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26. Oktober 2014

Der härteste Radmarathon: Ötztaler, Alpenbrevet, Tour du Mont Blanc und Endura Alpen-Traum im Renn-Check.

Auch wenn meine Rennrad-Saison 2014 insgesamt nicht gerade der Burner war, so hatte ich in diesem Jahr doch das Glück, drei der ganz großen Namen der Alpen-Radmarathons fahren zu dürfen. Zudem konnte ich quasi noch als Bonus einen wirklichen Geheimtipp entdecken. Doch welcher ist jetzt der härteste dieser vier Radmarathons? Ich starte eine unabhängige, nach möglichst objektiven Kriterien selbstverständlich vollkommen subjektiv eingefärbte Untersuchung. 


Der Ötztaler oder doch das Alpenbrevet? Der neue Alpen-Traum oder die Tour du Mont Blanc? Ich möchte in diesem Blog-Post versuchen, Kriterien aufzustellen und diese vier Rennen zu bewerten. Sicher, es gibt viele Rennen, die noch härter, noch fieser und noch verrückter sind: Das Race Across the Alps zum Beispiel (hier geht es zum Bericht meiner Teilnahme 2012) oder auch die Elbspitze. 
Ich möchte mich in diesem Post aber bewusst auf die vier genannten beschränken, da eine Teilnahme an diesen Rennen für den gut bis hervorragend trainierten Hobbysportler wie gemacht ist - wer den Ultrasport sucht, dem möchte ich die einschlägigen Websites dieser Athleten empfehlen.


Was ist "Härte"? Der Versuch, Bewertungskriterien zu finden.


Eine schwierige Frage, denn Härte - das ist immer subjektiv. Und deshalb kann auch dieser Artikel nur meine persönliche Meinung widerspiegeln. Denn ob eine sportliche Betätigung hart ist oder nicht, das hängt von unzähligen Faktoren ab: Ich kann meine an sich vielleicht etwas langweilige 30-Minuten-Hausrunde so fahren, dass sie ultrahart wird, kann mir gleichzeitig den Ötztaler Radmarathon hier geht es zum Rennbericht - wie 2014 geschehen - so einteilen, dass ich ihn relativ easy finishe. Relativ halt. 

Ein Radrennen in den Alpen: Für mich immer Höhepunkt & Vollendung von Radsport.

Härte, das ist zunächst mein persönlicher Einsatz. Der wird bei jedem Teilnehmer durch Trainingszustand, Tagesform und Zielsetzung anders aussehen. Härte, das ist aber immer auch das Wetter - logisch, wie entscheidend der Einfluss des Wetters sein kann, bei über 200 Kilometern, mehr als 10 Stunden Renndauer und das teilweise in der Spätsaison durch die Hochalpen. 

Dennoch versuche ich, ein paar allgemeingültigere Kriterien für meine Bewertung festzulegen. Ich nehme mir  als erstes die Strecke selbst vor: Die zu überbrückende Gesamtdistanz ist mir aber ein noch etwas unklarer Begriff: 100 Kilometer können flach sein, können steil sein und können noch steiler sein. Also rechne ich den Anteil der Steigungskilometer heraus. Doch wie steil sind diese? Ein Indikator für die Härte sind die Steigungsprozente, die ich mir errechne, indem ich von den Durchschnittsprozenten der Anstiege wiederum den Overall-Gradient ziehe. Auch dieser kann natürlich nur ein Näherungswert sein, denn es sind in ihm sicher nicht die ganzen kleinen Wellen berücksichtigt, die man abseits der großen Pässe (zum Beispiel in den fiesen Flachstücken des Endura Alpen-Traum hier geht es zum Rennbericht) zu meistern hat. Nicht fehlen düfen natürlich die Höhenmeter in diesem Zusammenhang. 

Weiterhin versuche ich, einen "Wetterfaktor" einzuführen: Hierzu frage ich bei den Organisatoren an, ob sie mir generell etwas zum Wetter der letzten fünf Austragungen (beim Alpen-Traum gibt es erst mal nur die letzten beiden) sagen können: War es eher nass und kalt, sonnig und trocken? Hieraus kann ich eine Art Schulnote zur Wettersicherheit geben.


Gerade zum Saisonende: Das Alpen-Wetter kann richtig fies werden. Stundenlang.

Ebenso wichtig wie Strecke und Wetter, finde ich, ist die Organisation eines Rennens. Das beginnt mit der Qualität der Website bei der Anmeldung (und überhaupt der Chance, einen Startplatz zu bekommen), natürlich die Höhe des Startgelds des Rennens (die ich in Relation zu der gebotenen Leistung setze) sowie die Leistungen im Rennen selbst: Starterbeutel, Rahmenprogramm und natürlich Verpflegung und Streckensicherung. 


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Weitere, persönliche Kriterien wie die Umstände der persönlichen Anreise, die bei vielen von Euch sicher immer auch Ausschlag gebend sind, ziehe ich bewusst nicht mit in die Bewertung: Lebt Ihr in München sind Alpen-Radmarathons nur ein, zwei Stunden mit dem Auto entfernt. Wohnt Ihr wie ich in Hamburg, ist die Anreise lang, umständlich und teuer. Allgemein gültig kann ich das in einem Blog-Post wie diesem deshalb natürlich nicht bewerten.


Die Renntermine der vier Rennen variieren: Sommer, Spätsommer - Herbstbeginn. 
Vorsicht Alpenwetter!

Abschließend möchte ich jedem Rennen eine Art Prädikat verleihen - denn eines, das steht jetzt schon fest: Alle vier Rennen sind große sportliche und psychische Herausforderungen, bieten unheimlich viel Spaß, Leid, Herausforderung und Endorfin-Potenzial und jedes ist - auf seine ganz eigene Weise - besonders hart, besonders fordernd und unverwechselbar.

Die Radmarathon-Strecke: Distanzen, Steigungen, Gradienten und der Wetterfaktor.


Zunächst vorweg: Ich gebe Schulnoten. Die 1 ist dabei immer die beste Note - also "härteste Srecke", "höchstes Wetterrisiko" oder - bei der Orgabewertung - "beste Orga". Jede der drei großen Bewertungsblöcke, die nun kommen (Strecke, Wetter und Orga) besteht wiederum selbst aus vielen Einzelbewertungen, die ich auch (fast) alle hier veröffentliche. 

Zu den Strecken. Was die Härte dieser Rennen angeht, so sind die Einzelwertungen sehr unterschiedlich ausgefallen. In puncto Streckenlänge und Anteil der Steigungskilometer an der Gesamtdistanz sind Tour du Mont Blanc (irgendwie auch logisch) und der Alpentraum auf den vorderen Plätzen. Die TMB aufgrund ihrer extremen Länge und dem mit 55% höchsten Bergauf-Anteil, der Alpentraum aufgrund der Streckenlänge bei immerhin noch knapp 30% bergauf. Beim Alpentraum kommen zur Härte jedoch die sehr Kräfte zehrenden Flachstücke hinzu, die in dieser krassen Form bei keinem der anderen Rennen zu meistern sind. Nur unwesentlich weniger "hart" Gold-Runde des Alpenbrevet und der Ötzi, die mit 2,3 und 2,7 noch immer ansehnliche Noten erhalten. (jeweils Note 1,3 für TMB und Alpen-Traum).



So kann man sich der "Härte" annähern: Distanz und Steigung
sind wichtige Indikatoren. Sicher aber noch viel zu ungenau: Deshalb betrachte ich noch den Anteil
der Steigungskilometer an der Gesamtlänge sowie
die durchschnittliche Steigung aller großen Anstiege.

Gerade für einen 63-Kilo-Hämpfling wie mich, der im Prinzip über keinerlei Körperfett verfügt, ist das Wetter eine der ganz entscheidenden Größen. Ist es kalt und friere ich, muss mein Körper überproportional viel Energie aufwenden, um mich warm zu halten - das bekannte Zittern. Energie, die mir dann am Ende natürlich in den Beinen fehlt. Wenn es dazu dann noch regnet, ist für mich alles aus: Ich habe bisher keine Rennbekleidung entdecken können, die komplett wasserdicht ist. Schon nach wenigen Minuten Regen ist man deshalb komplett durchnässt. Wenn es nun noch dazu kalt ist, ist die Katastrophe vorprogrammiert.
Oder sagen wir so: Wird das Rennen richtig hart.

