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3. April 2014

Beim Marathon in Rom: Ein Laufbericht aus der ewigen Stadt.

Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kein Läufer. Für mich stehen sowohl beim Training wie auch bei den späteren Teilnahmen an den Marathon-Veranstaltungen keine (persönlichen) Rekorde im Vordergrund. Ich mache das, weil ich Spaß daran habe. Und, weil mich das Laufen über den Winter fit hält und eine angenehme Abwechslung zum Rennrad-Training darstellt.


Mein Saison-Auftakt: Der Maratona di Roma.

Das Wetter wird diesmal nicht mitspielen: der Marathon in Rom wird eine sehr kalte, sehr windige und vor allem sehr nasse Veranstaltung werden. Doch fangen wir am Anfang an ...

Der Rom-Marathon - bei der Einschreibung.


Nun also meine dritte Teilnahme an einem Marathon. Nachdem ich 2012 den 42-km-Lauf in Barcelona und im letzten Jahr den Marathon in der heiligen Stadt Jerusalem absolviert hatte, sollte es nun also Rom sein.


Schlangestehen zur Einschreibung.

Ich liebe Italien und deshalb passte Rom natürlich sehr gut. Am Tag meiner Ankunft ist es mit knapp 17 Grad und Sonnenschein angenehm warm und so reihe ich mich mit tausenden anderer Teilnehmer in die Schlange zur Einschreibung an. Dass diese im Palazzo dei Congressi - weit außerhalb des Stadtkerns - stattfindet, ärgert mich nur kurz. Die Stimmung ist - Italien halt - ausgelassen, alle haben Bock und sind fröhlich.

Nachdem ich erst einmal drin bin, geht alles sehr schnell. Dies hier ist die 20te Ausgabe des Rom-Marathon, man merkt, dass die Veranstalter Ahnung haben. Schnell habe ich Starterbeutel, Startnummer und Transponder sowie das T-Shirt des Rom-Marathon in meiner Hand. Überraschung: Kein Firlefanz im Beutel. Außer einem fragwürdig schmeckenden Kunstdrink findet sich nichts weiter. Was ich angenehm finde: So wird Müll vermieden.

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Leider schaffe ich es auch beim meinem zweiten Besuch in dieser tollen Stadt nicht, ein gutes Restaurant zu finden und so sitze ich zu einem endlosen Techno-Mix gecoverter Abba-Songs bei einer schlechten Pizza, gehe sehr früh schlafen und bon aufgeregt.

Der Renntag - Wetterkatastrophe!


Die Wetteraussichten waren trüb. Aber was sich mir morgens dann bietet, spottet jeder Beschreibung: Wolkenverhangener Himmel, immer mal wieder "aufgelockert" durch Sprühregen, kalter Wind der in ruppigen Böen durch die Straßen fegt. Na herrlich!


Kalt. Regnerisch. Windig. Nicht mein Lieblingswetter.

So entscheide ich mich, meine lange Laufhose, ein langes Thermo-Hemd und ein Laufshirt anzuziehen. Darunter Kompressionsstrümpfe und Socken. Keine Mütze. Nichts. Ich werde frieren.

Auf dem Weg zum Startgelände, das sie rund um das abgesperrte Collosseum aufgebaut haben, zittere ich, auch wenn ich hier noch eine warme Jogginghose und einen Sweater anhabe. Ich finde den Truck, an dem ich meinen kleinen Rucksack abgeben kann, ziehe mir die Klamotten aus und begebe mich in die Startzone.

Auf dem Weg dorthin beginnt es zu regnen.


Forum Romanum als Startort. Genial. Wenn nicht das Mistwetter wäre.

Die Klugen unter uns (und es gibt mehr Kluge, als Leute wie mich) haben sich Plastiksäcke oder Capes mitgebracht, die sie sich nun überziehen. Ich selbst stehe dann inmitten der dicht zusammengedrängten Laufwilligen, werde binnen Minuten vollkommen durchnässt und zittere wie Espenlaub: Noch 35 Minuten bis zum Start!

