Browse to ...

13. Februar 2014

Augen auf beim Rennrad-Kauf: Was solltet Ihr beim Kauf eines gebrauchten Carbon-Rennrads beachten?

Keine 3.500 Kilometer bin ich mit meinem neuen Cervélo S5 gefahren - nun ist es verkauft. Mir blutet einerseits das Herz, denn dieses Rennrad ist der Hammer, in seiner Konfiguration mit Sram Red Black und den Cosmic Carbones eine Rakete. Und doch: Ich "kann" nur 2 Rennräder haben und da für die neue Saison ein neues Rad in der Mache ist, brauchte ich den Platz.

Cervélo Rennrader gebraucht (ver-)kaufen?


Schon eine Weile habe ich versucht, das Rennrad zu verkaufen. EBay, eBay-Kleinanzeigen, bei meinem Fachhändler Pirate Bikes und via meiner Kontakte und Reichweite über Social Media und diesen Blog.

Meine Erfahrung: Gebrauchte Cervélos verkaufen sich nicht gut.


Es musste Platz her: Das neue Rennrad kommt demnächst ...

Diese Erfahrung bestätigt auch ein Blick in die beiden letzten Ausgaben der RoadBike und der letzten des Tour-Magazins. In den privaten Kleinanzeigen finden sich von insgesamt 98 Gebraucht-Rennrädern gerade ein mal 2 von Cervélo.

Woran liegt das?

Ich habe hier eine eigene Theorie. Cervélo ist eine Top-End-Marke. Ein "Mercedes" unter den Rennrad-Marken. Vom Marken-Image her kein Canyon, kein Rose. Eine Marke, die für High-Tech und Performance steht. Dieses "teure" Image hat sich Cervélo lange erarbeitet - mit Rennrädern und vor allem Triathlon-Rädern, die Maßstäbe setzten und noch immer setzen. 


Mein Käufer, René Wasmund, beschaut sich das Cervélo S5 genau. Richtig so!

Das Engagement im Profisport, das gezielte Sponsoring von Profis - auch wieder gerade im Tria-Bereich und natürlich das legendäre Cervelo Test Team sorgten für beeindruckende Siege dieser eher kleinen Firma aus Canada. (Stichwort: Kona Bike Count)

Ein wertvolles Marken-Image. Das aber so gar nicht zum Gebrauchtmarkt passt. Wer Cervélo kaufen will - also sich bewusst für diese Räder und damit auch dieses Image entscheidet - der will nicht sparen. 

Hinzu kommt natürlich der hohe Wiederverkaufspreis eines solchen Rennrades: Selbst dieser kann noch weit über dem Neupreis eines kompletten Versandrades liegen.

Der Käufer meiner Maschine - Rene Wasmund, Streckenchef der Mecklenburger Seenrunde und leidenschaftlicher Racer - hat sich bewusst gegen ein Neurad und für meines Entschieden. Im Prinzip noch nagelneu, durch meinen Blog lückenlos dokumentiert und garantiert sturz- oder pannenfrei war er hier auf der sicheren Seite. 

Á propos Sicherheit ...

Worauf solltet Ihr beim Kauf eines gebrauchten Carbon-Rennrads achten?


Gegen den Kauf eines gebrauchten Carbon-Renners spricht natürlich im Grundsatz erst einmal gar nichts. Doch ich würde auf einige Punkte streng achten - und da gibt es ein paar NoNos. Wenn die eintreten: Finger weg!

Carbon ist ein äußerst widerstandsfähiges Material, das - davon habe ich mich trotz anfänglicher Bedenken diesem Werkstoff gegenüber mittlerweile in 3 harten Rennsaisons überzeugt - sehr viel mehr aushält, als wir im ersten Moment denken. Das muss es auch, denn beim Rennradfahren treten enorme Kräfte auf.
"Normales" Rennradfahren - auch die Teilnahme an Rennen - können meiner Meinung nach einen guten Rahmen, die Gabel oder Anbauteile nicht maßgeblich verschleißen.


Nur ein Riss im Lack - oder kurz vor dem ABriss?