Ich frage bei den Organisatoren der vier Rennen nach den Wetterdaten der letzten 5 Austragungen (wobei die Ausnahme der Alpen-Traum ist, den es ja erst seit 2 Jahren gibt). Ich kann so auf einer Skala von 1 bis 6 das Wetterrisiko bewerten, wobei die 1 für "nass & kalt", die 6 für "warm & trocken" stehen, die Noten dazwischen für "wechselhaft - eher schön" als 4, und "wechselhaft - eher unschön" als 3 gelten.

Vielen Dank an Ernst Lorenzi, dem Organisator des Ötzi, an Michael Schild vom Schweizer Alpenbrevet sowie an Laura Dufour von der Tour du Mont Blanc: Sie geben mir bereitwillig und sehr detailliert Auskunft. Da ich bei den beiden Alpen-Traum Austragungen dabei war, sind diese Daten schnell erhoben - ich muss mich nur selbst erinnern.



So war das Wetter der 4 Rennen in den letzten 5 Jahren.

Schaue ich mir diese Statistik an, so haben vor allem der Ötztaler Radmarathon, gefolgt von der Tour du Mont Blanc nach meiner Skala dabei das höchste Risiko, eine eher nasse und kalte, daher "harte", Rennerfahrung zu machen, Alpenbrevet und Alpen-Traum können als risikofreier mit Aussicht auf "eher schöne, wenn auch stellenweise wechselhafte" Rennen angegangen werden.

Sicher, diese Bewertung weist Schwächen auf: So ist bei solch langen Rennen natürlich immer die individuelle Geschwindigkeit - und damit die Renndauer - entscheidend. Mitstreiter beim diesjährigen Ötztaler Radmarathon zum Beispiel, die um die 8 Stunden finishen konnten, hatten das Glück dem fiesen Starkregen der 2014er-Ausgabe halbwegs zu entkommen. Langsamere Fahrer, wie ich, die 11 bis 12 Stunden gebraucht haben, sind mitten auf dem Timmelsjoch in die nass-kalte Regensuppe gekommen. 

Alles in allem aber kann ich folgende Endnoten, was die "Wetterhärte" der Rennen angeht, vergeben:



Das Risiko, ein "hartes", weil nasses und kaltes, Rennen zu erleben, ist beim Ötzi und der TMB am höchsten.

Ich kann sagen, dass 2014 aufgrund der oftmals bescheidenen Wettersituationen für mich bei meinen Rennteilnahmen eher eine nasse, kalte Saison war: Perfekt zwar für unseren neuen Teamsponsor, DuraCase - schocksichere, wasserdichte und temperaturbeständige Cases für das iPhone mit 3facher Batteriekapazität. 

Und dennoch, nie waren die richtige Bekleidung und vor allem die mentale Einstellung bei diesen - durch das Wetter - harten Rennen wichtiger, als in dieser Saison. Auch deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal eindringlich - vor allem den Erstteilnehmern - raten, zu diesen Events voll ausgestattet mit warmen, (halbwegs) wasserdichten Klamotten anzureisen. Auspacken geht immer - frierend und zähneklappernd auf 2.500 Metern Höhe ein DNF hinzulegen ist, gerade bei dem hohen Aufwand bei diesen Rennen, ein sehr demotivierendes Erlebnis. Da weiß ich genau, wovon ich spreche ...

Top-Organisation auf hohem Niveau: Was bieten die Alpen-Rennen vor, abseits und nach dem Event?


"Was hat denn die Anmeldung oder ein Starterbeutel mit der Rennhärte zu tun?!?", höre ich schon Einige poltern. Gute Frage. Sportlich gesehen nichts, sicher. Doch ich finde, die Qualität einer Veranstaltung muss sich auch an der Qualität aller Service-Leistungen rund herum messen lassen, denn was nützt mir die "härteste" Strecke, wenn ich beschissene Labestationen habe? Was die längste Strecke, wenn diese unzureichend beschildert ist? 

Sicher, die Orga ist von allen drei Teilfaktoren, die ich bewerte, der am wenigsten wichtige für eine Bewertung der Härte. Deshalb geht diese auch nur mit 15% in die Gesamtnote ein. Wetter und Streckenhärte übrigens mit 35% beziehungsweise 50%.

Wenn ich mir also die Orga anschaue, dann sind hier durchweg gute Noten vergeben worden - 2,0 bis 2,7. Keine Veranstaltung, die auf diesem Gebiet echte Mängel hätte. Dennoch gibt es Unterschiede. So kann der Ötztaler Radmarathon eindeutig diese Teilkategorie gewinnen, weil er neben der besten Website und der besten Informationspolitik die beste Infrastruktur am Event-Ort, ein wirklich großartiges Rahmenprogramm (auch für Nicht-Teilnehmer) und die beste Strecken-Logistik (Laben, Sicherheit usw.) bietet. Unerreichtes Spitzenniveau auch dank der Vollsperrung der Strecke.



Bei der Organisation macht niemand den Söldenern etwas vor. 
Der Ötztaler Radmarathon ist ein 5-Sterne-Rennen.

Auch das Alpenbrevet bekommt eine sehr gute Note - nicht unbedingt des Starterbeutels, der Website oder des Rahmenprogramms wegen, sondern vor allem durch das extrem attraktive Startgeld (nur 80 €!) sowie eine durchweg gute Streckenbetreuung. Zudem ist das Starterfeld angenehm klein, sodass man während des gesamten Rennens zwar niemals alleine fahren muss - aber auch nicht die Massen eines (Bsp.) Nove Colli zu ertragen hätte.

Etwas abgeschlagen die Tour du Mont Blanc: Diese Veranstaltung ist natürlich mit ihren knap 400 verwegenen Teilnehmern viel zu klein, als dass es sich hier lohnen würde, einen solch großen Aufwand für das "Drumherum" zu fahren. Hier steht eindeutig der Sport im Mittelpunkt und alle Punkte rund um diese Kategorie bekommen auch durchweg gute und Bestoten. Ich möchte hierbei als Schleckermäulchen dennoch nochmals das fantastische und in dieser Kategorie unerreicht geniale Finisher-Büffet erwähnen: Kulinarisch kommt da keines der drei anderen "großen" Rennen ran!

Doch schauen wir uns nun einmal jedes der vier Rennen im Einzelnen einmal genauer an ...

Das Alpenbrevet: Ein Top-Event in den Schweizer Hoch-Alpen.


Das Alpenbrevet wird vom Schweizer SwissCycling-Verband nun schon seit 2003 organisiert. Das Rennen erfreut sich demnach vor allem bei Teilnehmern aus den umliegenden Kantonen, vielen Italienern und Franzosen großer Beliebtheit - findet aber auch eine große Teilnehmerschaft, die sich aus deutschen Landsmännern rekrutiert.

Das Rennen kann in 3 Strecken gefahren werden. Vorsicht: Alle 3 Strecken sind für sich genommen wirklich hoch anspruchsvoll. Die Silber-Runde, mit 3 Pässen und 3.800 Höhenmetern auf 132 Kilometern kann sich zum Beispiel locker mit einem Dreiländergiro messen. Die Gold-Runde, die ich gefahren bin hier geht es zum Rennbericht des Alpenbrevet, wartet mit 4 Pässen auf 5.400 Höhenmetern auf 172 Kilometern auf - ein harter Brocken! Und für ganz Verwegene der Ritterschlag: Die Platin-Tour hält ganze 5 Pässe mit insgesamt 7.100 Höhenmetern auf sage und schreibe 276 Kilometern bereit!

Ich war 2014 für die Platin-Runde angemeldet, hatte aber nur Power für die Gold-Tour, die ich hier bewerte.

Die Strecke
Die 4 Pässe (Grimsel, Nufenen, Gotthard und Sustenpass) sind alle in ihrer Anlage her unterschiedlich anspruchsvoll. Der Grimsel ist lang, nur oben kurz steil, der Nufenen kürzer, dafür giftig, Gotthard durch das Kopfsteinpflaster technisch anspruchsvoll und der Susten dann nie enden wollend. Das Peloton durchquert eine wunderschöne Landschaft - die Schweizer Berge wirken auf mich "kompakter", die Täler tiefer und daher alles etwas überwältigender, als beispielsweise in Tirol, wo man die Höhe nie so richtig merkt. Die Gold-Runde killt einen nicht - verlangt aber zweifellos einen gut trainierten Fahrer mit richtig Stamina.
Wer Platin fahren will, der muss richtig Speed drauf haben: Das Time-Limit ist unerbittlich (ich kam 15 Minuten zu spät).



