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28. April 2012

Auf die sanfte Tour: 1.000 Höhenmeter in Hamburg.

Ach herrlich. Heute war einer dieser Tage, an denen einfach alles stimmt: Nachdem der Schock (Regen!) des Morgens nach dem Aufstehen bereits nach wenigen Stunden überwunden war, denn die liebe Sonne und ein lauer, aber kräftiger, Wind den nassen Asphalt getrocknet hatten, sattle ich mein Cervélo und mache mich auf zu einer erneuten Trainingsrunde in den Blankenser Elbbergen.

Wie schon vor einer Woche, beschließe ich 1.000 Höhenmeter der "lockeren Art" zu sammeln. Anders als sonst will ich mir nicht die Kante beim Elb d´Huez-Run über den Waseberg geben, sondern die Runde wieder anders herum fahren. Über den Falkenstein. (ohne "c" :)


Die Falkensteiner Schlucht ist genau das, was ihr Name sagt: Eine fürs nördliche Flachland hier schon recht beeindruckende Schlucht, tief eingegraben, unbebaut - und gerade in diesen Tagen, da das neue Grün der Bäume so frisch vor sich hinsprießt, ein wahres Leuchtwunder der Natur.

Ich komme nach 25 Minuten Schussfahrt (Yeah! Rückenwind!) an der Tankstelle an und begebe mich sogleich auf meine erste Runde: Waseberg runter, dann am Ufer lang und schon liegt sie nach 5 Minuten vor mir. Die Schlucht.

Im unteren Teil geht es ganz gemütlich zu: Auf einhundert Meter steigt die Straße um keine 4% an und ich könnte hier locker mit mehr als 20 km/h hochkurbeln - mache es aber nicht, denn ich weiß, was da kommt. Der Anstieg über den Falkenstein ist wesentlich harmloser als die pure Brutalität des Wasebergs - keine Wand, die sich da auftürmt.

Eher die Tücke der Arhythmie.

Denn auf halber Strecke - kurz hinter der ersten Linkskurve - geht es kurz, aber knackig!, nach oben. 14, 15% mag es hier für wenige Meter haben.


Ich gehe kurz aus dem Sattel, trete mich hoch und setze mich sogleich hin: Durchatmen! Langsam machen - noch ist gerade einmal die Hälfte geschafft.

Der Asphalt ist (wie auch am Waseberg) miserabel. Vielleicht sogar noch schlechter: Tiefe, breit ausgewaschene Risse, eine Menge spitzer Bruchkiesel und bröckelndes Flickwerk vergangener Jahre machen es schwer, sie in Ruhe aufs Treten zu konzentrieren: Immer ein Auge auf die Straße haben!

Nach dem ersten kurzen Stint geht es mit 10, 11% weiter. Die fahre ich ruhig im Sitzen. Muss aber schon merklich ziehen. Dann, ich kann das große "S" der beiden letzten Kurven schon vor mir sehen, zieht die Steigung an. Noch immer sitze ich, muss aber kräftig treten. 14, 15% mag das hier jetzt haben.

Und dann - kurz nur, keine 15 Meter lang - kommt ganz oben die Krönung: Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde dieser Rampe eine 18% geben. Hier gehe ich aus dem Sattel und polke mich mit 5, 6 kräftigen, schnellen Umdrehungen hoch.



Falkenstein - Fahren mit Technik.

Den folgenden Anstieg über den Kösterberg spürt man kaum. Allerdings bin ich nach dem dann doch auch kräftezehrenden Anstieg voher langsamer als die Rennradler, die mich hier mühelos überholen. Aber lass sie ziehen - ich muss das hier noch 12 mal machen!

Den Waseberg gehts in Paris-Roubaix-Manier bergab. Ich halte mich konsequent links, denn dort ist der - allgemein bescheidene - Belag noch am besten. Sobald Gegenverkehr kommt (und der kommt da häufig) geht das natürlich nicht.

Zitterpartien und Schrecksekunden, wenn ein allzu PS-verliebter Cayenne-Fahrer plötzlich um die Kurve fegt, schön aufs Gas tritt, denn den Waseberg hinauf machts bei Fullspeed erst so richtig Spaß! Noch schwieriger wird es, wenn der Bus des HVV genau in der Kurve kommt - der schiebt sich weit auf die Gegenfahrbahn, um die Kurve zu nehmen. Gerade so kann ich das Rad noch um die rettenden Zentimeter ausweichend gegensteuern.

Den Waseberg hinunter lasse ich deshalb die Bremsen nur im oberen Teil und kurz nach der Brücke los - sonst bremse ich mich runter. Sterben muss heute nicht sein ...


Als ich auf der 5ten oder 6ten Runde wieder den Falkenstein hoch will, steht da ein Mann vor einem Pfosten. Er hat seine Mütze vor seinem Oberkörper. Er verbeugt sich kurz. Sieht mich, sein Blick bleibt kurz an mir hängen. Dann setzt er seine Mütze auf und geht in den Wald. Schnell verschluckt ihn das Grün.

Erst eine Runde später, nachdem ich mir im Anstieg ein supergeiles Duell mit einem RG-Uni-MTBler geliefert habe (gewonnen, natürlich), schaue ich genauer hin: Was ich noch eben für ein Vogelhaus gehalten hatte, ist ein Kreuz.

Auf meiner letzten Runde halte ich an. Das Kreuz ist Stefan Christiansen gewidmet. Der Rennradler verunglückte hier, wie das kleine Schild auf dem Kreuz verrät, vor 11 Jahren.

Der Junge war 16 Jahre alt.

Kurz schalte ich die unpassend treibenden Beats meines MP3-Players aus und stehe vor dem Kreuz. Vögel zwitschern und Wind raschelt im frischen Grün, das man jetzt noch so gar nicht als Laub bezeichnen mag. Ich bin nachdenklich. 16 Jahre alt.


Waseberg und Falkenstein gehören zu den steilsten Anstiegen, die wir in Stadtnähe in Hamburg haben. Ich liebe Beide.

Den Waseberg, weil er so einfach, so kompromisslos, so brutal und in seiner Simplizität doch so schön ist: Senkrechte Wand. Fahr hoch. Halte nicht an!
Den Falkenstein mag ich, weil er technisch anspruchsvoller ist. Etwa doppelt so lang wie der Waseberg dann auch länger "quält." Beide zu fahren bereitet mir unendlich Freude.

Als Abfahrten allerdings sind beide gefährlich: Schlechtester Asphalt, am Waseberg ständig (Gegen-)Verkehr. Aber der wenigstens (oben) einsehbar.

Die Abfahrt über den Falkenstein halte ich für noch gefährlicher: Im oberen Teil taucht die Straße plötzlich weg (die letzte Rampe) - wenn sich da gerade ein Auto befindet, sieht man es nicht. 3 Kurven machen die Abfahrt unberechenbar: Da diese nicht einsehbar sind, ist jedes Mal dort hinunter ein Glücksspiel. Dazu der schlechte Asphalt - sicher kann man eigentlich nur in der Mitte fahren. Aber da trifft man auch sicher die Motorhauben.

Ich fahre - nicht nur wegen des mich jetzt genau von vorn hart treffenden Gegenwinds - etwas langsamer als sonst heim. Ohne Musik im Ohr.

16 Jahre.



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1.000 Höhenmeter über den Falkenstein: Der Garmin-Track

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