Bei einem Sturz sieht das anders aus: Oftmals sind Risse im Carbon kaum zu erkennen. Doch Carbon kann sofort und komplett brechen, wenn die Struktur versagt. Anders, als bei Alu oder Stahl, wo Risse langsamer entstehen können, man noch Zeit hat, anzuhalten, kann z.B. ein Rahmen- oder Gabelbruch bei Carbon-Rennern sofort zum totalen Zersplittern führen. Schwere Stürze und entsprechend ernste Verletzungen sind die Folge. Lebensgefahr!

Deshalb sollte Euer Verkäufer glaubhaft die Sturzfreiheit nachweisen können - die typischen Überbleibsel von Stürzen an den Ausfallenden, Lenkerhörnchen außen, zerschrammten Pedalen, Schnellspanner-Enden oder Sätteln können auf einen Sturz deuten. Dann heißt es - Augen auf!

Ich persönlich würde sofort die Finger von dem Rahmen lassen, auch wenn es sich unter Umständen wirklich nur um oberflächliche Kratzer handelt: In einer Alpen-Abfahrt bei +80 km/h möchte ich mich auf die Serpentinen konzentrieren, nicht Angst haben, dass der Kratzer womöglich doch ein Haarriss sein könnte ...

Sollte selbstverständlich sein: Eine Probefahrt.


Was beim Neukauf richtig ist, ist beim Macht in jedem Fall eine ausgiebige Probefahrt! Das heißt, dass Ihr nicht nur testet, ob das Rad gut läuft, Euch gefällt oder die Schaltung die Kette sauber duchrasselt, ich meine, dass Ihr das Rennrad belasten solltet. Macht - am besten auf einem leeren Parkplatz oder einer abseitigen Straße ohne viel Verkehr - einige Sprints. Also harte Antritte. Besser noch: Ist eine Rampe in der Nähe, mehr als 15% auf einigen hundert Metern? Dann hoch da!

Sprints und hartes Klettern leiten viel Kraft über das Tretlager in den Rennrad-Rahmen. Dann hört genau hin: Knarrt oder ziept etwas? Das könnten Rissflächen sein, die an einander arbeiten. Versucht, möglichst hart zu Bremsen - auch im Stehen bei angezogener Vorderradbremse die Lenkköpfe testen: Sitzt da alles? Ist das Lager in Ordnung?


Eine ausgiebige Testfahrt lässt sich der Streckenchef der
Mecklenburger Seenrunde nicht nehmen.

Alles Geräusche, die nicht "normal" klingen unbedingt untersuchen!

Zieht die Sattelstütze komplett heraus: Hat die Klemmung durch zu festes Anziehen vielleicht den Schaft beschädigt? Aufgepasst: Eine gebrochene Sattelstütze kann zu ernsthaften Verletzungen führen. Abgesehen davon kosten die Dinger so Einiges.

Entfernt die Laufräder und schaut Euch die Innenseiten von Gabel und hinterer Aufnahme an: Gabeln biegen sich bei Kurvenfahrten unter hohen Geschwindigkeiten. Das können und dürfen sie auch - wenn hier der Lack oberflächlich kleine Risse aufweist, ist das an sich noch kein Problem: Wenn Ihr aber durch vorsichtiges Zusammendrücken der Gabelenden aus kleinen Rissen große machen könnt, dann aufgepasst! Ansonsten könnten dies aber auch nur Kratzer von Steinen sein, die der Reifen mit durch die Gabel gejagt hat.


Kleine Lack-Kratzer in der Gabel-Innenseite meines R3 - kein Problem. 

Wenn Ihr könnt, schraubt das Schaltwerk ab und schaut Euch die Ausfallenden an: Zwar sollte mein Rennrädern bei übermäßiger Belastung dieses Rennrad-Teils de Energie durch den Bruch des Schaltauges vom Rahmen abgeleitet werden, manchmal bekommen aber die Ausfallenden auch einen Knacks weg. Bei Vollcarbon-Rahmen ist so etwas hochgefährlich - und nicht reparabel.



Auf jeden Fall Schaltwerk abschrauben und Ausfallenden begutachten!

Prüft ganz genau Lenker und Vorbau auf Risse und durch zu hohe Belastungen - entweder durch Stürze oder zu große Drehmomente verursacht - entstandene Stellen. Auch wenn es nervig ist und bei Eurem Verkäufer Stirnrunzeln verursacht: Bei Carbon-Lenkern auf jeden Fall das Lenkerband ab und ganz genau hingeguckt! Oder wollt Ihr beim nächsten Ortsschild-Sprint in Untenlenkerhaltung den selbigen brechen sehen?