Besondere Highlights
Als absolutes Highlight habe ich den Gotthard-Pass empfunden. Durch das Val Tremola die alte Postkutschen-Straße hinaufzufahren - knapp 10 Kilometer auf Pflasterstein - ist sehr (vor allem kopfmäßig und fahrtechnisch) anstrengend, zuweilen nervig, aber wirklich richtig beeindruckend. Toll ist auch, dass man ohne Probleme die Strecke wechseln kann, ohne aus der Wertung zu fallen: So haben wir es gemacht. Für Platin gemeldet, am Ende in Gold gefinished. 

Den Gotthard-Pass via Val Tremola: Mal "was anderes" ...

NoGo
Wirkliche NoGos habe ich keine, vielleicht nur die Warnung vor der Betonplatten-Abfahrt vom Nufenen-Pass: Hier beide Hände immer fest am Lenker halten, denn die Fugen zwischen den Platten können sich, vermutlich durch Temperaturschwankungen, zu kleinen Sprungschanzen aufwellen. Sturzgefahr!

Fazit
Eine wirklich anspruchsvolle (und für Platin-Fahrer hochanspruchsvolle, sehr fordernde) Runde. Das kleine Feld wirkt angenehm: Man ist zwar nie richtig allein, wird aber auch nicht von Massen á la Nove Colli oder Cyclassics zerquetscht. 

Startgeld & Anmeldung
Das Alpenbrevet kostet - Schnäppchen! - ab 80 Euro, die Anmeldung verläuft online ohne Probleme. Einen Startplatz-Run habe ich nicht erlebt, obschon das Teilnehmer-Limit von 2.500 Fahrern jährlich erreicht wird. Anmelden könnt Ihr Euch hier auf der Alpenbrevet-Website.

Der Ötztaler Radmarathon: Prestigeträchtiger Klassiker und ein Muss im Palmarés.


Der Ötzi ist das prestigeträchtigste Rennen der Alpen und der größte Name im Rennkalender. Selbst Nicht-Radsportler haben von diesem Rennen schon gehört und viele Ex-Profis wie zum Beispiel Jan Ullrich oder Jörg Ludewig lassen es sich nicht nehmen, hier Jahr für Jahr anzutreten. Seit wahnsinnigen 23 Jahren wird der Alpen-Klassiker im Skiort Sölden gestartet - knapp 5.000 glückliche Starter gehen hier auf die 238 Kilometer lange Strecke. Ich selbst konnte den Ötztaler Radmarathon bisher zwei mal bestreiten, 2012 und 2014, und muss zugeben: Auch ich bin Ötzi-süchtig.

Die Strecke
Beim Ötztaler sind 4 Pässe zu überwinden: Das steile Kühtai mit der sehr schnellen und anspruchsvollen Abfahrt, der flache, daher sehr schnelle Brenner-Pass, der Jaufen-Pass mit seiner Traum-Abfahrt und der König, der Scharfrichter: Das Timmelsjoch. Die Strecke ist meiner Meinung nach sehr gut und flüssig zu fahren. Kühtai, Jaufen und Timmelsjoch sind klassische Alpen-Pässe mit ihren Eigenheiten, die allesamt jedoch dem gut trainierten Radsportler keine Probleme bereiten sollten - wenn er sich das Rennen klug einteilt. Einzig der "harmlose" Brennerpass kann dem, der hier allzu übermütig Gas gibt, die Körner im Nu wegbrennen.


Besondere Highlights
Ganz besonders freue ich mich immer auf die Kühtai-Abfahrt, die extrem schnell ist. Hier kann ich 2012 auf 96 km/h kommen, was nicht mal Rekord ist. 2014 sollen hier 114 km/h erreicht worden sein. Dennoch Obacht: Dieses Downhill ist wirklich sehr gefährlich! 
Ganz krasse Einblicke bietet auch immer die letzte Labestation auf der Hälfte zum Endanstieg das Timmelsjoch hoch: Hier kann man rotgesichtig pumpende Teilnehmer beobachten, die sich voller Verzweiflung ihre Trink-Flaschen randvoll mit purem Red Bull füllen ...

Kühtai-Abfahrt: High Speed-Rausch mit Garantie.

NoGo
Richtig echte NoGos habe ich auch beim Ötzi keine. Nur vielleicht das Bedauern, dass aufgrund der hohen Nachfrage (über 20.000 Startplätze könnten vergeben werden) nur der eine Nummer bekommt, wer in den 2 Losverfahren gezogen worden ist. Hier kommt neben dem Prestige also auch noch das Glück zum Zuge, für einen Großteil der Angemeldeten leider jedoch nicht. Dennoch: Wer 3 mal nicht gelost wurde, bekommt beim 4ten mal garantiert seine Rückennummer.

Fazit
Ein rasantes Auf und Ab durch die Tiroler Alpen mit kurzem Intermezzo in Innsbruck. Sölden ist absolut perfekt auf die Radsportler abgestimmt, wer hier herkommt, den erwartet ein fehlerlos organisiertes Event, die mitreisende Familie wird mit einem tollen Rahmenprogramm unterhalten und die Glückshormone im Ziel sind unbeschreiblich. Ein absolutes Muss in einer Hobby-Radsportkarriere!

Der Traum eines jeden Hobby-Radsportlers: Ein Ötzi-Finish.

Startgeld & Anmeldung
Um in die Lostrommel zu kommen, sind zunächst 5 Euro einzuzahlen. Wird man nicht ausgelost, erhält man dieses Geld nicht zurück. Ab 2014 liegen die Startgebühren für den Ötzi mit 129 Euro auf einem hohen Niveau: Angesichts des Faktes, dass man hier aber eine perfekte Veranstaltung auf (einmalig bei Radmarathons!) komplett gesperrten Straßen fährt, halte ich diese Gebühren für okay. Die Anmeldung erfolgt auch hier bequem online auf der - mit Abstand besten - Internet-Seite des Ötztalers.

Die Tour du Mont Blanc: Geheimtipp für Ultra-Sportler.


Die Tour du Mont Blanc war mir bis wenige Wochen vor meiner Teilnahme noch kein Begriff. Das Rennen wird allerdings schon seit 5 Jahren im französischen Skiort Les Saisies in der Nähe von Megéve (gut von Genf aus zu erreichen) gestartet. Zum Einen mag diese in Deutschland relative Unbekanntheit darin begründet liegen, dass der Veranstalter - Sportcommunication, organisiert auch die La Marmotte - nicht allzu viel Werbung in Deutschland betreibt. 
Zum Anderen sehe ich den Grund für diese Unbekanntheit im Rennen selbst: Eine Renndistanz von insgesamt 330 Kilometer und die Summe von 8.000 Höhenmetern ist eben halt kein "Klacks". Die Zielgruppe dann dementsprechend beschränkt: 2014 gehen mit mir keine 400 Damen und Herren an den Start.

Die Strecke
Die blanken Zahlen treiben einem schon beim Lesen die Schweißperlen auf die Stirn, den Krampf in die Waden: 330 Kilometer, ein mal rund um den Mont Blanc. Dabei sind nicht weniger als 6 Pässe sowie der krasse Endanstieg hinauf nach Les Saisies zu überbrücken. Die 330 Kilometer kommen natürlich nicht ohne Flachstücke aus: So hat der Starter etliche Dutzend Kilometer im fließenden Verkehr auf teilweise stark befahrenen Straßen zu überbrücken, bevor es in den nächsten Anstieg geht. Ich selbst habe aufgrund des extrem schlechten Wetters (das Rennen wurde wegen eines schweren Gewittersturms abgebrochen, ich bin bei km 206 raus) nur 3 Pässe fahren können, kenne zwei der 3 ausstehenden aber schon aus früheren Rennen und kann nur sagen: Das Ding ist nichts für nicht wirklich exzellent austrainierte Radsportler!



Besondere Highlights
Besonderes Highlight war bei meiner Teilnahme die Organisation selbst. Die Firma Sportcommunication hat ein wirklich sehr engagiertes Team vor Ort, das sich schon im Vorfeld via E-Mail sehr intensiv und individuell mit meinen Fragen beschäftigt hatte: Dann die Herren und Mädels dort zu treffen, war etwas Besonderes. Die Atmosphäre bei der TMB ist deshalb sehr familiär, fast intim, was auch zum kleinen, aber angenehm ruhigen Skiort Les Saisies passt.

