaue immer nach vorn, wo bedrohlich schwarze Wolken über ziemlich fies aussehenden Bergen heranziehen - Regen im Endanstieg?

Im letzten Dorf vor Gassin stehen zwei Teenager, die uns anfeuern. "Yeah - nochmal 2 Zuschauer!", versuche ich Heiko aufzumuntern. Seinen leeren Blick kann ich sogar durch seine verspiegelten Gläser sehen.

Weltmeisterschaft?

Dann steht da auf einmal ein Schild: "Arriveé 10 km" - und wir werden auf eine Fernverkehrsstraße geleitet. Trucks und Autos donnern an uns vorbei, während wir Probleme haben, das Rennrad auf einem geraden Kurs zu halten. Es geht auf - endlich! - babypopoglattem Asphalt schnurgeradeaus. Ich setze mich vor Heiko und gehe in Untenlenkerhaltung. Durchziehen!

Sie vergehen wie im Fluge. Wann kommt der Endanstieg?, überlege ich immer. Jetzt? Nee, doch geradeaus. Wieder anziehen, wieder treten. Jetzt, da? Nee, weiter geradeaus. Ein Kreisverkehr, ein Streckenposten - winkt der uns in den Endanstieg? Nee, geradeaus! Okay, wieder zwei Kilometer Zeitfahren. Wieder ein Kreisverkehr - wieder Streckenposten: Scheiße, jetzt aber, oder? Nee, links herum. Alles klar, links herum, wieder anziehen, wieder Zeitfa...oh! Ziel. Ziel?

Ziel!


Wir schießen förmlich durch den Zielbogen. Keine Fotografen, keine applaudierenden Zuschauer. Nur fünf gelangweilte Rettungssanis, die uns zum Zielbereich winken. "Alter ... Scheiße!", stöhnt Heiko. Und ich gebe ihm recht. Und der Endanstieg? Nee lass mal, reicht auch: 3.062 Höhenmeter sagt Garmin nach der Höhenkorrektur.

Wir steigen ab - Krampf! - und stellen die Räder an einen Baum. Heiko lässt sich ins Gras fallen. Ich kann gerade noch so Flow gratulieren, der uns entgegen kommt, dann lasse auch ich mich in einen der Plastikstühle fallen.

"Also ... das war mal eine Ansage!", rede ich zu mir selbst und bekreuzige mich. 176 Kilometer - 3.062 Höhenmeter und 7:24 Stunden brutto. Weltmeisterlich?



Auf der Bühne ehren sie gerade die Gewinner des Granfondo Colnago (oder Cannondale, keine Ahnung) Saint Tropez: Es ist der Belgier Bart Doerbroeck, der die 176 Kilometer in einer galaktischen Traumzeit von 4:58 Stunden hinter sich bringt - zweieinhalb Stunden schneller, als ich!

Ich recke mich auf, laufe zur Siegerehrung und applaudiere - und sehe ein, dass ich mich heute nicht mit Jedermännern, sondern mit einer ganz neuen Klasse von Radrennfahrern gemessen habe. Wahnsinn!

Während ich da stehe, fallen Flow und Heiko über das Freiessen und die Getränke her. Und heißa! Was die da auftischen, hat wahrlich auch nichts mehr mit den Jedermann-Nudeln in Deutschland zu tun!


Es gint eine Riesenportion (und wenn man will Nachschlag kostenlos) Paella mit Meeresfrüchten, Gambas und einem riesigen Hähnchenschenkel direkt von großen Pfannen. Dazu Cola, Säfte, Bananen oder Orangen und Apfelmus, Isodrinks und Wasser, selbst Kaffee haben sie hier.

Ich versuche zu essen, aber mein Magen weigert sich weiterhin standhaft - dafür laben sich Heiko und Flow (der es acht Minuten vor uns ins Ziel geschafft hat) mit umso begeisterterer Hingabe am Feilgebotenen.


So sitzen wir in der Sonne und versuchen, das gerade Erlebte irgendwie in Worte zu fassen.

Rennen, Granfondo ... RTF ... ja was denn nun?

Hart war es. Ja. Verdammt hart! "Das war sportlich das Krasseste, das ich jemals gemacht habe!", sagt Heiko. Und das will etwas heißen - Heiko ist Triathlet und einer der stärksten Rennradfahrer, die ich kenne. Und ausgehend davon, dass ich mit ihm 2011 Rad am Ring gefahren bin - was nun wirklich kein Zuckerschlecken war - ist das schon eine krasse Aussage.

Ich selbst muss sagen, dass ich es auch extrem hart fand, aber aufgrund meiner bescheidenen Form (oder war es heute ein sensibler Magen?) nicht 100 % geben konnte - und deshalb etwas enttäuscht bin, nicht alles hatte geben zu können.

Flow schaut einem ... komischen Mann ... hinterher und formuliert es für sich so: "Keinen Muskelkater. Geiles Rennen. Morgen noch ´ne Etappe?"

Wir schütteln da nur den Kopf ...


Tja, was ist das nun also, ein Granfondo? Übersetzt heißt das "große Runde". Die Franzosen nennen es "Cyclosportif" - eine Mischung aus Rennen und Radmarathon. All-out kann man diese Distanzen und vor allem diese Höhenmeter nicht fahren. Eine RTF war das allerdings auch beiweitem nicht.

Also was ganz Neues.

Wir müssen - oh weh! - noch 8 Kilometer zurück nach Saint Tropez radeln, was wir dann auch ganz gemütlich tun. Nach einer halben Stunde sitzen wir in unseren durchnässten Klamotten auf der Terrasse und trinken den Siegerkakao.


"Ähm ...", beginne ich, wieder halbwegs regeneriert: "Das war jetzt nur der Anfang ..."

Und wir alle wissen, was das bedeutet: In 30 Tagen steht der Granfondo New York City an, der zwar "nur" 2.000 Höhenmeter hat, aber auch über 177 Kilometer geht. Und dann der Dreiländergiro ...

"Das geht alles noch", sagt Heiko: "Richtig krass wird Spanien ..." und mehr muss er gar nicht sagen: 180 Kilometer in den Hochpyrenäen, 4 Cols und knapp 5.000 Höhenmeter.

Dass ich noch den Ötzi fahren will dieses Jahr, verschweige ich mir selbst jetzt erstmal ...


Als wir am Montag wieder in Hamburg landen, steckt tatsächlich auch bei mir kein Muskelkater in den Knochen. Wenn ich mir dann aber die Medaille, die wir alle bekommen haben, besehe, muss ich schon nachdenklich zugeben: Das war tatsächlich eines der härtesten Rennen, das ich jemals gefahren bin. Es hat mich an die Grenze meiner körperlichen Leistungsfähigkeit - und vielleicht auch bisschen darüber hinaus - gebracht. Es war gefährlich - saugefährlich! - und wunderschön zugleich.



Es hat mich durch eine Region geführt, die beeindruckende Natur zu bieten hat und einsame, romantische undberührte Einblicke in eine noch nie gesehene Landschaft gewährte. Ich habe eine neue Form von Radrennen kennengelernt und bin inmitten von - an mir gemessen - absoluten Profis gefahren.

Es war ein tolles, ambivalentes, hartes, wunderbares Rennen, dieser Granfondo Col...Cannondale.


Die Medaille bekommt ihren Ehrenplatz neben dem Finisher-Metall vom Barcelona-Marathon. Und ich bin stolz, das zweite Sportevent meiner harten Saison 2012 heil und unbeschadet - und reich an neuen Erfahrungen - gemeistert zu haben.

New York? Val d´Aran? Ötzi? Können kommen!


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