Bei diesem Alu-Lenker noch OK: Kleine Wellen durch zu hohe Drehmomente.

Das wären mir die wichtigsten Sachen, die ich checken würde - bevor ich mich um die Feinheiten wie Kettenlängung, Zustand von Blättern und Zahnkränzen, dem geraden Lauf der Laufräder, Bremsen und Schaltung usw. widme.

Schaut Euch den Rennen bei Tageslicht draußen an. Und für die Überprüfungen, nehmt eine sehr helle Taschenlampe mit. Ich finde, Eure Sicherheit und die der anderen Verkehrsteilnehmer, Rennrad-Sportler Eurer Trainingsgruppen und Teilnehmer an den Rennen haben es verdient, dass Ihr auf einem sicheren Rennrad unterwegs seid.

Kaufbeleg und Kaufvertrag - gehören einfach dazu.


Eines, das muss ich sicher nicht extra erwähnen. Und mache es der Vollständigkeit halber trotzdem: Ihr benötigt, um sicher zu gehen, dass Ihr kein gestohlenes Rennrad kauft, den originalen Kaufbeleg vom Verkäufer. Bei einem hohen Kaufwert würde ich sogar so weit gehen, und den Radhändler anrufen - wenn das Rennrad nicht allzu alt ist, wie bei meinem, kann unter Umständen der Verkäufer noch wertvolle Hinweise liefern.

In meinem Fall habe ich sogar René angeboten, mit Robert bei Pirate Bikes zu telefonieren. Ich finde, das schafft Transparenz, gibt mir als Verkäufer die Sicherheit, auch wirklich gerechtfertigt meinen Preis aufrufen zu können - und dem Kaufer die Gewissheit, keinen Schrott zu kaufen.


Wichtig: Einen wasserdichten Kaufvertrag machen!

Damit alles seine Richtigkeit hat, solltet Ihr einen Kaufvertrag abschließen. Hier bieten zum Beispiel der ADFC oder der Verbund Service & Fahrrad (VSF) Mustervordrucke an, die Ihr online ausfüllen und sauber ausdrucken könnt. 

Eigentlich sollte der Verkäufer von sich aus auf einem Vertrag bestehen, böte er ihn nicht mit an, wäre das für mich auch ein komisches Zeichen ...

Der Kaufvertrag hat zudem noch eine ganz andere, vielleicht wichtigere Bedeutung ...

Garantie auf gebrauchte Rennräder


Leider - aber verständlicherweise - geben die Rennrad-Hersteller ihre Garantien nur dem Erstkäufer des Rennrades. Dennoch könnt Ihr Euch bei einigen Herstellern online als neue Besitzer registrieren lassen. Das könnte Einiges bringen: Manche Hersteller bieten Rabatt-Programme oder Crash-Replacement-Vorteile an. Es lohnt sich, das auch als Zweitbesitzer mal zu checken. Ein eindeutiger Kaufnachweis könnte dann wichtig werden.


Auch ein schöner Blog-Post: Rennrad & Garantie. Passt hier grad so schön ...

Zudem braucht Ihr einen Kaufbeleg, dass Ihr das Rennrad ordentlich erworben habt, wenn Ihr dieses selbst versichern möchtet oder - zum Beispiel bei einem Flugtransport oder durch einen Unfall im Straßenverkehr mit Dritten - ein Schaden entstanden ist, der dann belegt und eine eventuelle Schadenersatzsumme festgelegt werden muss.

Ich gebe zu: Für mich wäre der Erwerb eines gebrauchten Rennrades nichts. Ich bin irgendwie eher der Mensch, der lieber in den Dispo geht, um den "Neuwagengeruch" an unbenutztem Carbon zu riechen, als ein Schnäppchen zu machen. Aber da ist ja jeder sein eigener Herr.

Ich bin jedenfalls froh, dass ich dem René mit meinem quasi nagelneuen S5 seine Kaufentscheidung aktiv erleichtern und ihm ein attraktives, faires Angebot machen konnte. Ich wünsche Dir, René, mit dem Renner mindestens genauso viel Spaß, wie ich ihn hatte - und alles Gute! Ich hoffe, ich kann Dich und das S5 demnächst mal bei einem Rennen oder einer Ausfahrt bestaunen?