Streckenmäßig hat mich der Anstieg zum Col du Grand Saint Bernard hier geht es zum ganzen Rennbericht der Tour du Mont Blanc Cyclo total geflasht! Ganze 45 Kilometer bergauf tun richtig weh in den Beinen (und im Kopf!) und die 2.009 Höhenmeter, die man hier an diesem einen Pass sammelt, machen ihn zum "höchsten" aller Alpenpässe, was die hm angeht.




Auch hier musste ich stundenlang im Regen aushalten.

Besonders hervorheben möchte ich noch das Büffet nach dem Rennen: Eine solch üppige Auswahl an warmen und kalten Speisen habe ich seit der 4-Sterne-Tour Haute Route nicht mehr gesehen - Wow!

NoGo
Die Tour du Mont Blanc ist ein sehr kleines Rennen, bei nicht einmal 400 Teilnehmern kann der Veranstalter natürlich nicht die selben Leistungen bieten, die er bei einem Event mit mehreren tausend Teilnehmern locker finanzieren kann. Dennoch bin ich überrascht: Die Labestationen sind sehr gut ausgestattet und als dann gegen 18 Uhr das Rennen für alle Teilnehmer aufgrund des fiesen Wetters abgebrochen wird dauert es keine Stunde, bis alle Teilnehmer von den Begleitfahrzeugen eingesammelt und in Sicherheit gebracht worden sind. Einziges NoGo, das ich mir vorstellen kann: Wenn man genug trainiert ist, hier nicht teilzunehmen.

Fazit
Von allen vier hier beschriebenen Radmarathons (und sicher von allen, die mir überhaupt bekannt sind) ist die Tour du Mont Blanc sicher der härteste: Streckenlänge und Höhenmeter sind weit jenseits dessen, was man bei den anderen Rennen leisten muss - alles natürlich immer in Relation zu einem Zeitlimit, innerhalb dessen man sich bewegen muss. Wer die Platin-Runde des Alpenbrevet geschafft hat, wird selbst bei der TMB noch gehörig einen draufsetzen müssen: Startzeit dieses Rennens ist nicht umsonst 5 Uhr in der Früh!

Es gibt gerade bei schlechtem Wetter immer sehr haar(nadel)ige Situationen ...

Startgeld & Anmeldung
Die Startgebühr für die Tour du Mont Blanc beträgt 125 Euro (Early Bird, 205 Euro ab eine Woche vor Start). Die Anmeldung kann bequem online oder mit einem Fax geschehen. Vielleicht attraktiv für alle, die mal die TMB beschnuppern wollen, ohne sich gleich komplett kaputt zu fahren - es gibt die Möglichkeit, sich mit einem Fahrer die Strecke zu "teilen". Zwar nehmen wegen der aufwändigen Logistik nur wenige Staffeln teil, aber wer ein mal den Mont Blanc (halb) umrunden möchte, für den kann das eine attraktive Möglichkeit sein. Abgesehen davon sind die Alpen rund um den Mont Blanc wirklich wunderschön: Anders, als in Tirol, aber sehr schön!
Hier auf der Website könnt Ihr Euch anmelden.

Endura Alpentraum: Zum Saisonschluss mit Quäldich-Garantie.


Mit dem Endura Alpen-Traum verbindet mich eine Hassliebe. Dieses Rennen ist 2013 zum ersten Mal im bayrischen Sonthofen gestartet und seit dem zwei mal ausgetragen worden. Beide Male, leider, habe ich nicht die ganze Strecke geschafft: Beim ersten Versuch war es meine Psyche, die mich verlassen hatte, beim zweiten Mal der mangelnde Trainingszustand, der wieder nur ein Finish mit 1.500 Höhenmetern und 30 Kilometern zu wenig zugelassen hatte. Dennoch: Ich liebe den Alpen-Traum. Er ist ein ganz besonderes Rennen.

Die Strecke
Der Alpen-Traum ist deshalb schon etwas besonderes, weil er kein Rundrennen wie die anderen ist. Also nicht von A nach A, sondern von A nach B. Start ist hierbei immer Sonthofen im Allgäu. Wer sich für die kurze Strecke entscheidet, der startet im österreichischen Landeck. Neu: in 2015 soll es zur dritten Ausgabe noch eine Kurzdistanz geben, dazu gibt es allerdings noch keine Informationen.
Ich beziehe mich in diesem Beitrag auf die Langdistanz: 252 Kilometer mit 6.078 Kilometern und 6 Pässen, die es zu überbrücken gilt. 



Mit einem Satz: Der Alpen-Traum ist einfach nur richtig krass! Abgesehen von den reinen Streckendaten, die schon "schlimm genug" sind, spielt das (anfangs des Rennens bisher immer widrige, dann "zu gute", weil sehr heiße, Wetter) eine entscheidende Rolle. Hinzu kommt, dass die ersten 5 Pässe allesamt nicht die großen Namen sind - dafür umso krasser. Vor allem Hahntennjoch und mehr noch die extrasteile Pillerhöhe fordern Kletterstärke par excellence. Dass mit dem Umbrail & später Stelvio sowie dem 15 Kilometer langen, richtig fiesen Endanstieg ins Ziel nach Sulden nochmal böse Steigungen warten, sollte hier genug Info sein. Mehr zu den Strecken findet Ihr in meinen Rennberichten: Hier von der ersten Ausgabe des Alpen-Traums 2013 und hier von der letzten Alpentraum-Ausgabe 2014

Besondere Highlights
Beim Alpen-Traum DAS Highlight herauszupicken ist schwer. Denn das Rennen hält so viele bereit: Seien es die - nennen wir sie mal - "Schmankerl" der Strecke, zum Beispiel mal durchgängig zweistellige Prozente die Pillerhöhe hinauf, sei es der Wetterwechsel von Kaltnassbibber am Start zu Heißesonneschwitzen ab Norbertshöhe oder eben das Finish unter dem Ortler, Tirols höchstem Berg. 
Besonders schön finde ich immer noch den Bustransfer am nächsten Morgen zurück nach Sonthofen: Hier kann man auf der 3- bis 4-stündigen Fahrt noch einmal große Teile der Strecke beschauen ("Ach, so steil ist das hier?!?") und sich in Fachsimpeleien mit anderen Teilnehmern ergehen.

Wer den Reschensee umrundet hat schon viel geschafft.
Und den richtigen Klopper noch vor sich: Umbrail.

NoGo
Für viele (auch meiner Leser) ist die komplizierte Logistik des Alpentraums ein NoGo: Anreise nach Bayern, dann Finish in Italien, kostenpflichtiger Bus-Transfer zurück und dann wieder Abreise. Komplizierter als bei den Rundrennen. Und teurer. Für mich jedoch kein NoGo: Ich finde es ausgesprochen cool, mal eine Strecke und keinen Kreis zu fahren.
Erwähnenswert ist noch das Wetter: Bisher wurden wir bei allen Ausgaben richtig nass. Es war beim ersten Mal sehr kalt, beim zweiten Mal erträglich, dennoch frostig. Ab Tirol wird es dann warm. Sogar heiß. Also: Alles an Klamotten mitnehmen, was geht. Besonders erwähnenswert finde ich noch das Hahntennjoch, genauer, die Abfahrt. Die ist sehr schnell und sehr gefährlich. Hier auf jeden Fall extrem aufpassen! Und noch eine letzte Warnung: Die "Flachstücke" des Alpen-Traum, die nicht wirklich flach sind, sondern fiese Auf-und-Ab-Wellenbäder, ziehen richtig Körner - können aber auch entscheidend sein, ob man das Zeitlimit schafft oder nicht. Hier gilt es, mit viel Kraft-Ausdauer eine hohe Speed zu halten und dabei doch genug Energie für die echten Anstiege aufzusparen.

Fazit
Ein ganz besonderes Rennen, das in seiner Streckencharakteristik wohl einzigartig ist. Die Idee, in einem Tag durch die Alpen zu fahren, ist hier wunderbar umgesetzt. Auch wenn die Organisation manchmal etwas komisch wirkt: Vor Ort ist alles prima, die Laben sind super und die Güte der Orga einwandfrei. Der Alpentraum ist ein Rennen, das ein Riesenpotenzial zu einem Klassiker hat - obschon es aufgrund seiner Härte wahrscheinlich eher nicht zu einer solchen Breitenwirkung wie die des Ötztalers reichen wird. Muss es aber auch nicht - in 20 Jahren wissen wir mehr.