Ab und zu hört es auf zu regnen, dann "dampfen" die Menschen - es wird ein bisschen wärmer um mich herum. Doch dann, drei, vier Mal, regnet es richtig aus vollen Kübeln, dann geht ein Stöhnen durchs Feld. Gern läuft mir dann das Wasser von Vorder- und Rückmann´s Cape direkt auf die Brust oder den Rücken hinab.

Noch 30 Minuten bis zum Start: Bis dahin bin ich erfroren!

Endlich Start zum Maratona di Roma.


Ich weiß nicht mehr, welche mentale Technik mir die Kraft gegeben hat, dem Regen zu widerstehen. War es der Österreicher neben mir, der fast noch bemitleidenswerter als ich gezittert hat? Oder die beiden schicken Holländerinnen (orange Hot Pants!), die sich zärtlichen Cousinen gleich unter ein Cape gekuschelt haben? Oder der haarige, Riesen-Russe, eine Kreuzung aus Hulk und Monster Rückgrat, der nur mit einem Achselshirt bekleidet regungslos auf den Countdown gestarrt hat?

Irgendwann jedenfalls geht es endlich los.


Wenn 14.000 Laute loslaufen, dann geht das eher behäbig zu. Und so ist es auch: Obwohl alle versuchen zu laufen, laufen wir eher. Gemütlich kann ich die ersten 300 Meter mitgehen, ehe ich langsam traben kann. Bis sich dieses Feld aus einander ziehen - geschweige denn jeder an seinem Platz sein - wird, wird es noch dauern.

Mein Ziel für diesen Rom-Marathon.


Was habe ich mir für heute vorgenommen? Nun, in Barcelona und Jerusalem bin ich jeweils mit 4:30 Stunden keine sonderlich guten Zeiten gelaufen. Um ehrlich zu sein, in der Laufszene sind das eher schlechte Zeiten. Zu meiner Verteidigung: Barcelona war mein erster, Jerusalem mit +800 hm einer der schwereren Marathons überhaupt.

Und so wollte ich "irgendwas um die 4:10 Stunden" laufen - ein Traum wäre etwas mit der 3 davor.


Noch sehr dichtes Gedränge.
Noch bin ich gut im Spiel.

Und dass das klappen könnte, auch wenn ich die ersten 10 Kilometer brauche, um überhaupt warm zu werden, daran bestanden für mich zumindest bis zur Halbmarathon-Marke berechtigte Hoffnungen. Bei Kilometer 25 bin ich 2:28 Stunden gelaufen - zwei von drei Abschnitten mit einer 5:47er Pace, den anderen mit 6:08 min/km.

Das hätte klappen können!

Ich lasse die weißen Luftballons, das Zeichen der 4:10er-Pacemaker sogar weit hinter mir. Beim Laufen verspüre ich keinerlei Schmerzen oder Probleme: Atmung, Muskeln, Gelenke, alle machen super mit. Kein Seitenstechen, keine Zipperlein. Ich freue mich!

Irgendwann passieren wir die Engelsburg, gleich müssten wir zum Petersdom kommen, denke ich mir - das war doch bei km 17?


Kurzer Blick auf die Engelsburg.

Meinen rechten Schuh habe ich zu fest gebunden - langsam kündigen sich hier Schmerzen an. Doch ich will nicht anhalten, ertrage es und mache einfach weiter. Was mir auffällt - obwohl ich genau beim Überqueren der Startlinie mein GPS gestartet hatte - ist, dass ich der offiziellen Strecke um die 500m "voraus" bin. Ärgerlich!

Die Strecke des Rom-Marathon. Eine Reise wert?


Rom ist eine faszinierende Stadt. Fast an jeder Ecke ist irgendwas Historisches, etwas, das uns die alten Römer hinterlassen haben. Ein Aquädukt hier, Relikte eines Tempels dort, huch, die Spanische Treppe ... diese Stadt ist immer eine Reise wert. Doch gilt das auch für den Marathon?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich von der Marathonstrecke eher enttäuscht bin. Verglichen mit den Sehenswürdigkeiten und den Möglichkeiten, die die Streckenplaner hier hatten, haben sie uns an auffällig wenigen Highlights vorbeigeführt.