Es war ... es IST ein so geniales Rennrad - das Cervélo S5.

Ich sagte am Beginn dieses Artikels, dass ich ein weinendes und ein lachendes Auge. Lachend deshalb, weil nun Platz ist, für mein neuestes Projekt. Denn es wird nicht nur ein nagelneues Rennrad kommen, sondern mit ihm auch die größte sportliche Herausforderung meines bisherigen Lebens.

Und das wird eine Reise, die ... arschgeil wird! 



Habt Ihr schon einmal ein gebrauchtes Rennrad - womöglich aus Carbon - gekauft? Worauf achtet Ihr, was ich hier vergessen habe? Ich freue mich über Eure Comments.

8 Kommentare:

  1. Ich hatte ja schon fast angenommen, Du würdest uns mit einem Liegerad oder einem Tretroller überraschen. Aber nein, Du wechselst nur in den Triathlonsport - mit einem Cervelo P5... ;-)
    Schöne Grüße,
    Chris

    AntwortenLöschen
  2. RAAM 2015 auf einem schicken neuen Cervelo P5!?
    Gruß, Marco
    PS: Bist Du jetzt bei der Seenrunde MV dabei?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. moin marco,

      nope, ein P5 wirds nicht :)

      die MSR möchte ich fahren, bin aber noch nicht angemeldet, da ich noch nicht den genauen trainingsplan und alle termine habe. sollte aber klappen.

      grüße & ride safe,
      L

      Löschen
  3. Hallo Lars, ich habe mal ein LOOK 451 aus Carbon gebraucht gekauft, über EBay. Ich denke, beim kauf eines gebrauchten Carbon Bikes sollte man die gleichen Punkte beachten wie beim Kauf eines Alu oder Stahlrades. Sicherlich sind einige Komponenten wie Lenker aus Carbon empfindlicher, aber ein alter, abgerockter Alu Lenker ist ja durchaus auch ein Bruch - Kandidat. Ich wäre da auch eher übervorsichtig. Bin halt 'n Schisser. Andere Leute eher nicht, wie es mir scheint. Mit diesem LOOK hatte ich in den Vierlanden am Deich nen ordentlichen Unfall, bin durch meine Schuld auf ein geparktes Auto aufgefahren. Ergebnis... Schlüsselbein kaputt, dicke Beule am Kopf... das Rad hatte bis auf ein paar minimale oberflächliche Schrammen keinerlei Hinweise auf ernsthafte Schäden. Genauso wenig, wie die Carbon Vorbau/Lenker Einheit. Aber ehrlich - ich hätte kein gutes Gefühl mehr, damit zu fahren. Also was neues gekauft und den alten Rahmen sowie die Vorbau/Lenker Einheit mit dem DEUTLICHEN hinweis auf Unfall mit eventueller Schädigung im TOUR Forum verkauft. Ging Ruck-Zuck, war ein Schnäppchen, da ich den Rahmen auch günstig angeboten habe... eben als Unfall-Teil. Aber aus Schriftverkehr mit den Käufern der Teile ging klar hervor, die wollten damit fahren und hatten keinerlei Bedenken... na ja... mein Ding wäre das nicht. Wie auch immer... man kann nie vorsichtig genug sein und bei offensichtlichen Macken gilt tatsächlich nur: Finger weg! Aber was sich unterm Lack verbirgt, kann man leider eben dann doch nicht sehen. Das gilt ja auch in gewissem Sinne für Neu-Rahmen. Aber nun bin ich auch neugierig, was du dir jetzt gekauft hast! Bei Robert? Ich kann ihn ja mal fragen, wenn ich am Mittwoch oder Donnerstag mein neues R3 bei ihm abholen werde... :-) Grüße - Andi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. moin andreas,

      danke für deinen kommentar.

      robert hat (erst mal) mit dem neuen rad nix zu tun, der wird dir nichts sagen können :)

      grüße & schick mal nen foto vom R3.

      L

      Löschen
  4. Moin Lars,

    endlich wird es ein Troytec Revolution. Wurde ja auch wieder Zeit, dass du zurück auf einen Lieger wechselst. Damit wird dann auch die ROAM machbar :D ...

    Gruß,
    Jan

    AntwortenLöschen
  5. Sehr schön geschrieben!

    AntwortenLöschen