Der höchste Berg Tirols: der Ortler. In seinem mächtigen Schatten endet der Alpen-Traum.

Startgeld & Anmeldung
Das Peloton darf - auf allen 2 (ab 2015 dann 3) Strecken - die 1.500 Teilnehmer nicht überscheiten. Leidlich ausgebucht waren die ersten beiden Ausgaben, noch ist also kein "Run" auf die Startplätze zu verzeichnen. Die Teilnahme am Alpen-Traum (lange Strecke) kostet 125 € (für die kurze Distanz 75 €), was ich für einen im Vergleich absolut fairen Preis halte. Der Bus-Transfer zurück nach Sonthofen am nächsten Tag kostet 65 €. Auch dies ist, gemessen an Streckenlänge, Fahrtdauer und Aufwand (separater Bike-Transport mit LKW in eigenen Boxen) meines Erachtens angemessen. Zwar kommt man so auf einen Gesamtpreis von 190 € - und hat damit das teuerste Rennen der vier - aber wie schon gesagt, der Alpen-Traum ist eben etwas besonderes.
Anmelden könnt Ihr Euch auch hier bequem online auf der Website des Veranstalters.


Mein Fazit: Was ist nun der härteste Alpen-Radmarathon?


Tja. Das ist nun eine sehr schwierige Entscheidung. Denn alle vier Rennen sind einfach nur Klasse - jedes auf seine Weise. Anspruchsvoll, höchst anspruchsvoll, sind sie allemal. So macht Ihr also erstmal keinen Fehler, wenn Ihr Euch bei einem der vier anmeldet: Ich kann wirklich alle diese Rennen empfehlen. Und wie wir am Anfang dieses Artiikels festgestellt haben: Härte ist vor allem immer eine persönliche Angelegenheit. Ihr könnt Euch den Ötztaler Radmarathon mit "nur" 5.500 Höhenmetern sehr viel härter gestalten, als die 8.000 Höhenmeter der Tour du Mont Blanc. Einfach, indem Ihr härter fahrt. 

Doch ich möchte nun eine Entscheidung treffen, die hiervon unberührt bleibt. Denn es gibt natürlich Unterschiede: Feine Nuancen und große Differenzen. Meine (nochmal: subjektive!) Endbewertung, die aus den Teilkriterien Strecke, Wetter und Orga besteht, gewichte ich so, dass die Streckenhärte mit 50%, das Wetter mit 35% und die Orga mit den restlichen 15% in die Note eingehen.


Meine Top 4 der härtesten Alpen-Rennen im Radsport-Kalender sieht deshalb wie folgt aus: 


Der härteste Radmarathon in den Alpen ist meiner Meinung nach die Tour du Mont Blanc mit einer Gesamtnote 2. Eigentlich war dieses Ergebnis vorhersehbar, denn bei 330 Kilometern mit 8.000 Höhenmetern bleiben eigentlich keine Fragen offen. Zwar hat die TMB mit durchschnittlich 5,8% die "leichteste" Strecke, was den Overall-Gradienten angeht, doch mit 180 von 330 Kilometern sind hier 55% Steigungsarbeit zu leisten - Hammerwahnsinn!




Gleich dahinter - und das nur knapp - folgt der Endura Alpen-Traum als zweit-härtester Alpen-Radmarathon mit einer Gesamtnote von 2,5. Zwar liegt der Alpentraum auf der selben Endnote wie der Ötztaler und hat "nur" knapp 70 Steigungskilometer, verglichen mit den über 90 beim Ötztaler - doch Ausschlag gebend für mich sind die wesentlich höheren Höhenmeter sowie der durchschnittliche Overall-Gradient von 7,45% des Alpen-Traum. Abgesehen davon, verlangt der Alpen-Traum aufgrund der vielen langen und sehr schweren Flachstücke den kompletteren Fahrer.




Auf Platz 3 folgt der Ötztaler Radmarathon, der ebenfalls eine hervorragende Note 2,5 erhält. Eine sehr anspruchsvolle, hochattraktive Strecke sowie ein Anteil von knapp 40% Steigungskilometer an den knapp 240 Gesamtkilometern machen den Ötztaler zu einem wirklichen Kracher. Hinzu kommt die mit Abstand beste Organisation aller vier Rennen und das hohe Prestige, das dieses Rennen auszeichnet.



Den in meiner Hitliste zwar letzten, aber alles andere als "letzten", Platz macht die Gold-Runde des Alpenbrevet im schweizerischen Meiringen. Zwar ist die Strecke mit einem 43%igen Steigungsanteil auf Platz 2, sind die 5.400 Höhenmeter nur unwesentlich weniger als beim Ötzi und der Overall-Gradient mit 6,45% ebenfalls auf Platz 2, ebenfalls alle Orga-Werte, die dem Alpenbrevet den zweiten Rang in dieser Teilkategorie bescheren, hier ist es vor allem das Wetter-Risiko (also die Aussicht auf eher schönes Wetter - damit weniger Härte), das die Gesamtnote auf 3,0 gezogen hat. 


Nichtsdestotrotz: Eine Teilnahme am Alpenbrevet kann nicht nur wegen der wirklich harten Strecke, sondern auch wegen der wesentlich entspannteren Startplatz-Situation eine echte Alternative zum Ötztaler Radmarathon sein. Und hierbei auch nicht vergessen: Ich meine hier "nur" die Gold-Runde. Wer die Platin-Runde mit über 7.000 Höhenmetern in Angriff nimmt, bekommt potenzierte Härte!

Ich hoffe, ich konnte Euch mit meiner Analyse ein bisschen bei Eurer Event-Suche für die nächste Saison unterstützen. Egal, für welches Ihr Euch am Ende entscheidet: Ihr meldet Euch bei allen 4 Rennen auf jeden Fall bei wirklich krassen Veranstaltungen an, die Euch als Radsportler an Eure physischen und auch psychischen Grenzen bringen werden. Garantiert! 

Alle vier Alpen-Radmarathons sind die Cremé dessen, was ich bisher fahren konnte - sie bieten alle für sich ganz individuelle Eigenheiten und Nuancen, bewahren so einen eigenen Charakter, stehen für sich allein und sind ganz eigene Marken.

Ich wünsche Euch bei Eurer Teilnahme an diesen - und allen anderen - Events alles Gute, gute Beine, ganz viel Spaß, eine tolle Finisher-Zeit und vor allem: Kommt safe wieder über die Ziellinie!




Welche Alpen-Rennen findet Ihr, sind für Euch die "härtesten"? Welche anderen Events könnt Ihr noch empfehlen oder welche (anderen?) Bewertungskriterien sind Euch am wichtigsten? Ich freue mich wie immer über Eure Comments.

Quellen für Höhenmeterangaben und weitere Daten: Eigene Rennteilnahmen und Messungen mit DuraCase/Apps, Garmin, Quäldich.de und Wikipedia.





Du suchst Berichte von einer bestimmten RTF, einem Rennen oder Gran Fondo? Ich bin nunmehr fast 30 dieser Events im Rahmen des German Cycling Cup, der UCI-World Cycling Tour und des italienischen Prestigio-Gran Fondo Cup gefahren. Einfach hier klicken: Vielleicht findest Du in meinen Listen genau das Rennen, für das Du Dich interessierst?

19. Oktober 2014

Rennradfahren bei Regen, durch Kuhmist, im Wind und bei Dunkelheit: Hamburg-Berlin, eine Woche später. Oder: Warum ich Rennrad fahre.

Für viele Rennradler die aus Hamburg und Umgebung, aber auch aus Berlin kommen, ist der traditionelle Saisonabschluss ein ganz bestimmtes Event. Ein heiliges Datum, sozusagen. Auch für mich gehört es, seit ich im Jahre 2010 mein erstes Rennrad erworben, habe einfach dazu. Ich meine das Zeitfahren Hamburg-Berlin (hier der Rennbericht von 2013). Ein Event auf einer 260 bis 280 Kilometer lange Strecke, diewelches vom Audax Club Schleswig-Holstein alljährlich organisiert wird und ab Hamburg-Altengamme bis Berlin-Spandau, neuerdings zum Olympiastadion führt. Leider kann ich in diesem Jahr diesen Klassiker nicht mitfahren, hole ihn aber eine Woche später nach.