Die Marathon-Strecke durch Rom: Auf der Karte attraktiver als live.

Ich kann mich nur noch an Engelsburg (kurz), Petersdom und die Piazza Navona erinnern. That´s it. Ein Kollege, den ich treffe, erzählt was von der Spanischen Treppe, die muss ich wohl verpasst haben. Wir werden stattdessen oft durch Wohnviertel, verwinkelte Gegenden und auf schlechten Straßen entlang geführt. Okay, durch den Regen wird dann auch noch die lange Passage am Tiber entlang eher unschön. Aber verglichen mit Barcelona oder Jerusalem, war diese Rom-Strecke einige Nummern schlechter.


Wo sind wir hier? In Rom? Könnte auch Braunschweig sein ...

Sicher: Eine Stadt wie Rom mal komplett zu sperren ist illusorisch, zumal diese Metropole auch ohne Großveranstaltung im Verkehr erstickt, aber irgendwie schaffen sie das in New York ja auch?

Andererseits: Wenn wir denn dann mal an den Highlights vorbei kommen, ist Gänsehaut garantiert. So wie bei Kilometer 17, als wir direkt auf den Petersdom zulaufen. Auch für Atheisten wie mich ein eindrucksvolles Erlebnis, zumal man diesen Blick als Läufer sowieso niemals hat: Gesperrte Straße, jubelnde Zuschauer und dann dieses architektonische Meisterwerk.


Petersdom. Geil.

Irgendwann kommen wir auch über den Circus Maximus, den ich aber nicht wieder erkenne, und dann über die Piazza Navona. Und dann, endlich, ist das Collosseum wieder in Sicht: Ich habe es geschafft! Bis dahin aber wird es die Hölle werden.

Den Marathon finishen: Über sich hinaus wachsen.


Was mich am Marathon interessiert, sind die letzten 10 Kilometer. Alles bis zum Halben laufe ich locker weg, aber ab Kilometer 30 wird es interessant: Glykogenspeicher leer, das bisschen Verpflegung unterwegs kann sie nicht aufladen. Du läufst mit purer Willenskraft weiter. Das ist das, was die Marathon-Erfahrung für mich ausmacht, deshalb mache ich das hier. Und in Rom werde ich meine Spezialveranschaulichung bekommen.



Sch**** die Wand an! Ein Marathon ist
unvergleichlich hart!

Ich laufe heute komplett ohne Power-Gels und Iso-Kram. Lediglich ein Nitratloading von 5 Tagen mit Sponser Red Beet Vinitrox habe ich mir gegönnt, unterwegs ernähre ich mich von Bananenstückchen. Das wars. Nichts weiter. 
Und das merke ich.

Vielleicht ist es aber auch das Herumstehen im kalten Regen, vielleicht das schlechte Abendessen und Frühstück, jedenfalls erwischt mich der "Mann mit der Keule" bei diesem Lauf ganz besonders hart. Ab Kilometer 32 geht es mir einfach nur richtig dreckig.


An allen Verpflegungs- und Schwammstationen gelaufen,
zum Schluss hin viele "Schnellgehpassagen". Massiver
Leistungseinbruch.

Ich muss unerwartet viele Passagen gehen. Laut Garmin werde ich allein zwischen dem 32ten Kilometer und dem Ziel 17 mal mehr oder weniger langsam gehen müssen! Besonders die Kilometer 35 bis 37 treiben mir fast die Tränen in die Augen. Ich bin wirklich leer bis auf die Knochen, kann mich kaum motivieren und brauche für diese letzten Kilometer unerwartet viel Kraft.

Und doch: Irgendwann schleppe ich mich bei der "40" vorbei, von da an fliegen die letzten 2.195 Meter nur so an meinen Augen vorbei. Ich schwöre mir, diese komplett durchzulaufen. Und auch wenn mich nun bei jedem einzelnen Schritt ein Krampf durch die Beine fährt, ich ziehe es durch. Fast muss ich schreien (hätte aber eh keine Luft hierzu gehabt), als ich durch den Bogen komme, ein Mädel mir die schicke Medaille umhängt und ich mich endlich unter eine Wärmefolie zwängen kann.


Noch 200 Meter bis ins Ziel.

Neben mir, um mich herum, alles glückliche Menschen. Und obwohl ich hier heute sicher alles andere als eine Meisterleistung abgeliefert habe, ist es doch das, was für mich am meisten zählt: Eine Herausforderung meistern, etwas schaffen, was vorher vielleicht unerreichbar schien, etwas mit vielen anderen zu teilen und am Ende gemeinsam einen Moment zu erleben, der uns allen so vieles bedeutet.

Ich bin voller Glückshormone, merke es nur nicht. 
Denn mir ist nur noch kalt.
Ich habe Krämpfe.


Im Ziel nach viereinhalb Stunden Regen-Wind-Tortur.

Ich habe es vom Collosseum nur etwa 2.000 Meter zu Fuß zu meinem Hotel, das in der Nähe vom Bahnhof Termini ist. Dort schleppe ich mich mehr humpelnd als gehend hin, lasse mir sofort eine extra heiße Wanne ein und liege dort für 90 Minuten, durchweiche meine Knochen, lasse immer wieder heißes Wasser nach, auf dass es jede einzelne meiner geschundenen Muskelfasern gar kochen, die Krämpfe raus sieden möge.

Mein Ergebnis beim Rom-Marathon.


Am Ende sagt mir mein Garmin, dass ich in den Marathon 4:28 Stunden mit insgesamt 43,4 Kilometern gelaufen sei: Das wären dann ganze 1.105 Meter mehr, als ich eigentlich hätte müssen. Insgesamt also eine Pace von 6:12 min/km.

Aber ich vertraue mal lieber den offiziellen Zahlen.


Wahnsinns-Abweichungen GPS zur offiziellen Messung.

Leut denen benötige ich offizielle 4:29 Stunden für die Marathon-Distanz. An den Checkpoints, die alle 5 Kilometer die Zeiten messen, kann ich ganz gut meine Performance sehen: Anfangs eher gebremst durch das langsame Anfangstempo und Gedränge nach dem Start, kann ich schnell gute Zeiten um die 5:47er-Pace laufen: Das entspricht den Durchschnitten, die ich bei meinen Trainings gelaufen bin.


Splits und Finisher-Timings versus Halbmarathon-Trainings.

Ich gebe zu, dass ich mit meinem Ergebnis nicht wirklich zufrieden bin. Bis Kilometer 37 konnte ich mich noch tapfer vor den 4:15er-Pacern halten, wie schlecht es mir dann ergangen sein muss, als mich die Jungs mit den Luftballons und der Menschentraube überholt hatten, könnt Ihr Euch vorstellen.

Letztlich egal: Ich habe gefinished und das ist mir auch viel wert, aber insgeheim hatte ich doch auf eine etwas bessere Zeit gehofft. Andererseits: Aufgrund der Geburt meines Sohnes und einer unerwartet arbeitsintensiven Winterzeit konnte ich nur 7 Halbmarathon-Läufe trainieren und keinen einzigen 30-km-Lauf. 2013 waren es immerhin 6 Halbdistanzen und 3 mal 30 Kilometer. Anyway. Geschichte.


Etwas traurig der Zug der Finisher nach dem Lauf.

Am Ende blicke ich auf einen sehr schweren, interessanten aber streckenmäßig leider enttäuschenden Marathon in Rom zurück. Auch, weil das Wetter diesmal so gar nicht mitspielen wollte, war leider auch die Stimmung im Feld eher verbissen und ernst, kein Vergleich zum Sommer-Run in Barcelona vor 2 Jahren.

So wird mir dieser Lauf als ein sehr harter in Erinnerung bleiben - und bisweilen mir das Ziel auch weiterhin erhalten sein, vielleicht im nächsten Jahr dann mal an der 4-Stunden-Marke zu kratzen.


Hier geht es zu meinen Garmin-Daten des Maratona di Roma.

1 Kommentar:

  1. Ich weiß nicht, warum Läufer immer in ihren Berichten jammern, wie schlecht sie waren. Wenn dann unterm Strich doch eine ganz gute Zeit steht.

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