Warum ich Rennrad fahre: Hamburg-Berlin als Blaupause meiner Leidenschaft.


Ich liebe diese Strecke nicht nur, weil ich Quasi-Berliner bin und mich immer freue, in meine brandenburgische Heimat und speziell in die Stadt mit dem Telespargel zu kommen, sondern, weil dieser Trip all das, was ich am Radsport so liebe, zum Vorschein bringt.


3:15 Uhr aufstehen,4:20 Uhr aufbrechen: Radsport ist nichts
für Langschläfer.

Seit dem ich Rad fahre, bin ich "anders". Familie, Freunde schütteln oft ihren Kopf. Verstehen nicht, was ich da treibe. Können es nicht fassen, wie viel Zeit und Geld ich investiere. Eine Mischung aus Anerkennung und mich für einen Verrückten halten. Ihr kennt das sicher.

Es ist aber mehr. Es ist die Veränderung meines Lebenswandels, der sie verwundert. Wochenende. Partyzeit. Für alle anderen. Für mich oftmals der Startschuss zum intensiven Erleben von Körper, Seele und meiner Umgebung. Und das beginnt früh.


Früh aufstehen - ich bin der Erste in der Stadt.


Sicher, es gibt viele wie mich, die auch um 4:30 Uhr durch die noch dunklen Straßen der Stadt wuseln. Die Stadtreinigung zum Beispiel. Oder andere Menschen, von denen wir sonst nur selten etwas mitbekommen. Mitbekommen wollen? Oder der Bäcker. All die Servicekräfte, die dann später tagsüber in Gosch Sylt-, McDonald´s- oder Nordsee-Uniformen beispielsweise unsere Snacks servieren: Hier sehe ich sie. In zivil. Haben Plastiktüten dabei, ein Ärmel der Fimenkleidung schaut heraus. So sehen die Service-Roboter also in echt aus. Einblicke, die auch immer etwas nachdenklich stimmen. 

Die erste S-Bahn ab Altona. Es ist fast leer am Bahnsteig.

Um 4:44 Uhr fährt meine S-Bahn ab Altona. Sie wird mich nach Hamburg-Bergedorf bringen. Dort starte ich meine Zeitfahren, wenn ich nicht offiziell in Altengamme starten kann. Von hier aus sind es 26 Kilometer, ehe ich den Kreisverkehr nach Geesthacht, und damit die Originalstrecke erreiche.

Vorher fahre ich 30 Minuten S-Bahn. Mit mir wenige, aber umso illustrere (schreibt man das so?) Menschen im Zug. Die prekär Beschäftigten sitzen mit leeren Gesichtern, schauen einem weiteren Tag im Bratfett entgegen. Einen Vierer weiter zwei bis an den Rand des Erträglichen geschminkte junge Frauen. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch. Sie gackern unaufhörlich, kokettieren. Ein nur mit einem Muskelshirt und Jeans bekleideter, etwa zwei Meter großer, kahlrasierter Türke aus dem Boddybuilding-Security-Milleu setzt sich zu den Beiden. Sie flirten. Telefonnummern werden ausgetauscht.

Weiter vorn pennen zwei Jugendliche im Rausch. Sie waren Reeperbahn in den Zug gefallen, schaffen es gerade so auf die Sitze. Kippen ineinander und schlafen sofort weg. Irgendwann springt der Eine auf, sie verabschieden sich. Franzosen. Wie schön das immer klingt ...

Zwei Russisch sprechende Frauen, vielleicht 45 Jahre alt. Wahrscheinlich Reinigungskräfte. Sie steigen nacheinander aus. Verschwinden in der Dunkelheit. Die Büros werden sauber sein, wenn es hell wird. Sie wird man dann wohl nicht mehr sehen.

Da sitze ich nun. Inmitten der namen- und gesichtslosen Masse der Servicegesellschaft. Selbst uniformiert. Die starren mich manchmal an, als käme ich von einem anderen Stern.

Interessant, diese Studie in der ersten S-Bahn Hamburgs. Holt einen runter, in die Wirklichkeit. Viel mehr wert erscheint mir nun mein eigener Luxus. Ich sitze freiwillig hier. Uniformiere mich freiwillig. Und freue mich auf die Nacht, in die ich gleich entschwinden kann. Weg von all dem hier. Weg vom Alltag. Der Routine. All den Problemen. Weg von meiner eigenen Rolle. Nur treten. Nur kurbeln. Sport - auch eine Art von Beam in ein einfacheres, in ein besseres Leben.


Leiden. Sich abmühen. Dreckig werden - Radsport ist archaisch.


Wie sagt man immer so schön? Beim Grillen können die Männer wieder ihren Urtrieb ausleben: Am Feuer das Fleisch bereiten. So ähnlich ergeht es mir auch auf dem Rennrad. Auch - und gerade - wenn die äußeren Bedingungen nicht ganz so perfekt sind. 
Sicher, auch ich fahre am liebsten in kurz-kurz bei 20 Grad und Sonnenschein. Ich habe es gern noch heißer. Liebe es, wenn es trocken ist und am liebsten ein mäßger Rückenwind mich anschiebt. Aber: So richtig Rennrad gefahren bin ich doch erst dann, wenn es mal nicht perfekt ist. Oder?


Rennradfahren im Oktober: Fast sichere Garantie für Nässe & Kälte.

Ich habe bei meinem HHB noch Glück: Der Himmel schickt dieses mal, anders als 2013, keinen stundenlangen Regen vom Himmel. Dennoch sind die Straßen sehr nass. Zudem legt sich durch den fetten Nebel stetig Feuchtigkeit auf meine Klamotten, sodass ich nach wenigen Kilometern schon an den Füßen durch die Überschuhe, an den Beinen durch die Beinlinge und auch am Hintern und Rücken durch Bib und Jacken durchnässt bin.

Vom Vorderrad spritzt es stetig Wasser an den Rahmen, das dann, fein zerstäubt, meine Schienbeine nass hält. Hinten (ich verzichte aus Stylegründen auf Schutzbleche und dergleichen) schießt es mir direkt in die Kimme.

Mit der Feuchtigkeit kommt die Kälte. Zwar habe ich wieder etwas Glück - 9 bis 11 Grad hat es in den Morgenstunden - denn bei Hamburg-Berlin bin ich auch schon bei -1 Grad gestartet, hatte Eisplatten am Kopf. Dennoch, ich zittere. Nur eine Temposteigerung kann mehr Wärme produzieren, alles etwas angenehmer machen. Das kostet aber mehr Energie. Paradoxon.

So fliege ich durch die Nacht. Hinten unter mir blinkt das rote Warnlicht. Ab und zu überholen Autos (gesteuert von Zeitungs-, Brötchen- und allerlei Teile bringenden Servicerobotern - ganz entfliehen kann ich dem also nicht), die meiste Zeit aber trete ich allein. Ich schwitze, ich keuche fast. Schnell bin ich nicht - 27 bis 30 km/h, je nach Wind. Dennoch: Ein Spaziergang ist das nicht.

Ich werde am Ende knapp 280 Kilometer gefahren sein. 26er-Schnitt. Das ist nicht wahnsinnig schnell - aber das war heute auch nicht mein Ziel.


Herbstliche Ausfahrten sind fast immer auch Garanten für
ausgedehnte, lange Reinigungs-Sessions am Tag danach.

Das Rennrad wird leiden. Feuchtigkeit an sich ist ja nichts Schlimmes. Doch Hamburg-Berlin wird meist abseits der großen Bundesstraßen gefahren. Viele Wirtschafts- und vor allem Landwirtschaftswege. Zwar alles asphaltiert (und stellenweise von sehr viel besserer Straßenqualität, als manche Landes- oder Bundesstraße, die ich passiere), aber eben auch dreckig.

Herbst, das ist Erntezeit. Und die Zeit, um die Gülle, die die unzähligen Viehzuchtbetriebe hier in Niedersachsen und Brandenburg produzieren, auf die abgeernteten Felder auszubringen, auf dass sie für die nächste Anbausaison umso fruchtbarer werden. Traktoren, LKW. Sie biegen von den Feldern auf die Wirtschaftswege ein. Fahren anhängerweise Mist über diese Straßen. Allenthalben fällt etwas herunter. Mit der Zeit breit gefahren. Von Regenschauern in Schlamm verwandelt. Eine unansehnliche, ohrenbetäubend in Kette und auf Blättern schleifende braune Suppe. Sie spritzt unaufhörlich ins Rennrad. Und landet natürlich auch auf mir.

Güllefahrzeuge sind selten dicht. Sie lecken unaufhörlich die fruchtbare, aber bisweilen bestialisch stinkende Brühe auf den Asphalt. Ich passiere Dörfer, lang gezogene Hofanlagen, da steht die Kacke einen Zentmeter hoch auf der Straße - jegliches Ausweichen zwecklos. Will ich nun einen Schluck aus meiner Trinkflasche nehmen, ich muss sie erst sorgsam vom Kot, der natürlich genau auf dem Trinknippel landet, befreien.

Doch all das heiße ich willkommen. Die Kälte, das Zittern. Die langsam nach innen kriechenden Schmerzen, Ansätze von Krämpfen, wenn ich kurz in den Wiegetritt gehe. Mein hintern, der nach diesem Tag kaum noch sitzen kann. Meine brennenden Lungen und selbst die Kackespritzer im Gesicht, das Braune auf mir und der Gestank, eine üble Mischung aus dem Schweiß von 12 Stunden Beinarbeit gepaart mit den landwirtschaftlichen Spitzprodukten, ein Geruch, der mir später in der Berliner S-Bahn auf dem Weg zur Übernachtungsmöglichkeit einen freien Vierersitz und angewiderte Blicke bescheren wird: Das Leid ist es, das mich für diesen Tag zu einem einfacherern, aber irgendwie wieder kompletteren Menschen macht. Essenzielle Grundemotionen erfahren - wann habe ich die sonst, bei 8, 9 oder 10 Stunden Bildschirmarbeit? Durch das Rennrad kann ich - wie der Mann am Grill - wieder irgendwie Mensch sein.


Natur erleben. Landschaft erfahren - mit dem Rennrad die Umgebung erobern.


Warum reisen wir? Doch auch, um fremde Plätze zu entdecken. Ich mag das Fliegen. Ich liebe es sogar. Ich liebe das Bahnfahren aber ein bisschen mehr - weil ich sehe, was ich durchquere. Am meisten aber habe ich Spaß am Radfahren. Weil ich die Natur nicht durchfahre, schnöde überbrücke, sondern weil ich sie erfahre.

Nicht mit 800 km/h über dem Wetter dahinrasen. Eher mit 28 km/h durch das Wetter und durch die Natur fahren. Ich durchmesse die Räume. Rieche meine Umgebung (obschon es Abschnitte bei HHB gibt, die geruchsmäßig sicher nicht ganz weit vorn sind ...). Ich muss mir jeden einzelnen Kilometer erarbeiten - selbst erarbeiten. Mal schufte ich dafür etwas härter, mal helfen Gefälle oder Wind. Doch immer bin ich es allein, der sich die Distanz erobert.



Wenn es endlich hell ist, lohnt es sich, auch mal auf den Deich zu fahren:
Dampfende Elbe, weite Auen, saftige Wiesen.

Bei Hamburg-Berlin genieße ich jeden einzelnen Kilometer. Obwohl ich die Alpen, große Pässe, Tirol und Italien noch viel lieber mag: Die Landschaft entlang von Elbe, Havel und selbst durch das "Death Valley" Brandenburgs bis Rhinow bietet interessante Einblicke.

Zunächst das Losfahren in absoluter Dunkelheit. Hamburg, später Geesthacht, dort über die Elbe. Dann wird es dunkel. Richtig dunkel. Wenn ich Glück habe (hatte ich 2012 bei einem "privaten" HHB-Trip), leuchten dann über mir fantastische Sterne. Stille in der Weite: Nur das Surren des Freilaufs, weitab vielleicht das Kreischen eines Vogels.
Dann den Sonnenaufgang erleben: Wann machen wir sowas noch? Wann haben wir Zeit und Muße, dem Zentralgestirn stundenlang beim Aufgehen zuzuschauen? Niemals. Bei HHB geht das umso besser: Generalkurs Süd-Ost, ich muss den Kopf nur leicht drehen, dann kann ich alle Stadien des neuen Tages beobachten.

In mir aufsaugen: Das zarte Rosa als erstes. Dann mehr Rot-Töne, die später ins Goldene übergehen. Wolkenfetzen in der Umgebung, die sich in allen warmen Tönen des Spektrums verfärben. Und dann der Moment, wenn Teile der Scheibe erstmals über den Horizont kommen. Geblendet sein. Wärme. Es ist so herrlich, so unbeschreiblich schön.

Die Elbauen, auf denen morgens noch der Nebel steht. Das Geschnatter tausender Zugvögel. Wiesen, so saftig, dass sie es mühelos mit den satt-grünen Almen der Alpen aufnehmen. Ein Binnenschiff, das sich mühevoll stomaufwärts mit mir kämpft.

Bis gestern wusste ich nicht, dass Raps auch noch im Oktober geerntet werden kann: So stelle ich mein Cervélo an einem dieser herrlich gelb leuchtenden, so eindringlich duftenden Felder ab und genieße die eindrucksvollen Kontraste. Schön, noch frisches Grün und Blüten sehen zu können - 2 Wochen vor November.



Raps blüht auch im Oktober - Frühlingsgefühle bei Hamburg-Berlin.

Wenig später die einzigen Berge der Strecke. Naja, nennen wir es: Hügelchen, im Vergleich zu dem, was ich sonst so fahre. Kurze Rampen, einige sogar zweistellig. Vor Bleckede dann die wohl nördlichste Serpentine Deutschlands.

Bis Wittenberge und weiter vor allem hinter Havelberg dann die Ebene. Viele Teilnehmer fluchen hier: Nur flach. Nur Felder und Weiden. Kaum Wald oder Bäume, die vor dem Wind Schutz bieten. Hier kann es langweilig, sogar schwer werden, wenn die Windrichtung falsch ist. Ich mag es hier trotzdem: Kaum Autos. Verschlafene Dörfchen. Landleben. Für Städteraugen ungewohnt und daher spannend. Autonummernschilder haben hier drei Buchstaben. Wir sind richtig tief in JWD.

Bis Rhinow muss man es aushalten. Dann, ziemlich genau an dem Berg, an dem Otto Lilienthal seine Gleitflüge unternommen hat, fangen die Wälder Brandenburgs an. Bis Nauen geht es dann immer mal wieder durch Kiefernwälder - vor allem an heißen, trockenen Tagen ein würziger Duft-Genuss.

Tja. Und dann schon Falkensee. Verkehr wird dichter. Nummernschilder haben jetzt nur noch einen Buchstaben: B. Es ist nicht mehr weit, und ich fahre in Spandau ein. 280 Kilometer - Zweihundertundachtzig Kilometer! Na klar, es gibt viele, die viel mehr fahren können. Aber noch massig mehr, die niemals in ihrem Leben diese Distanzen aus eigener Kraft schaffen. Schlimmer noch: Schaffen wollen. Nicht mal daran denken. Mich belächeln. Scherze machen.

Sie wissen gar nicht, was ihnen entgeht.


Leute treffen. Freunde finden - das Rennrad als Kommunikator.


Jede Sportart hat ihre Afficionados. Rennradler sind da nicht anders. Und so, wie man sich als Mensch ganz selbstverständlich zu Gruppen zusammenrottet, machen wir Radsportler das natürlich auch. Hamburg-Berlin allein hat mir so viele gute Bekannte, Freunde oder nennen wir es so - hat mir so viele Menschen in mein Leben gespült, die die gleiche Leidenschaft wie ich teilen, dass ich diese als absolute Bereicherung empfinde. Menschen, die ich sonst niemals hätte kennen lernen dürfen.


Eine Attraktion und Mittel, um Leute kennen zu lernen. Das Rennrad.
Kühe fliegen anscheinend auch auf das schnelle Gefährt aus Carbon.

Aus Bekanntschaften werden manchmal Freundschaften. Aus einmaligen Teilnahmen werden Rituale. Schlafplätze werden angeboten. Man verabredet sich, freut sich auf einander. Und auch, wenn man sich vielleicht nur dieses eine Mal im Jahr treffen mag: Die 280 Kilometer von Hamburg-Berlin schweißen zusammen. Und der Tag auf dem Rad bietet genug Stoff, genug Stunden voller Erlebnisse, die dann für die kommenden 12 Monate bis zur nächsten Teilnahme reichen.

Ich selbst habe noch den Bonus dieses Blogs: Es vergeht kaum ein Rennen, kaum ein Event, bei dem ich nicht von einem Leser angesprochen werde - Danke an Euch hierfür! Dieser schönste Sport der Welt hält mich also nicht nur gesund und fit. Er bringt mich auch nicht nur an spannende, wunderschöne Orte, er bringt mich vor allem zu anderen Menschen, zu Leuten, die auch Gesichten mitbringen. Das finde ich spannend.

Und natürlich: Das Rennrad bringt mich zu mir selbst. Auch wenn mal keine Menschen dabei sind, wie jetzt bei meinem privaten HHB, dann habe ich Zeit, nachzudenken, zu reflektieren. Nicht nur die Natur, sondern auch mich selbst zu erkunden.


Markanter Punkt: Das Fliegerdenkmal bei Stölln. Nun ist es wirklich
nicht mehr weit bis Berlin.

Das alles mag jetzt sehr philosophisch, ja ein bisschen übertrieben esoterisch klingen. Ist es vielleicht sogar auch. Aber es ist wahr - ich finde, dass kein anderer Sport so sehr (zumindest meine) Sehnsüchte nach Fitness, nach Technik, nach Spannung, nach Risiko, nach Erlebnissen und nach Naturgenuss befriedigt, wie diese 7 Kilogramm Carbon.

Leute, die darüber lächeln, die kann ich nur belächeln.


Rennrad und Essen - so viel man will. Ohne Reue.


Okay, sicher: Ich wiege keine 65 Kilogramm und brauche daher jede Kalorie, die ich bekommen kann. Aber unabhängig davon - jeder, der halbwegs intensiv das Rennrad bewegt, braucht massig Energie. Und die holen wir uns auch. Ohne jemals Reue zeigen zu müssen. 

Beim offiziellen Hamburg-Berlin stoppt man traditionell eigentlich nur zwei mal: Erstens in Dömitz bei Kilometer 100. Auf der Friedensbrücke, genauer gesagt etwas abseits davon an einem Parkplatz, hat der Veranstalter dann einen kleinen Checkpoint mit Verpflegung und (meist ganz ganz wichtig!) heißem Tee oder Kaffee aufgebaut. Das zweite mal steigt man dann in Rhinow vom Rad. Das ist dann nach rund 200 Kilometern. Hier gibt es einen Supermarkt, der sich alljährlich über 400 hungrige Rennradler freut.

Ich stoppe bei meinem kleinen Nachhol-HHB öfter. Um zu telefonieren. Um Fotos zu machen. Und auch um etwas zu essen. Mich hetzt heute keiner. Kein Windschatten, den ich mitnehmen muss. Ich stoppe nicht in Rhinow, dafür in Friesack. Vor einem Fleischer. Der hat kindskopfgroße Bouletten und einen richtig geilen handgebauten Kartoffelsalat.


Bei 280 Kilometern braucht der Körper Energie zum Verbrennen. Ich gebe sie ihm. Sehr gern.

Das schönste an der Sache aber ist, dass ich weiß, dass ich diese Portion schon in wenigen Stunden wieder verbrannt haben werde - und tatsächlich. In Berlin wird es zum Abend ein leckeres Lahmacun bei einem herzlichen Araber geben. 

Süßes (ich kenne nicht wenige Rennradler, die sich eine Packung Gummibären während der Rennen reinhelfen), Salziges (ich selbst freue mich bei Rennen immer über dicke Wurstscheiben oder, wie ganz oft bei italienischen Gran Fondos, über Schinken und andere Schweinereien) und natürlich die Klassiker Banane, Apfel & Co. Wir können tonnenweise davon futtern - und behalten trotzdem unsere Hammerfiguren.

Ein stets unerwähntes Thema, gegen dessen Tabuisierung ich hier gern eine Lanze breche: Der Sportlerfurz. Es sind die Isodrinks und vor allem die Gels, die unserem Verdauungssystem so zusetzen, dass wir meist schon nach wenigen Stunden Rennen, wohl aber noch einige quälende Stunden nach dem glücklichen Finish mit Blähungen gestraft werden, die jedes wiederkäuende Rind neidlos die Flecken erblassen ließen. Furchtbar! Wahrlich die Kehrseite des Radsports. Aber eine, die wir wohl ertragen müssen. Und vor allem die um uns herum.


Last  but not least, Orange ist mein Rosa. Oder: Rennräder machen einfach glücklich.


Zunächst einmal Danke an @Bemme51, bei dem ich mir den Orange-Rosa-Spruch ausgeborgt habe. Aber er trifft es ganz gut: Ich brauche keinen Alkohol, keinen fancy Industrie-Kribbel und auch keine anderen präfabrizierten Dinge (abgesehen natürlich von toll organisierten Rennen, wie diesem hier beispielsweise) - ich brauche nur das Rennrad, eine Straße. Das war es. Das reicht mir, um Glück zu erleben.


Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang: Die Welt durch orange gefärbte Gläser sehen.
Ein Traum!

Ich habe die sportliche Herausforderung. Ich habe den Naturgenuss. Ich erfahre Zeit und Raum. Ich entdecke Neues, auch dieses mal, da ich HHB zum mittlerweile fünften Mal gefahren bin. Das Gespräch mit der Bäckersfrau in Dömitz beim Pott Kaffee. Der Bauer auf dem Traktor, der mir irgendwas von "... Scheiß Gülle, oder?" zugerufen hat. Zwei Polizisten am Blitzgerät, die mir zunicken. Oder die beiden Tourenradler, denen ich mit dem GPS aus einer Navigations-Patsche helfen kann, die, als ich ihnen auf ihre Frage, woher ich käme und wohin ich denn fahren würde, einige Sekunden lang mit offenem Mund dastehen, später nur sagen: "Hamburg bis Berlin? Das ist unsere gesamte Urlaubswoche!"
Unbezahlbar.

Genauso unbezahlbar, wie der fantastische Sonnenuntergang, den ich - zurück in Hamburg am nächsten Tag - erleben darf. Meine Stadt, die mich begrüßt. In den tollsten Farben, die man als Sonne und Wolke gemeinsam in den Himmel tünchen kann.

Ich dusche lange. Und heiß. Dusche mir den Schweiß und den Dreck der 280 Kilometer ab. Denke die Strecke zurück: Das Ortseingangsschild, auf dem endlich "Berlin" steht, die endlosen flachen Kilometer bei diesem fiesen Seitenwind bis Nauen davor, das "Death Valley" Brandenburgs auf den 90-Grad-verwinkelten Landwirtschaftsstraßen, das blökende und muhende Vieh, das mir wie Zuschauermassen Spalier steht auf dem Trip, die majestätische Elbe bei Morgengrauen, Brunsbüttel AKW, nachts noch spookyier illuminiert und schließlich der Lichtdom, der Hamburg ist, wie er in der stockfinsteren Nacht hinter mir zurück bleibt. 
Zurück bis 3:15 Uhr. Als mein Wecker klingelt, ich vollkommen von Schlaf durchsetzt stöhne: 
Scheiße! 
Aufstehen! 
Aber dann: Yeah - Radfahren!


Rennradfahren - Natur erleben. Draußen sein. Herrlich!

Die Essenz. Alles, was mich am Rennrad fasziniert. Auf einer Strecke. Ich liebe Hamburg-Berlin über alles. Und deshalb muss es 2015 auch wieder sein. Dann hoffentlich als regulärer Starter im regulären Feld.

Ja, dieses Plädoyer für das Rennrad mag vielleicht etwas überengagiert, etwas kitschig und romantisch verklärt sein. Aber so ist es nun mal.


Was treibt Euch auf Eure Rennräder? Was hält Euch stundenlang am Treten und Malochen? Ich freue mich wie immer über Eure Kommentare.

Hamburg-Berlin 2014, als private Tour. Hier die Garmin-Daten.








Du suchst Berichte von einer bestimmten RTF, einem Rennen oder Gran Fondo? Ich bin nunmehr fast 30 dieser Events im Rahmen des German Cycling Cup, der UCI-World Cycling Tour und des italienischen Prestigio-Gran Fondo Cup gefahren. Einfach hier klicken: Vielleicht findest Du in meinen Listen genau das Rennen, für das Du Dich interessierst?